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ADB:Wolfgang (Pfalzgraf)

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Artikel „Wolfgang, Pfalzgraf, Herzog von Zweibrücken und Neuburg“ von Theodor Julius Ney in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 44 (1898), S. 76–87, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Wolfgang_(Pfalzgraf)&oldid=- (Version vom 21. November 2024, 19:10 Uhr UTC)
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Wolfgang; Pfalzgraf, Herzog von Zweibrücken und Neuburg, geboren am 26. September 1526 in Zweibrücken, † am 11. Juni 1569 in Nessun bei Limoges, war der einzige Sohn des Herzogs Ludwig II. und der Elisabeth, einer Tochter des Landgrafen Wilhelm’s des Aelteren von Hessen. Sein Vater, der vierte in der Reihe der von Stephan, dem dritten Sohne Ruprecht’s von der Pfalz, abstammenden Herzoge von Zweibrücken, hatte 1523 dem ihm von Franz von Sickingen empfohlenen Johann Schwebel aus Pforzheim einen Wirkungskreis eröffnet und sich seitdem stets der Reformation geneigt bewiesen, an der Speierer Protestation und Augsburger Confession jedoch nicht theilgenommen. Als Ludwig am 3. December 1532 starb, wurde der sechsjährige W. sein einziger Erbe, zunächst unter der Vormundschaft seiner Mutter und des ältesten Bruders seines Vaters, des Pfalzgrafen Ruprecht. Obwol ursprünglich dem geistlichen Stande angehörig, zeigte sich Ruprecht als entschiedenen Förderer der Reformation und gab schon 1533 durch Einführung einer von Schwebel ausgearbeiteten Kirchenordnung der evangelischen Kirche im Zweibrücker Gebiete die nothwendige Organisation. Als Erzieher Wolfgang’s berief er im Juni 1533 Schwebel’s Landsmann Kaspar Glaser aus Pforzheim, einen mildgesinnten Lutheraner, welcher das Vertrauen seines Zöglings in vollem Maße gewann, 1540 nach Schwebel’s Ableben dessen Nachfolger ward und bis zu seinem 1547 erfolgten Tode das Kirchenwesen im Herzogthum leitete. Die Augsburger Confession ließ Ruprecht nachträglich durch Schwebel unterschreiben, lehnte aber im Februar 1537 den Eintritt in den schmalkaldischen Bund ab. – In seinem 14. Lebensjahre kam W. zur Ausbildung in höfischer Sitte und Vorbereitung auf die Führung der Regierung an den Hof des Kurfürsten Ludwig nach Heidelberg, 1541 an den des Kurfürsten von Trier, wobei jedoch sein Hofmeister Seifried v. Oberkirch strenge Weisung erhielt, dafür zu sorgen, daß W. nicht vom Worte Gottes abgewendet und zum Papstthum verführt werde. (Vgl. L. Eid, D. Hof- u. Staatsdienst im Herzogt. Zweibrücken 1444–1604. Mitt. d. hist. Ver. d. Pfalz XXI, S. X u. 40 ff.). Am 2. Juli 1541 empfing er von Kaiser Karl V. auf dem Reichstage zu Regensburg sein Reichslehen. Ein 1540 mit dem Könige von Frankreich abgeschlossener Dienstvertrag sicherte W. von diesem einen Jahressold, wurde aber bereits 1542 gekündigt, nachdem König Franz wieder die Waffen gegen den Kaiser ergriffen hatte. Im Juli 1543 durch W. oder dessen Vormund neuerdings angeknüpfte Verhandlungen über dessen Aufnahme in den schmalkaldischen Bund kamen nicht zum Abschlusse. Im folgenden Monate führte W. bei dem Feldzuge gegen Herzog Wilhelm von Cleve dem kaiserlichen Heere einige Fähnlein zu. Am 3. October 1543 schloß er in Marburg mit seinem Vormunde Ruprecht einen Vergleich, nach welchem er demselben zum Danke für die treugeführte Vormundschaft die kleine Grafschaft Veldenz nebst Lauterecken und einigen weiteren Besitzungen erbeigenthümlich überließ. So wurde Ruprecht, welcher bereits am 27. Juli 1544 mit Hinterlassung eines erst einjährigen Sohnes Georg Hans starb, der Stifter einer neuen pfälzischen Nebenlinie, welche bis 1694 blühte.

Um dieselbe Zeit war W. in sein 18. Lebensjahr eingetreten und erscheint seitdem als selbständiger Regent. Seine Mutter, welche 1539 mit dem Pfalzgrafen Georg von Simmern in die zweite Ehe getreten war, unterstützte ihn dabei zunächst noch mit ihrem Rathe und war namentlich besorgt, ihm frühzeitig eine geeignete Gemahlin zuzusühren. W. folgte gerne dem mütterlichen Rathe und vermählte sich am 8. März 1545 mit Anna, der kaum sechzehnjährigen Tochter des Landgrafen Philipp von Hessen. Der glücklichen Ehe entsprangen dreizehn Kinder, von denen fünf Söhne und fünf Töchter den Vater überlebten.

Alsbald nach Uebernahme der selbständigen Regierung nahm W. an wichtigen politischen Verhandlungen theil. Im Frühjahre 1544 erschien er auf dem [77] Reichstage zu Speier und erneuerte seine Beziehungen zu dem Kaiser Karl V., welcher ihn bald darauf auf seinem Siegeszuge nach Frankreich in Zweibrücken besuchte. Im Februar 1545 betheiligte er sich an der Versammlung der pfälzischen Wittelsbacher in Heidelberg, welche das Verbleiben der Kurwürde bei der pfälzischen Linie zu sichern bestimmt war, und blieb auch dann fest auf Seite der Pfälzer, als ihm Herzog Wilhelm von Baiern vorschlug, die Kur zwischen Wilhelm’s und Wolfgang’s Hause wechseln zu lassen, und so die Versuchung an ihn herantrat, seinen Nachkommen auf Kosten der übrigen pfälzischen Wittelsbacher einen Vorzug zu verschaffen. Am 20. November 1546 erneuerte W. den sog. Disibodenberger Vertrag mit Pfalzgraf Johann II. von Simmern von 1541, nach welchem beide pfälzischen Stämme nach dem Aussterben der Kur sich behülflich sein sollten, die Kurwürde und die pfälzischen Erblande in ihre Hände zu bringen, wobei der eine Stamm die Kur mit Zubehör und der andere die Erblande erhalten sollte. In den religiösen Fragen nahm W. seine Stellung entschieden auf Seiten der protestantischen Stände. Im evangelischen Glauben erzogen, war er ein überzeugter, aufrichtig frommer Protestant, dem sein Glaube Herzenssache war. Dem schmalkaldischen Bunde trat er, obwol er wiederholt von seinem Schwiegervater dazu gedrängt wurde, nicht bei, vielleicht mit unter dem Einflusse eines nochmaligen im Mai 1546 empfangenen Besuches des Kaisers, und bewahrte während des Krieges Neutralität. Aber wie er vor dem Kriege an den Schritten der protestantischen Stände zu Gunsten des evangelischen Kurfürsten Hermann von Köln theilgenommen hatte, so trat er nach dem unglücklichen Ausgange des Kriegs bei dem Kaiser für seinen Schwiegervater Philipp von Hessen ein, für den er auch mit den Kurfürsten Joachim von Brandenburg und Moritz von Sachsen auf Verlangen Karl’s V. Bürge wurde.

