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ADB:Heppe, Heinrich

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Artikel „Heppe, Heinrich Ludwig Julius“ von Wilhelm Falckenheiner in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 16 (1882), S. 785–789, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Heppe,_Heinrich&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 01:36 Uhr UTC)
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Heppe *): Heinrich Ludwig Julius H., wurde am 30. März 1820 in Kassel geboren. Er stammte aus einer streitbaren Familie, die den tapferen, allem Widerstand muthig entgegengehenden Kirchenstreiter gleichsam ahnungsvoll vorbildete. Sein Großvater, ein wohlhabender „Titemann“, wie der Volksmund unsere guten Eschweger zu bezeichnen liebt, wurde als junger Ehegatte für den Kriegsdienst in Amerika gepreßt und fand erst nach langjährigen Kriegsfahrten die Seinen in zerrütteten Vermögensverhältnissen wieder. Ein aus dieser Ehe hervorgegangener Sohn, der Vater unseres H., nahm als westphälischer Soldat an dem Napoleonischen Feldzuge gegen Rußland Theil und entging nur wie durch eine Kette von Wundern dem in der verschiedensten Gestalt auf ihn lauernden Tod. Hatte man ihn schließlich doch bei der Belagerung von Danzig schon als Todten in den Sarg gelegt! Nachher, als der Kurfürst von Hessen in sein Land wiederkehrte, fand der junge Soldat (Dank seinem entschiedenen musikalischen Talent) ein, wenn auch spärliches Auskommen als Hautboist bei der kurhessischen Leibgarde, – deren Musikkorps bei festlichen Gelegenheiten die berühmten silbernen Instrumente führte –, und als Mitglied der Hoftheaterkapelle, die durch Verwendung der Militärmusiker billig unterhalten wurde. Schreiber dieses sieht im Geiste noch immer die untersetzte Gestalt des wackeren Mannes, in dessen ernsten Zügen eine kampfesvolle Lebensgeschichte deutlich geschrieben stand, lebhaft vor Augen, wie er in etwas vorgebeugter Haltung, die (im Dienste freilich streng verpönte) Brille auf der Nase, an Theaterabenden in Civilkleidung von der Wohnung am Martinsplatze seinen gewohnten Weg zum Orchester nahm. Von solchem Vater erbte der junge Heinrich die ihm eigene seltene Zähigkeit und den wackern Kampfesmuth, während die zarte Mutter und ganz besonders die vielgeprüfte Großmutter die Keime christlicher Frömmigkeit in dem Kindesherzen pflegte. Daß ihr geliebter Heinrich einmal Pastor, und dessen jüngerer Bruder „Schulmeister und Kirchendiener“ werden sollte, war und blieb ein großmütterlicher Lieblingsgedanke. Vergeblich wollte der Vater, unterstützt durch das günstige Urtheil seines Kapellmeisters L. Spohr über die kräftige, bildungsfähige Stimme Heinrichs, einen Sänger aus ihm machen. Die großmütterliche Saat war im Herzen des Knaben aufgegangen, und dieser entschied sich mit einer in seinen Jahren seltenen Festigkeit für das Studium der Theologie. Gelang es ihm auch nach einiger Zeit, freien Unterricht im Kasseler Gymnasium zu erlangen, welches damals unter Weber’s tüchtiger Leitung als Staatsanstalt reorganisirt wurde (früher gab es nur ein städtisches „Lyceum“), so mußte doch der arme Junge die Mittel zur Beschaffung von Büchern etc. durch Privatunterricht mühsam erringen. Aber dadurch ließ sich seine unverwüstliche Energie ebensowenig beirren, wie seine Frömmigkeit durch den von seinen Mitschülern ihm beigelegten Spottnamen des „Mystikers“, womit damals alle über das Niveau des platten Rationalismus sich erhebenden Gemüther bezeichnet zu werden pflegten. Wer ihn damals persönlich kannte, wird das Bild der langaufgeschossenen, schmächtigen Gestalt mit dem bleichen, hageren Gesicht und den trotz der Brille tiefblickenden Augen gewiß im treuen Gedächtniß bewahren. Seine beschränkten häuslichen Verhältnisse gestatteten ihm keinen ausgedehnten Verkehr, aber mit um so treuerer Liebe hing er an seinem kleinen Freundeskreise, und solche feste Freundesliebe hat er, unbeirrt durch Verschiedenheit der