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ADB:Hommer, Josef von

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Artikel „Hommer, Joseph Ludwig Aloys von“ von Franz Xaver Kraus in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 13 (1881), S. 59–63, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Hommer,_Josef_von&oldid=- (Version vom 23. Dezember 2024, 18:22 Uhr UTC)
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Hommer: Joseph Ludwig Aloys v. H., Bischof von Trier, geb. am 4. April 1760 zu Koblenz, † am 11. Novbr. 1836. Er entstammte einer seit etwa zwei Jahrhunderten geadelten Patricierfamilie des Nieder-Erzstiftes Trier, sein Vater, Johann Friedrich v. H., der in Löwen unter van Espen studirt hatte, war kurfürstl. trierischer Geheimerath und Archivdirector, der Sohn verlor ihn bereits im 13. Jahre. Seine Mutter, Maria Ursula v. Cramer, war die Tochter des kölnischen Reichskammergerichts-Assessors v. Cramer zu Wetzlar, aus dem edlen Hause der Cramer von Clauspruch bei Goslar abstammend. Ihr namentlich verdankte der Knabe seinen heitern, liebenswürdigen Sinn, und jenes anspruchslose offene Wesen, das dem Manne einst den Weg zu allen Herzen bahnen sollte. Mit seinem jüngeren Bruder, Arnold Joseph H. (er hatte 14 Geschwister), empfing H. seinen ersten Unterricht von einem Hofmeister, dann besuchte er das Jesuitencolleg in Koblenz, dem er später das beste Zeugniß ausstellte. Frühe war er zu dem geistlichen Stande bestimmt worden, schon als 8jähr. Knabe empfing er mit der Tonsur von dem Erzbischof Clemens Wenceslaus eine Canonicalpräbende an S. Castor. H. trat, 16 Jahre alt, in das Diöcesanseminar zu Trier, wo er zugleich 1776–78 die theologischen Vorlesungen an der Universität besuchte und sich besonders an den Canonisten Neller und den Exjesuiten Phil. Cordier anschloß. Im Herbste 1778 bezog er die Hochschule zu Heidelberg, um dort seine juristischen Studien zu machen; in dieser Zeit machte er die Bekanntschaft des zu Bruchsal residirenden Fürstbischofs von Speyer, August Grafen von Limburg-Styrum, der ihn gerne für seinen Hof gewinnen wollte; doch [60] konnte H. sich nicht entschließen, der Heimath zu entsagen, und so kehrte er 1780 nach Hause zurück, zunächst im praktischen juristischen Dienst theils bei seinem Oheim in Wetzlar, theils bei seinem älteren Bruder, dem Hofgerichtspräsidenten und Stadtschultheiß zu Koblenz, Peter Melchior v. H., beschäftigt. Nachdem er das canonische Alter erreicht, erhielt er Osterdienstag 1781 zu Trier von dem Weihbischof d’Herbain das Subdiakonat und am 9. Juni d. J. aus den Händen Hontheims das Diakonat. Er war nun statutenmäßig zum Eintritt in das Kapitel von S. Castor berechtigt, seine förmliche Aufnahme erfolgte bald darauf, am Vorabende von S. Johannis; doch begnügte er sich mit der Pfründe nicht, sondern verlangte auch nach der Arbeit in der Seelsorge. So nahm er am 14. Juni 1783 die Priesterweihe, welche ihm d’Herbain in der Jesuitenkirche zu Trier ertheilte und feierte am Pfingstsonntage in der Kirche der Deutschherren zu Koblenz seine erste hl. Messe. Um diese Zeit hatte er bereits den Schmerz, die Mutter zu verlieren. Das Kapitel von S. Castor übertrug ihm nun die kleine, ¾ Stunden von Koblenz gelegene, Pfarrei Wellersheim (12. Juni 1785), welche H. 13 Jahre lang excurrendo versah: wie er selbst in seinem Tagebuch anmerkt, nicht ohne eigenen großen Nutzen für sein inneres Leben. Außerdem war er, bereits am 12. November 1784, zum Assessor und Secretär des erzbischöflichen Offizialates ernannt worden, in welcher Stellung er 1786 eine Visitation sämmtlicher Pfarreien des niederen Erzstiftes vornahm. Zu Ende 1786 wurde er wirklicher geistlicher Rath mit Sitz und Stimme im Offizialatscollegium und beim erzbischöflichen Consistorium. In dieser Eigenschaft mußte er an den berufenen Emser Verhandlungen Theil nehmen, deren Ergebniß für sein persönliches Empfinden peinlich