ADB:Ludwig V. der Friedfertige

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Artikel „Ludwig V., Kurfürst von der Pfalz“ von Jakob Wille in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 19 (1884), S. 575–577, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Ludwig_V._der_Friedfertige&oldid=- (Version vom 19. März 2024, 04:51 Uhr UTC)
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Ludwig V., Kurfürst von der Pfalz, 1508-44, ward geb. am 2. Juli 1478 als der Sohn des Kurfürsten Philipp des Aufrichtigen. Nach einer tüchtigen wissenschaftlichen, wie auch nach Sitte der Zeit höfischen Ausbildung übernahm L., kaum 30 Jahre alt, die Regierung des ersten weltlichen Kurstaats in einer Zeit, die in religiöser wie politischer Beziehung ihm die ernstesten und schwierigsten Aufgaben stellte. Der Pfalzgraf gehört aber den stürmischen und gewaltigen Naturen gegenüber, wie sie die Reformationszeit hervorgebracht, zu den seltenen Erscheinungen, die eine gemessene Ruhe bewahrten und über den Parteien stehend und vielfach von der Nothwendigkeit der neuen geistigen und politischen Strömungen überzeugt, dennoch treu dem Alten anhingen. Eine friedliche, stets vermittelnde Politik charakterisirt seine ganze Regierungszeit, die wir hier in kurzen Zügen betrachten. Sie begann damit, daß er zunächst im eigenen Hause den Frieden wieder herzustellen suchte. Nachdem seine Braut Sidonie von Baiern, Albrechts IV. Tochter, gestorben war, vermählte er sich mit deren Schwester Sibylle, eine Verbindung, welche die Zwietracht zwischen Baiern und Pfalz, wie sie jüngst der Landshuter Erbfolgekrieg (1504) herbeigeführt hatte, zur Ruhe zu stellen schien. Eine Erbeinung mit Herzog Ulrich von Wirtemberg, der aus dem Landshuter Kriege einige Pfälzer Ortschaften gewonnen hatte, stellte nach dieser Seite das gute Einvernehmen wieder her und endlich gestaltete sich auch sein Verhältniß zu Kaiser Maximilian friedlicher, der ihn 1518 feierlichst zu Worms mit den Reichslehen belehnte. Gewiß hatte Maximilian nicht ohne die Absicht, besonders in Süddeutschland den habsburgischen Einfluß zu befestigen, den Pfälzer Kurfürsten für sich zu gewinnen gesucht. Freilich zeigte sich nach des Kaisers Tode (12. Januar 1519), als Karl von Spanien und König Franz von Frankreich sich um die Krone bemühten und die Stimmen der deutschen Wahlfürsten zu gewinnen suchten, auch L. von der Pfalz nicht fest und entschieden. Bringt ein friedliebender, mit allen Parteien versöhnlicher Charakter in entscheidenden Fragen schon die Schwäche des unentschiedenen Schwankens mit sich, so war es bei einem Rivalitätskampfe, aus dem für L. viel und vor allem Verlorenes zu gewinnen war, erklärlich, daß er seine Stimme nicht wohlfeil vergab. So schnell konnte er doch auch des Schadens nicht vergessen, den ihm gerade Oesterreich in dem erwähnten Landshuter Erbfolgekrieg gebracht. War doch sein Vater in kaiserlicher Acht gestorben! Und nun kamen von Frankreich glänzende Anerbietungen. Man versprach ihm die Zahlung eines Jahrgeldes von 1200 Lires und machte ihm Hoffnung, die ihm von Maximilian entzogene Landvogtei Hagenau und die Ortenau wieder zu verschaffen. Zu einer Entscheidung kam es nicht, denn auf der anderen Seite suchte ihn auch Oesterreich zu gewinnen. Gegen Verzichtleistung auf das beanspruchte Hagenau wurden ihm 100 000 Goldgulden und eine jährliche Pension von 6000 Gulden zugesagt. L. schwankte. In einem pfälzischen Memorial für den Kurfürstentag von Wesel werden die Anerbietungen der beiden Kronrivalen geradezu gegen einander abgewogen und L. gestand zu Heidelberg den österreichischen Agenten gegenüber, daß die französischen Bedingungen ihm erwünschter, indem er besonders zu einem Verzicht auf die Landvogtei Hagenau [576] sich nicht bewegen ließ. So schamlos auch von