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ADB:Hoogstraeten, Jakob von

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Artikel „Hochstraten, Jakob v.“ von Ludwig Geiger in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 12 (1880), S. 527–529, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Hoogstraeten,_Jakob_von&oldid=- (Version vom 24. November 2024, 12:18 Uhr UTC)
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Hochstraten: Jakob v. H., geb. c. 1460 in dem Dorfe Hoogstraten, † in Köln den 21. Januar 1527. Er studirte in Löwen und kam ziemlich früh nach Köln, wo er als censor et quaesitor fidei in den Erzbisthümern Köln, Mainz, Trier eine für die Kulturgeschichte jener Zeit höchst merkwürdige, verhängnißvolle Thätigkeit entfaltete. Seine schriftstellerische Wirksamkeit begann er durch seinen Schriftenwechsel mit dem berühmten Juristen Petrus Ravennas, gegen dessen These, die Fürsten vergingen sich gegen göttliches und menschliches Recht dadurch, daß sie Verbrecher unbegraben am Galgen hängen ließen, er die alte Gewohnheit als ein heiliges Recht vertheidigte, und da er für seine lieblose Anschauung die Billigung hochstehender Kirchenfürsten erlangte und durch wiederholte Ausführungen seines Themas seinem Gegner, der ihm in Bezug auf Redseligkeit weichen mußte und bald nach Beginn des Streites starb, überlegen war, wenigstens das letzte Wort, und, nach den Anschauungen seiner Freunde, sogar auch den Sieg behielt. Schon in diesem Streite hatte er sich als eine Art von Richter in geistigen Angelegenheiten gerirt, obwol er sein Amt, das ihn scheinbar zu derartigem Verfahren berechtigte, noch nicht angetreten hatte; in dieser Thätigkeit trat er zuerst im Reuchlin’schen Streite auf. Er wurde in diesen Streit hineingezogen durch dessen Anstifter, Johann Pfefferkorn, welcher ihn den Ketzermeister, mit unter die Zahl derer hatte aufnehmen lassen, welche ein Gutachten über die Bücher der Juden abgeben sollten, verlangte in demselben was auch seine Genossen, die Kölner, verlangt hatten, Beschlagnahme und Untersuchung jener Bücher, unterstützte vielleicht Pfefferkorn bei seinen Schmähschriften gegen Reuchlin und gehörte mit zu den Mitgliedern der Kölner Facultät, welche ihr Gutachten gegen den Augenspiegel abgaben. Neben dieser schriftstellerischen Wirksamkeit begann er nun gegen Reuchlin auch die amtliche. Er versuchte in Mainz, zugleich als Ankläger und Richter, den Augenspiegel zu verurtheilen (1513), wurde aber von dem Erzbischof von Mainz in diesem ungerechten Treiben gestört und durch das Urtheil des Bischofs von Speier, des vom Papste zur [528] Schlichtung dieser Angelegenheit eingesetzten Richters, zum ewigen Stillschweigen verdammt (1514). Gegen dieses Urtheil appellirte er an den Papst, verweilte selbst, um für seine Sache zu wirken, – nicht immer mit ehrlichen Mitteln, wie die Gegner behaupteten, – längere Zeit in Rom, mußte sich aber zunächst (1516) mit einem mandatum de supersedendo begnügen, das allgemein als ein Erfolg Reuchlin’s gedeutet wurde. Erst einige Zeit später erlangte er, nachdem er in der Zwischenzeit von den durch Sickingen hart bedrängten Ordensbrüdern seines Priorats des Kölner Dominikanerklosters und des Amtes eines Glaubensinquisitors entsetzt, durch den Papst jedoch bald darauf in seine Stellung wieder eingeführt worden war, das sehnlich erwünschte Resultat: die Verurtheilung Reuchlin’s (30. Jan. 1520). Während der Dauer des Prozesses indeß und namentlich während der vier Jahre, in denen der Prozeß ruhte, war H. neben Ortuin Gratius (vgl. Bd. IX. S. 600–602) Hauptzielpunkt der meist satirischen Angriffe der Gegner. Gegen solche Angriffe und besonders gegen des Georg Benignus Verherrlichung Reuchlin’s, vertheidigte er sich in seiner an den Papst Leo gerichteten „Apologie“ (Köln 1518), in welcher er „die katholische Wahrheit und die Ehre der Theologen zu schützen“ suchte, leugnete, daß die unter dem Namen des Erzbischofs veröffentlichte Schrift wirklich von jenem herrühre, versuchte in heftigster Weise Reuchlin anzugreifen, ihm in seinen Büchern und mündlichen Aeußerungen Ketzereien vorzuwerfen, ihn zum Judenanwalt und Christenverfolger zu stempeln, ihn mit sich selbst in Widerspruch zu bringen und versicherte in siegesgewissem Tone ihn und alle seine Anhänger eines schmählichen Endes. Gegen solche seltsame Erhebung der eigenen Bedeutung und des eigenen Thuns wendeten sich Reuchlin, Herm. v. Busch und Hutten in geharnischten, an Herm. v. Neuenaar gerichteten Briefen, deren Adressat nichts eiligeres zu thun hatte, als die Briefe mit einer nicht minder scharfen Vor- und Nachrede herauszugeben („Epistolae trium illustr. virorum“), nachdem