genug war. Die Revolution und das Einrücken der Franzosen in Koblenz 1794 (24. October) machte dieser Stellung ein Ende. H. mußte, als Vertrauensmann des Kurfürsten geächtet, über den Rhein flüchten, wo ihm der Erzbischof die Pfarrei Schöneberg auf dem Westerwald übertrug. Die Jahre, welche er hier, inmitten einer unverdorbenen Gebirgsbevölkerung zubrachte, rechnete H. stets zu den glücklichsten seines Lebens. Er mußte indessen 1802 dem Rufe des Erzbischofs auf die Pfarrei zu Ehrenbreitstein Folge leisten. Hier wirkte H. volle 22 Jahre, ein Seelsorger im schönsten Sinne des Wortes; unermüdlich, eifrig, ein treuer Freund der Jugend, durch seine wahrhaft evangelische Milde und die Liebenswürdigkeit seines edlen Charakters sich einer unvergleichlichen Popularität erfreuend. Nach dem Ableben des letzten kurtrierischen Offizials Beck wurde er 1816 (8. August) vom Domcapitel der durch den Rücktritt des Bischofs von Mannay verwaisten Diöcese zum Capitelsvicar der Diöcese rechter Rheinseite ernannt und als solcher von Pius VII. bestätigt. Als 1822 in Folge der Vereinbarung mit Rom der Bischofssitz von Trier wieder besetzt werden sollte, ersah ihn das Vertrauen des Königs von Preußen, dem damals der erste Vorschlag eingeräumt wurde, für diesen hohen Posten aus. Nur widerstrebend nahm H. denselben an. Am 3. Mai 1824 wurde er zum Bischof von Trier präconisirt, am 17. August nahm er Abschied von seiner Gemeinde, am 24. d. M. empfing er die Consecration in Münster von dem B. Kaspar Maximilian von Droste. Am 10. September langte er in Trier an, wo zwei Tage später seine Inthronisation stattfand (s. d. den Bericht über dieselbe und den Antrittshirtenbrief Hommer’s in d. Tr. Kronik, 1824, S. 194 ff.). H. fand schwierige Verhältnisse vor, die einer geschickten Hand bedurften. Die Erzdiöcese Trier war seit der Occupation 1814 ohne Bischof, ein Theil derselben wurde von Metz, ein anderer von Aachen aus beaufsichtigt. Jede Gleichmäßigkeit der Verwaltung fehlte, die Pfarrer waren ohne rechten Zusammenhang mit dem Vicariate; es galt, dem Lande einen Bischof und zugleich einen solchen zu stellen, der seine Pflichten zu der neuen Regierung richtig [61] auffaßte und der Bevölkerung den Uebergang von der französischen zu der preußischen erleichterte. Nicht leicht hätte des Königs Vertrauen eine geeignetere Persönlichkeit als H. finden können. Sein Hauptaugenmerk war zunächst darauf gerichtet, dem von ihm vorgefundenen Personal die richtige Wirkungssphäre anzuweisen und jeden nach Verdienst und Fähigkeit an den rechten Platz zu stellen. Sodann widmete er seine ganze Sorgfalt der Heranbildung des Klerus. Die Zustände, welche er in seinem Priesterseminar fand, waren nicht sehr erfreulich; er spricht sich darüber in seinem Tagebuch aus unter der Rubrik „De difficultate novos professores inveniendi“ (26. Novbr. 1828). Er entschloß sich, die ganze Direction und den größten Theil des Lehrerpersonals des Seminars zu wechseln. Mit Bedauern sah er den alten hochverehrten Regens Billen („notus erat tamquam vir pius, discretus, aequitatis amans, omnium amicus“, sagt von ihm das Tagebuch; Aufz. des 2. Decbr. 1828) scheiden, doch blieb ihm derselbe als Freund und Rathgeber. Da um jene Zeit der Professor Hermes in Bonn der hauptsächlichste Vertreter der kirchlichen Wissenschaft war und dessen System H. den Vorzug vor anderen zu verdienen schien (captu difficilior, sed solidior et magis fundata atque psychologiae magis respondere visa est, sagt das Tagebuch von Hermes’ Methode), so faßte der Bischof den Entschluß, die hermesische Theologie anzunehmen und den Freunden derselben die theologische Doction in seinem Seminar anzuvertrauen. In dem jungen F. X. Biunde und dem Regens (späteren Weihbischof) Braun gewann er hervorragende Männer von Geist, die großen Einfluß auf die neu eintretende Generation von Geistlichen übten, einen Einfluß, dessen Nachwirkung sich noch lange