ADB:Philipp (Kurfürst von der Pfalz)

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Artikel „Philipp, Kurfürst von der Pfalz“ von Friedrich von Bezold in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 26 (1888), S. 16–18, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Philipp_(Kurf%C3%BCrst_von_der_Pfalz)&oldid=- (Version vom 19. März 2024, 10:33 Uhr UTC)
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Philipp, Kurfürst von der Pfalz, geb. am 14. Juli 1448, † 28. Februar 1508. Sohn des Kurfürsten Ludwig IV. (s. A. D. B. XIX, 571 ff.) und Margarethas von Savoyen, deren Vater als Papst Felix V. an die Spitze des Basler Reformconcils getreten war, kam der junge Pfalzgraf bereits 1449 unter die Vormundschaft seines kriegerischen Oheims Friedrich (s. A. D. B. VII, 593 ff.). Dieser nahm ihn kurz darauf (durch die Arrogation vom 8. Januar 1452) an Kindesstatt an, um als regierender Fürst die Interessen seines Hauses und Landes noch kräftiger wahren zu können, wogegen er sich für seine Person zur Ehelosigkeit verpflichtete. P. hat bald nach dem Eintritt in sein mündiges Alter (8. Januar 1467) die Arrogation bestätigt und am 24. Januar 1472 nochmals zu Gunsten seines Oheims für dessen Lebensdauer auf die Regierung verzichtet, wobei er sogar jene Bedingung der Ehelosigkeit aufhob. Eine gewisse Selbständigkeit bewies der junge Pfalzgraf, indem er die von Friedrich gewünschte Vermählung mit der Erbin von Katzenellenbogen ablehnte (September 1467). Das Project, ihn mit der Tochter Karls des Kühnen zu verheirathen, scheiterte gleichfalls; seine Verbindung mit Margarethe, der Tochter Herzog Ludwigs von Baiern-Landshut (s. A. D. B. XIX, 509 ff.), die er am 21. Februar 1474 heimführte, sollte, so glücklich die mit vierzehn Kindern gesegnete Ehe war, der Pfalz noch sehr verhängnißvoll werden. Während der Regierung Friedrichs des Siegreichen mußte der Nachfolger die Schule des Krieges und der Verwaltung durchmachen; wir finden ihn an der Spitze der Streitkräfte, welche der Kurfürst im J. 1468 seinem Bruder Erzb. Ruprecht von Köln gegen dessen unbotmäßige Kapitularen und Stände zu Hülfe schickte, an der Seite des Oheims bei der Belagerung von Wachenheim (1471), endlich seit 1474 als Statthalter in der Oberpfalz. Am 12. December 1476 starb Friedrich der Siegreiche und hinterließ seinem Neffen ein beträchtlich vergrößertes Gebiet, ein wohlorganisirtes Regiment und gefüllte Kassen. So leicht sich P. mit dem Kaiser und mit den bisher feindlichen Nachbarfürsten auf guten Fuß zu setzen wußte und so wenig ihn das Beispiel seines Oheims zum leidenschaftlichen Kriegsmann gemacht hatte, das volle Gefühl seiner landesherrlichen Stellung kann man ihm nicht absprechen. Wie er die Stände seines Territoriums nur einmal in höchster Noth (1505) zusammentreten ließ und auch durch die Aufnahme juristischer Doctoren in sein Hofgericht die Vorliebe des erstarkenden Fürstenthums für das römische Recht bekundete, so stand er in der Wahrung seiner fürstlichen Hoheit keinem nach. Das Schloß Geroldseck, das er dem unbotmäßigen Besitzer gewaltsam entrissen hatte (1486), gab er einem Schiedsspruch seiner eigenen Räthe zum Trotz nicht heraus; auch in den Händeln mit der Stadt Bingen und der hieraus erwachsenen Spannung mit dem Mainzer Erzstift zeigte sich P. geneigt, sein Recht mit Gewalt zu behaupten, und kurz nach der Einrichtung des ewigen Landfriedens half er gegen gute Bezahlung dem Erzbischof von Trier die Stadt Boppard zu erobern, ohne