Zum Inhalt springen

ADB:Kämmel, Heinrich

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Kämmel, Heinrich Julius“ von Otto Kaemmel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 15 (1882), S. 51–56, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:K%C3%A4mmel,_Heinrich&oldid=- (Version vom 18. Dezember 2024, 11:54 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Band 15 (1882), S. 51–56 (Quelle).
Heinrich Julius Kämmel bei Wikisource
Heinrich Julius Kaemmel in der Wikipedia
Heinrich Julius Kämmel in Wikidata
GND-Nummer 11601346X
Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|15|51|56|Kämmel, Heinrich Julius|Otto Kaemmel|ADB:Kämmel, Heinrich}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=11601346X}}    

Kämmel: Heinrich Julius K., verdienter Schulmann und Kulturhistoriker, geb. am 17. Februar 1813 zu Salendorf bei Waltersdorf in der sächsischen Oberlausitz, † in Zittau am 24. September 1881. – Die ersten Jahre vergingen dem Knaben, dem ältesten Sohne unter 8 Geschwistern, in der ländlichen Stille seiner schönen Heimath, unter dem Schutze eines glücklichen Familienlebens und in harmloser Theilnahme an all den einfachen, festlichen Veranstaltungen, an denen die lebhafte Jugend des Dorfes Gefallen fand. Frühzeitig indeß regte sich ein über diesen engen Kreis hinausgehendes Interesse in dem begabten Knaben, der im Hause des Großvaters, des Rathsförsters K., während der langen Winterabende die einfachen Schilderungen der eben vergangenen großen Kriegsepoche in den Volkskalendern begierig verschlang, und obwol der Vater den Sohn lieber als dereinstigen Inhaber seines kleinen Fabrikgeschäfts gesehen hätte, so gab er doch schließlich seinem Verlangen nach und ließ ihn zu Ostern 1824 unter dem Rectorate Fr. Lindemann’s in die dritte Abtheilung der Quarta des Gymnasiums in Zittau aufnehmen. Neben den schulmäßigen Studien, die er nun in regelmäßigem Fortgange mit eisernem Fleiße betrieb, übte er sich auch im Zeichnen, suchte seine körperlichen Fertigkeiten auszubilden und erweiterte seinen Gesichtskreis durch eine längere Fußreise nach Prag, mehr freilich noch durch das fast leidenschaftliche Interesse am Freiheitskampfe der Griechen, von dem er noch in den spätesten Jahren einen Nachhall empfand. Hier schloß sich zugleich die schöne Jugendfreundschaft mit dem später als belletristischen Schriftsteller auch weiteren Kreisen bekannten Ernst Willkomm, in dessen Vaterhause, der Pfarre zu Herwigsdorf, K. bald wie ein Sohn verkehrte. Ein ernster, frühreifer, auf das Große und Ideale gerichteter Sinn, wie er in seinem seit dem J. 1828 ununterbrochen bis wenige Tage vor seinem Tode mit zäher Beharrlichkeit geführten Tagebuche auf jeder Seite entgegentritt, führte ihn dann auch nach seinem Abgange von der Schule Ostern 1832 zum Studium der Theologie. Nachdem er sich dafür noch privatim in Zittau längere Zeit weiter vorbereitet hatte, bezog er am 1. Mai 1833 die Universität Leipzig. Hier hörte er theologische Collegien bei Wiener, Winzer, Theile, Riedner, Großmann, Illgen, wurde auch eifriges Mitglied der Lausitzer Predigergesellschaft und später des katechetischen und homiletischen Seminars; aber mit demselben Eifer hörte er Philosophie bei Hartenstein, philologische Vorlesungen bei Seyffarth, Westermann und G. Hermann, endlich geschichtliche Vorträge bei Wachsmuth und Flathe; ja sein Interesse für dies Fach erwachte [52] so lebhaft, daß er einmal nahe daran war, sich ihm ganz zu widmen und deshalb zu H. Leo nach Halle zu gehen. Nachdem er am 7. März 1837 sein theologisches Examen in glänzendster Weise bestanden, begab er sich als Cand. theol. nach Zittau zurück und