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ADB:Hermann, Carl Friedrich

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Artikel „Hermann, Karl Friedrich“ von Karl Felix Halm in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 12 (1880), S. 182–185, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Hermann,_Carl_Friedrich&oldid=- (Version vom 21. Dezember 2024, 17:58 Uhr UTC)
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Band 12 (1880), S. 182–185 (Quelle).
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Hermann: Karl Friedrich H., ausgezeichneter Alterthumsforscher, geb. zu Frankfurt a/M. am 4. Aug. 1804 als einziger Sohn von Johann Christian H., dem Begründer der bekannten Buchhandlung, † am 31. December 1855. Schon in den frühesten Jahren einen ungemeinen Lerneifer und hohe Begabung entwickelnd, erhielt er im elterlichen Hause eine sehr sorgfältige Erziehung und vollendete seine Gymnasialstudien unter der besonderen Leitung von N. G. Eichhoff [183] in Weilburg. Noch nicht 16 Jahre alt bezog er im Frühjahr 1820 die Universität Heidelberg, wo seine hauptsächlichen Lehrer Creuzer, Schlosser und Daub waren. Im Herbst 1822 ging er nach Leipzig, um unter Gottfr. Hermann und Spohn sich auch nach der grammatisch-kritischen Seite der Philologie auszubilden. Nachdem er 1824 auf Grund der Abhandlung „Specimen commentarii critici in Plutarchi de superstitione libellum“ den Doctorgrad erworben hatte, unternahm er zu seiner weiteren Ausbildung eine Reise nach Oesterreich und Italien, die sich auf 14 Monate erstreckte. In seine Heimat zurückgekehrt, habilitirte er sich 1826 zu Heidelberg, konnte es aber, wiewol er sich durch seine gelehrten Vorträge einen bedeutenden Zuhörerkreis erworben und durch die Herausgabe des Lehrbuchs der griechischen Staatsalterthümer (1831) einen berühmten Namen gemacht hatte, zu keiner äußeren Anerkennung bei der badischen Regierung bringen; erst als er 1832 einen Ruf als ordentlicher Professor nach Marburg erhalten hatte, bot man ihm eine außerordentliche Professur ohne Gehalt an, eine Ehre, die er begreiflicher Weise verschmähte, wie schwer er sich auch von Heidelberg trennte. Der fast zehnjährige Aufenthalt in Marburg, wo er sich in der Nähe der Bibliothek ein Haus mit Garten gekauft hatte, war die glücklichste Zeit seines Lebens. Von seiner Regierung mit Ehren ausgezeichnet, von Collegen und Mitbürgern hoch geachtet, von zahlreichen Schülern gefeiert, lehnte er wiederholte ehrenvolle Berufungen nach größeren Universitätsstädten ab, aber dem 1842 erfolgten glänzenden Rufe nach Göttingen als Professor der Philologie und Archäologie und Vorstand des philologischen und pädagogischen Seminars konnte er nicht widerstehen. Für ihn und seine Thätigkeit wäre es vielleicht besser gewesen, hätte er das bescheidene Marburg nicht verlassen. Von einem leidenschaftlichen Ehrgeiz beseelt, den eine reizbare Naturanlage noch steigerte, glaubte er als Lehrer an der berühmten Georgia Augusta sich zu noch höheren Leistungen berufen und verpflichtet, und gönnte sich in angestrengtester Thätigkeit, immer nach noch größeren Erfolgen ringend, nicht die geringste Ruhe mehr. Ein treuer Schüler berichtet über Hermann’s Göttinger Thätigkeit: „Trotz seiner vielen Beschäftigungen widmete er stets seine beste Zeit zum Nutzen seiner Schüler, so daß er ihnen ein Lehrer in der vollsten Bedeutung des Wortes war. An Pflichteifer that es ihm kaum ein Professor gleich. Er hielt in Göttingen regelmäßig zwei, meist fünf- oder sechsstündige Vorlesungen, er leitete außerdem allein die von ihm gestiftete theoretische Abtheilung des pädagogischen Seminars, der er drei oder vier Stunden wöchentlich widmete; endlich nahm ihn auch das philologische und das archäologische Seminar, deren Leitung er mit seinen Collegen Schneidewin, Leutsch und Wieseler theilte, mit wöchentlich vier Stunden in Anspruch. Aber trotzdem war er gerne bereit, einzelne Zuhörer in das Studium eines schwierigeren Schriftstellers an Abenden einzuführen oder neben seinen beiden Vorlesungen noch eine dritte zu halten, wenn sich ein besonderes Verlangen kund gab, wie er z. B. im Sommer 1854 21 Stunden in der Woche gelesen hat. Und das alles, obwol er daneben durch Fakultäts- und Staatsprüfungen in Anspruch genommen, als Professor der Beredsamkeit die Programme abzufassen hatte und sich mit allen neuen Erscheinungen der Wissenschaft gründlich vertraut machte.