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ADB:Kalkberner, Johann

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Artikel „Kalkberner, Johann“ von Friedrich Haagen in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 15 (1882), S. 25–29, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Kalkberner,_Johann&oldid=- (Version vom 23. Dezember 2024, 03:34 Uhr UTC)
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Kalkberner: Johann K., 1560 in Jülich geboren und seines Zeichens Goldschmied, spielte zur Zeit der erbitterten religiösen Kämpfe in Aachen am Ende des 16. und im Anfange des 17. Jahrhunderts eine Hauptrolle. Als er im J. 1580 in dieselben eingriff, hatten trotz heftiger Gegenwehr der Katholiken die Protestanten durch Herbeiströmen von Wiedertäufern aus Westfalen und von Geusen aus den Niederlanden und unterstützt von ihren Glaubensgenossen im Reich allmählich in der Reichsstadt das Uebergewicht erlangt. Die Anzahl der Katholiken, obgleich diese von Kaiser Rudolf II., vom Könige Philipp II. als Besitzer des Aachen benachbarten Burgunds, vom Herzoge von Jülich, vom Erzbischofe von Köln begünstigt wurden, schmolz immer mehr zusammen. [26] Der Herzog Alexander von Parma, Statthalter der Niederlande, ermahnte im September 1579 und im Januar 1580 den Aachener Rath das Ueberhandnehmen der protestantischen Secten zu verhüten und die Erhaltung des orthodoxen Glaubens zu befördern. Als der Herzog seine Mahnung an Aachen erließ, war Adam von Zeuel, welcher im J. 1552 wegen seines Uebertrittes zur protestantischen Lehre, obgleich zum Bürgermeister erwählt, Stadt und „Reich Aachen“ hatte verlassen müssen, zum zweiten Male Bürgermeister daselbst, und die Protestanten verlangten in einer Vorstellung an den Rath gebieterisch das Recht der freien Ausübung des Glaubens. Alsbald eröffnete ein aus der Klostergenossenschaft ausgetretener Augustinermönch religiöse Versammlungen, wobei, wie der Herzog Wilhelm von Jülich am 2. Septbr. 1580 an den Bürgermeister Adam von Zeuel mißbilligend schrieb, der dem Knabenalter kaum entwachsene Goldarbeiter K. die Dienste eines Diakon versah. Ungeachtet wiederholter dringender Abmahnungen von Seiten des Kaisers und der benachbarten katholischen Fürsten, ungeachtet einer sechsmonatlichen Einschließung vom December 1581 an durch den Herzog Alexander von Parma und eine Belagerung durch den Bischof Ernst von Lüttich im J. 1582, blieb Aachen vom J. 1583 bis zum J. 1598 in den Händen der Protestanten. Die angeseheneren Katholiken waren ausgewichen. Die vom Kaiser im J. 1593 über die Protestanten verhängte Acht wurde erst im J. 1598 exequirt und mit dem 1. Septbr. der katholische Rath wieder eingesetzt. Die Stadt war während des langen religiösen Haderns in hohem Grade verarmt. Von den 126 Geächteten verlangte der wiedereingesetzte katholische Rath 195 615 Rthlr. Schadenersatz. Unter den zu Geldstrafe Verurtheilten finden wir auch K. Erst am 6. Mai 1599 wird sein Name wieder genannt. Er hatte für die Geächteten das Wort ergriffen und wurde zu 10 Mud Roggen und einer Nacht Thurmgefängniß verurtheilt. Uebrigens gewann K. immer mehr an Ansehen bei seinen Mitbürgern. Als nämlich bei einem Besuche der Herzogin Antonetta von Jülich aus dem Hause Lothringen-Vaudemont in Aachen im J. 1606 die Aachener Zünfte mit Ausschluß des herzoglichen Gefolges allein der Herzogin das Geleit in die Stadt geben wollten und darüber mit letzterer in Streit geriethen, die