Eine anerkennenswerthe Standhaftigkeit bewies W. in Sachen des Augsburger Interims. Schon auf dem Augsburger Reichstage ließ er durch seine Vertreter erklären, daß er den Beschlüssen nicht zustimmen könne, und schrieb dann dem Kaiser, welcher sich damit nicht zufrieden gab, am 8. Juni 1548, er könne von der Religion, in der er geboren und erzogen und von deren Wahrheit er überzeugt sei, nicht abstehen. Er wolle von seinen Räthen ein Gutachten darüber erholen, was an dem Augsburger Rathschlage mit unverletztem Gewissen angenommen werden könne, und werde darüber dem Kaiser baldthunlichst berichten. Der Kaiser nahm diese Erklärung überaus ungnädig auf und verweigerte W., als er sich nun entschloß, persönlich nach Augsburg zu reisen, so lange jede Audienz, bis er eine befriedigendere Antwort gegeben habe. Vorher schon hatte man deutlich mit Anwendung von Gewalt gedroht, wenn W. die Annahme verweigern werde. In dieser Zwangslage entschloß sich W. zu der schriftlichen Erklärung, er sei zur Vollstreckung des Interims bereit, soweit dies mit unverletztem Gewissen geschehen könne, bitte aber, ihm dazu die nothwendige Zeit zu lassen. In der ihm endlich gewährten Audienz schlug der Kaiser zwar W. die Bitte, nicht alle Vorschriften des Interim ausführen zu müssen, rundweg ab, gestattete ihm jedoch dazu eine gewisse Frist. In der That befahl nun W. am 22. August 1548 die Verkündigung des Interims im Herzogthume. Als aber die Geistlichen, gewiß zu Wolfgang’s Freude, einmüthig erklärten, sie könnten um des Gewissens willen Vieles, was das Interim enthalte, nicht ausführen, berichtete W. dem Kaiser, welcher ihm inzwischen neue Mahnungen zugesandt hatte, er habe das Interim zwar verkünden lassen und theilweise schon durchgeführt, die Erfüllung aller Vorschriften desselben aber sei so schnell nicht möglich, weil er keine dazu willigen tauglichen Prediger habe. Obwol nun der Kaiser auf der sofortigen vollständigen Ausführung des Interim bestand, scheiterte dieselbe doch an diesem Punkte. Die Bischöfe, an welche der [78] Kaiser W. zur Erlangung von Pfarrern wies, hätten zwar gerne katholische Geistliche gesandt, aber nicht solche, welche sich zur Einführung des Interim hergegeben und das Abendmahl unter beiden Gestalten ausgetheilt hätten. Die evangelischen Pfarrer erklärten aber auch jetzt noch, sie würden lieber auf ihre Aemter verzichten, als das Interim annehmen. Da nun W. sich zwar bereit erklärte, von den Bischöfen ihm zugesandte, auf dem Grunde des Interim stehende Pfarrer zuzulassen, aber gegen die Zulassung katholischer Priester sich entschieden verwahrte und die evangelischen Geistlichen ihr Amt weiter verwalten ließ, so blieb das Interim im Herzogthum Zweibrücken unausgeführt. Auch der Kaiser, welcher noch im April 1549 entschieden auf die vollständige Erfüllung der Augsburger Beschlüsse gedrungen und W. seine Unzufriedenheit zu erkennen gegeben hatte, mußte sich, wie es scheint, damit schließlich zufrieden geben. Wenigstens wurde W. von seiner Seite nicht weiter behelligt.

Als 1552 Wolfgang’s Schwager, Kurfürst Moritz von Sachsen, im Bunde mit Heinrich II. von Frankreich gegen Karl V. in die Waffen trat, hielt W., dessen Gebiet den französischen Angriffen offen lag, auch in dieser schwierigen Lage dem Kaiser die Treue und bewahrte volle Neutralität, wenn er auch König Heinrich, welcher am 19. Mai durch Zweibrücken kam, höflich begrüßte. An den Verhandlungen zu Passau, sowie denen zu Augsburg 1555 nahm W. keinen persönlichen Antheil, wirkte jedoch bei den letzteren durch seine Vollmachtträger entschieden, wenn auch erfolglos, für die Beseitigung des s. g. geistlichen Vorbehalts aus dem Religionsfrieden.

In Gemeinschaft mit den übrigen pfälzischen Fürsten, welche jetzt in erfreulicher Eintracht zusammenwirkten, betheiligte sich W. in dieser Zeit an verschiedenen Vereinbarungen über die Erbfolge nach dem vorauszusehenden Aussterben der pfälzischen Kurlinie. Im März 1551 trat er mit Pfalzgraf Johann von Simmern von dem erwähnten Disibodenberger Vertrage von 1541 und 1546 zurück, weil er mit der goldenen Bulle und den Hausgesetzen in Widerspruch stehe, und erneuerte mit den übrigen pfälzischen Fürsten die Vereinbarung von 1545 über die Nachfolge in der pfälzischen Kur. Am 2. November 1553 unterzeichnete er sodann den Heidelberger Erbfolgevertrag, nach welchem sämmtliche Kurlande nach dem Aussterben der Kurlinie ungetheilt an Johann von Simmern und dessen Mannsstamm fallen sollten. Die jüngere Linie Wolfgang’s sollte durch ein Capital von 20 000 Gulden und eine auf die Grafschaft Lützelstein im Elsaß, die hintere Grafschaft Sponheim und etliche andere pfälzische Gebietstheile angewiesene Jahresrente von 12 000 Gulden entschädigt werden. Wenn W. schon hierdurch die Aussicht auf eine nicht unbedeutende Vergrößerung seines kleinen Landes erhielt, so sicherte er sich dadurch einen noch weit ansehnlicheren Gebietszuwachs, daß er, obwol er selbst oft mit finanziellen Verlegenheiten zu kämpfen hatte, seinen stets geldbedürftigen Vettern von der Kurlinie mit bedeutenden Gelddarlehen aushalf. So streckte er dem Kurfürsten Friedrich II. 100 000 Gulden vor und erhielt im Herbste 1551 als Ersatz für die nicht bezahlten Zinsen, die bis dahin von Friedrich’s Bruder Wolfgang geführte Statthalterschaft in der Oberpfalz, welche er führte, bis er im August 1557 durch den späteren Kurfürsten Friedrich III. ersetzt wurde. In dieser Zeit hatte er seinen Hofhalt in Amberg und ließ seine Zweibrücker Lande durch eine aus drei Personen bestehende Statthalterschaft verwalten, kam jedoch auch selbst häufig nach Zweibrücken. Noch bessere Rente trugen W. seine dem Pfalzgrafen Otto Heinrich gewährten bedeutenden Darlehen, indem ihm dieser am 13. November 1553 „wegen sonderlicher Liebe, Dienste und Freundschaft“ für den Fall seines Ablebens sein Fürstenthum Neuburg erbeigenthümlich zum Geschenke machte und auch die Genehmigung des Kaisers und der Agnaten, sowie der Neuburger Landstände dazu erwirkte. Durch weitere 100 000 Gulden erwarb W. von Otto [79] Heinrich käuflich das Fürstenthum Sulzbach mit Parkstein und Weiden und kam so mit dem Tode Otto Heinrich’s 1559 in den Besitz eines von seinem Stammlande entlegenen rechtsrheinischen Gebietes, welches jenes an Größe und Bedeutung nicht wenig übertraf.