bereitete sich hier zum geistlichen Berufe vor. Dem entsprach auch noch die Uebernahme einer Lehrerstelle an der Stadtschule (23. April 1838); erst die Ernennung zum letzten ständigen Lehrer am Gymnasium (22. Juni 1840) stellte ihn vor die Nothwendigkeit der endgiltigen Entscheidung für das Lehrfach, zumal er bei aller Neigung zum geistlichen Beruf doch seine Körperkräfte den Anstrengungen desselben nicht ganz gewachsen fühlte. Das neue Amt setzte ihn zugleich in den Stand, den längst gehegten Herzenswunsch zu erfüllen, indem er mit einer Schwester seines Jugendfreundes die glücklichste Ehe schloß. Während er nun sein reiches, durch ununterbrochene Arbeit beständig erweitertes und vertieftes Wissen in zahlreichen, namentlich kulturgeschichtlichen Vorträgen auch für größere Kreise nutzbar machte, wie er denn Jahre lang Vorsteher des neugebildeten Gewerbevereins war, daneben in den Kampf der Meinungen auf theologisch-pädagogischem Gebiete mehrfach durch kleine Schriften und Aufsätze eingriff, zugleich für die neu aufblühende Turnsache so lebhaft sich interessirte, daß er den Turnverein mit gründen half, avancirte er in seinem Collegium rasch von Stufe zu Stufe und trat bereits am 31. März 1845 in das Amt des Subrectors (zweiten Oberlehrers) ein, nachdem er die dafür ihm auferlegte theologisch-philologische Prüfung vor dem Consistorium in Dresden gemeinsam mit seinem fast gleichaltrigen Amtsgenossen und Freunde F. Lachmann, dem späteren Illustrator des Sophokles, rühmlich bestanden. Nach so stiller Sammlung in engerem Kreise riß ihn die stürmische Bewegung der J. 1848–49 auf einen größeren Schauplatz hinaus. So sehr seinem maßvollen conservativen Sinne das Maßlose in den Forderungen und im Vorgehen der radicalen Parteien zuwider war, so sehr begeisterte ihn doch die Idee deutscher Einheit und Größe, und bald berief ihn auch das Vertrauen seiner Mitbürger erst zum stellvertretenden, dann zum activen Abgeordneten des ersten sächsischen Wahlkreises für die Nationalversammlung zu Frankfurt. Als er am 2. April 1849, wenige Tage nach der Kaiserwahl, dahin abreiste, hoffte er demnächst einer Kaiserkrönung beizuwohnen, doch er wurde Zeuge erschütternder Katastrophen, der thatsächlichen Auflösung des einst mit so hochfliegenden Hoffnungen begrüßten Parlaments. Er hat in diesen Kämpfen treu zur erbkaiserlichen Partei gestanden, bis er sich am 19. Mai zum Austritt entschloß, noch ehe die Aufforderung dazu von seiner heimischen Regierung ihn erreichte, und so kehrte er nach der Heimath zurück, „um manche Hoffnung ärmer“, wie er im Bericht an seine Wähler schreibt, „aber unerschüttert in dem Glauben an das gute Recht und die unverwüstliche Kraft und eine große Zukunft des deutschen Volkes“. Sein Name steht mit unter der Reichsverfassung von 1849. Jenen Glauben zu wahren, machten ihm freilich die nächsten Erfahrungen recht schwer. Als Mitglied der zweiten Kammer des sächsischen Landtags seit December 1849 in Dresden thätig, wo noch zahlreiche Spuren ihn an den blutigen Straßenkampf der Maitage erinnerten, hatte er Gelegenheit, in unmittelbarster Nähe den traurigen Streit um das Dreikönigsbündniß zu beobachten, er erlebte den Austritt Sachsens aus der Union und die Auflösung des Landtags, der dem widerstrebte (1. Juni 1850). Doch die damals gemachten Erfahrungen blieben ihm unverloren und tief im Herzen trug er mit der wärmsten Liebe zur sächsischen Heimath die Zuversicht auf die dereinstige Erfüllung der Hoffnungen, die er damals hatte scheitern sehen, wie er andererseits die tiefe Abneigung gegen die Politik, die dies traurige Resultat mit hatte herbeiführen helfen, niemals hat verwinden können.