patriotischem Standpunkte aus der Handel Ludwigs erscheinen mag, so war es doch eine durch die Verhältnisse gegebene nothwendige Politik, die mehr mit ihrer Stellung zu zwei Weltmächten, als zu deutschen Reichsfragen zu rechnen hatte. Denn das Wohl und Wehe des deutschen Vaterlandes war den Zielen der spanisch-österreichischen Monarchie ebenso fremd, wie der französischen. Bei einem rheinischen Fürsten war aber schon der eigenen Existenz wegen eine solche in der That charakterlose Politik nicht zu verwundern, wenn auch nicht zu entschuldigen. Die Hoffnung viel zu gewinnen lag so nahe wie die Gefahr viel zu verlieren. Sehen wir aber davon ab, so war L. überhaupt kein Mann von durchgreifender Energie und festen Zielen, so auch in den religiösen seine Zeit beherrschenden Fragen. Es ist schwer seine Stellung zur deutschen Reformation, vor allem sein rein persönliches Verhältniß zu derselben, ganz klar zu stellen. Landgraf Philipp von Hessen, der kein schlechter Menschenkenner war, wollte nach einem Besuche zu Heidelberg, wo auch Melanchthon zugegen war, überzeugt sein, daß auch L. sich der Reformation anschließen werde, ja wir wissen auch, daß er, wie viele andere, eine Nothwendigkeit der neuen Bewegung erkannte und dürfen zu glauben wagen, daß ihm auch ein Verständniß für Luther nicht abging, – aber eine timide, stets vermittelnde Natur wird bei entscheidenden Fragen, die nur mit einem offenen Bruche zu lösen sind, stets dem Alten anhangen. So auch L., der ein treuer Sohn der alten Kirche war und blieb. Nur stand er jedem Fanatismus ferne und ließ die Bewegung, solange sie nicht einen radicalen Umsturz der Dinge befürchten ließ, ruhig ihren Gang gehen. Ohne Zweifel war es auch gerade die Verbindung religiöser und politischer Ideen, die ihn von der Reformation abstieß. So mußte er zunächst gegen die deutsche Reichsritterschaft Partei nehmen, die unter der Führung des Franz von Sickingen das deutsche Fürstenthum bedrohte. Die Reichsritterschaft hatte von jeher mit der Pfalz das beste Einvernehmen bewahrt, ja sie erkannte eine unmittelbare Oberherrlichkeit an; vor kurzem noch hatte L. mit ihr gegen den schwäbischen Bund gestanden und gerade die Sickingen waren treue bewährte Diener des pfälzischen Hauses. Die Fürstengewalt mußte aber von nun an die neue Macht des Reichsadels fallen lassen und L. schloß sich den erbittertsten Feinden Sickingens, Hessen und Trier, an (1523). Der Ausgang des Kampfes ist bekannt. Vermittelnder stand L. dem Umsichgreifen des demokratischen Elementes der Bauern gegenüber (1525). Während andere mit hartem Druck und oft unmenschlicher Grausamkeit die Aufständigen zu überwinden suchten, kam ihnen L. mit Ruhe, ja mit Milde entgegen und verschloß sich der Einsicht nicht, daß viele ihrer Forderungen gerecht und war bereit, auf vermittelndem Wege die Ruhe wieder herzustellen. Männer, wie Brenz und Melanchthon, wurden damals mit in den fürstlichen Rath gefordert und ihre Vorschläge wohl erwogen. Selbst als der Aufstand in der Pfalz verheerend um sich griff, war L. noch nicht zu sofortigem Losschlagen zu bewegen. Am 10. Mai hatte er mit den Bauern zu pactiren versucht, aber, wie es bei Revolutionen immer zu gehen pflegt, war auch hier der Zeitpunkt des Nachgebens zu spät und nur Veranlassung zu neuem Sturm. Jetzt erst zog L. gegen die Bauern zu Felde. Die Pfalz diesseits des Rheins ward gesäubert. Im Verein mit dem schwäbischen Bundesheer ging es dann nach dem Taubergrund und nach dem Hauptherd des Aufstandes in das würzburgische Gebiet, und während dort mit aller Härte der Truchseß den Aufstand niederschlug, brachte L. auch in seinem linksrheinischen Gebiete die Bauern zur Ruhe. So sehr auch hier und dort L. zu den härtesten Strafen schreiten mußte, so war er doch gegen die Besiegten milder als die