Besondere Fürsorge widmete W. den kirchlichen Angelegenheiten. Als Statthalter in der Oberpfalz befestigte er dort die schon vorher eingeführte Reformation. In Zweibrücken schritt er, sobald ihm der Augsburger Religionsfriede die rechtliche Grundlage dazu gegeben hatte, zur Organisation des Kirchenwesens durch Einführung einer unter dem Beirathe von Melanchthon und Brenz ausgearbeiteten und am 1. Juni 1557 veröffentlichten Kirchenordnung, welche die den Verhältnissen nicht mehr entsprechende von 1533 ersetzte. Dieselbe beruht in der Hauptsache auf der mecklenburgischen Kirchenordnung von 1552 und 1554 und der württembergischen von 1553 und trägt in der Lehre lutherisches Gepräge. Am 2. Januar 1560 führte W. diese als trefflich anerkannte Kirchenordnung auch für sein Fürstenthum Neuburg ein. Im Zweibrückischen sollte eine 1558 eingesetzte Visitationscommission, zu der auch Joh. Marbach aus Straßburg gehörte, die allgemeine Durchführung der Ordnung sichern. Die hierzu erlassene Instruction legt besonderes Gewicht auf die Einrichtung von Schulen. In jedem größeren Dorfe sollte eine deutsche Schule, in den Oberamtsstädten eine Lateinschule, für den höheren Unterricht aber ein Gymnasium in Hornbach in den Räumen des dortigen von Pirminius gegründeten Klosters errichtet werden. In der That wurde letztere Schule schon am 1. Januar 1559 eröffnet und ihr Emanuel Tremellius, welcher schon seit 1554 den Unterricht der pfalzgräflichen Kinder in Amberg geleitet hatte, als Rector vorgesetzt. Der Unterhalt dieser Schule sollte aus den Einkünften des Hornbacher und einiger anderen damals oder bereits früher eingegangenen Klöster bestritten werden. Im Fürstenthume Neuburg wurde 1561 ebenfalls ein Gymnasium zu Lauingen errichtet und aus den Gefällen der dort eingezogenen Klöster unterhalten.

An den nach dem Augsburger Religionsfrieden im Reiche über die Glaubensfrage gepflogenen Verhandlungen nahm W. lebendigen Antheil. Besonders nahe Fühlung unterhielt er mit dem ihm enge befreundeten Herzoge Christoph von Württemberg, mit dem er sich vor dem Wormser Religionsgespräche 1557 eifrig um die Aufrechterhaltung der Einigkeit unter den Protestanten bemühte und die Verdammung der Zwinglianer und anderer Secten durch die Abgesandten des Herzogs Johann Friedrich von Sachsen vergeblich zu verhindern suchte. Dem gleichen Zwecke sollte mit nicht besserem Erfolge der sog. Frankfurter Receß vom 18. März 1558 dienen, dessen Redaction von Wolfgang’s Kanzler Sitzinger herrührt. Auch auf dem Augsburger Reichstage von 1559 wirkte W. nach Kräften für die Einigung der Protestanten im Reiche, mußte aber zu seinem Bedauern erkennen, daß der Zwiespalt unter ihnen immer größer wurde und daß der Frankfurter Receß, in dem W. eine geeignete Grundlage der Einigung sah, nicht nur von den streng lutherischen Thüringern zurückgewiesen wurde, sondern auch dem Kurfürsten Friedrich von der Pfalz, welcher denselben selbst unterschrieben hatte, nicht mehr als ein Evangelium galt, das von Jedermann zu unterschreiben sei. Ueberhaupt zeigten sich hier bereits die ersten Spuren des späteren Mißverhältnisses zwischen W. und Friedrich III., welcher am 12. Februar 1559 Ottheinrich’s Nachfolger in der pfälzischen Kur geworden war. Mit Ottheinrich’s Tode trat auch dessen erwähnte Schenkung in Kraft und W., der das Fürstenthum Neuburg schon seit 1555 verwaltet hatte, konnte dasselbe am 4. März 1559 in erblichen Besitz nehmen. Bei Ausführung der übrigen vertragsmäßigen Bestimmungen und beim Vollzuge des Testaments Ottheinrich’s kam es zwischen Friedrich und W. noch zu verschiedenen Schwierigkeiten, welche zwar durch den Wormser Vertrag vom 4. April 1560 und den Bruchsaler Vergleich [80] vom 22. März 1562 beigelegt wurden, aber bei beiden Fürsten eine gewisse Verstimmung zurückließen.

Vorerst hielt dies indessen W. nicht ab, mit dem Kurfürsten Hand in Hand zu gehen, sobald es sich um gemeinsame Interessen des Protestantismus handelte. So trat er im October 1559 mit Friedrich bei dem französischen Könige und dem Rathe der Stadt für die bedrängten Evangelischen in Metz und bei dem Kurfürsten von Trier für die Protestanten dieser Stadt fürbittend ein. Bei dem Naumburger Tage von 1561 erschien W., der sich vorher schon eifrig um das Zustandekommen einer Versammlung der evangelischen Fürsten bemüht hatte, persönlich und nahm an den Verhandlungen hervorragenden Antheil. Trotz seiner entschieden lutherischen Ueberzeugung mißbilligte er die dort von dem Herzoge Johann Friedrich von Sachsen eingenommene schroffe Haltung und betheiligte sich an den Schritten der übrigen evangelischen Fürsten gegenüber dem Trienter Concile, sowie an deren Fürbitte für die französischen Reformirten bei dem neuen Könige Karl IX. von Frankreich. Bald nach dem Naumburger Tage bahnte sich jedoch in Wolfgang’s Stellungnahme eine Aenderung an. Bei den nunmehr fortgesetzten Verhandlungen forderte er immer entschiedener eine schärfere Fassung der Abendmahlslehre und stimmte im September 1562 den Beschlüssen der Fuldaer Conferenz nur ungern zu, weil die ausdrückliche Verdammung der papistischen und reformirten Irrlehre darin fehlte. Seine Abneigung gegen den Calvinismus hatte W. schon früher unzweideutig an den Tag gelegt. So hatte er schon 1560 den ersten Rector der Hornbacher Schule Tremellius, den früheren Lehrer seiner Kinder, als sich herausstellte, daß derselbe calvinischen Anschauungen huldigte, nicht nur von seinem Amte entlassen, sondern auch einige Monate in Haft behalten und dann aus seinem Lande verwiesen. Im folgenden Jahre traf dasselbe Geschick den Konrad Marius, welcher Tremellius als Prinzenerzieher ersetzt hatte. Als dieser mit dem schroff lutherischen Hofprediger Rauscher zu Neuburg in Conflict gerieth, wurde er im April 1561 deshalb verhaftet und im August des Landes verwiesen. Beiden Gelehrten gewährte bald Kurfürst Friedrich ehrenvolle Stellungen in Heidelberg, was gewiß nicht dazu beitrug, die gereizte Stimmung Wolfgang’s gegen diesen zu verbessern.

