Zum Inhalt springen

ADB:Karl II. (Herzog von Braunschweig-Lüneburg-Wolfenbüttel)

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Karl II. (Karl Friedrich August Wilhelm), Herzog zu Braunschweig und Lüneburg“ von Paul Zimmermann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 15 (1882), S. 281–285, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Karl_II._(Herzog_von_Braunschweig-L%C3%BCneburg-Wolfenb%C3%BCttel)&oldid=- (Version vom 9. Dezember 2024, 19:03 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Nächster>>>
Karl der Kühne
Band 15 (1882), S. 281–285 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Karl II. (Braunschweig) in der Wikipedia
Karl II. in Wikidata
GND-Nummer 118175017
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|15|281|285|Karl II. (Karl Friedrich August Wilhelm), Herzog zu Braunschweig und Lüneburg|Paul Zimmermann|ADB:Karl II. (Herzog von Braunschweig-Lüneburg-Wolfenbüttel)}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=118175017}}    

Karl II. (Karl Friedrich August Wilhelm), Herzog zu Braunschweig und Lüneburg, Sohn des Herzogs Friedrich Wilhelm und seiner Gemahlin Marie, wurde am 30. October 1804 in Braunschweig geboren. Seine Geburt wurde im ganzen Lande mit großem Jubel begrüßt. Denn da der älteste Sohn des Herzogs Karl Wilhelm Ferdinand, der Erbprinz Karl Georg August (geb. am 8. Februar 1766) in bereits 14jähriger Ehe keine Erben erzielt hatte, von dessen Brüdern aber Herzog Georg Wilhelm Christian an Geistesschwachheit und Herzog August an Blindheit litten, so war die ganze Hoffnung, einen tüchtigen Stammhalter für das Geschlecht zu gewinnen, auf die Nachkommenschaft des jüngsten Sohnes, die des Herzogs Friedrich Wilhelm, gegründet. K. verlebte eine ruhelose, traurige Jugendzeit. Nicht ganz zwei Jahr war er alt, als den Großvater bei Auerstädt die tödtliche Kugel traf. Die Herzogin Marie floh bei dem Annahen der Franzosen von Braunschweig mit ihren beiden Söhnen, dem Prinzen K. und dem kaum ein halbes Jahr alten Prinzen Wilhelm nach Stralsund, von dort bald darauf zu ihrem Schwager, dem Könige Gustav IV. von Schweden. Nach dem Friedensschlusse begab sich Friedrich Wilhelm, da er das ihm durch Familienvertrag zugefallene Herzogthum Braunschweig nicht erlangen konnte, mit seiner Familie nach Bruchsal zu der Mutter der Herzogin, der verwittweten Markgräfin Amalie Friederike von Baden. Hier starb am 20. April 1808 die Herzogin im Kindbette. Als dann Herzog Friedrich Wilhelm 1809 an dem Kampfe gegen Napoleon als Verbündeter Oesterreichs Theil nahm, ließ er seine Söhne durch den Obersten Fleischer (v. Nordenfels) erst nach Oels, dann nach Kolberg, von dort über Schweden nicht ohne mancherlei Fährlichkeiten nach England bringen, wo er nach Vollendung seines kühnen Zuges von Böhmen bis zur Nordseeküste ebenfalls glücklich eingetroffen war und bis zum J. 1813 mit ihnen zusammen blieb. Erst im September 1814 kehrten die Söhne nach Braunschweig zurück. Nicht lange darauf starb ihr Vater am 16. Juni 1815 bei Quatrebras im Kampfe für das Vaterland den Heldentod. Das war für Herzog K. ein äußerst harter Schlag. Ohne Eltern, ohne nähere Verwandte, die ihn durch Liebe und Theilnahme den herben Verlust hätten verschmerzen lassen, wuchs er auf, fast nur in männlicher Umgebung. Den mildernden, sittigenden Einfluß edler Frauen, eines gesunden Familienlebens hat er wol niemals [282] wieder empfunden. Man ersuchte die Wittwe seines Oheims, die Herzogin Friederike Luise Wilhelmine, die im Haag lebte, nach Braunschweig zu kommen, um sich der verwaisten Prinzen anzunehmen, aber sie lehnte dies Anerbieten ab. Herzog Friedrich Wilhelm hatte in dem Testamente, das