ADB:Kempelen de Pázmánd, Wolfgang Ritter von

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Artikel „Kempelen, Wolfgang Ritter von“ von Wilhelm Paul Aurich in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 53 (1907), S. 766–767, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Kempelen_de_P%C3%A1zm%C3%A1nd,_Wolfgang_Ritter_von&oldid=- (Version vom 19. April 2024, 15:22 Uhr UTC)
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Kempelen *): Wolfgang Ritter von K., Mechaniker, geboren zu Preßburg am 23. Januar 1734, als Sohn des k. k. Hofkammerraths Engelbrecht v. K., † zu Wien am 26. März 1804.

Nachdem er die Schule zu Raab besucht hatte, studirte er in Wien Rechtswissenschaft und Philosophie und übertrug das Gesetzbuch Maria Theresien’s ins Deutsche. Die Kaiserin wurde dadurch auf K. aufmerksam, ließ sich ihn vorstellen und ernannte ihn zum Concipisten der ungarischen Hofkammer. Nach einigen Jahren zum Hofsecretär und endlich zum Hofkammerrath befördert, leitete K. den Bau des königlichen Schlosses in Ofen und verwaltete das gesammte Salzwesen Ungarns. Bereits im J. 1786 zum Hofrath bei der vereinigten ungarisch-siebenbürgischen Hofkanzlei ernannt, trat K. 1798 in den Ruhestand.

Weniger durch seine Amtstätigkeit als durch seine Beschäftigung mit den mechanischen Künsten ist K. bekannt geworden. Von Jugend auf ein lebhaftes Interesse für diese an den Tag legend, lenkte er zuerst im J. 1769 durch seine Schachmaschine die Aufmerksamkeit weiter Kreise auf sich. Die Schachmaschine bestand aus einer in türkische Tracht gekleideten Figur eines Mannes, der vor einem Tisch, auf dem sich ein Schachbrett befindet, sitzt. Die Figur hat mit den geschicktesten Schachspielern damaliger Zeit gespielt und diese meistens geschlagen. Der Türke begann immer die Partie, hob den linken Arm in die Höhe, richtete ihn nach der Seite des Brettes, an welcher die Schachfigur stand, faßte diese mit den Fingern, hob sie auf, stellte sie auf das Feld, auf welches sie kommen sollte und ließ dann den Arm wieder auf das Polster, auf dem er sonst ruhte, fallen. Bei jedem Zug des Gegners blickte er auf dem Brett umher; war derselbe falsch, schüttelte er den Kopf und stellte die Schachfigur auf die richtige Stelle, während er beim Schach der Königin zwei Mal und beim Schach des Königs drei Mal mit dem Kopfe nickte. Alle diese Bewegungen waren von einem Geräusch, ähnlich dem eines ablaufenden Uhrwerks, begleitet. Wenn die Maschine spielte, stand K., der übrigens Jedem, der es sehen wollte, das Innere derselben, das mit Rädern, Hebeln, Federn etc. angefüllt war, zeigte, in einiger Entfernung von derselben und blickte in ein kleines auf einem Tisch stehendes Kästchen. Wie zu erwarten, erregte die Maschine das größte Aufsehen, und K. konnte sich der vielen Besucher nur dadurch erwehren, daß er bekannt machte, er habe dieselbe zerstört. Nach einigen Jahren führte er sie jedoch in Wien Kaiser Joseph und dem Großfürsten Paul von Rußland vor und unternahm, überall Sensation erregend, Reisen nach Paris und London. In Berlin spielte der Türke auch mit Friedrich dem Großen und besiegte den König. Friedrich bot K. eine große Geldsumme für die Offenbarung des Geheimnisses an und war, nachdem dies geschehen, außerordentlich enttäuscht. Seitdem stand der Türke unbeachtet im stillen Winkel eines Potsdamer Schlosses, bis sich Napoleon I. bei seiner dortigen Anwesenheit desselben erinnerte und eine Partie mit ihm spielte, die mit einer Niederlage des bisher unbesiegten Imperators endete. Später gelangte der Automat in den Besitz des Wiener Mechanikers L. Mälzl, der größere Reisen unternahm, die ihn 1819 nach London und 1820 sogar nach Amerika führten. In London wies R. Willis auf Grund von Zeichnungen zuerst nach, daß in dem Automaten ein Mensch versteckt sein konnte. Jedoch erst im J. 1838 theilte Tournay in der „Revue mensuelle des échecs“, Bd. I, mit, daß wirklich Menschen in demselben versteckt gewesen sind. Wer die Helfer Kempelen’s gewesen sind, ist unbekannt. Mälzl hatte zu diesem Zweck in Paris [767] die Franzosen Boncour und Mouret, in England einen gewissen Lewis und später einen Deutschen Namens Schlumberger angenommen. Ueber die weiteren Schicksale der Schachmaschine ist nichts bekannt; 1854 soll sie in Philadelphia verbrannt sein.

Schon während K. an seiner Schachmaschine arbeitete, untersuchte er Musikinstrumente, um festzustellen, welches derselben mit der menschlichen Stimme am meisten Aehnlichkeit hätte. Diese Untersuchungen führten ihn im J. 1778 dazu, seine Sprechmaschine anzufertigen. In seinem Werke: „Wolfgang v. Kempelen k. k. wirklichen Hofraths Mechanismus der menschlichen Sprache nebst der Beschreibung seiner sprechenden Maschine. Mit 17 Kupfertafeln. Wien, bei J. V. Degen, 1791“, hat K. eine ausführliche Beschreibung seiner Versuche und seiner Maschine niedergelegt. Danach waren die Haupttheile der letzteren: 1. Das „Mundstück oder Stimmrohr, das die menschliche Stimmritze vorstellt“; 2. eine Windlade mit ihren inneren Klappen; 3. der die Lunge darstellende Blasebalg und mehrere den Mund und die Nase vertretende Vorrichtungen. Die Sprechmaschine ahmte die Stimme eines ca. vier Jahre alten Kindes nach und sprach laut und vernehmlich, sobald der Blasebalg nebst seinen Klappen, mittelst Tasten nach Verhältniß der zu sprechenden Worte bewegt wurde. Namentlich galt dies von Lauten der französischen, lateinischen und italienischen Sprache. Für die Aussprache deutscher Worte war der Apparat weniger geeignet.

Außer diesen seinen beiden Hauptwerken rühren von K. eine Wasserkunst im Schönbrunner Schloßpark und eine Dampfmaschine, die besonders bei Kanalbauten in Ungarn mit Erfolg Anwendung fand, her.

Außer seinem bereits erwähnten Werk schrieb K. ein Drama „Perseus und Andromeda“ und das Schauspiel „Die wohlthätige Unbekannte“. Auch soll er einige Landschaften radirt haben.

Joh. Jac. Ebert, Nachricht von dem berühmten Schachspieler und der Sprechmaschine des k. k. Hofkammerraths Herrn v. Kempelen. Mit Kupfern. Leipzig 1785. – Oesterreichische National-Encyklopädie III, Wien 1835. – C. v. Wurzbach, Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich XI, Wien 1864 (hierin über drei Spalten Litteratur). – J. S. Ersch und J. G. Gruber, Allgemeine Encyklopädie der Wissenschaften und Künste, II. Section, Theil 35. Leipzig 1884.

[766] *) Zu Bd. LI, S. 110.