Diese Stellung zum Calvinismus hinderte W. jedoch nicht, überall dort, wo er die Interessen des Protestantismus bedroht glaubte, auch für die Reformirten einzutreten. Klarer und weitherziger, als die meisten anderen evangelischen Fürsten Deutschlands, sah er in der Bedrängniß der Protestanten außerhalb Deutschlands auch eine große Gefahr für diejenigen des Reichs. An dem calvinischen Bekenntnisse der französischen Evangelischen nahm er zwar lebhaften Anstoß und suchte bei ihnen wiederholt für die Annahme der Augsburger Confession zu wirken. Aber er glaubte sie darum doch nach Kräften unterstützen zu müssen. So trug er nicht nur im September 1562 zu einem dem Prinzen von Condé von mehreren deutschen Fürsten gemachten Anlehen 10 000 Gulden bei, sondern faßte auch ernstlich den Plan, ihnen mit Sendung deutscher Truppen zu Hülfe zu kommen. Zu diesem Zwecke machte er der Königin Elisabeth von England das Anerbieten, in ihren Dienst zu treten und den Hugenotten zwanzig Fähnlein und zweitausend Reiter zuzuführen. Als Elisabeth das ablehnte und im Januar 1563 nach der unglücklichen Schlacht bei Dreux neue Boten der Hugenotten dringend um Hülfe ersuchten, wollte er die Sache selbst in die Hand nehmen und schritt trotz aller von befreundeter Seite ihm zugehenden Abmahnungen schon zur Anwerbung der hierzu erforderlichen Mannschaften. W. dachte dabei zunächst an einen Angriff auf Metz und appellirte in einer an seine fürstlichen Freunde gerichteten Zuschrift vom 14. März 1563 nicht bloß an ihren Protestantismus, der die Unterstützung der bedrängten französischen Christen zur Gewissenspflicht [81] mache, sondern auch an ihren deutschen Patriotismus, der dazu auffordere, den günstigen Augenblick zu ergreifen, um Metz, Toul und Verdun dem Reiche wiederzugewinnen. Doch fand W. mit all’ dem keinen Anklang und wurde auch von dem Kaiser ernstlichst zur Einstellung seiner Rüstungen aufgefordert. Trotzdem hätte er wol seine Absicht ausgeführt, wenn nicht die Nachricht von der inzwischen durch den Frieden von Amboise den Hugenotten gewährten Duldung und von den zum besseren Schutze von Metz getroffenen Vorkehrungen an ihn gelangt wäre. So aber entließ er am 4. April 1563 den größeren Theil der angeworbenen Truppen.

Hatte W. schon hierbei einen Sinn an den Tag gelegt, der auch vor gefährlichen Unternehmungen nicht zurückschreckte, so trat dieser Wagemuth noch klarer in den Beziehungen hervor, in welche er seit April 1564 mit dem bekannten geächteten Abenteurer Wilhelm von Grumbach trat. Wurde W. auch nicht vollständig in Grumbach’s Pläne eingeweiht, so kannte und billigte er sie doch theilweise. So erklärte er sich im Sommer 1564 bereit, bei einem nicht zur Ausführung gelangten Anschlage Grumbach’s mitzuwirken, nach welchem der Bischof von Metz, Cardinal von Lothringen, überfallen und gefangen genommen werden sollte. Im Herbste desselben Jahres scheint er sogar dem Gedanken eines Feldzugs gegen Herzog Albrecht von Baiern näher getreten zu sein, mit welchem er wegen dessen Verfahren gegen die Protestanten und aus anderen Gründen in Irrungen gerathen war. Noch am 25. Februar 1565 hatte W. zu Römhild eine Zusammenkunft mit Grumbach und brach, obwol er schon früher entschlossen war, sich mit Grumbach in kein Unternehmen einzulassen, erst im April dieses Jahres auch formell die Beziehungen zu ihm ab.

