ADB:Heinsius, Daniel
Jos. Scaliger, der ihn am mächtigsten anzog und bis zu seinem 1609 erfolgten [654] Tode des H. treuester Lehrer und väterlicher Freund geblieben ist. Zwar hatte Heinsius’ Vater, als er von dessen lauem Besuche der juristischen Collegien hörte, ihn von Leiden nach Hause zurückberufen, doch war sein Widerstand gegen des Sohnes Neigung bald gebrochen, indem wir diesen nach kurzer Zeit wieder in Leiden finden, im engen Verkehr mit einem Marnix d’Aldegonde, Joh. Dousa und anderen berühmten Zeitgenossen. Seine schriftstellerische Thätigkeit, die sehr bald eine äußerst fruchtbare wurde, eröffnete H. in seinem 20. Lebensjahre mit Herausgabe der „Crepundia Siliana seu notae in Silium Italicum“ (Leiden 1610), die bereits eine ungewöhnliche Kenntniß der classischen Schriftsteller bekundeten. Bald darauf (1602) wurde ihm von den Curatoren der Universität Leiden die Erlaubniß ertheilt, Vorträge über alte Dichter zu halten; 1604 erhielt er ein außerordentliches Lehramt der Poesie; das Jahr darauf wurde er zum Professor der griechischen Sprache und Politik, nach Paul Merula’s Tod (1607) auch zum Custos der Universitätsbibliothek ernannt. 1609 ward ihm das Amt eines Secretärs des akademischen Senats zu Theil, 1613 wurde er als Nachfolger von Dominicus Baudius auch mit dem Lehramt der Geschichte betraut. Im Jahre 1617 vermählte er sich mit Ermingard Rutgers, einer Schwester des berühmten Staatsmanns und Dichters Joh. Rutgers, durch welche Ehe er mit bedeutenden Familien in enge Beziehungen trat. Wie sein zweites Vaterland seine gelehrten Verdienste anerkannte und würdig belohnte, eben so wurden ihm auch vom Ausland große Auszeichnungen zu Theil. Gustav Adolf von Schweden ernannte ihn im J. 1618 zum Reichshistoriographen und verlieh ihm später noch die Rathswürde, von der Republik Venedig, die damals mit den Vereinigten Staaten ein Bündniß geschlossen hatte, wurde er im J. 1621 zum Ritter des St. Marcus-Ordens ernannt; endlich Papst Urban VIII. lud ihn ein, nach Rom zu kommen, „um in der ewigen Stadt und in Italien, wo man Mangel an gelehrten Leuten habe, die verfallene Gelehrsamkeit wieder aufzurichten“. Schon im J. 1616 hatte H. an einen Freund geschrieben: „Valde Itali nos amant et jam clanculum εἰς τὴν ἑπτάλοφον ingenti praemio videndae urbis causa invitamur“. – An den kirchlichen Streitigkeiten zwischen den Remonstranten und Contraremonstranten, welche der ehrgeizige Statthalter Moritz von Oranien zur Vernichtung seiner republikanisch gesinnten Gegner, die auf Seite der Arminianer standen, benutzte, nahm H. lebhaften Antheil. Als eifrigen Gomaristen und kundigen Lateiner wählten ihn die Bevollmächtigten der Generalstaaten auf der Synode zu Dordrecht (1618–19), auf welcher der letzte Schlag gegen die Arminianer geführt wurde, zu ihrem Schriftführer. Diese Parteinahme – ein dunkler Punkt in seinem Leben – verwickelte ihn in heftige Streitigkeiten mit hervorragenden Arminianern, die sich viele Jahre fortspannen, und verfeindete ihn auch mit Hugo Grotius, dem er früher so begeistert gehuldigt hatte. Man hat H. auch beschuldigt, daß er zu den „Acta synodi nationalis Dordrechti habitae“ (Dordrecht 1620, 4°) die große Praefatio ad ecclesias geschrieben habe, in welcher die traurige Vorgeschichte der Synode in sehr