[53] Heimgekehrt zum stillen Amt, sah er sich im nächsten Jahre schon zum Conrectorate berufen (7. Juli 1851) und bereits Michaelis 1852, als sein Rector Lindemann wegen schweren Leidens erst beurlaubt, dann pensionirt wurde, mit der einstweiligen Leitung der Anstalt beauftragt. Die Anstrengungen eines doppelten Ordinariats und der Direction zugleich, die man ihn volle anderthalb Jahre tragen ließ, erschütterten seine Gesundheit jedoch derartig, daß nur ein längerer Urlaub und ein mehrwöchentlicher Aufenthalt im Seebad Warnemünde sie wieder herstellen konnte. Dort erreichte ihn die Nachricht vom Tode Lindemann’s in Boppard (15. Juni 1854) und von seiner eigenen Berufung zum Directorat (12. Juli). Am 2. October feierlich eingewiesen, hat er dies Amt 27 Jahre lang verwaltet, und zwar unter stetig wachsenden Schwierigkeiten, da die Anstalt in dieser Periode die größten Umgestaltungen erfuhr. Von diesen sei erwähnt, daß K. den Uebergang des städtischen Gymnasiums unter die Leitung des Kultusministeriums, seine Verbindung mit einer aus der damaligen Gewerbeschule hervorgegangenen Realschulabtheilung (Ostern 1855), dann wieder deren Entwickelung zu einer vollständigen Realschule I. O. (seit 1860) zu leiten, endlich dieser noch eine höhere Handelslehrabtheilung (Ostern 1876) anzufügen hatte. Trotz der gewaltigen Arbeitslast, die ihm die Leitung einer solchen Anstalt auferlegte und die durch zahlreiche auf Stiftungen beruhende Gedächtnißreden zum Andenken an frühere Wohlthäter der Schule (sog. Orationen) nicht unerheblich erhöht wurde, fand K. doch noch Zeit und Stimmung, sich an den öffentlichen Angelegenheiten seiner Stadtgemeinde thätig zu betheiligen. Seit 1871 gehörte er dem Stadtverordnetencollegium an und trat hier so nachdrücklich für die Neuordnung des Armenwesens auf Grund möglichster Individualisirung ein, daß sie zuletzt im wesentlichen nach seinem Sinn erfolgte und er sich veranlaßt sah, das zeitraubende Amt eines Armenvorstehers zu übernehmen (1877). In größere politische Oeffentlichkeit ist er nach 1850 niemals wieder getreten, so aufmerksam er auch die großen staatlichen Wandlungen der letzten Jahrzehnte verfolgte. Den steigenden Verwickelungen seit Ende 1863 sah er ohne Freude zu; doch nach dem Ende der schweren Krisis von 1866, deren kriegerische Erschütterungen Stadt und Landschaft aufs stärkste berührten, wie er denn damals die Schule auf einige Zeit schließen mußte und kurz vor dem Einmarsche größerer preußischer Truppenmassen einmal als Mitglied einer Deputation in das Hauptquartier des Prinzen Friedrich Karl nach Görlitz entsandt wurde (21./23. Juni), ging er hoffnungsreich und entschieden auf die neue, bundesstaatliche Gestaltung der Dinge ein, wofür er noch bei den Wahlen zum konstituirenden Reichstage des norddeutschen Bundes in einer großen Wählerversammlung lebhaft eintrat, und sah zuletzt mit gehobener Seele die Hoffnung seiner ersten Mannesjahre in glorreiche Erfüllung gehen, während es ihn zugleich mit tiefer Befriedigung erfüllte, daß sein warm geliebtes sächsisches Heimathland eine so ehrenvolle Stellung im neuen Reiche behauptete. Je bescheidener er von sich dachte, desto tiefer fühlte er die Beweise ehrender Anerkennung, welche ihm bei verschiedenen Veranlassungen zu Theil wurden. Bei der Einweihung des neuen Schulhauses im December 1871, das die Stadtgemeinde in stattlichster Weise der Doppelanstalt errichtete und dem König Johann zu Ehren auf Anregung Kämmel’s „Johanneum“ taufte, erhielt er das Ritterkreuz I. Cl. des königl. sächsischen Civilverdienstordens, 1879 bei dem 25jährigen Amtsjubiläum als Rector, das er mit seinem langjährigen Amtsgenossen, dem damaligen Conrector F. Lachmann, beging, Rang und Titel eines Schulraths und das Ehrenbürgerrecht seiner Stadt, von den zahllosen, ihn fast überwältigenden Zeichen persönlicher Theilnahme ganz abgesehen. Seine Gesundheit, die er, wenn auch nicht ohne Schwankungen, doch ohne langwierige Krankheit durch ein äußerst geregeltes, [54] einfaches Leben sich bewahrte, machte ihm gleichwol in den letzten 10 Jahren regelmäßige Erholungs- und Badereisen zur Pflicht, zuletzt nach dem schlesischen Landeck. Aus Schlesien erfrischt und spannkräftig, wie seit lange nicht, zurückgekehrt, führte er das laufende Sommerhalbjahr noch in gewöhnter Weise zu Ende, und war am 24. September 1881, Vormittags nach 10 Uhr, soeben im Begriff, die letzte Conferenz seines 54. Rectoratssemesters zu schließen, als inmitten seiner erschütterten Collegen ein Herzschlag seinem rastlos thätigen Leben plötzlich und schmerzlos das Ziel setzte.