er im Mai 1813 errichtete, die Bestimmung getroffen, seine Söhne sollten für den Fall seines Todes bei ihrer Großmutter in Bruchsal dereinst ihre weitere Ausbildung erhalten. Diesem Wunsche des Vaters ward keine Folge gegeben. In einer Nachtragsbestimmung vom 2. November 1813 hatte der Herzog die Sorge für seine Söhne wie für das Land dem nachherigen Könige Georg IV. von England übertragen, der demnach die Aufsicht über die Verwaltung des Herzogthums wie die Erziehung der Söhne übernahm. Diese Wahl war gewiß eine äußerst unglückliche zu nennen. Georg IV. strengte bald nachher gegen seine Gemahlin, die Königin Karoline, eine Tante des Herzogs K., jenen scandalösen Proceß an, der die gerechte Entrüstung von ganz Europa hervorrief. Auf dem Wiener Congresse erhielt das Herzogthum Braunschweig, dessen beide letzten Herzöge im Streite gegen die Franzosen ihr Blut vergossen hatten, keinen Zuwachs; das ganze Gebiet, von dem es etwas hätte erhalten können, wurde zum Königreiche Hannover geschlagen. K. hat niemals Vertrauen zu seinem welfischen Anverwandten empfunden. Er hat späterhin die schwersten Beschuldigungen gegen seinen Vormund und dessen deutschen Minister, den Grafen Münster, erhoben. Ob denselben Wahres zu Grunde lag, ist noch nicht völlig aufgeklärt worden. K. wurde in Braunschweig von rechtlichen, aber etwas ungeschickten Männern erzogen, denen das ehrlichste Bestreben nicht abzusprechen ist, wenn sie auch die Kunst nicht besaßen, den schwer lenkbaren Sinn des Herzogs, der nicht ohne Geistesanlagen war, auf den rechten Weg zu leiten. Der Charakter des Herzogs K. zeigte von Jugend auf häßliche Eigenschaften; er hatte einen förmlichen Instinct stets die schlechteste Gesellschaft zu finden, in der er sich am wohlsten fühlte. Bedenkliche Neigungen des Zöglings nöthigten die Erzieher zur Strenge. Das machte ihn nicht fügsamer, sondern verstockt, mißtrauisch und heuchlerisch. Ihre Bildung zu vollenden wurden die beiden Prinzen 1820 in Begleitung des Hofraths Eigner und des Kammerherrn v. Linsingen nach Lausanne geschickt, wo sie bis Mitte des Jahres 1822 blieben. Sie besuchten hierauf ihre Großmutter in Bruchsal; von dort ging Wilhelm nach Göttingen, K. nach Wien. Hier gewann Metternich bedeutenden unheilvollen Einfluß auf den jungen Fürsten, dessen Eitelkeit er geschickt zu schmeicheln wußte, und den er in der Hoffnung, ihn gelegentlich als politisches Mittel gebrauchen zu können, in seinem Souveränitätsdünkel noch bestärkte. K. war begierig die Regierung seines Landes anzutreten und daher sehr aufgebracht, als sein Vormund, auf ein Gutachten des Procurators Hettling, Substituten des Braunschweiger Archivars, gestützt, den Beginn seiner Volljährigkeit erst nach Vollendung des 21. Jahres festsetzte. Nicht ungewichtige Stimmen wollten ihm dieselbe bereits nach Beendigung des 18. Jahres zugestehen. Durch Metternich’s Vermittlung einigte man sich dahin die Volljährigkeit nach Beendigung des 19. Jahres eintreten zu lassen. Am 30. October 1823 zog K. unter dem Jubel der ihrem Fürstenhause treu ergebenen Bevölkerung in Braunschweig ein. Die ersten drei Jahre hielt sich K., wol durch Metternich beeinflußt, fast vollständig von den Regierungsgeschäften fern. Im Wesentlichen wurden dieselben von dem Geheimrathe J. v. Schmidt-Phiseldeck (s. d.) weiter geführt, der auch die Seele der vormundschaftlichen Regierung gewesen war. Derselbe erfreute sich wegen der Einsicht und des Wohlwollens, womit er sich seiner Aufgabe entledigte, überall im Lande mit Recht des größten Ansehens. K. hielt sich während dessen meistens auf Reisen im Auslande auf; eine Kenntniß seines eigenen Landes sich zu erwerben hat er niemals