er kurz vorher eine neue Apologie Reuchlin’s, ebenso wie die des Benignus römischen Ursprungs, veröffentlicht hatte („Defensio nuper ex urbe Roma allata“). Diese Apologie ist es besonders, welche H. in seiner zweiten, dem Propst Ingewinkel zugeschriebenen Schrift („Apologia secunda“, Köln 1519) angreift, freilich nicht ohne in sehr heftigen Ausfällen Reuchlin und dessen Anhänger zu verletzen. Trotzdem erhielt er von diesen keine Antwort, und Erasmus, der zwar nicht Reuchlinist genannt sein wollte, in dem Angegriffenen aber doch seine eigene Angelegenheit mitgefährdet sah, richtete an H. ein sehr würdiges, jedoch erfolgloses Abmahnungsschreiben. Mit der bisher erwähnten polemischen Thätigkeit, die naturgemäß aus dem von ihm begonnenen Ketzerprozeß hervorgegangen war, hatte sich H. indessen nicht begnügt, sondern, um seinen Gegner auch in seinen wissenschaftlichen Bestrebungen zu vernichten, gegen Reuchlin’s kabbalistischen Werke seine „Destructio Cabalae“, Köln 1519, gerichtet. Aber auch hier bringt er vielfach nur die alten Vorwürfe vor und zeigt sehr bald, daß ihm die Bekämpfung der jüdischen Geheimlehre nicht etwa eine wissenschaftliche Angelegenheit war, – denn von der Cabbalah wußte er höchstens einiges Wenige, was er aus Reuchlin’s Werken gelernt hatte, – sondern nur ein neues Mittel, das wider den Gegner angewendet werden konnte. War ihm schon Reuchlin als grimmiger Feind der christlichen Kirche erschienen, so mußte ihm Luther als ein nicht minder gefährlicher Widersacher gelten. Auch gegen ihn kämpfte er mit That und Wort. Er half mit zur Verbrennung von Luther’s Schriften (Köln, 27. November 1519) und veröffentlichte gegen ihn zwei Bände – „Colloquia cum divo Augustino“ (1521), in welchen er angeblich durch eine Erscheinung des Augustinus zu seinem Werke ermuntert, Luthers zur Leipziger Disputation aufgestellte Thesen bekämpft, die in der päpstlichen Bulle verdammten lutherischen Sätze in ihrer ganzen Verderblichkeit darzulegen und das Auftreten gegen diese [529] Bulle als ein verbrecherisches zu kennzeichnen sich bemüht. Auch durch solche schriftstellerische Leistungen rief er satirische Angriffe der Gegner hervor, leider hatte er es aber in seiner Macht, durch Thaten solche Angriffe zu erwidern, z. B. durch die Verbrennung der „zwei Märtyrer von Brüssel“, die wenigstens mit seinem Beirathe, wenn auch keinswegs ausschließlich auf seinen Betrieb, beschlossen wurde. Derartige Thaten haben dann seinen Namen berüchtigter und vielleicht auch gefürchteter gemacht, als alle die kleineren und größeren polemischen Schriften, in deren Abfassung er unermüdet bis zu seinem Tode fortfuhr, ihn hätten machen können. Von diesen Schriften seien wenigstens zwei genannt: „De christiana libertate tractatus V contra Lutherum“ (1526) und „Disputationes contra Lutheranos aliquot“, deren erstere schon durch den Titel ihren Inhalt angibt, deren letztere insbesondere die katholische Lehre von der Rechtfertigung gegen zwei Unglückliche vertheidigt, welche ihren Widerspruch gegen die Kirchensatzung mit dem Leben büßen mußten. Andere Schriften vertheidigen die Verehrung der Heiligen, die guten Werke, die Ehelosigkeit der Priester. Bedenkt man, daß H. neben dieser ausgebreiteten praktischen und wissenschaftlichen Thätigkeit auch seine Pflichten als Lehrer an der Kölner Universität erfüllte, so wird man vor seiner Rührigkeit Achtung genug empfinden und schwer begreifen können, daß einem um die Vertheidigung des katholischen Glaubens so verdienten Mann von katholischer Seite eine so geringe Aufmerksamkeit geschenkt worden ist, daß die ihm gewidmeten Arbeiten kaum mehr als eine Aufzählung seiner Schriften bieten. Diese Rührigkeit aber wird eines seiner wenigen Verdienste bleiben. Er steckte noch durchaus in mittelalterlicher Gesinnung, ja er rühmte sich, von der neuen Bildung nicht angesteckt zu sein; er war kühn, so daß „er keinen Fürsten scheute und sich von keinem Worte besiegen ließ“, trieb aber diese Kühnheit nicht selten bis zur Frechheit; und endlich scheint er in seinem Handeln nicht immer von reinen Beweggründen geleitet worden zu sein, eine Vermuthung, welche sich auf die nicht leicht wegzuleugnenden Worte des Erasmus stützt: „Hochstratus in morte dicitur nonnullis verbis prodidisse parum sinceram conscientiam.“ Mag er auch nicht alle die schweren Anklagen, welche seine erbitterten Gegner, die Humanisten, gegen seinen Charakter erhoben, verdient haben, so wird er von kleinlicher Selbstsucht und vielfacher Anwendung unredlicher Mittel nicht freizusprechen sein.

Echard, SS. ord. Praedic. II. S. 67–72; H. Cremans, De Jacobi Hochstrati vita et scriptis, Bonn 1869 und Geiger, Reuchlin, passim.