K. war ein Mann von einer Vielseitigkeit und Gründlichkeit des Wissens, wie sie die moderne Specialisirung der Wissenschaft immer weniger möglich und immer seltener macht. Bis in seine letzten Jahre ertheilte er den Religionsunterricht mit einer Fülle und Tiefe, die viele seiner im geistlichen Amt stehenden Schüler noch dankbar bezeugen, in früheren Jahren vertrat er auch lange das Hebräische. In seinem deutschen Unterricht überraschte er bei der Themenstellung durch außerordentliche Reichhaltigkeit und Mannigfaltigkeit der Gesichtspunkte. Seine litterarhistorischen Vorträge zeichneten sich durch markige Hervorhebung des Wesentlichen und Feinheit der Charakteristiken aus. Er sprach und schrieb flott Latein und wußte seine nur etwas befähigten Schüler darin sehr rasch zu fördern, wie denn die Disputationen, die er wöchentlich leitete, zu den instruktivsten Uebungen dieser Art gehört haben dürften. Mit besonderer Vorliebe pflegte er stets den Geschichtsunterricht, ebenso anregend durch fesselnden, scharf charakterisirenden Vortrag und gerecht abwägendes Urtheil wie durch Repetitionen, bei denen er den behandelten Stoff stets unter neue Gesichtspunkte zu stellen wußte. Aber sein Interesse beschränkte sich durchaus nicht auf die von ihm vertretenen Fächer, er war ein besonderer Freund der französischen Litteratur, auch des Englischen und Italienischen nicht unkundig, und bewies selbst den ihm sonst ferner stehenden exakten Fächern rege Theilnahme. Eben diese Vielseitigkeit machte ihn für die verantwortungsvolle Stellung, die er bis an sein Ende behauptete, geeignet wie wenige. Er sah die Vereinigung der beiden Anstalten unter seiner Leitung nicht als eine nur zufällige, äußerliche an. Frei von jedem Vorurtheile der Zunft war er weit entfernt davon, die schwierigen Fragen nach der Gestaltung des höheren Schulwesens und nach dem Werthe der einzelnen Bildungsmittel, welche die Gegenwart bewegen, schon für abgeschlossen zu halten, er glaubte vielmehr sie erst durch längere Erfahrung entschieden zu sehen und wollte deshalb zwei so mannigfach verschiedene Anstalten gewissermaßen als pädagogische Versuchsstation dicht neben einander halten, um beständig Gelegenheit zur Vergleichung zu haben und andern zu bieten. Sein letztes Ideal, an dessen Verwirklichung er freilich erst in fernerer Zukunft glaubte, war die einheitliche höhere Schule, welche die Vorzüge der jetzt bestehenden Anstalten in sich vereinigen, ihre Mängel ausscheiden sollte. Wie er deshalb beiden Seiten seiner Doppelanstalt gleich wohlwollend und aufmerksam gegenüberstand, so ließ er auch keinerlei unerfreuliche Rivalität zwischen ihnen aufkommen. Der Idealismus, der sich in solchem Streben zeigte, verband sich mit der größten Selbstlosigkeit und einer versöhnenden Milde, die niemals leidenschaftlicher Aufwallung Raum gab. Als Theolog war er bei tief innerlicher Frömmigkeit, die ihn in den schwersten Stunden aufrecht hielt, ein Todfeind jeder Art von Unduldsamkeit jeder Partei, als Pädagog ein Gegner aller Schablone. Weil er groß dachte von den Menschen, so verwundete ihn nichts so tief innerlich wie Untreue und niederer Sinn seiner Schüler; in solchen Fällen griff er ohne Schonung durch. Denn bei aller Milde lag in seinem Charakter etwas sehr Energisches und Festes, das sich für gewöhnlich nur in der zähen Beharrlichkeit bei allen seinen Bestrebungen [55] und der äußersten Sorgfalt auch im Kleinen äußerte, wo nöthig aber in raschen durchschlagenden Entscheidungen sich kundthat.