Wolfgang’s Verhältniß zu dem Kurfürsten Friedrich war inzwischen immer schlechter geworden. Neben verschiedenen sonstigen Irrungen hatte dazu besonders die von Friedrich ins Werk gesetzte Einführung des Calvinismus in der Kurpfalz beigetragen, welche W. in höchstem Grade erregte. Die wiederholten Vorstellungen, welche er in seinem Eifer um die reine lutherische Lehre mit seinem gleichgesinnten Freunde Christoph von Württemberg im J. 1563 deshalb an Friedrich richtete, waren ebenso erfolglos geblieben, wie das Maulbronner Colloquium vom April 1564. Der Kurfürst fuhr in seinen Maßregeln fort und entließ schonungslos die lutherischen Prediger, so allein im Oberamte Germersheim neun, welche großentheils bei Pfalzgraf W. Wiederanstellung suchten und dadurch seine Erbitterung gegen Friedrich erhöhten. Mit doppeltem Eifer suchte nun W. dem Eindringen der Irrlehren in seinem eigenen Gebiete zu wehren. Er erließ am 1. Juni 1564 eine scharfe Verwarnung vor dem Calvinismus und veranstaltete eine neue Kirchenvisitation durch den eifrigen Lutheraner Joh. Marbach von Straßburg. Den Eiferer Tileman Heßhus aber, dessen Streitsucht den ersten Anlaß zu dem Gesinnungswechsel Friedrich’s gegeben und der diesen eben erst in einer Schmähschrift angegriffen hatte, berief W. am 5. Mai 1565 zu seinem Hofprediger. Gewiß trug dieser das Seine dazu bei, um die bestehende Spannung zwischen beiden Fürsten noch zu steigern. In dieser erbitterten Stimmung kam W. zu den von Kluckhohn und Menzel ausführlich dargelegten Versuchen, andere protestantische Fürsten und den Kaiser Maximilian selbst, welcher sich dem Calvinismus sehr abgeneigt zeigte, für den Gedanken zu gewinnen, daß Friedrich, wenn alle Mahnungen zur Rückkehr zur Augsburger Confession vergeblich blieben, vom Religionsfrieden auszuschließen sei. Am 22. März 1565 erklärte er sich sogar dem kursächsischen Rathe von Sebottendorf gegenüber ziemlich deutlich bereit, wenn es darüber zur Execution käme, den Vollzug derselben zu übernehmen. Zum Glücke fanden diese weitgreifenden Pläne bei den übrigen evangelischen [82] Fürsten keinen Anklang, da diese bei aller persönlichen Abneigung gegen den Calvinismus doch fühlten, daß ein derartiges Vorgehen den protestantischen Interessen zuwiderlaufe. Auch auf dem Augsburger Reichstage von 1566, auf welchem Kaiser Maximilian den Gedanken des Ausschlusses Friedrich’s aus dem Religionsfrieden aufgriff, bemühte sich W. nach Kräften, den Kurfürsten von den übrigen protestantischen Ständen zu trennen. Schon vorher hatte er durch eine Zuschrift vom 8. December 1565 Friedrich erklärt, es handle sich zwischen Lutheranern und Calvinisten nicht um Nebenpunkte, sondern um Hauptartikel, in denen man nicht nachgeben könne und man dürfe mit denen, welche in solchen irrten, keine Gemeinschaft haben. Demgemäß wollte W. auch in Augsburg, als der Kaiser den protestantischen Fürsten die Frage vorlegte, ob sie Friedrich als ihren Religionsverwandten erkennten und ob seine Lehre der Augsburger Confession entspreche, geradezu geantwortet wissen, Friedrich sei dem Augsburger Bekenntnisse nicht verwandt. Als die übrigen Fürsten sich jedoch darauf nicht einließen und am 26. Mai vernünftiger Weise erklärten, sie könnten nicht in die Verdammung Solcher willigen, die, sei es in deutschen oder fremden Landen, in einigen Artikeln von ihnen abwichen, da sie damit nur ihrer weiteren Verfolgung Vorschub leisten und das Papstthum fördern würden, stimmte, wie es scheint, auch W. dieser Erklärung zu und schied von dem Kurfürsten in ziemlichem Frieden, nachdem noch einige Streitpunkte anderer Art zwischen beiden auf dem Reichstage friedlich beigelegt worden waren. Namentlich gab jetzt Friedrich seine lange verweigerte Zustimmung zur Erhebung eines Zolles, welchen W. in seinem Gebiete eingeführt hatte, um die auf seinen beiden Fürstenthümern ruhende drückende Schuldenlast zu erleichtern, und zu dessen Erhebung er nun am 1. Juni 1566 für zwanzig Jahre auch die Genehmigung des Kaisers erhielt. Ebenso kam jetzt ein bereits in dem Wormser Vertrage von 1560 gegebenes Versprechen Friedrich’s zur Einlösung, indem der Kaiser nicht nur am 29. April die Anwartschaft Wolfgang’s und seiner Nachkommen auf die pfälzische Kur bestätigte, sondern ihn auch am 29. Mai nach vorausgegangener Ermächtigung durch Friedrich ausdrücklich mit der Kurwürde mitbelehnte.

Auch nach dem Augsburger Reichstage hörten die Mißhelligkeiten zwischen beiden Fürsten indessen noch nicht völlig auf. Noch Ende 1566 that W. Alles, was er vermochte, um der von Friedrich beabsichtigten Einführung des Calvinismus in der Oberpfalz Schwierigkeiten zu bereiten. Und als W. im Frühling 1567 aus anderen Gründen größere Kriegsrüstungen vornahm, traute der Kurfürst es ihm zu, daß dieselben gegen ihn gerichtet seien. Aber es sind keine Anhaltspunkte vorhanden, welche diese Besorgniß Friedrich’s als gegründet erscheinen lassen, und die Erklärung Wolfgang’s, welcher jede feindliche Absicht gegen denselben in Abrede stellte, erscheint als durchaus glaubwürdig. Ueberhaupt war W., dessen confessionelle Befangenheit nicht geleugnet werden kann, in seinem Verhalten gegen Friedrich gewiß nicht von bewußt selbstsüchtigen Motiven geleitet. Allerdings zeigte er in dieser Zeit einen unruhigen Thatendrang, welcher mit den ihm zu Gebote stehenden Machtmitteln in ziemlichem Widerspruch stand und vielleicht außer durch sein Temperament und die politischen Verhältnisse durch den Blick auf seine zahlreiche Kinderschaar hervorgerufen war. Aber dieses Motiv gab bei ihm nicht den Ausschlag, und es war ihm wirklich, wie er oft versicherte, um die Aufrechterhaltung des reinen lauteren Wortes Gottes, wie er es verstand, zu thun. Dies kann um so weniger bezweifelt werden, als eine Entsetzung Friedrich’s von der Kur weder W., noch seinen Kindern einen Vortheil bringen konnte, da nicht bloß Friedrich’s Sohn Ludwig, sondern auch seine Brüder Reichard und Georg lutherisch waren und deshalb an eine Nachfolge Wolfgang’s oder seines Stammes in der Kurwürde unter den vorliegenden Umständen nicht [83] gedacht werden konnnte. Daß bei den zahlreichen außer der Glaubensfrage zwischen beiden Fürsten bestehenden Differenzen Friedrich keineswegs immer gegen W. das von diesem erwartete Entgegenkommen bewies, wird ein unbefangenes Urtheil außerdem nicht verkennen und die Gereiztheit Wolfgang’s damit zwar nicht gerechtfertigt, aber doch begreiflich finden.

