ADB:Harpprecht, Ferdinand Christoph

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Artikel „Harpprecht, Ferdinand Christoph“ von Johann August Ritter von Eisenhart in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 10 (1879), S. 619–621, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Harpprecht,_Ferdinand_Christoph&oldid=- (Version vom 26. April 2024, 21:10 Uhr UTC)
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Harpprecht: Ferdinand Christoph H., Rechtslehrer, geb. am 3. Juni 1650 zu Tübingen, Urenkel des Johann H. (s. d.) und Sohn des Hofgerichtsadvocaten Johann Christoph H., machte seine philosophischen und juristischen Studien zu Tübingen, wo es namentlich Lauterbach war, der anregend auf ihn wirkte und mit dem er häufig verkehrte. 1673 errang er die höchste akademische Würde, nahm die anwaltliche Praxis, und soll während deren fünfjähriger Ausübung nur zwei Processe verloren haben. Als Herzog Wilhelm Ludwig im Juni 1677 zu Hirsau mit Hinterlassung des minderjährigen Erbprinzen Eberhard Ludwig das Zeitliche gesegnet hatte, berief des Verlebten Bruder, Friedrich Karl, welcher gleich seinem Vetter Friedrich die Vormundschaft nebst der Landesverwaltung anstrebte, H. als Sachwalter nach Stuttgart, und reiste dieser am 4. August 1677 im Gefolge des Herzogs Friedrich Karl zur wirksamen Vertretung dessen Anliegens an den kaiserlichen Hof nach Wien. Harpprecht’s gewandter Sachführung gelang es, daß seinem hohen Vollmachtgeber im November [620] 1677 durch kaiserliche Resolution Vormundschaft und Administration übertragen wurden. Nach solch’ glücklicher Erledigung des Auftrages erhielt H. am 27. December desselben Jahres den Titel eines herzoglichen Rathes und wurde auf Empfehlung des Herzogs am 28. Mai 1678 einstimmig zum Professor der Rechte in Tübingen gewählt. 1680 erledigte er als Bevollmächtigter zu Mömpelgart mehrere die herzogliche Regierung dortselbst betreffende Geschäfte, nahm im folgenden Jahre mit dem Oberhofmeister Freiherrn Johann v. Varnbüler die gesammte Grafschaft in Huldigung, und ging 1684 in dieser Angelegenheit auf herzogliche Einladung zur Berichterstattung nochmals nach Stuttgart. Am 18. Octbr. 1688 wurde er unter Beibehaltung seines Lehramtes erster Assessor am Hofgerichte, dann comes palatinus, welche Würde ihm der kaiserliche Reichsvicekanzler Graf Schönborn verlieh. Bereits 1678 war er Rath des Grafen von Wolkenstein geworden, welche Auszeichnung ihm später auch Seitens des Prinzen Ludwig von Baden, der Reichsstadt Reutlingen und des Klosters Frauenalb zu Theil wurde. Seine Vorträge zogen Schüler aus allen Kreisen des Reiches nach Tübingen, und in häufigen Fällen wurde er um Rechtsgutachten angegangen, für deren Abfassung er hohe Honorare bezog. Die Universitäten von Heidelberg, Frankfurt a. O., Helmstädt und Gießen bemühten sich den gefeierten Gelehrten für sich zu gewinnen; er blieb jedoch an der Eberhard-Karl-Schule, welche ihn zwischen 1683 und 1714 siebenmal zum Rector erwählte. H. nahm unter den Civilisten seiner Zeit eine hervorragende Stelle ein vermöge seiner umfassenden Rechtskenntnisse, seiner raschen Auffassung und seines praktischen Blickes. Er hat dem damals wieder in Aufnahme gekommenen deutschen Rechte besondere Beachtung zugewandt, eine gediegene Abhandlung über den Unterschied des gemeinen und würtembergischen Rechtes veröffentlicht, und durch seine große, 3 Theile umfassende Consiliensammlung („Consilia Tubingensia“, Tub. 1695–1701 Fol.) – eine Fortsetzung der bekannten Besold’schen – unleugbaren Einfluß auf die Rechtsprechung gewonnen. Auch seine „Responsa juris civ. et crim.“, 6 Vol. Tub. 1701. 2. 6–8. Fol. waren gleich den „Consultationes crimin. et civiles“, T. 3. Tub. 1710–12. 4°. sehr gesucht und in den Händen der meisten Praktiker. Nebenbei schrieb er gegen 90 Dissertationen, welche gesammelt 1692 und 1737 als „Dissertat. academ.“ zu Tübingen in 4°. erschienen. Der geradezu massenhafte Stoff ist vorwiegend dem römischen Civilrechte unter besonderer Berücksichtigung des Erbrechtes entnommen, und zur besseren Orientirung an die Spitze jeder Abhandlung ein „Summarium“ gesetzt. H. war eine gewinnende Persönlichkeit von vornehmem Aeußern und hübschen, ebenmäßigen Gesichtszügen. In der Schule von seinem Vater gleich seinem älteren Bruder für das Studium der Gottesgelahrtheit bestimmt beschäftigte er sich während seines ganzen Lebens gerne mit theologischen Schriften und hatte nach eigenhändiger Aufzeichnung in seiner Handbibel dieselbe bis zum Jahre 1703 29 mal durchgelesen, so daß er ganze Stellen des alten und neuen Testamentes auswendig wußte. Des Tages Arbeit begann er regelmäßig mit einem geistlichen Gesange; mit einem solchen beschloß er auch seine Tage. Der Auflösung nahe wollte er noch das Lied hören: „Was Gott thut, das ist wohlgethan etc. etc.“, dann schwanden die Sinne und das Leben entwich am frühen Morgen des 9. Novbr. 1714. Seine beiden Frauen, Professorentöchter aus Tübingen, deren erste 1682 starb, schenkten ihm 15 Kinder, von welchen sich der ersteheliche Sohn Georg Friedrich als Mitglied der Tübinger Juristenfacultät auszeichnete (s. diesen). Dr. Perziger’s[1] Leichenpredigt sind das von Haid gefertigte Porträt Harpprecht’s, „dessen Lebenslauff“ und eine Sammlung von nicht weniger als 37 Epicedien der Freunde und Verwandten des Verblichenen beigegeben. Die 2. Auflage der Dissertationen Harpprecht’s enthält einen mangelhaften [621] Auszug aus dem eben erwähnten „Lebenslauff“. Ein Verzeichniß der wesentlichsten Arbeiten Harpprecht’s bei Jöcher II, 1372.

Böck, Gesch. der Univers. Tübingen 132. – Georgii, Biogr. geneal. Bl. aus Schwaben 311.

[Zusätze und Berichtigungen]

  1. S. 620. Z. 4 v. u. l.: Pregitzer (st. Perziger.) [Bd. 11, S. 795]