Lebensstellungen und Anschauungen, seinen Jugendkameraden bis in den Tod bewahrt. Der Verfasser dieser Zeilen, der als Primaner mit ihm auf derselben Schulbank saß, denkt bei der Erinnerung an jene längst verklungenen Tage noch bewunderungsvoll an die trefflichen lateinischen Extemporal-Aufsätze [786] des schon damals Sprachgewaltigen, die durch ihre fabelhafte Länge und etwas hieroglyphische Handschrift dem Director für die Durchsicht fast die dreifache Zeit kosteten, aber dabei stets als Muster lateinischen Stils hingestellt wurden. Auch sonst und vor Allem in der Geschichte that sich der hoffnungsvolle Jüngling besonders hervor, während die Mathematik stets seine schwache Seite blieb. Zu Ostern 1839 bezog H. nach wohlbestandener Maturitätsprüfung die Universität Marburg, wo die Professoren Henke, Rettberg, Hupfeld ihn wissenschaftlich besonders anregten, Hupfeld namentlich für das Studium der orientalischen Sprachen, welchem H. mit großem Eifer sich hingab. Bei den burschenschaftlichen Idealen, welche der schwärmerische Jüngling in seiner Seele trug, konnte ihn das Corpsleben nur abstoßen. Er beschränkte sich auch hier wieder auf einen kleinen Freundeskreis, mit dem er in der schönen Jahreszeit gern die herrlichen Umgebungen der Lahnstadt durchstreifte. In einem ärmlichen Stübchen der Marburger Propsteigasse, unweit des den Stipendiaten, zu deren Zahl er gehörte, als Kosthaus dienenden Propsteigebäudes hatte er sich eingemiethet. Nachdem H. im Sommer 1843 gemeinsam mit dem Schreiber dieser Zeilen in der alten, nunmehr verschwundenen Aula die Fakultätsprüfung bestanden hatte, übernahm er zunächst eine Hauslehrerstelle bei Konsistorialrath Asbrandt in Kassel, in dessen Hause er vielfache geistige Anregung fand. Nach seiner im J. 1844 erfolgten Promotion zum Doctor der Philologie, zu welchem Zwecke er seine tüchtige Erstlingsarbeit über das Gleichniß vom „ungerechten Haushalter“ mit philologischer Gründlichkeit schrieb, trat er in das geistliche Amt, und zwar als dritter Pfarrer an der St. Martinskirche in Kassel. Die tiefe evangelische Herzensfrömmigkeit, die er in seinen Predigten, wie in der seinen Confirmanden unvergeßlichen „Kinderlehre“ an den Tag legte, gewann ihm bald die Herzen seiner, durch eifrige Pflege der speciellen Seelsorge innig mit ihm verknüpften Gemeinde. Seine weitherzige Liebe zeigte sich dabei auf die wohlthuendste Weise im freundlichen Verkehr mit den Geistlichen anderer Confessionen und mit Vertretern anderer theologischer Richtungen innerhalb der eigenen Kirchengemeinschaft, ein Beweis, daß theologische Streitsucht nicht in seiner ursprünglichen Natur lag, und daß er nicht auf Händel ausging, wenn er freilich auch schon damals den ihm hingeworfenen Fehdehandschuh in ritterlicher Weise aufhob. Wo er Lauterkeit und Wahrhaftigkeit fand, ließ er gern auch andere Standpunkte gelten. So gesegnet für ihn auch in vieler Beziehung die damaligen Tage waren, so wurden sie ihm doch durch eine unglückliche, von seinem edlen Sinn zeugende Herzensgeschichte verbittert, und erst nach schwerem, innern Kampfe gelang es ihm, durch die Vertiefung in ernste kirchengeschichtliche Studien, wozu ihm sein reiches Pfarrarchiv den nächsten Anlaß bot, seiner Stimmung wieder vollständig Herr zu werden. Die 1847 in zwei Bänden erschienene „Geschichte der hessischen Generalsynode“, in welcher der nachherige Verfasser der trefflichen, zweibändigen „Kirchengeschichte von Hessen“ gleichsam seine Schatten vorauswirft, war die reife Frucht seiner gründlichen Forschungen. In welch’ großartigem Sinne H. die Kirchengeschichte von vorn herein auffaßte, zeigt sein damaliges schönes Wort: „Kirchengeschichte wird nur dann richtig dargestellt, wenn sie zugleich als Culturgeschichte behandelt wird, – weil bei christlichen Völkern alle Cultur im letzten Grunde auf dem Christenthum beruht“. Selbst das Sturmjahr 1848, wo H. als Mitglied der damals eingesetzten Kirchencommission ebenso eifrig wie erfolglos thätig