auch nur die geringste [283] Sorge getragen. Als er dann aber trotzdem anfing, selbstthätig der Regierungsgeschäfte sich anzunehmen, fühlte sich v. Schmidt-Phiseldeck bald von dem Herzoge gekränkt, und er bat um seinen Abschied, da ihm von hannoverscher Seite eine vortheilhaftere Anstellung in Aussicht gestellt sei. K. verzögerte die Ausfertigung des Abschieds und ordnete eine Untersuchung über die Amtsführung v. Schmidt-Phiseldeck’s an. Für seine Sicherheit fürchtend, entwich dieser aus Braunschweig heimlich nach Hannover, wo er eine höchst ehrenvolle Anstellung als Geheimrath erhielt. K. forderte die Auslieferung seines Ministers; er beschwerte sich beim Bunde über den Schutz, den der Flüchtling in Hannover gefunden. Ein lebhafter Federkrieg entbrannte. v. Schmidt blieb in Hannover unangefochten; Unrechtmäßigkeiten im Dienst hat K. ihm nicht nachweisen können. Neue Nahrung erhielt der Zwist mit der hannoverschen Regierung durch die Weigerung des Herzogs, sämmtliche Handlungen der vormundschaftlichen Regierung anzuerkennen. Er erklärte in einer Verordnung vom 10. Mai 1827, daß dieselben nur so weit bindende Kraft für ihn besäßen, als nicht dadurch über wohl erworbene Regenten- und Eigenthumsrechte disponirt worden; die Einrichtungen des letzten Jahres aber seien von seiner ausdrücklichen Zustimmung abhängig, da die Vormundschaft um ein Jahr widerrechtlich verlängert sei. Hierüber beschwerte sich Hannover beim Bunde, der im August 1829 dem Herzoge aufgab, jenes Patent binnen vier Wochen zurückzunehmen. Da der Herzog die Ausführung dieses Befehls längere Zeit anstehen ließ, so beschloß die Bundesversammlung im März 1830 gegen ihn die Execution, mit deren Ausführung Sachsen betraut wurde. Da endlich bequemte sich der Herzog dazu, jene Verordnung in möglichst formloser Weise aufzuheben. Daneben war beim Bunde auch eine Beschwerde der Landstände eingelaufen. Der Herzog hatte sich geweigert die während seiner Minderjährigkeit vereinbarte Landschaftsordnung vom 25. April 1820 anzuerkennen, sowie die Landstände, deren Zusammentritt auf alle drei Jahre festgesetzt war, zu berufen. Diese machten hierauf von ihrem Rechte der Selbstconvocation Gebrauch und beschwerten sich über den Herzog beim Bunde, der aber erst nach der Vertreibung des Fürsten am 4. November 1830 sich in dieser Sache zu einem Beschlusse aufraffte. Schlimmer noch als alles dieses war die Mißregierung, die K. im eigenen Lande begann. Von der schweren Verantwortung seiner Fürstenstellung hatte er keinen Begriff; jedes Pflichtgefühls war er bar. Eitelkeit und Geldgewinn waren die Haupttriebfedern aller seiner Regierungshandlungen. Hartherzig, von berechnender Bosheit, wie er im Privatleben sich zeigte, offenbarte er sich auch hier. Schlau auf die Schwächen der Menschen speculirend, wählte er sich für seine Pläne die geeigneten Werkzeuge. Es waren theils verworfene Subjecte und von niederer Stufe empor gelangte Streber, wie Klindworth, Witt gen. v. Döring, Bitter (von Andlau), Bernard, auch wol Bosse, die sich über Gewissensbedenken leicht hinweg zu setzen wußten, theils schwache Seelen, deren ganze materielle Existenz auf ihrer Dienststellung begründet war, und welche aus Furcht, diese zu verlieren, zu den bedenklichsten Maßregeln des Herzogs, wenn auch oft wider bessere Ueberzeugung, ihre Zustimmung gaben. Aus diesen Leuten setzte K. das Staatsministerium zusammen, jene berief er in sein Cabinet, wo alle seine und seiner Helfershelfer Pläne gefaßt und berathen wurden. Das Ministerium brauchte er nur, um diesen dann die rechtmäßige Form zu verleihen. Gefördert wurde das Staatswesen durch die Regierung Karls in gar keiner Beziehung, Vieles