anderen Fürsten und zeigte statt des neuen Druckes nur die friedfertigste Gesinnung und den besten Willen, den [577] Uebelständen abzuhelfen. Von nun an nimmt aber die Entscheidung der religiösen Frage den Kurfürsten mehr in Anspruch. Bezeichnender Weise gehörte L. keinem Bunde an, der eine religiöse und politische Parteistellung verlangte: Eine conservative Natur eigener Art, die sich dem Verständniß für Neuerungen nicht verschloß, aber mit einer Aengstlichkeit nachgab, die stets einen Rückhalt am Alten sich verschaffte. Von Karl V. zum Vermittler des Friedens mit den Protestanten bestimmt, zeigte er überall versöhnliche Gesinnung, aber niemals durchgreifende Energie. Während er auf dem Reichstage zu Speier (1529) für ein deutsches Nationalconcilium stimmte, war er doch wieder gegen die so bedeutsamen Freiheiten des Reichsabschiedes von 1526. So hatte er auch bei der Frage der Königswahl Ferdinands, die Karl V. schon seit 1528 betrieb, sich sowol von dem Propst von Waldkirch versuchen lassen, als er auch seinem baierischen Vetter Herzog Wilhelm, der nach der Krone strebte, nicht ganz widerstand. Im übrigen war L. dem Hause Habsburg schon als Vertreter des alten Systems ergeben und weder dem Landgrafen Philipp von Hessen noch dem baierischen Kanzler Eck zugethan, welche mit einer vielfach grundverschiedenen Politik Ferdinand bekämpften und vergeblich den Pfalzgraf in einen Bund zu bringen suchten, der gegen Oesterreich seine Spitze richtete und wenigstens von baierischer Seite einen Sturz Ferdinands beabsichtigte. Seine politische Thätigkeit bleibt bis an sein Ende nur eine vermittelnde. Seinem Einflusse ist es wesentlich zu verdanken, daß 1532 der Friede zwischen Karl V. und den Protestanten zu Stande kam. Gegenüber den Versuchen des Landgrafen Philipp von Hessen, den seit 1520 vertriebenen Ulrich von Württemberg zurückzuführen, ist L. einer der unermüdlichsten und eifrigsten Friedensvermittler. Es gibt in dieser mit der allgemeinen Politik so eng verflochtenen Frage keine Friedensversuche, bei denen nicht auch er betheiligt ist. Als zu Ende der dreißiger Jahre die Spannung zwischen dem Kaiser und den Protestanten einer Entscheidung der Waffen nahe gerückt war, wurde diese Gefahr wesentlich durch Ludwigs Bemühungen verhindert und durch den Frankfurter Anstand (1539) der Friede einstweilen gesichert. Im übernächsten Jahre (1541), als zu Regensburg der Kaiser durch ein Religionsgespräch die Parteien zu versöhnen suchte, war ein Pfälzer Theologe, Heinrich Stoll Vertreter Ludwigs, der im Hinblick auf den allgemeinen Frieden mit zum Uebergewicht der Protestanten im Kurfürstencollegium half und besonders für Festhaltung der bereits beschlossenen Artikel bis zu einem freien Concilium oder einer Nationalversammlung stimmte. Damit schließt die politische Wirksamkeit Ludwigs ab. Er hatte in den letzten Jahren viel für seine stark angegriffene Gesundheit zu sorgen. Zu der Wassersucht, an der er litt, kam ein Schlaganfall hinzu, der seinem Leben ein Ende machte (16. März 1544). Seine Ehe blieb kinderlos. Die Nachwelt hat ihm den ehrenden Beinamen des „Friedfertigen“ gegeben. Selten war ein Fürst dieses Namens so würdig wie er, ein Mann von keinen besonderen politischen Anlagen und ohne durchgreifende Energie, aber mit der edlen Fürstentugend ausgestattet, in seinem Wirken nur das Beste zu wollen.

Ranke, Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation, 6 Bde., Leipz. 1873. Häusser, Geschichte der rhein. Pfalz, I. 501-597. Ney, Geschichte des Reichstags von Speier 1529, Speier 1879. Rößler, Die Kaiserwahl Karls V., Wien 1863. Mignet, La rivalité de Charles-Quint et de François I. (Revue des deux mondes 1854) u. a. Wille, Philipp der Großmüthige von Hessen und die Restitution Ulrichs von Wirtemberg 1529-35, Tübingen 1882.