Seine wissenschaftliche Thätigkeit, zu der ihm sein Amt und das, was er sonst auf sich genommen, nur zu wenig Zeit ließ, und die um so bedeutender erscheint, als er fern von einem wissenschaftlichen Mittelpunkte lebte, hängt aufs Engste mit seiner Stellung als Schulmann zusammen, hat sich aber lange in sehr verschiedenen Richtungen bewegt, bis sie sich immer enger auf ein Gebiet concentrirte, ohne daß freilich K. zu einem großen Abschluß gekommen wäre. In früheren Jahren überwog bei ihm das kirchlich-theologische Interesse einerseits, das pädagogische andererseits. Damals schrieb er zahlreiche Recensionen und kleinere selbständige Artikel, namentlich in Illgen’s Zeitschrift für historische Theologie, Reuter’s Repertorium und Zille’s Kirchenzeitung, er beleuchtete dann in selbständigen Schriften „Die Schwierigkeiten des Religionsunterrichts von dem Standpunkte einer tieferdringenden Psychologie“ (1842), verfaßte als Leitfaden für denselben „Die Entwickelung des Gottesreichs“ (1843) und trat in der Abhandlung „Die Unduldsamkeit und das Christenthum, eine Mahnung zum Frieden“ (1846) energisch für weitherzige Duldung ein. Andererseits war er eifriger Mitarbeiter an Hergang’s Pädagogischer Realencyclopädie, für die er 1841–1846 vom Standpunkte der Psychologie Beneke’s aus eine große Reihe von Artikeln schrieb und faßte damals schon (seit 1842) den Ausgleich zwischen humanistischer und realistischer Bildung ins Auge, den er dann seit 1855 praktisch durchzuführen unternahm. Seine Anschauungen über die Anordnung des Geschichtsunterrichts auf Gymnasien, wie er sie in der Abhandlung „Ueber den Gymnasialunterricht in der Geschichte“ (Leipzig 1842) entwickelte, wurden nachmals dem „Regulativ für die Gelehrtenschulen im Königreich Sachsen“ von 1847 zu Grunde gelegt und stehen noch heute hier in Geltung. Geschichtlichen Studien erscheint K. von Anfang an mit Vorliebe zugewandt. Im J. 1844 gab er einen Band „Lebensbilder aus dem Mittelalter“, farbige Schilderungen aus seinen späteren Jahrhunderten heraus, deren Fortsetzung leider durch den Bankerott der Verlagshandlung unterbrochen wurde, wenig später begann er „Schilderungen aus dem Völkerleben. Eine populäre Weltgeschichte mit besonderer Rücksicht des Culturhistorischen“, die indeß nicht über das 1. Heft hinauskam. Quellenmäßige Studien machte er besonders in der Geschichte der Geistescultur einerseits der römischen Kaiserzeit, andererseits der Jahrhunderte des Humanismus und der Reformation. Aus jenen gingen jedoch nur wenige größere Aufsätze in Programmen und Zeitschriften hervor („De Gallorum indole sub Romanorum imperio non mutata“, 1845, „De Helvidiis Priscis libertatis defensoribus“, 1846, „Herodes Atticus“ in Jahn’s Jahrb. f. Philologie und Pädagogik, Bd. 102, 1870; Maximus der Tyrier, a. a. O. 104, 1873); seine ausgebreiteten Studien über den jüngeren Plinius hat er nicht litterarisch verwerthet. Allmählich concentrirte er sich mehr und mehr auf die Geschichte des christlichen Schulwesens, und hier wieder beschäftigte er sich besonders eingehend mit der seiner eigenen Anstalt, wie er denn einmal damit umging, sie in zusammenhängender und ausgeführter Darstellung zu behandeln. Als die wichtigsten dieser meist in Programmen enthaltenen Arbeiten führen wir hier an: „Friedrich Lindemann“ (1854), „Christian Keimann“ (1856), „Martin Grünwald“, I bis IV (1859. 