wurde gehemmt, fast Alles in heillose Verwirrung gebracht. Die auf den Staatshaushalt zu verwendenden Ausgaben wurden willkürlich beschränkt, wichtige Aemter längere Zeit unbesetzt gelassen; Wegearbeiten, Forstkulturen u. dgl. unterblieben. Domanial- und Klostergüter wurden widerrechtlich veräußert, umfassendere Verkäufe vorbereitet. Mit seiner Regierungsgewalt trieb er den offenbarsten [284] Mißbrauch; das Briefgeheimniß ließ er systematisch verletzen; er erlaubte sich die gesetzwidrigsten Eingriffe in die Handhabung der Justiz. Um ungehindert über das Staatsgut verfügen zu können, suchte er den Geschäftskreis der einzelnen Behörden anders zu begrenzen, schuf er neue Aemter; er suchte so gesetzliche Vorschriften zu umgehen, die seinem gewinnsüchtigen Bestreben im Wege standen. Dazu kamen der ärgerliche Lebenswandel des Fürsten, die vielen tollen und schlechten Streiche, die er im In- und Auslande begangen, die Duellforderung an den Grafen Münster, zu welcher er einen seiner Beamten anzureizen wußte, die kleinlichen Chikanen und Strafen, mit denen er verhaßte Leute, wie v. Cramm, v. Sierstorpff etc., verfolgte etc. Seine Unterthanen stieß er hoffärtig und barsch bei jeder Gelegenheit von sich zurück. Alle Theilnahme war bald gänzlich für ihn verschwunden; man hielt ihn allen Ernstes der schlimmsten Verbrechen für fähig. Tüchtige, charaktervolle Beamte suchten, um sich der tollen Wirthschaft zu entziehen, gern Anstellung im Auslande. Begüterte Adlige, die sonst am Hofe gelebt hatten, zogen sich auf ihre Güter zurück. Niemand hatte Einfluß auf den Herzog. Die älteren Hofleute sahen resignirt dem Treiben zu, das sie nicht ändern konnten. Einige niedrige Schmeichler bestärkten den Fürsten stets bei seinem Vorhaben, nur auf ihren eigenen Vortheil bedacht. Als 1830 die Julirevolution ausbrach, war der Herzog zufällig in Paris. Voll Schrecken flüchtete er sich eiligst nach Brüssel, wo er die Anfänge der belgischen Revolution erlebte. Am 13. August traf er in Braunschweig wieder ein. Er setzte sein altes Leben unbekümmert fort, drohte pathetisch, daß er einem Aufstande kraftvoller als Karl X. werde zu begegnen wissen. Die Mißstimmung wuchs. Als K. am Abend des 6. Septembers vom Theater nach Haus fuhr, wurde sein Wagen angegriffen und mit Steinwürfen verfolgt. Am Abend des folgenden Tages tobten gewaltige Volksmassen vor dem Schlosse, in das man einzudringen suchte. Versprechungen wollten bei der Menge nicht mehr verfangen. Feige ergriff der Herzog die Flucht. Das Schloß vertraute er dem Schutze des Generallieutenants v. Herzberg an, der nichts that, um das werthvolle Gebäude mit seinem kostbaren Inhalte vor den wüsten Pöbelrotten zu schützen. Er befahl den Rückzug der Soldaten; das Schloß wurde von den Aufrührern vollständig zerstört. Ein schwerer Verlust in mannichfacher Beziehung wurde dadurch dem herzoglichen Hause wie dem Lande bereitet. Am folgenden Tage war die Stadt ruhig. Ob wir in dem Aufstande nur den plötzlichen Ausbruch des tief gekränkten Volkswillens zu erblicken haben oder ein planmäßig angelegtes Werk einer verschworenen Partei, ist bislang noch nicht genügend aufgeklärt. Der Aufstand galt nur der Person des schlechten Monarchen. Als Karls Bruder, Herzog Wilhelm, am 10. September von Berlin in Braunschweig eintraf, ward er von der Bevölkerung mit großem Jubel empfangen. Er ergriff die Regierung anfangs als Vertreter des Bruders. Als aber die Bemühungen, die von verschiedener Seite gemacht wurden, Herzog K. zum Verzicht auf seinen Thron zu bewegen, erfolglos waren, übernahm Herzog Wilhelm die Regierung in eigenem Namen. K., der sich nach London begeben hatte, wandte sich an verschiedene