parteiischer Weise dargestellt ist. Wie es scheint, so waren diese religiösen Wirren Ursache, daß H., der auch in den Kirchenvätern gut bewandert war, sich seitdem eifriger mit neutestamentlichen Studien beschäftigt hat; ihre reifste Frucht waren die „Exercitationum sacrarum libri XX“ (Leiden 1639, Fol.), in denen sich H. als einen der besten grammatischen Schrifterklärer seiner Zeit bewährt hat. In dem diesem Werke wieder beigegebenen „Aristarchus sacer“ (zuerst selbständig 1627 erschienen) hatte er für die neutestamentlichen Schriften einen ganz eigenen Dialekt zu erweisen gesucht, den er nach dem Vorgange von Scaliger und anderen den hellenistischen nannte. Dieser Annahme und Benennung widersetzte sich Claude Saumaise in seinem „Commentarius de Hellenistica“ (Leiden 1643) und verfocht, als dagegen eine [655] anonyme Abhandlung „Exercitatio de Hellenistis“ erschien, als deren Verfasser er fälschlich den H. vermuthete, seine Ansicht in der heftigen Gegenschrift „Funus linguae hellenisticae“ mit der größten Bitterkeit. Diese Streitschriften waren ein neuer Zunder in den argen Mißhelligkeiten, die nach Saumaise’s Berufung nach Leiden (1632) zwischen beiden gleich ehrgeizigen Gelehrten ausgebrochen waren. Die Curatoren der Universität mußten wiederholt als Vermittler zwischen die hitzigen Streithähne treten; daß dabei, wie Siegenbeek berichtet (Gesch. der Leid. Hoogesch. I. 149), die Entscheidung in der Regel für Saumaise ausfiel, spricht nicht gerade zu Heinsius’ Gunsten. Erst im J. 1644 kam eine Art von Frieden zu Stande, wie sich aus einem noch jetzt vorhandenen Protokoll ergibt. Von einem heftigen Fieber, von dem H. im J. 1652 befallen wurde, konnte er sich nicht mehr erholen und starb im hohen Alter am 25. Februar 1655. –
Heinsius: Daniel H. (eigentlich Heins oder Heyns), Philolog und Dichter, geb. zu Gent am 9. Juni 1580 von angesehenen Eltern. Er war erst drei Jahre alt, als sein Vater vor den religiösen Verfolgungen der Spanier zuerst in England, sodann in Holland eine Zuflucht suchte. An wie verschiedenen Orten auch der junge H. seine Knabenjahre hingebracht hatte, so erhielt er doch einen guten Unterricht und entwickelte schon in frühen Jahren große Fertigkeit im Versemachen. Im J. 1595 bezog er die Universität zu Franeker, später die zu Leiden, um nach dem Wunsche seines Vaters, der aus ihm einen Advokaten machen wollte, die Rechte zu studiren, aber seine Neigung zog ihn weit mehr zu humanistischen Studien. Besonders für die griechische Sprache hatte er schon früh große Vorliebe gefaßt, welche in Leiden durch die Vorträge des Bonaventura Vulcanius noch bedeutend gesteigert wurde, aber vollends entscheidend für seine künftige Laufbahn wurde die Bekanntschaft mit dem großenH. ist als Dichter ebenso berühmt, wie als Gelehrter geworden. Den großen Beifall, den seine lateinischen Gedichte fanden, beweisen ihre zahlreichen Auflagen. Eine erste Sammlung, „Elegiae et sylvae“, erschien 1603; die von seinem Sohne Nikolaus besorgte Ausgabe vom J. 1640, „Poemata auctiora“ enthält auch die „Libri IV de contemptu mortis“, ein schönes Lehrgedicht über die Unsterblichkeit der Seele nach Plato’s Lehre, und die ziemlich frostige Tragödie „Herodes infanticida“. Mit einer anderen Tragödie auf den Tod Wilhelms I., „Auriacus sive