Immerhin zeigt sich bei W. in dieser Zeit eine Neigung zu größeren politischen Actionen, welche leicht gefährlich werden konnte. Er erfreute sich unter den deutschen und besonders den protestantischen Fürsten eines hohen Ansehens und Einflusses. Sein begeisterter Eifer für die Sache des Evangeliums, die politische Einsicht, welche er, unterstützt von tüchtigen Räthen, in vielen Fragen an den Tag legte, und die Energie, mit welcher er seine Anschauungen vertrat, hatten ihm eine Bedeutung im Reiche verschafft, welche über die seiner kleinen Herzogthümer weit hinausging. Bestrebt, der in ihm schlummernden Thatkraft ein Feld zu eröffnen, glaubte er die Gelegenheit dazu am ersten in kriegerischen Unternehmungen zu finden, zu denen er sich, wie sich später herausstellte, nicht mit Unrecht, besonders berufen und befähigt glaubte. So war er, wie erwähnt, schon 1563 zu dem Plan eines Angriffes auf Metz und 1564 zur Verbindung mit Wilhelm von Grumbach gekommen. So ließ er sich im folgenden Jahre sogar dazu herbei, am 1. October 1565 auf drei Jahre mit dem Könige Philipp von Spanien einen Dienstvertrag abzuschließen, nach welchem er sich gegen ein jährliches Dienstgeld von 4500 Gulden verpflichtete, ihm nicht nur Werbungen in seinen Landen zu gestatten, sondern auch unter bestimmten Bedingungen selbst Truppen zuzuführen. Obwol W. sich in dem Vertrage ausdrücklich vorbehielt, gegen den Kaiser, die Kurfürsten von Sachsen und der Pfalz und überhaupt gegen die Religion der Augsburger Confession nicht dienen zu müssen, war dies doch bei der bekannten Stellung Philipp’s zur Reformation eine sehr bedenkliche Sache, da W. leicht in die Lage hätte kommen können, in Philipp’s Dienste gegen die Reformirten in den Niederlanden die Waffen ergreifen zu müssen. In der That kam jetzt eine Zeit, in welcher Wolfgangs Verbitterung gegen die Reformirten einen solchen Grad erreichte, daß er selbst vor diesem Gedanken nicht zurückschreckte. Als anfangs 1567 die ersten Kämpfe in den Niederlanden ausbrachen, erklärte sich W. bereit, dem Könige Philipp tausend Reiter und zwei Regimenter Fußvolk zur Verfügung zu stellen und nur der Umstand, daß Philipp schon genügend Truppen zu haben glaubte und deshalb das Anerbieten dankend ablehnte, bewahrte W. davor, selbst gegen den Protestantismus kämpfen zu müssen. Vorher schon hatte W. im September 1566 Gelegenheit gefunden, mit seinem ältesten Sohne Philipp Ludwig an dem auf dem Augsburger Reichstage beschlossenen Feldzuge gegen die Türken persönlich theilzunehmen, und dem Kaiser nach Ungarn 300 Reiter zugeführt. Auch im folgenden Frühjahr bot er dem Kaiser seine Dienste gegen die Türken an und nahm in der sicheren Erwartung, die angeworbenen Truppen entweder in den Niederlanden oder in Ungarn verwenden zu können, schon größere Rüstungen vor. Als der Kaiser dies Anerbieten jedoch dankend zurückwies, gerieth W. in nicht geringe Verlegenheit, was er mit den geworbenen Mannschaften machen und wie er sie bezahlen wolle. Im Reiche waren seine Rüstungen bekannt geworden und man traute ihm die abenteuerlichsten Pläne gegen den Kurfürsten Friedrich oder den Herzog Albrecht von Baiern zu, so daß der Kaiser selbst ihn im Juni 1567 zur Einstellung seiner Rüstungen aufforderte. Als auch befreundete Fürsten ihm deshalb Vorstellungen machten, stellte W. jedoch jede feindliche Absicht gegen Reichsstände in Abrede. Der letzte Grund dieser Rüstungen Wolfgang’s ist nicht aufgeklärt, doch scheint er damals wirklich befürchtet zu haben, daß er wegen der Erhöhung des Zolls in seinem Gebiet von den Nachbarständen angegriffen werde. Seine Stellung war in dieser Zeit eine [84] ziemlich isolirte geworden, und er stand fast nur noch mit Herzog Christoph in näherer Verbindung. Mit seinem Verhältnisse zum Könige von Spanien mag es zusammenhängen. daß man ihn theilweise schon zu den lauen Protestanten zählte, ja da und dort davon munkelte, er wolle selbst katholisch werden. Daß ein katholischer Geistlicher in dem seiner Residenz Neuburg nahen Dillingen schon von der Kanzel Wolfgang’s baldige Rückkehr zum Katholicismus triumphirend verkündigte, kam ihm wol selbst zu Ohren. Die jetzt eintretenden Ereignisse in den Niederlanden, die Verhaftung der Grafen Egmont und Hoorne mit den sich daranschließenden Gewaltthaten und die gleichzeitige nothgedrungene Erhebung der französischen Protestanten öffneten W. vollends die Augen, und er erkannte, daß er allmählich auf einen verderblichen Irrweg gerathen und daß seine Politik in der letzten Zeit eine verfehlte und unhaltbare geworden war.

Es ist W. hoch anzurechnen, daß er sich dieser Erkenntniß nicht verschloß und nicht säumte, die nothwendigen praktischen Folgerungen daraus zu ziehen. Er war immer gut protestantisch gewesen und hatte bei aller Begeisterung für das reine Lutherthum nie völlig das Gefühl dafür verloren, daß die Reformirten trotz aller Abweichungen im Einzelnen doch in der Hauptsache mit den Lutheranern auf demselben Boden standen und daß das Zusammenhalten mit ihnen deshalb in ihrem beiderseitigen Interesse liege, ja eine Gewissenspflicht sei. In dieser Einsicht betheiligte er sich im Juli 1567 wieder an einer von verschiedenen evangelischen Fürsten bei dem Bischofe von Cambray für die von ihm bedrängten Protestanten eingelegten Fürbitte. Als ihn dann im November Herzog Alba unter Berufung auf seinen spanischen Dienst selbst aufforderte, ihm zweitausend Reiter nach den Niederlanden zuzuführen, gab ihm W. zunächst eine hinhaltende Antwort, kündigte aber nicht lange danach dem König Philipp förmlich den Dienst. Wol suchte ihn Philipp zu halten und lehnte am 24. Mai 1568 das Entlassungsgesuch ab, aber W., in seinem Entschlusse durch die inzwischen erfolgte Hinrichtung Egmont’s und Hoorne’s noch bestärkt, beharrte in seiner vom 13. Juli 1568 aus Bergzabern datirten Antwort auf seinem Begehren und schied damit aus dem unglückseligen spanischen Dienste, für den er nur eine einmalige Zahlung von 4500 Gulden erhalten hatte. Vorher schon war W. im März 1568 nach Heidelberg gekommen, wo eine vollständige Aussöhnung mit dem Kurfürsten Friedrich stattfand und wir sehen von nun an beide Fürsten in fortan ungetrübter Freundschaft zusammenwirken.