nach der Verurtheilung des hermesischen Systemes durch Rom in den Reihen des trierischen Klerus fühlbar machte. Die übrigen Lehrkräfte waren geringeren Werthes und befriedigten die Studirenden wenig. Dies, dazu die Strenge des Regens Braun, riefen sehr stürmische Auftritte in dem trierischen Seminare hervor, die dem Bischofe verdrießliche Stunden bereiten mußten (vgl. Urkundliche Darstellung der Vorfälle im Trierischen Seminar während des Monats August 1831. Ein Beitrag zur Geschichte des Seminars. Hanau 1834, J. G. Kittsteinersche Buchdruckerei, 164 S. in 8°). Das Tagebuch Hommer’s, im J. 1828 geschrieben, gibt eine Fülle von Beweisen, wie sorgfältig und scharf der Bischof beobachtete und wie richtig er durchweg die Verhältnisse zu beurtheilen wußte. Im J. 1828, Ende October, unternahm er eine Reise nach Belgien und den Niederlanden, wo er in Namur Mecheln, Antwerpen verweilte und treffliche Beobachtungen über den Zustand der Bevölkerung und ihre damals schon gährende Stimmung niederschrieb. Nicht minder finden sich in diesen Aufzeichnungen eingehende Erörterungen über seine eigene Stellung zu Papst, Bischöfen und Regierung und die mannigfachen Schwierigkeiten, welche sich ihm entgegenstellten. Unter diesen Schwierigkeiten war eine der vornehmsten die Angelegenheit der gemischten Ehen. In den östlichen Provinzen Preußens bestand hinsichtlich dieser Ehen eine sehr milde Praxis, welche von der Regierung erzwungen worden war, um die möglichste Abschleifung der confessionellen Unterschiede zu erzielen. Die Cabinetsordre des Königs Friedrich Wilhelm III. vom 17. August 1825 ging aber darüber hinaus, indem sie vorschrieb, daß alle Kinder aus gemischten Ehen der Religion des Vaters folgen sollten. Die Folge war, daß die Pfarrer in Rheinland und Westfalen jede Assistenz bei den Eheschließungen verweigerten, welche nicht mit dem Versprechen der katholischen Kindererziehung verbunden waren. Das Breve Pius’ VIII. vom 25. März 1830 (Litteris altero abhinc anno) machte der Regierung zwar sehr große Zugeständnisse, aber man war damit in Berlin nicht zufrieden und knüpfte durch Bunsen geheime Unterhandlungen mit dem Erzbischof von Köln, Grafen von Spiegel, an, deren Resultate die Uebereinkunft von 1834 [62] war, welche den Pfarrern die Assistenz auch bei verweigertem Versprechen der katholischen Kindererziehung auferlegte. Die Bischöfe von Paderborn, Münster und Trier traten dieser Convention bei, wie es scheint, durch das Vorgeben irre geführt, daß dieselbe in Ausführung der von Pius VIII. gegebenen Instruktion getroffen sei. Daß H. nicht gesinnt war, dem katholischen Prinzip in diesem Punkte etwas zu vergeben, sagen seine Aufzeichnungen vom 22. Novbr. 1828 … nos debere firmiter inhaerere promissioni in matrimoniis mixtis faciendae de educandis prolibus in religione catholica“. Sein Anschluß an die Convention Spiegel’s war eine Concession, die offenbar seiner gegentheiligen Ueberzeugung abgerungen war; die er dann auf dem Todesbette, wie man sagt, auf Zureden des Domherrn und spätern Bischofs Arnoldi, bereute und in einem Schreiben an den Papst vom 10. Novbr. 1836 zurücknahm. Dies Schreiben machte in Rom die geheime Uebereinkunft der Bischöfe mit der preußischen Regierung erst bekannt und führte zu der Allocution des Papstes vom 10. Decbr. 1837 und damit zum Ausbruch der Streitigkeiten, im Verlaufe derer die Erzbischöfe von Posen und Köln gefänglich eingezogen wurden. Hommer’s reges Interesse an der Ausbildung seines Klerus zeigte sich namentlich in der Unterstützung, welche er zahlreichen jungen Geistlichen zur Fortsetzung ihrer Studien angedeihen ließ. Selten mag ein Bischof unserer Zeit in dieser Hinsicht persönlich größere Opfer gebracht haben. An dem Betrieb der theologischen Studien in seinem Seminar nahm er den wärmsten Antheil; oft besuchte er die Vorlesungen, wohnte regelmäßig den Prüfungen bei und suchte auf jede Weise den Eifer des