Herzogin aber auf den Einritt in Aachen verzichtete und eine für Aachen lästige und nachtheilige Spannung mit Jülich entstand, schickte die Stadt im J. 1608 eine Deputation angesehener Männer nach Jülich, um den Streit auszugleichen, zu welcher auch K. gehörte. Mit dem am 25. März 1609 erfolgten Tode des letzten Herzogs von Jülich-Cleve-Berg, Johann Wilhelms, erlosch eines der wenigen deutschen katholischen Herrscherhäuser. Zwei protestantische Fürsten, Johann Sigmund, Markgraf und Kurfürst von Brandenburg und Wolfgang, Pfalzgraf von Neuburg erhoben Ansprüche auf die Erbschaft. Dieser Umstand gab den vielen, nach der Aechtung in Aachen zurückgebliebenen Protestanten neuen Muth und neue Zuversicht. Durch Aufstand vom 5. Juli 1611 bemächtigten sie sich von neuem des Stadtregiments. Der unter der Hand nach Jülich gesandte K. langte am Abend des 9. Juli in Aachen mit der Nachricht an, es würden Commissarien von Jülich eintreffen, um die Zerwürfnisse zwischen den Confessionen zu ordnen. Diese machten zu Gunsten der Protestanten Vorschläge, gegen deren Ausführung die Katholiken den Willen des Kaisers geltend machten. Ueberhaupt stand nach dem Aufstande vom 5. Juli die Stellung der Katholiken wieder in Frage, welche sie durch die Achtserklärung Aachens vom Jahre 1598 erlangt hatten. Die Protestanten benahmen sich in der Reichsstadt wie die Gebieter. So ließ K. im September die Accisekammer gewaltsam öffnen und das Geld aus derselben herausnehmen. Im Anfange des folgenden [27] Jahres wurde dem Rentmeister die Herausgabe des Schlüssels zur Rentkammer durch Gewalt auferlegt und für das J. 1612 zu Bürgermeistern gewählt der Lutheraner K. und der Kalvinist Adam Schanternel. Von 129 Mitgliedern des Großen Rathes waren im Mai desselben Jahres 40 Lutheraner und 76 Kalvinisten. Katholiken durften die Stadt nicht verlassen. Den katholischen Bürgermeistern war vor Notar und Zeugen verboten worden, irgend eine Amtshandlung vorzunehmen, auch die niederen Beamten durften nicht fungiren. Die Gewalthaber suchten sich durch Herbeiziehung fremder Truppen sicher zu stellen. Mitte Januar 1612 rückte von Cleve her eine kurbrandenburgische Compagnie unter dem Hauptmann von Barleben in Aachen ein. Die Fremden wurden aus der Stadt gewiesen, die Wachen verstärkt und auch katholische Mitglieder des Raths zu Wachdiensten herangezogen. In den folgenden Tagen war Musterung der Bürger auf der Halle, wo jeder in die Hand Kalkberner’s Treue und Ausdauer geloben mußte. Dem Altbürgermeister Berchem war es nach der Bürgermeisterwahl vom 12. Mai 1612 gelungen, heimlich die Stadt zu verlassen, Er begab sich nach Wien, um hier für die Sache der Katholiken in Aachen zu wirken. Der Tod Kaiser Rudolfs II. am 20. Januar und des Erzbischofs Ernst zu Köln am 18. Febr. 1612 hatte den Protestanten in Aachen erhöhte Zuversicht gewährt. Sie verließen ihren bisherigen Versammlungsort in der sogen. Kupferschlägerleuve und nahmen den Sitzungssaal des Raths auf dem Rathhause ausschließlich für sich in Besitz. Zu der im Mai 1612 anberaumten Königswahl in Frankfurt ordneten beide Religionsparteien Aachens Vertreter ab. Die Katholiken entsandten ihren Bürgermeister Joachim Berchem, die Protestanten den K. Indessen wurde für dieses Mal keine Partei zur Vertretung Aachens zugelassen. Nur das Stiftscapitel der Krönungskirche wurde eingeladen, mit den Krönungsinsignien nach Frankfurt zu kommen. Nach der Krönung des Kaisers Matthias veranlaßte