“ Ebenso rastlos arbeitete er als Schriftsteller fort, auf die sorgfältigste Ausfeilung jedes Satzes bedacht, da auch die Form den sachkundigen Meister verrathen sollte. Kein Wunder, daß der kräftig gebaute Mann, der sich der rüstigsten Gesundheit zu erfreuen schien, plötzlich zusammenbrach. Am 24. Decbr. 1855 ward ihm seine treffliche zweite Frau entrissen; der Todesfall erschütterte ihn bei seiner reizbaren Gemüthsanlage so heftig, daß er eine Woche später der Gattin ins Grab folgte. – In Hermann’s großartiger litterarischer Thätigkeit, bei der nur eine zu große [184] Breite und Ueberfülle der Darstellung für den Leser öfters ermüdend wirkt, tritt das sichtbare Bestreben hervor, sich als einen Träger seiner Wissenschaft darzustellen und durch praktisches Beispiel zu beweisen, daß der wahre Philolog in allen Gebieten des Alterthums gleichmäßig zu Hause sein solle. Es ist ihm auch bei seiner hohen Begabung und eisernem Fleiße gelungen, die verschiedenen Zweige der Alterthumswissenschaft bedeutend zu fördern, und fast für alle so verschiedenartige Gegenstände, die er behandelt hat, durch geistvolle Erörterung und scharfsinnige Combinationen neue Gesichtspunkte zu gewinnen. Besonders um die Kenntniß des griechischen Staatswesens und Kultus, sowie der alten Philosophie hat er sich die größten Verdienste erworben. Um zuerst diese Seite seiner litterarischen Thätigkeit zu berühren, so ist Hermann’s Hauptwerk, das „Lehrbuch der griechischen Staatsalterthümer“, denen 1846 die gottesdienstlichen und 1852 die Privatalterthümer folgten, an dessen Verbesserung und Vervollständigung er rastlos fortarbeitete, zuerst 1831 und noch bei seinen Lebzeiten 1855 in vierter, umgearbeiteter Ausgabe erschienen; das Werk bleibt ein dauerndes Denkmal ausgebreitetster Belesenheit und eines von gesundem Urtheil geleiteten, wohlgeordneten Sammelfleißes. Als erster Kenner des Faches besorgte er auch eine vielfach verbesserte Auflage (Leipz. 1854) von W. A. Becker’s Charikles. Nach seinem Tode erschien, von C. Gust. Schmidt herausgegeben, die „Kulturgeschichte der Griechen und Römer“, Göttingen 1857–58 in zwei Theilen. Außerdem behandelte er in einer beträchtlichen Menge von Abhandlungen verschiedene Gegenstände der griechischen Antiquitäten (besonders des Rechtswesens), Mythologie und Geschichte, von denen es genüge, eine Anzahl hervorzuheben: „Antiquitates Laconicae“, 1841; „De proedris apud Athenienses“, 1842; De probole apud Atticos“, 1847; „Symbolae ad doctrinam juris Attici de injuriarum actionibus“, 1847; „De Dracone legumiatore“, 1849; „Ueber Gesetz, Gesetzgebung und gesetzgebende Gewalt im Alterthum“, 1849; „De syntelia in jure publico Graecorum“, 1853; „Ueber Grundsätze und Anwendung des Strafrechts im griechischen Alterthum“, 1855; „De sceptri regii antiquitate et origine“, 1851; „Ueber griechische Monatskunde“, 1844; „De anno Delphico“, 1844; „De theoria Deliaca“, 1846; „Quaestiones Oedipodeae“; 1837; „De sacris Coloni etc.“. 1837; „De terminis eorumque religione“, 1840; „De Midia Anagyrasio“, 1851; „Defensio disputationis (s. Ges. Abh. S. 349 ff.) de Graeciae post captam Corinthum conditione“, 1852. Anderen Gebieten der realen Alterthumskunde gehören an die Abhandlungen 1) zur alten Litteraturgeschichte: „De distributione personarum inter histriones in tragoediis Graecis“, 1840; „De satirae Romanae auctore“, 1841; „De Hippodamo Milesio“, 1841; „De Demosthenis anno natali“, 1845; „De scriptoribus illustribus, quorum tempora Hieronymus ad Eusebii Chronica annotavit“, 1848; „De Thrasymacho Chalcedonio sophista“, 1848; „De Philone Larissaeo“, 1851 u. 1854; „De Thrasyllo grammatico et mathematico“, 1852. 