Bald darauf brach in Frankreich der Religionskrieg von neuem aus. Auch nach dem am 23. März 1568 abgeschlossenen Frieden von Longjumeau dauerten die Verfolgungen der Protestanten fort und Prinz Condé und Admiral Coligny, welche im August nach La Rochelle hatten flüchten müssen, schickten ihre Agenten an die deutschen evangelischen Fürsten mit der Bitte um Hülfe. Pfalzgraf W. hatte sich schon früher von neuem erboten, der Königin Elisabeth von England bei einem Kriege gegen Frankreich 2000 Reiter und 40 Fähnlein Fußvolk zu stellen, aber eine abschlägige Antwort erhalten und war entschlossen, nicht länger unthätig zu bleiben. Schon am 18. September 1568 schloß er mit dem Condé’schen Agenten Francourt einen Vertrag ab, in welchem er sich verpflichtete, dem Prinzen von Condé gegen späteren Ersatz seines Aufwandes ein Heer von 6000 Reitern, 16 000 Mann Fußvolks und 600 Schanzgräbern nebst 34 Geschützen zuzuführen. Am 29. October wurde dieser Vertrag von Condé und Coligny bestätigt, wobei diese auf Wolfgang’s Verlangen ausdrücklich erklärten, daß sie nicht aus Ungehorsam gegen ihren rechtmäßigen König, sondern nur um der Religion willen und zur Vertheidigung ihres Lebens und Gutes die Waffen ergriffen hätten. W. begann nun alsbald seine Rüstungen. Weder die Bitten seiner Gemahlin Anna noch die Vorstellungen seines Hofpredigers [85] Heßhusius, welcher in einem Gutachten erklärte, man könne den in neun Grundirrthümern befangenen Hugenotten nicht mit gutem Gewissen zu Hülfe kommen, noch die Warnungen, die der Kaiser an ihn richtete, und die von seinen fürstlichen Freunden ihm zugehenden Abmahnungen machten ihn in seinem Entschlusse wankend. Auch der völlige Mißerfolg des ersten Feldzuges des Prinzen von Oranien, welcher im November die Niederlande verlassen mußte und dann mit dem kleinen Reste seines Heeres in das Elsaß kam, entmuthigte ihn so wenig, wie die Nachricht, daß der Herzog von Aumale im November mit einem ansehnlichen Heere in Lothringen erschien, um den Zuzug der deutschen Truppen zu den Hugenotten zu hindern. W. fuhr in seinen Werbungen fort. Die nothwendigsten Mittel dazu verschaffte er sich besonders von dem Kurfürsten Friedrich, dem er dafür am 2. Febr. 1569 große Theile seines Gebietes verpfändete und anderes verkaufte.

Im Februar 1569 waren Wolfgang’s Rüstungen so weit gediehen, daß er an die Ausführung seines Unternehmens denken konnte, welches an Kühnheit in der Geschichte wenige seines gleichen hat. Die Hugenotten hatten ihre Truppen im westlichen Theile von Frankreich, nahe dem atlantischen Meere. Mit etwa 1400 Mann, welche der Prinz von Oranien und verschiedene französische Edelleute zu seinem Heere stellten, bestand Wolfgang’s ganze Streitmacht aus 8750 Reitern, welche sich im Elsaß gesammelt hatten, 8440 Mann Fußvolks, welche noch rechts des Rheins standen und erst später nachrückten, und 30 bis 40 Geschützen. Mit diesem Heere sollte er nun den mächtigen König bekriegen, der ihm unter Aumale schon ein mindestens ebenso starkes Heer entgegengesandt hatte, und sich durch fast ganz Frankreich durchkämpfen, um endlich den befreundeten Hugenotten die Hand zu reichen. Während der Gegner über alle Hülfsquellen des Landes verfügte, mußte er durch das ihm unbekannte Feindesland ziehen und war, sobald einmal der Feldzug begonnen hatte, von der Verbindung mit der Heimath fast völlig abgeschnitten. Fürwahr eine schwierige, ja unlösbar scheinende Aufgabe. Aber in der Gewißheit, daß er für eine gute Sache kämpfe, und in Vertrauen auf Gottes Beistand ging W. in den Kampf, der ganzen Gefahr seines Unternehmens bewußt und doch getrosten Muthes.

Am 20. Februar 1569 brach W. mit seiner Hoffahne von Bergzabern nach dem Elsasse auf, wo er bei Hochfelden seine Reiterei musterte und Kriegsrath hielt. W. selbst, der über den religiösen Interessen die deutschnationalen nicht aus dem Auge verlor, hätte sich am liebsten zunächst gegen Metz gewendet, um die 1552 dem Reiche entrissenen Bisthümer Metz, Toul und Verdun zu besetzen. Aber Francourt, der sich bei dem Heere befand, und Wolfgang’s Generallieutenant Graf Vollrad von Mansfeld traten dafür ein, daß man baldmöglichst den von dem Herzoge von Anjou bedrängten Hugenotten Hülfe bringe und sich im Westen Frankreichs mit deren Heere vereinige. W. gab nach und befahl den Marsch durch Burgund. Am 12. März wurde von Hochfelden aufgebrochen. Zunächst ging es über Schlettstadt und Sennheim in die Freigrafschaft bis zur Saône. Hier kam es am 28. März bei Ormoy zu dem ersten Scharmützel mit den Truppen Aumale’s, welche vergeblich Wolfgang’s Uebergang über den Fluß zu verhindern suchten. Westlich davon bezog W. mit seiner Reiterei bei Jussey ein Lager. Hier traf ihn die schlimme Nachricht von der Niederlage der Hugenotten bei Jarnac am 13. März und dem Tode des Prinzen von Condé. Dazu wurde W. selbst, dessen Gesundheit überhaupt eine geschwächte war, von heftigem Fieber befallen. Schon legte er sich die Frage vor, ob er unter diesen Umständen das unternommene Werk zu Ende führen könne, und dachte daran, umzukehren und den Oberbefehl dem Prinzen von Oranien zu überlassen. Als aber seine Obersten erklärten, in diesem Falle würden auch sie [86] nicht bleiben, entschloß er sich auszuharren, wenn es ihm auch das Leben kosten sollte, und ließ sich von diesem Entschlusse auch durch große Versprechungen nicht abwenden, durch welche ihn um diese Zeit der Herzog von Lothringen und der König von Frankreich zur Auflösung seines Heeres bestimmen wollten. Am 12. April setzte W., obwol seine aus Deutschland erwarteten Fußtruppen noch immer nicht angekommen waren, seinen Marsch längs der Saône bis zur französischen Grenze fort, wo er bei Membrey wieder Halt machte, um seine Infanterie zu erwarten, welche hier auch endlich zu ihm stieß. Von Membrey aus sandte er auch seinen Rath, den Licentiaten Johann Wolf an den französischen Hof nach Verdun, um diesem zu wiederholen, daß er nur freie Religionsübung für seine Glaubensverwandten wolle und umzukehren bereit sei, sobald der König diese gewähre und ihm seinen Aufwand für den Krieg ersetze.