war, störte ihn nicht in solchen wissenschaftlichen Beschäftigungen, denen er sogar Nächte opferte. Mehr und mehr war inmittelst der fleißige Forscher zur Klarheit über seinen wahren inneren Beruf durchgedrungen und er zögerte deshalb nicht länger, im J. 1849 seine einträgliche Pfründe mit der in äußerer Hinsicht wenig lockenden Stellung eines [787] Marburger Privatdocenten zu vertauschen, von welcher er 1850 zur außerordentlichen Professur (mit 300 Thlr., seit 1852 mit 400 Thlr. Jahresgehalt) aufstieg. In Marburg fühlte sich der junge Professor sehr zu dem damaligen Gymnasialdirector Vilmar hingezogen, dessen imponirende Persönlichkeit alsbald H. in ihrem zauberischem Banne hielt, aber nur so lange bis der Jünger, welcher schon auf den gemeinsam besuchten Kirchenconferenzen am Meister irre zu werden anfing, im Lichte der Geschichte den kirchlichen Boden, auf welchem Vilmar seit seinem Bruche mit dem Liberalismus sich gestellt hatte, als einen hohlen unevangelischen erkannt hatte. Von diesem Augenblicke an war das Tafeltuch zwischen den beiden entzwei geschnitten, und es begann nun für H. ein durch sein Gewissen ihm aufgezwungener Federkrieg, der ihm durch den Einfluß der damals allmächtigen Partei auch in seiner äußeren Lebensstellung schwere Einbuße brachte. Heppe’s innerster Lebenskern war eben die Wahrhaftigkeit, die sich von der unlautern Verquickung geistlicher und weltlicher Herrschaftsgelüste ebenso empört fühlen mußte, wie von dem Gebaren hessischer reformirter Geistlicher, die nach Vilmar’s Vorbilde, unter den derbsten Schmähungen auf die reformirte Kirche den guten Hessen einzureden versuchten, sie „bildeten sich nur ein“, reformirt zu sein. „Es handelt sich jetzt“, so konnte H. damals mit Recht ausrufen, „nicht um den Kampf der reformirten und der lutherischen Kirche, es handelt sich vielmehr um Rettung des bedrohten reformirten Bekenntnisses innerhalb der reformirten Kirche selbst und um Rettung des evangelischen Protestantismus überhaupt.“ Stand es doch für Heppe’s Ueberzeugung fest, daß die in die reformirte Kirche eindringende lutheranisirende Tendenz, welche auf die „eingebildete Lehrkorrektheit des Lutherthums“ und auf die Macht des „sündenvergebenden Amtes“ besonders pochte, im letzten Grunde aber die Aufrichtung einer „unevangelischen Hierarchie in Hessen“ anstrebte, nur das deutsche Seitenstück zum englischen Puseyismus darstelle, der auch bei Vilmarianern in förmlichen Uebertritt zum Katholizismus thatsächlich auslief. Doch kehren wir zunächst zum äußeren Lebensgange Heppe’s zurück! Bald genug mußte er die Folgen der Ungnade, die er sich durch seinen rücksichtslosen Kampf gegen die von oben damals protegirte Partei Vilmar’s in den maßgebenden Kreisen zugezogen hatte, bitterlich genug empfinden. Er blieb auf dem knappen Gehaltssatze von 400 Thlr., mit dem er seine Familie und den alten, in sein Haus aufgenommenen Vater unterhalten mußte, bis zum Jahre 1862 stehen, wo er es auf volle 500 Thaler brachte. An ehrender Anerkennung von anderer Seite fehlte es freilich nicht. Bereits im J. 1852 war er anläßlich der 300jährigen Jubelfeier des Passauer Vertrags zum Doctor der Theologie ernannt worden, und zwei Mal war er nahe daran in Folge eines Rufes seine Marburger Professur mit einem auswärtigen Lehrstuhle zu vertauschen, doch blieb er seiner lieben Philippina treu bis ans Ende. Auch auf praktischem kirchlichen Gebiete ließ er es nicht an Thätigkeit fehlen. Seine Verdienste um das hessische Diakonissenhaus, dessen Mitbegründer er war, sind noch in frischem Andenken, und in vielen hessischen Christenhäusern findet man neben dem „Habermännchen“ und Starke sein in vier Auflagen erschienenes, echt erbauliches „Gebetbüchlein“. Der Ertrag seiner schriftstellerischen Thätigkeit im Verein mit seiner Sparsamkeit und einem kleinen Heirathsgute hatte es ihm ermöglicht, am Nordabhange des Schloßberges ein liebliches Heim sich zu begründen, wo er an der Seite seiner zweiten treuen Gattin, geb. Soldan (die erste geb. Scheffer, hatte er frühe verloren) und im Schoße eines trauten Kinderkreises mitten im Kampfe seligen Frieden schmeckte. Gegen Ende 1878 begann sein Leiden, das sich zum Speiseröhrenkrebs ausbildete. Vergeblich suchte er im Sommer 1879 in Baden-Baden Heilung. Noch kränker kehrte er in seine Heimath zurück, wo [788] er am 25. Juli 1879 die müden Augen schloß. – Eine kurze Uebersicht seiner Schriften, welche von seiner eminenten Arbeitskraft Zeugniß gibt, möge hier folgen. Von kirchengeschichtlichen größeren Werken erwähnen wir, außer den bereits genannten, nur noch: die „Geschichte des deutschen Protestantismus“ (4 Bde.) – zu deren Abfassung „der Ernst und die Noth der Gegenwart, wo heidnischer Humanismus, sektirerischer Orthodoxismus und antievangelischer Romanismus die protestantische Kirche zu zertreten drohen, und wo Verläugnung der Geschichte und der geschichtlichen Wahrheit an der Tagesordnung ist“, ihn angetrieben hatten. Trotz aller Unterschiede zwischen der durch die deutsche Reformation gewollten „Kirche der Getauften“ und der von der französischen Reformation betonten „Kirche der Prädestinirten“ wird in dem „unabweisbaren Drange hülfsbekümmerter Herzen nach persönlicher Heilsaneignung“ treffend das gemeinsame Grundprincip des Protestantismus auf geschichtlichem Wege hier nachgewiesen. Ferner erwähnen wir: „Die Entwickelung der protestantischen Kirche“ (1854) und die „Geschichte der evangelischen Kirche von Cleve-Mark“; aus dem speciellen Gebiete der reformirten Kirche gehört hierher die treffliche, in der Hagenbach’schen Sammlung von Vätern der reformirten Kirche enthaltene Monographie von Th. Beza. Seine beiden Werke über „Die presbyteriale Synodalverfassung der evangelischen Kirche in Norddeutschland“ und über die Verfassung der evangelischen Kirche im ehemaligen Kurhessen zeugen von seinen gründlichen Studien über die kirchliche Verfassungsgeschichte. Daneben aber vertrat er auf dem Lehrstuhle, wie mit der Feder in würdigster Weise auch die systematische Theologie. Die „Dogmatik des deutschen Protestantismus im 16. Jahrhundert“ (3 Bde.) zeigt die Einheit in aller Mannigfaltigkeit des protestantischen Lehrbegriffs und dieselbe Grundtendenz wird, den gegnerischen Behauptungen zum Trotz, in der „Dogmatik der evangelisch-reformirten Kirche“ (1861) siegreich behauptet. Zum Belege dienten die von H. herausgegebenen „Altprotestantischen Bekenntnißschriften“, sowie die in den Schriften zur reformirten Theologie gesammelten „Bekenntnißschriften der reformirten Kirche Deutschlands“. Neben der Kirche aber war es die Geschichte der auf evangelischem Grunde erwachsenen deutschen Volksschule, die Heppe’s Forschergeist eingehend beschäftigte, wie sein fünfbändiges, auf mühsamen Quellenstudien beruhendes und in der That bahnbrechendes Werk über diesen Gegenstand beweist. Mag es auch im Lauf der Jahre über den ursprünglichen Rahmen hinausgewachsen und deshalb in der Behandlung des Stoffes etwas ungleichmäßig erscheinen, so bietet es doch eine reiche Fundgrube für jeden späteren Geschichtsschreiber der deutschen Volksschule. Noch im J. 1874 gab ihm das „Schulaufsichtsgesetz“ Anlaß, das Anrecht des Staates auf die Schule den erfolgten Angriffen gegenüber wacker zu vertheidigen, wie denn der echt nationale Sinn mit dem kirchlichen Sinne bei ihm stets Hand in Hand ging. Liebe zum himmlischen Vaterlande konnte er sich nie ohne Liebe zum irdischen Vaterlande denken; seine Frömmigkeit war ein Baum, welcher fest in der heimathlichen Erde wurzelnd, seine Krone in den Himmelslüften wiegt. Die zuletzt erwähnte Gelegenheitsschrift führt uns zu der langen Reihe von polemischen Gelegenheitsschriften hinüber, in denen H. so recht als der „Rufer im Streite“ erschien, wie er mit Recht genannt worden ist. Nachdem Vilmar im Jahrgange 1851 des damals von seinem Freunde Piderit redigirten „Volksfreundes“ den Kampf eröffnet hatte, trat H. zunächst mit der „Confessionellen Entwickelung des hessischen