2) Zur Kunstarchäologie: „Schema akademischer Vorträge über Archäologie“, 1844; „Der Knabe mit dem Vogel“, 1847; „Ueber die Studien der griechischen Künstler“, 1848; „Ueber die polygnotischen Gemälde in der Lesche zu Delphi“, 1850; „Ueber eine gallische Unabhängigkeitsmünze aus der römischen Kaiserzeit“, 1851; „Perseus und Andromeda“, 1851; „Ueber die Hadeskappe“, 1853; „Ueber den Kunstsinn der Römer“, 1855. 3) Zur Geschichte der alten Philosophie: „De Socratis magistris et disciplina juvenili“, 1837; „De methodo instituendi Socratica academiis applicata“, 1844; „De philosophorum Jonicorum aetatibus“, 1849; „Geschichte von Abdera“ (Ges. Abhandl. S. 90 ff.), 1849; „De Aeschinis Socratici reliquiis“, 1850; „De Socratis accusatoribus“, 1854. Ein besonders eingehendes Studium hatte er dem Plato und seiner Philosophie gewidmet, wie die Schriften beweisen: „Geschichte und System der Platonischen Philosophie“, [185] 1839, erster Band, in welchem Werk er in den Schriften Plato’s einen sich kundgebenden Entwickelungsgang seiner philosophischen Ansichten aus dessen Lebensgang darzulegen versucht hat (s. Ueberweg, Untersuchungen über die Echtheit und Zeitfolge Platonischer Schriften, Wien 1861, S. 37); „Platonis dialogi ex recognitione C. F. H.“, 6 voll., Lips. 1851–52; „Vindiciae Platonicae“, 1840, und mehrere andere auf Plato bezügliche Programme. Von seinen übrigen Schriften zur Kritik und Erklärung alter Schriftsteller sind hervorzuheben: vor allem seine gelehrte Ausgabe von Lucians Schrift über Geschichtschreibung, mit welcher die sprachliche und fachliche Erklärung gleichmäßig umfassenden Bearbeitung er sich im J. 1828 würdig in die philologische Litteratur eingeführt hat. „Zur Charakteristik Lucians und seiner Schriften“ (Ges. Abh. S. 201 ff.), 1849. „Lucians Schnellfuß übersetzt“, 1852. – „Progymnasmatum ad Aristophanis Equites schediasmata tria“, 1835. „Ueber den ersten Plutos des Aristoph. und kritische Bemerkungen zu dessen Wolken“ (Ges. Abh. S. 39 ff. u. 256 ff.), 1849. – „Parerga critica“ in 3 Fascik. im N. Rhein. Mus., 1843–48, und „Philologus“, X. S. 233 ff., 1855. – „Lectiones Persianae“, 1842. Krit. Textausgabe des Persius und Juvenalis, 1854. „Spicil. annotationum ad Juvenalis satiram III.“, 1839. „Vindiciae Juvenalianae“, 1854, und drei andere Programme über Juvenalis. – „Beiträge zur Kritik von Cicero’s Lucullus“ im Philologus, 1852. „Zur Rechtfertigung der Echtheit des Briefwechsels zwischen Cicero und M. Brutus“, 1844–45, 2 Abtheil., eine meisterhafte, die Streitfrage abschließende Abhandlung, welcher der große holländische Philolog Cobet, der den Leistungen der deutschen Philologie selten gerecht ist, erst jüngst in der Mnemosyne N. Ser. VII. 262 sqq. das größte Lob gespendet hat. Außerdem verdankt man H. die Herausgabe und Vollendung der großen Ausgabe des Martianus Capella von U. F. Kopp, Frankfurt 1836, 4°. Hermann’s akademische Reden (bis 1852) erschienen gesammelt mit dem Titel: „Sechs akademische Reden“, Gött. 1852. Die im J. 1849 erschienenen „Gesammelten Abhandlungen“ enthalten eine Anzahl seiner in Zeitschriften und den Verhandlungen der Philologenversammlungen zerstreuten deutschen Aufsätze, großentheils umgearbeitet. Eine von ihm selbst noch beabsichtigte Sammlung seiner so zahlreichen lateinischen und sonstigen deutschen Abhandlungen ist nicht zu Stande gekommen.

Nachruf von L. Lange in der Allgem. Zeitg. 1856, 15. Januar. Gedächtnißrede gehalten 1862 am Gymnasium zu Frankfurt a. M. von H. Rumpf, abgedruckt im Neuen Schweizer. Museum, II. S. 344 ff. Zur Erinnerung an K. F. Hermann etc. von Max Lechner, Berl. 1864.