der Bürgermeister Joachim Berchem den Kaiser, eine Commission nach Aachen zu senden. Diese hielt am 28. Novbr. ihren Einzug in Aachen. In ihren Kutschen saßen zu deren größerer Sicherheit die Mitglieder des Stiftes, welche die Krönungsinsignien nach Frankfurt gebracht hatten. Zwölf Fähnlein Bürger und drei Fähnlein Soldaten geleiteten die kaiserliche Commission in die Stadt. Dieselbe veranlaßte eine Conferenz beider Parteien im Aachener Predigerkloster und erklärte, daß der Kaiser aus eigener Bewegung und auf Wunsch der Kurfürsten sich die Angelegenheiten Aachens zur Sorge sein lasse, daß sein Wille dahin gehe, daß der Bürgermeister Joachim Berchem und Andere, die im Interesse der Katholiken über ein Jahr beim Kaiser Rudolf II., bei der Königin von Frankreich *), auch bei verschiedenen Ständen des Reichs verweilt hatten und deshalb von den Gegnern verfolgt wurden, nicht durch Auflagen und Lasten beschwert, noch in Verfolgung ihres Rechtes angefeindet würden, daß die verjagten oder freiwillig ausgewichenen Bürger zurückgerufen und in der Ausübung ihrer Rechte nicht behindert würden, das Schöffencollegium in seiner Thätigkeit nicht gehemmt, die Jesuiten nicht ferner den Unbilden einer zügellosen Menge ausgesetzt sein sollten, daß endlich die durch den Sold der Truppen erschöpfte Stadtkasse durch deren Entlassung erleichtert würde; schließlich wurden beide Parteien ermahnt, dem Befehle des Kaisers sich zu fügen und sich nicht der Hoffnung hinzugeben, durch Ausflüchte die Sache zu beenden. Die Katholiken fügten sich den Befehlen, die Protestanten suchten die Aufstände zu entschuldigen und hielten [28] der kaiserlichen Commission die mit dem pfälzer Reichsverweser getroffene Uebereinkunft in Bezug auf freie Ausübung des Glaubens und Zutritt zum Rath entgegen. Einen vom Kaiser zum Ende des December nach Regensburg ausgeschriebenen Reichstag besuchten Abgeordnete beider Parteien. Bevor die kaiserlichen Commissare am 16. Februar 1613 Aachen verließen, wiederholten sie beiden Parteien die Hauptpunkte ihrer Sendung und hoben nachdrücklich den Willen des Kaisers hervor. Nichts destoweniger gingen die Protestanten gegen die Katholiken vor mit Gras- und Pfortengebot oder mit Gefängniß, mit Wachediensten, Auflagen und Contribution. Als der Kaiser dies erfuhr, schrieb er am 15. Mai an den Schöffenstuhl, er sollte den Gang der Gerechtigkeit nicht hemmen, bis die Hauptentscheidung erfolgt sei. Der Kaiser rügt, daß der Meier des Orts Burtscheid, Albert Schrick, willkürlich aus seiner Stelle entfernt und K. in dieselbe eingesetzt, und daß der Erbvogt jenes Ortes, Johann von Merode-Hoffalize, in Gewahrsam genommen worden sei, weil er den K. nicht als rechtmäßigen Inhaber jener Meierei anerkennen gewollt. Im Juli wurden zum Schutze der Stadt 140 Fußsoldaten und im folgenden Monat der Oberst von Puttlitz mit vier Fähnlein brandenburgischer Truppen aufgenommen. Alle Thore der Stadt, die vier Hauptthore ausgenommen, wurden geschlossen und verrammelt und Vorkehrungen getroffen, einen Ausfall zu machen oder einen Angriff abzuwehren. In der Erkenntniß, daß ihre Stellung unhaltbar sei, bringen die Machthaber ihr bewegliches Eigenthum nach Außen in Sicherheit, was zu thun den Katholiken verweigert wird. Da die Inhaber des Regiments in Aachen auf die kaiserlichen Befehle keine Rücksicht nahmen, so sprach Matthias am 20. Febr. 1614 zu Budweis die Acht über dieselben aus. Diese wurde am 22. August desselben Jahres