1861), „Gottfried Hoffmann“ (1860), „Benjamin Gottlieb Gerlach“ I–IV. (1865. 1867), „Melchior Gerlach“, I–III. (1873. 1875), „Beiträge zur Geschichte des Gymnasiums in Zittau“ (N. Lausitz. Magazin, Band 49), endlich die zusammenfassenden „Rückblicke auf die Geschichte des Gymnasiums in Zittau“ (1871). Andererseits verweilte er mit besonderem Behagen in der Zeit der deutschen und italienischen Humanisten, deren Arbeiten und Persönlichkeiten [56] er mehrfach trefflich geschildert hat, und bei den großen Umgestaltungen des Schulwesens durch die Reformation. („Joachim Camerarius in Nürnberg“, 1862; „Petrus Victorius“ in den Jahrb. für Philologie und Pädagogik, 1865 bis 1866. – „Die latein. Schulen des 16. und 17. Jahrhunderts im Kampfe gegen die Winkelschulen“, 1855. „Die akademischen Reisen aus Deutschland in die Niederlande seit d. Anf. des 17. Jahrhunderts“, 1858. „Das Schulwesen der sächsischen Länder in den letzten Zeiten des Mittelalters“, im N. Lausitz. Magazin, 39. Bd. „Vom Studium des Tacitus in den letzten drei Jahrhunderten“, in Langbein’s Pädagog. Archiv, 1861. „Der Unterricht im Griechischen nach der Lehrverfassung der protest. Schulen des 16. und 17. Jahrhunderts“, in den Jahrb. für Phil. und Pädag., 1867. „Eine Studienreise nach Italien“, im N. Lausitz. Magazin, 45. Bd. „Die Universität Köln in ihrem Kampfe gegen den Humanismus“, in den Jahrb. für Phil. und Pädag., 1875, 112. „Die Stadtschulen des Mittelalters“, 1872. „Die deutschen Humanisten als Pfleger vaterländischen Sinnes und Strebens“, im Jahresber. der Oberlausitzer Predigergesellschaft, 1877). Von den außerdeutschen Ländern zog er namentlich Frankreich in den Kreis seiner Betrachtungen („Das Unterrichtswesen der Reformirten in Frankreich während der Verfolgungen des vorigen Jahrhunderts“, Bautzen 1845. „Die Reformirten in Frankreich während der ersten Regierungsjahre Ludwigs XIII.“, Zittau 1847. „Der Einfluß der französischen Sprache und Litteratur auf die höheren Stände Deutschlands seit der Mitte des 16. Jahrhunderts“, Zittau 1853. „Das Fortwirken römischer Bildung im fränkischen Gallien vor Karl d. Gr.“, vier Programme, Zittau 1853. „Der Cardinal Karl von Lothringen als Förderer der Wissenschaften und der schönen Litteratur“, Zittau 1855. „Fénélon in Versailles“, Zittau 1857. „Fénélon und sein Telemach“, 1858. „Fénélon und der Dauphin“, 1858). Alle diese Arbeiten, wie auch die zahlreichen Artikel, die K. für Schmid’s Encyklopädie für Erziehungswesen und Unterricht wie für die Allgemeine deutsche Biographie, der seine letzten Aufsätze gewidmet waren, verfaßt hat, sollten nur Vorarbeiten bilden zu der umfassenden „Geschichte des Schulwesens in Deutschland seit der Reformation“. Von diesem Werke aber, dem Producte ausgebreiteter pädagogischer Praxis und beinahe vierzigjähriger Studien, hatte er erst den ersten Band druckfertig machen können, als der Tod ihn abrief.