Studiums und echt priesterlichen Sinn bei den jungen Candidaten des Priesterthums zu wecken, denen er selbst den Zutritt zu seiner Person gern gestattete. Auch die in der Seelsorge bereits stehenden Geistlichen suchte er durch Ausschreibung von Preisen, Conferenzarbeiten, Vorschrift des examen pro cura principali zu wissenschaftlichem Streben anzuhalten. Sehr verdienstlich, aber leider wenig befolgt, waren seine Anordnungen über die Anlegung von Pfarrbibliotheken und Pfarrchroniken. Sein eigenes Interesse an der Geschichte seiner Diöcese legte er an Tag durch eine große Sammlung von Urkunden zur Geschichte der Pfarreien und durch Ausarbeitung einer Geschichte der auf dem rechten Rheinufer gelegenen Pfarreien seines weitläufigen Sprengels. H. war, wie er das selbst manchmal empfand und beklagte, kein großer Theologe und von den Anschauungen des ausgehenden 18. Jahrhunderts einigermaßen angehaucht, so daß man mit Recht ihm hier und da den Mangel an Klarheit und voller Einsicht in die Verhältnisse vorwerfen konnte. Den aufklärerischen und freigeistigen Bewegungen, welche sich in den dreißiger Jahren im trierischen Klerus geltend machten, hätte er vielleicht rascher und entschiedener entgegentreten können. Gewisse Leute fanden und finden, daß es ihm an dem rechten „kirchlichen“ Geiste gemangelt habe. Aber man darf nicht vergessen, welcher Zeit Hommer’s Jugend angehörte. Wenn er als Oberhaupt der Diöcese seine schwachen Seiten hatte, so ersetzte er das durch Vorzüge, welche die Mängel reichlich aufwogen. Nächst Sailer hat Deutschland in unserem Jahrhundert wol keinen Bischof aufzuweisen, der so Großes durch den Reiz seiner liebenswürdigen Persönlichkeit geleistet und dessen Andenken sich der Erinnerung seines Volkes so tief eingegraben hätte. Milde und Güte waren die hervorstechenden, nicht selten verkannte und von Unwürdigen mißbrauchte Eigenschaften seines Wesens. Herrschsucht und Hochmuth, diese Hauptfehler derer, die gesetzt sind zu regieren, waren ihm unbekannt. Aller äußerer Pomp, alle Ehrenbezeugungen waren ihm zuwider und er wich ihnen aus, wo er konnte; so gut, wie er höheren Ehren auswich, als ihm die Erzbisthümer Mecheln und Köln angeboten wurden. Gerade seine ausnehmende Demuth mochte die Ursache sein, [63] weshalb er so ungern zu Strafen und strengen Maßregeln seine Zuflucht nahm. Gastfrei in hohem Grade, leutselig, liebte er den Umgang geistreicher und gebildeter Menschen, ohne darüber die dem Priester ziemende Sammlung zu verlieren. Denn er war allezeit ein Mann des Gebetes und der Meditation. Sein Haushalt war äußerst einfach und sparsam, erst als er alt und krank wurde, konnte man ihn zur Anschaffung von Pferden und Wagen bestimmen. Dagegen spendete er den Armen mit vollen Händen und zur Ausbildung talentvoller Jünglinge gab er, wie Holzer sehr wahr sagt, buchstäblich den letzten Groschen aus der Tasche. Tage, wie sein Priesterjubiläum (14. Juni 1833) feierte er durch besondere Wohlthätigkeit. Solch’ einen Vater der Armen und Bedrängten hat Trier seither nicht wieder gesehen. Auch seine ganze Hinterlassenschaft gehörte wohlthätigen Zwecken, während er sein Patrimonialvermögen seiner Familie zurückgegeben hatte. Rheumatische Leiden verzehrten Hommer’s überhaupt zarte Gesundheit. Am Aschermittwoch 1836 predigte er zum letzten Male in seiner Domkirche, am 11. Novbr., ein Viertel vor 3 Uhr Nachmittags, entschlief er, 76 Jahre 7 Monate und 7 Tage alt, nach einer alle Zeugen erbauenden Vorbereitung. Am 14. Novbr. wurde seine Leiche im Dome, neben dem Grabe Otto’s von Ziegenhayn, beigesetzt.

Vgl. (Holzer) in der Zeitschr. f. Philosophie u. k. Theologie, Bonn 1837, XXI. 239 u. XXII. 233. Das hochinteressante, von Hommer an den späteren Dompropst Dr. Holzer übergebene Tagebuch (Meditationes in vitam meam peractam) aus dem J. 1828 ist in dem Vorstehenden benutzt worden und soll seiner Zeit wenigstens theilweise veröffentlicht werden.