sich um die Vermittlungsversuche des Königs und des Reichstages zu kümmern (1497). Seine Stellung zu den demokratischen Bewegungen der Zeit wird durch das strenge Verfahren gegen die Tumultuanten zu Kreuznach (1496) und die Theilnahme an der Unterdrückung des Bundschuhs von 1502 gekennzeichnet. Damals war P. bereits wie sein Vorgänger in Conflict mit dem Papst und in ein sehr gespanntes Verhältniß zum Reichsoberhaupt gerathen; die Gewaltthätigkeiten seines Hofmarschalls gegen das Kloster Weißenburg zogen den päpstlichen Bann auch gegen den Kurfürsten, der nicht einschritt, [17] nach sich. Reuchlin, deshalb im J. 1498 nach Rom geschickt, hat in einer sehr energischen Rede die Sache des Pfälzers vor Alexander VI. geführt. Folgenreicher als dieser Conflict wurde die zunehmende Entfremdung zwischen P. und König Maximilian. Hatte Kurfürst Friedrich sich zu Karl dem Kühnen gehalten, so finden wir seinen Nachfolger schon 1489 in freundschaftlichen Beziehungen zu Frankreich, dessen Pensionär er dann 1492 wirklich geworden ist; die Pension von 12000 Livres jährlich war freilich noch im J. 1498 rückständig, aber die Verbindung blieb unzerrissen und Philipp’s ältester Sohn Ludwig, den der Vater damals wegen des ihm zu geringfügigen französischen Angebots nicht an den Hof König Ludwigs XII. hatte gehen lassen, mußte ein paar Jahre später sich doch dorthin begeben. Das enge Verhältniß zu Frankreich bildete nachmals ein Erbstück pfälzischer Politik, so wenig auch diese Freundschaft dem Kurfürsten P. in der schweren Zeit des bairischen Erbfolgestreits die erwarteten Früchte getragen hat. Dagegen rächte sich die antihabsburgische Haltung des Pfälzers, der allerdings nicht von vornherein als Anhänger der kurfürstlichen Reformpartei gelten konnte, derselben in Worms 1495 und in Augsburg 1500 Schwierigkeiten machte, aber doch schließlich ganz in das Lager des Kurfürsten Berthold von Mainz überging. Man traute ihm, dem „falschen Graf“ alle möglichen üblen Projecte gegen König Maximilian zu; seine zweideutige Rolle im Schweizerkrieg von 1499 trug auch nicht dazu bei, diesen Ruf zu bessern. Damals hatte bereits Herzog Georg von Landshut (s. A. D. B. VIII, 600 ff.) sein gegen die wittelsbachischen Familienverträge verstoßendes Testament (1496) gemacht, wonach sein ganzes Erbe der Tochter Elisabeth und damit der pfälzischen Linie mit Uebergehung Albrechts IV. von München zufallen sollte. Denn Elisabeth sollte sich mit Philipp’s dritten Sohn, Pfalzgraf Ruprecht (geb. 1481), verbinden; im J. 1499 wurde mit päpstlichem Dispens die Ehe vollzogen. Wenn beide stürben, sollte Kurfürst P. oder dessen ältester Sohn erben. Aber der römische König garantirte Albrecht IV. seinen Erbanspruch und belehnte nach Georgs Ableben (1. December 1503) sofort die Münchener Linie, freilich unter Vorbehalt seines eignen „Interesse“. In der Pfalz wie in Niederbaiern waren bereits für den voraussichtlichen Ausbruch des Krieges Vorkehrungen getroffen. Die Pfälzer, ihrem münchener Gegner namentlich finanziell weit überlegen, verrechneten sich doch durch Unterschätzung des noch nicht ausgestorbenen Grolls über die Erbfolge Friedrichs des Siegreichen und namentlich in ihrer Hoffnung auf Frankreich, dessen kurz vorher (October 1503) mit Maximilian abgeschlossenes Bündniß für den Verlauf des Erbfolgestreits geradezu entscheidend wurde. Im April 1504 eröffneten Ruprecht und seine bairische Gemahlin die Feindseligkeiten, nachdem Maximilians eigennützige Absichten während