Die Antwort des Königs fiel, wie zu erwarten war, abschläglich aus und W. rückte am 23. April in Frankreich ein und unter steten kleinen Gefechten mit Aumale auf schlechten Wegen der Loire zu. Da den Soldaten aus Geldmangel ihr Sold nicht ausbezahlt werden konnte, fingen auch diese an schwierig zu werden und konnten nur durch in den durchzogenen Gebieten auferlegte Brandschatzungen je und je wieder befriedigt werden. W. selbst litt fortwährend am Fieber und bekam noch dazu an einem vor Jahren schlecht geheilten Schenkelbruche den Rothlauf, so daß er nur mit großen Beschwerden die Stiefel anziehen und das Pferd besteigen konnte. Aber W. scheute weder Beschwerden noch Gefahren. Am 12. und 13. Mai wurde die Yonne überschritten und unter Wolfgang’s persönlicher Führung das Schloß Breve erstürmt. Hier traf ein mit der Gegend bekannter Abgesandter Condé’s bei W. ein und diente bei dem Weitermarsche als Führer. Nachdem vorher die Vorhut an einer unbewachten Furt bei Pouilly die Loire überschritten hatte, wurde am 21. Mai die Stadt La Charité nach kurzer Belagerung und Beschießung eingenommen und auch das feste Schloß bei dieser Stadt mußte capituliren. Aumale suchte die Einnahme zu verhindern, kam aber mit seinen Truppen zu spät. Neu ermuthigt durch diesen bedeutenden Erfolg zog W. weiter nach Südwesten, von wo ihm nun auch Coligny entgegenrückte. Obwol Aumale inzwischen seine Truppen mit denen Anjou’s vereinigt hatte und jetzt W. weit überlegen war, hatte dieser von nun an selbst bei den schwierigen Flußübergängen über den Auron, die Cher, die kleine und große Creuse nur weniger bedeutende Kämpfe mehr zu bestehen. Nur beim Ueberschreiten der Vienne, welches am 9. Juni erfolgte, entspann sich noch ein größeres siegreiches Gefecht, in welchem 200 Feinde gefangen wurden. Das letzte ernste Hinderniß der Vereinigung beider Heere war damit beseitigt, da das hugenottische Heer nur noch drei Tagereisen entfernt bei Limoges stand. In der That machte sich Coligny am 9. Juni mit 200 Reitern auf, um W. entgegenzueilen und ihn feierlich zu begrüßen, und langte am Nachmittage des 11. Juni in Wolfgang’s Hauptquartiere an, nachdem nach Ueberwindung unsäglicher Schwierigkeiten das von diesem ins Auge gefaßte Ziel vollständig erreicht war.

Aber es sollte Coligny nicht vergönnt sein, dem heldenmüthigen Pfalzgrafen den Dank seiner durch ihn geretteten Glaubensgenossen persönlich zu bezeugen. Er konnte nicht mehr vor W. gelassen werden, da dieser in den letzten Zügen lag und wenige Stunden nach Coligny’s Ankunft verschied. Die Anstrengungen der letzten Tage hatten den Rest seiner Kräfte völlig aufgerieben. Nach einem kalten Trunke, den er am 6. Juni, vom Fieber und dem langen Ritte überhitzt, zu Benevent gethan hatte, hatte er sich sehr unwohl gefühlt, aber dennoch zu Pferde den Weitermarsch mit dem Heere fortgesetzt. Am 9. Juni, nach dem Gefechte an der Vienne, übernachtete er in einer Scheune des Dörfchens Naigo und empfing, des nahen Todes gewiß, andächtig das h. Abendmahl. Tags darauf [87] zog er zu Wagen weiter und kam, nachdem er noch bei gutem Bewußtsein die Nachricht von der bevorstehenden Ankunft Coligny’s empfangen hatte, am 11. Juni um Mittag schon sterbend nach dem Flecken Nessun, wo er, fern von der Heimath, Abends sieben Uhr ohne Todeskampf sanft entschlief. Sein Leichnam wurde zunächst am 17. Juni in Angoulême bestattet und nach Cognac verbracht, von wo ihn Licentiat Wolf zwei Jahre später unter merkwürdigen Abenteuern auf dem Seewege über La Rochelle und Lübeck nach der Heimath brachte. Hier fand er endlich am 23. September 1571 in der Kirche zu Meisenheim seine bleibende Ruhestätte.

Schon längere Zeit vor dem Antritte seines Zuges hatte W. am 18. August 1568 ein ausführliches Testament gemacht, welches auch eine staatsrechtliche Bedeutung gewonnen hat. In demselben ordnete W. zwar noch eine Theilung seiner Lande an, indem er das Fürstenthum Neuburg seinem ältesten Sohne Philipp Ludwig und Zweibrücken seinem zweiten Sohne Johannes zuwies, verbot jedoch jede weitere Theilung und entschädigte seine drei jüngeren Söhne durch auf weitere Landestheile angewiesene Apanagen. Damit war aber in Wolfgang’s Hause für die Zukunft die Erbfolge nach dem Rechte der Erstgeburt eingeführt. Da bekanntlich alle jetzt lebenden Glieder des königlich und herzoglich bairischen Hauses von W. abstammen, so haben die heute geltenden Familiengesetze des Hauses Wittelsbach in jenem, am 5. April 1570 von Kaiser Maximilian bestätigten, Testamente Wolfgang’s ihre rechtliche Grundlage. Zugleich legte das in dem Testamente niedergelegte, offenbar aus aufrichtigem Herzen kommende Glaubensbekenntniß Wolfgang’s in Verbindung mit den ihm beigegebenen väterlichen Ermahnungen ein ehrendes Zeugniß für dessen Verfasser ab, der trotz der von ihm zeitweise eingeschlagenen Irrwege als einer der merkwürdigsten Fürsten seines Jahrhunderts in der Geschichte dasteht. Mit Recht erkannten die Protestanten Frankreichs, als sie über ein Jahr nach Wolfgang’s Tode endlich zu Saint Germain den ersehnten Frieden erhielten, in W. den Helden, dem sie nächst Gott ihr Leben, ihre Güter, ihre Ehre und, was mehr ist, ihre Gewissensfreiheit verdankten. In Wolfgang’s eigenen Landen erhielten die von ihm geschaffenen trefflichen Ordnungen des Kirchen- und Schulwesens noch lange sein Andenken und trugen ihre segensreichen Früchte. Der opferwillige Glaubensmuth aber, mit dem er für die als recht erkannte Sache sein Leben ließ, und die seltene Thatkraft, mit welcher er drei Jahrhunderte vor dem Kriege von 1870 mit seinem kleinen Heere den Ruhm der deutschen Waffen bis in die Nähe des atlantischen Oceans trug, sichern ihm für alle Zeiten bei allen guten Deutschen das wohlverdiente ehrende Andenken.

Herzog Wolfgang’s zu Zweibrücken Kriegsverrichtungen von Joh. Heinr. Bachmann. Mannheim 1769. – N. v. Schlichtegroll, Herzog Wolfgang von Zweibrücken und Neuburg. München 1850. – J. G. Lehmann, Gesch. des Herzogthums Zweibrücken. München 1867. – Kluckhohn, Briefe Friedrich’s des Frommen. Braunschweig 1868. – E. Krieger. Pfalzgraf Wolfgang. Westheim 1879. – L. Molitor, Gesch. einer deutschen Fürstenstadt. Zweibrücken 1885, S. 190 ff. – H. Leher, Die Wolfgange im Hause Wittelsbach (i. d. Zeitschr.: Das Bayerland, 1895, S. 402 ff.). – Besonders Karl Menzel, Wolfgang von Zweibrücken. München 1893. In diesem gediegenen Werke sind alle übrigen Quellen verzeichnet.