durch Anschlag in Aachen verkündigt. Das Mandat rekapitulirt die Verhandlungen der Jahre 1581–1593, wo das Urtheil ausgesprochen, und des Jahres 1598, wo zum ersten Male die Acht verhängt wurde, erwähnt die am 5. Juli 1611 ausgebrochenen Unruhen, die darauf folgenden Verhandlungen bis zur erneuerten Acht und schließt: „Was die Erstattung der Unkosten, die Vergütung des erlittenen Schadens und die Bestrafung derjenigen betrifft, welche vor Andern bei diesem Werke straffällig sind, so behalten wir uns darüber kraft unseres kaiserlichen Amtes die näheren Bestimmungen bevor sowie auch über die Beschwerden, die Jemand gegen den Rath haben mag.“ Am 22. August sandte Erzherzog Albrecht, des Kaisers Matthias Bruder, den spanischen Feldobersten, Marquis Ambrosius von Spinola, mit einem bedeutenden Heere gegen Aachen. Dieser schließt die Stadt mit seinem Heere ein, richtet von den benachbarten Anhöhen das schwere Geschütz gegen dieselbe und fordert sie auf in 24 Stunden die Thore zu öffnen. Einige Tage vor der Einschließung der Stadt hatten der Erzbischof von Köln, Herzog Ferdinand von Baiern und der Erzherzog Albrecht einen letzten Versuch gemacht, die Protestanten zum Nachgeben zu bestimmen. Ihre Abgesandten hatten aber nicht nur nichts vermocht, sondern auch noch öffentliche Beleidigungen erfahren, worauf die Einschließung erfolgt war. Von den Eingeschlossenen riethen einige zum Widerstande, andere zur Unterwerfung, noch andere flohen heimlich. K. war zum Widerstande geneigt und wollte die Anwesenheit der brandenburgischen Truppen zu demselben benützen. Da deren Oberst, von Puttlitz, Abends bei einer Runde von einem Wachposten, dem er die Losung zu geben verweigerte, durch den Arm geschossen worden war, wollten seine Anhänger nicht darauf eingehen und führten ihn in seine Wohnung. In der Nacht entfloh er nach Jülich, wo er bald darauf gestorben ist. Der Geschichtschreiber Peter Beeck, welcher ihn verkleidet mit den brandenburgischen Truppen aus Aachen ziehen läßt, nennt ihn einen von Schulden [29] niedergedrückten, gefährlichen und verwegenen Menschen. Nach seiner Entfernung stimmten alle Zünfte für Unterwerfung. Den 25. August zogen die Brandenburger, 800 Mann stark, mit fliegenden Fahnen aus der Stadt. An ihrer Stelle rückten vier Fähnlein, jedes zu 300 Mann, vom ostfriesischen Regiment Graf Emden ein. Die Protestanten legten die Regierung nieder. Am 3. Dec. fand auf dem Markte, vor dem Rathhause, in Gegenwart der kaiserlichen Commission, des Bürgermeisters und des ganzen großen Raths die Hinrichtung zweier Bürger statt, welche bei dem Aufruhr vom 5. Juli 1611 eine Hauptrolle gespielt hatten. Der Secretär des Kurfürsten von Köln, Hülsmann, las die Sentenz ab, in welcher K., Adam Schanternel und neun andere, welche theils gestorben waren, theils sich verborgen hielten, als die Urheber und Führer des Aufstandes von 1611 bezeichnet wurden. Das Andenken des verstorbenen K. sollte durch eine auf dem Markte zu errichtende Schandsäule gebrandmarkt werden. Diese wurde in der That am 19. Decbr. 1616 aufgerichtet und stand, keine Zierde für den Markt, bis zum 19. Decbr. 1793, wo die Franzosen sie entfernten und an ihrer Stelle einen Freiheitsbaum errichteten!

Man vgl. Meyer, Aach. Gesch. und Haagen II, S. 164 ff.

[27] *) Diese hatte nach dem Aufstande vom 5. Juli 1611 den streitenden Parteien durch eine Gesandtschaft ihre Vermittelung angeboten, auf welche die Katholiken nicht eingehen wollten.