der Vermittlungsversuche deutlich genug hervorgetreten waren. Mitten im Krieg, dessen volle Härte nun Baiern wie die Pfalz empfinden mußten, starben der junge Pfalzgraf und seine tapfere Elisabeth rasch nacheinander weg; am 12. September erfocht der römische König in der Nähe von Regensburg einen glänzenden Sieg über das böhmische Soldheer der Pfälzer. Der alte Kurfürst hatte bereits vorher Waffenstillstand geschlossen, unterstützt von dem einzigen Nachbarfürsten, der die Nothlage der Pfalz auszubeuten verschmähte, M. Christoph von Baden; eine Versöhnung mit dem römischen König erfolgte unter Vermittlung Kursachsens auf dem Reichstage zu Köln (1505), aber P. blieb trotzdem in der Acht, da er sich weigerte zu der argen Verstümmelung seines Territoriums seine Einwilligung zu geben. Abgesehen davon, daß vom Landshuter Erbe nur ein sehr bescheidener Antheil, die sogenannte junge Pfalz (Neuburg), den Kindern Ruprechts und Elisabeths überlassen [18] wurde, hatten von rheinischen Gebieten des Kurfürsten Hessen, Würtemberg, Veldenz, von der Oberpfalz namentlich die Nürnberger Stücke an sich gebracht; weitere Verluste verursachte die Nothwendigkeit, den zerrütteten Finanzen durch Verkauf oder Verpfändung an Nachbarfürsten und Vasallen aufzuhelfen. Noch ehe der volle Friede hergestellt war, starb der „mit zeitigem Alter“ heimgesuchte Kurfürst zu Germersheim am 28. Februar 1508.

Die erfreulichste Seite in Philipp’s Leben bildet ohne Zweifel sein Verhältniß zum deutschen Humanismus, der ja bereits am Hofe seines Vorgängers eine Heimstatt gefunden hatte, jetzt aber unter dem Mäcenat des Kurfürsten und des Kanzlers Dalberg in Heidelberg, der streng scholastischen Universität zum Trotz, geradezu „die älteste Burg der schönen Wissenschaften“ aufrichten durfte. In den beiden letzten Decennien des 15. Jahrhunderts begegnen uns dort lernend oder lehrend Männer wie Trithemius, Wimpheling, Rudolf Agricola, Reuchlin, Celtis, Hermann von dem Busche, zahlreicher kleinerer Größen zu geschweigen. Die eigentliche Seele dieses regen Geisteslebens war Dalberg, aber auch Kurfürst P., von einem seiner Zeitgenossen als bonus hastilusor atque literatus gerühmt, zeigte sich gegen Gelehrte, zumal der modernen Richtung, „voll frommer Hingebung“, wie er z. B. auf den weitgetriebenen Unabhängigkeitssinn eines Agricola die zarteste Rücksicht nahm. Von seinem persönlichen Interesse für die neuerschlossene Welt des classischen Alterthums zeugen die Uebersetzungen, welche z. B. Reuchlin und Adam Werner von Themar für ihn anfertigten; Agricola mußte ihm eine Weltchronik, Trithemius, den er selber in seinem Kloster aufsuchte, eine Chronik der Baiernherzoge verfassen; der Erziehung seiner Söhne widmeten sich Reuchlin, Adam Werner, Oekolampadius, vorübergehend auch Celtis. Das liebenswürdige Wesen, das dem Kurfürsten überhaupt im geselligen Verkehr eigen war, trat nirgends erfreulicher hervor als hier, aber es blieb ihm nicht erspart, wie die äußere Blüthe der Kurpfalz, so auch Heidelbergs „goldenes Zeitalter“ zu überleben.

D. Pareus, Hist. Palatina. – L. Häusser, Gesch. der rhein. Pfalz. – L. Ranke, Deutsche Gesch. im Zeitalter der Reformation I. – H. Ulmann, Kaiser Maximilian I. – Zeitschrift für Gesch. des Oberrheins 26, 27, 33 (Weech, das Reißbuch von 1504). – Hautz, Gesch. der Universität Heidelberg. – L. Geiger, Johann Reuchlin. – K. Hartfelder, Heidelberg und der Humanismus (Zeitschr. für Allg. Gesch. II, 1885). – Morneweg, Johann v. Dalberg. Heid. 1887.