Höfe um Beistand, aber ohne Erfolg. Dann machte er den verzweifelten, ganz unvorbereiteten Versuch mit Gewalt in sein Land zurückzukehren. Er suchte die Harzbevölkerung zumeist durch Versprechungen hyperdemokratischer Natur für sich zu gewinnen, aber eine Handvoll Soldaten genügte, um ihn über die Grenze zurückzutreiben. Er hatte nur den Fluch der Lächerlichkeit davon getragen, die Sympathie Aller noch gründlicher verscherzt als zuvor. Er wandte sich nach Paris; er verwahrte sich gegen den Bundesbeschluß vom 2. December 1830, der dem Herzoge Wilhelm die Regierung bis auf Weiteres übertrug. Es war ohne Erfolg, Niemand regte sich für ihn; man hielt ihn fast allgemein aus moralischen Gründen für regierungsunfähig. [285] Am 20. April 1831 trat Wilhelm die Regierung definitiv an; vier Tage später erfolgte die Huldigung. Der Bundestag ließ dies ruhig geschehen; er erkannte die Thatsache stillschweigend an. K. trieb sich sein ganzes ferneres Leben lang im Auslande umher, vorzugsweise in Paris und in London. Kürzere Zeit weilte er auch in Spanien; in Madrid wurde er anfangs am Hofe des Königs Ferdinand VII. freundlich aufgenommen, doch bald wünschte man auch hier seine Entfernung. In Paris begann er Rüstungen zur Wiedereroberung seines Landes. Die Agnaten suchten dem zu begegnen, indem sie ihm die Verfügung über sein Vermögen entzogen. Es wurde 1833 eine Curatel für ihn angeordnet. Man wollte sich auch des in Frankreich befindlichen Vermögens bemächtigen. Doch die französischen Gerichte, vor denen sich K. zweimal persönlich vertheidigte, wiesen die Anträge seiner Verwandten zurück. Eine neue Hoffnung, in sein Land als Herrscher heimzukehren, hatte er auf den Prinzen Louis Napoleon gesetzt, den er vor seinem Staatsstreiche mit Geldmitteln reichlich unterstützte. Aber auch als dieser Kaiser geworden war, konnte er ihm sein Herzogthum nicht wieder verschaffen. Das Privatleben des Herzogs lieferte der Scandalgeschichte manchen Stoff. Er selbst ließ seine Erlebnisse ausführlich bearbeiten; das Werk erschien in französischer und deutscher Sprache (1836, 1844); kaum ist jemals ein verlogeneres unwürdigeres Machwerk von einem deutschen Fürsten veröffentlicht worden. Als 1870 der Krieg zwischen Deutschland und Frankreich entbrannte, zog K. nach Genf. Hier ist er am 18. August 1873 gestorben. Er hatte sein höchst bedeutendes Vermögen der Stadt Genf testamentarisch hinterlassen. Herzog Wilhelm focht das Vermächtniß nicht an. Nur die Geldsummen, die dem Lande widerrechtlich entzogen, sowie einige Kunstsachen, die dem Bevern’schen Familienfideicommiß angehörten, besonders das sogen. Mantuanische Onyxgefäß, forderte er zurück. Die Stadt Genf bewilligte diese Forderungen; man einigte sich zu beiderseitiger Zufriedenheit in einem Vertrage vom 6. März 1874. – Ein treffendes Sinnbild hat sich der Herzog selbst gewählt auf einem Siegelstempel, der in seinem Nachlasse gefunden: ein wild von den Wellen geschaukeltes Schiff mit zerbrochenem Maste, losgerissenem Anker, ohne Steuer und Segel, darüber die Inschrift „tel est mon sort“. So wurde des Herzogs elendes Ich sein ganzes Leben hindurch ohne jeden sittlichen Halt, ohne Zweck und Ziel hin und her gerissen von den leidenschaftlichen Regungen niederer Eitelkeit und kleinlicher Selbstsucht, ein unwürdiger Sprosse eines uralten Geschlechts, das an Heldenmuth, Geist und Charaktergröße seiner Söhne sonst kaum seines Gleichen hat.

Gervinus, Geschichte des 19. Jahrhunderts, Bd. VII S. 208 ff., Bd. VIII S. 684 ff. und die dort angeführte Litteratur. Für die spätere historisch unwichtige Zeit vgl. auch mit Vorsicht K. Braun-Wiesbaden, „Der Diamantenherzog“; ein sonst werthloses Buch.