Libertas saucia“, war er schon als Jüngling von 22 Jahren hervorgetreten. Seine zahlreichen griechischen Gedichte, die kaum einen höheren Werth als den gelehrter Spielereien beanspruchen können, erschienen am vollständigsten in der oben erwähnten Ausgabe der „Poemata auctiora“ mit dem Separattitel: „Poemata graeca et e graecis (besonders Theokrit) reddita“. Seine geschätzten „Nederduytsche Poemata“ (im Anhang Lofsanck van Jesus Christus und Lofsanck van Bacchus) wurden von Pet. Scriverius (Schrijver) zu Amsterdam 1616 herausgegeben, schwerlich deshalb von fremder Hand, weil sich H. ihrer geschämt hat, sondern weil er dem allgemeinen Vorurtheil seiner Landsleute gegen Dichtungen in der Muttersprache nicht direct entgegentreten wollte. Sie sind auch für die deutsche Litteratur von Bedeutung geworden, weil sie einen großen Einfluß auf Opitz und seine Schule gehabt haben. Die gleichfalls oft aufgelegten Orationes, von denen die mit vieler Wärme geschriebenen Gedächtnißreden auf Jos. Scaliger, Joh. Dousa und Phil. Cluver besonders hervorzuheben sind, zeichnen sich durch ihre kräftige und schwungvolle Sprache vor vielen ähnlichen sehr vortheilhaft aus. Geschätzt ist auch sein Geschichtswerk: „Rerum ad Sylvam-Ducis atque alibi in Belgio aut a Belgis anno 1629 gestarum historia“, Lugd. Bat. 1631, fol. Aber hauptsächlich waren es seine philologischen Arbeiten, durch die sich H. einen so hohen Ruhm erworben hat. Der lateinischen Litteratur gehören an Ausgaben des Silius Italicus, Horatius, Terentius, Virgilius, der Tragödien des Seneca, des Ovidius, Livius, Prudentius und einige Abhandlungen. Bedeutender sind seine umfangreichen Arbeiten auf dem Gebiete der griechischen Litteratur, durch die er sich, wenn auch die Ausgaben des Hesiod, Theokrit und Theophrast schwache Leistungen sind, als einen der gelehrtesten Hellenisten seiner Zeit bewährt hat. Es sind folgende: „Hesiodi carmina gr. et lat. cum scholiis graecis“, 1603 u. 1613. „Theocritus cum scholiis gr.“, 1604. „Paraphrasis Andronici Rhodii in Aristotelis ethica ad Nicomachum cum interpretatione“, 1607 u. 1617. „Maximi Tyrii dissertationes XLI gr. et lat. mit Alcinoi in doctrinam Platonis introductio“, 1607 u. 1614. „Dissertatio de Nonni Dionysiacis“, 1610. „Aristotelis de poetica liber gr. et lat. cum dissertatione de constitutione tragica secundum Aristotelem“, 1611. „Theophrasti opera gr. et lat.“, 1613, fol. „Clementis Alexandrini opera gr. et lat. cum notis F. Sylburgii, interpretatione emendata [656] per Dan. H.“, 1616. „Aristotelis Politicorum libri VIII gr. et lat. cum perpetua paraphrasi“, 1621. „Aphthonii et Theonis progymnasmata gr. et lat.“, 1626. „Aristarchus sacer sive Exercitationes ad Nonni metaphrasin in Johannem“, 1627, und im Anhang der oben erwähnten „Exercitationes sacrae“, 1639.
- Siegenbeek, Geschied. d. Leid. Hoogesch., 1829–32, an verschiedenen Orten. Alma Academia, Leid. 1614, S. 201 ff. (Autobiographie?). Thysii oratio funebris in Witten, Mem. philos. II. 171 ff., eine schwülstige an Thatsachen arme Panegyrik. Peerlkamp, De poetis lat. Neerl. p. 378–383. Fr. Jacobs in der Haller Encykl. Eine genügende Lebensgeschichte, wie eine solche der jüngere Burman über Nicolaus Heinsius gegeben hat, fehlt noch, wie auch bei van der Aa, VIII. S. 424 bemerkt ist.