Kirche“ (1853) auf den Plan. Später erschien die in Hessen epochemachende „Denkschrift über die confessionellen Wirren in Hessen“ (1854), und eine reiche Zahl von Broschüren über die „Verbesserungspunkte“ des Landgrafen Moritz, über die „Entstehung des Lutherthums“, über „Ursprung und Geschichte der Bezeichnung reformirte und lutherische [789] Kirche“, über „Das gute Recht der reformirten Kirche in Kurhessen“ etc. Hier versucht H. mit Glück den geschichtlichen Nachweis, daß der Ausdruck „lutherisch“ zuerst 1585 recipirt und im Gegensatz zu „reformirt“ im kirchenpolitischen Sinn sogar erst 1648 gebraucht ist, während die hessische reformirte Kirche, wie die deutsch-reformirte (melanchthonische) Kirche überhaupt auf echtem altprotestantischen, im sog. specifischen Lutherthum vielfach verlängertem Grunde ruhte. Von besonderer, auch praktischer Bedeutung war die Schrift „Ueber die Kirchengewalt des Kurfürsten von Hessen, aus der hessischen Kirchenordnung erwiesen“ (1856), welche mit der landesherrlichen Nichtbestätigung Vilmar’s als Superintendent der Diöcese Kassel in innigem Zusammenhange stand. Auch an persönlichen, gegen Vilmar’sche Anhänger gerichteten Streitschriften fehlte es nicht, und der Ton verbitterte sich auf beiden Seiten um so mehr, als der unheilvolle Einfluß der kurhessischen Kirchenpolitik (welche auch nach dem Sturze Vilmar’s die altprotestantischen Traditionen mehr und mehr verläugnete) auf die politischen Geschicke unseres engeren Vaterlandes sichtlich zu Tage trat. H., der bei aller Begeisterung für die deutschen Einheitsbestrebungen doch sein echtes hessisches Herz nie verleugnete, hat in seiner „Denkschrift über den Untergang des kurhessischen Staates“ jenem Geschichtspragmatismus klassischen Ausdruck gegeben. Als die im öffentlichen Leben des Staates und der Kirche hochgehenden Wogen sich mehr und mehr legten, wurde es auch stiller in Heppe’s Herzen, das stets mit dem Gemeinwohle treu zusammenschlug. Es ist bezeichnend genug für diese Friedensstimmung, daß er sich nun in die „Geschichte der quietistischen Mystik in der katholischen Kirche“ vertiefte, welche der Gegenstand seines letzten Werkes ist; das Leben und Wirken der Frau v. Guyon bildete auch den Inhalt des letzten Gespräches, welches dem Verfasser dieser Zeilen mit seinem Freunde vergönnt war. – Sollen wir noch ein abschließendes Wort über Heppe’s Charakter sagen, so möchten wir den Heimgegangenen nach seinem Kern, wie nach seiner äußeren Erscheinung mit einer naturwüchsigen deutschen Eiche vergleichen. „Rauh und knorrig“ erschien auch er in seinem Wesen, und wie der Eiche die glatte Rinde mangelt, so fehlte auch ihm der sogen. feine diplomatische Schliff in Folge seiner ganzen Lebensführung. Aber die rauhe Rinde barg einen gesunden Kern. Im Kampfe für das als Wahrheit von ihm Erkannte der bitterste, schroffste, selbst die Waffen des Spottes nicht verschmähende Feind seiner Widersacher, war er der zartfühlendste treueste Freund im persönlichen Verkehr, immer bereit zu helfen und Anderen Freude zu bereiten. Nur ein mit hoher geistiger Begabung verbundenes Herz, wie das seinige, nur eine grundehrliche Seele konnte einen so mächtigen nachhaltigen Einfluß auf seine Schüler ausüben, wie derselbe von ihm ausging. Seine schlichte Anspruchslosigkeit durfte dabei in jeder Beziehung ihres Gleichen suchen, und, ein echter Sohn des Volkes, ließ er in den etwas eckigen, steifen Bewegungen der hohen Gestalt die gediegene Kernnatur stets hindurchleuchten. Sein College Ranke in Marburg hat ihn in seinem Nachrufe auch nach dieser Seite treulich geschildert, und ebenso wahr ist das Bild, welches der nicht genannte Verfasser eines in der Allgemeinen Zeitung (1879, Beilage 226) erschienenen Nekrologs von ihm zeichnet. Gerne schließe ich, wie dieser Nekrolog, mit dem Shakespear-Worte: „Alles in Allem, er war ein Mann“, und füge das Claudius-Wort hinzu: „Sie haben einen guten Mann begraben, mir war er mehr“.


[785] *) Zu Bd. XII S. 15.