ADB:Kiß, August
Rauch und Tieck. Seine ersten von Schinkel’s Zeichnungen beeinflußten Leistungen, Ornamente mit Gruppen von Nymphen, Tritonen und Hippokampen zur Verzierung einer Brunnenschale, die allegorischen [36] Gruppen im Giebelfelde des Packhofgebäudes und das Hochrelief „Die Bergpredigt“ für die Nikolaikirche in Potsdam bekunden eine frische Gestaltungskraft. Beuth berief ihn 1830 an das Gewerbe-Institut, wo er den Unterricht im Ciseliren und in der Anfertigung von Modellen für Metallguß ertheilte. In den Jahren 1835–1838 entstand sein Meisterwerk, die „Amazone zu Pferd im Kampf mit dem Tiger“, eine Gruppe von energischer und gewaltiger Naturwahrheit, welche in Bronze gegossen an ungünstiger Stelle auf der Treppenwange des alten Museums zu Berlin aufgerichtet wurde. Ein unentschiedener Moment des Kampfes ist zur Anschauung gebracht, die entfesselte Bewegung und Kraftanstrengung erfährt einen Stillstand ohne ermattende Hemmung. Der Tiger hat sich von vorn an den Hals des Pferdes gekrallt, welches unter wüthigen Schmerzen sich bäumend stutzt, während die jugendliche Amazone den Speer erhebt, um den Feind zu erlegen. Ein bronzirter Zinkabguß auf der Weltausstellung in London 1851 trug dem Künstler hohe Anerkennung und einen populären Namen ein. Das Werk hatte den Ruf des Meisters fest begründet und eine Reihe von Aufträgen zur Folge, welche nicht immer zur allgemeingültigen Befriedigung ausgeführt sind. Zum Lieblingskreise seiner Thätigkeit gehört die kolossale Bronzegruppe: „Der heilige Michael, der den Drachen besiegt“, in Babelsberg aufgestellt, ein Geschenk Friedrich Wilhelms IV. an den Prinzen von Preußen zur Erinnerung an den von diesem gedämpften Aufstand in Baden. Dasselbe Motiv verwerthete K. in der Reiterstatue: „Der heilige Georg den Drachen bekämpfend“, 1853 im ersten Schloßhofe zu Berlin errichtet. Der junge Ritter holt mit dem Schwerte nach dem vor ihm liegenden Ungethüm aus, das seine Krallen in die Brust des Rosses geschlagen. Trotz unleugbarer Mängel in der Darstellung des Bewegungsmomentes zeigt das Ganze eine große Lebendigkeit der Auffassung und technische Vorzüge in der Durchbildung der Details, wie namentlich in der Behandlung des Pferdes. Von genrehaften Bildwerken sind drei nach Zeichnungen Franz Krüger’s modellirte Reliefs (1840) anzureihen: „Die Fuchsjagd“, „Das Ende der Jagd“, zweitheilig, und „Heimkehr von der Jagd“ in der Nat.-Galerie zu Berlin. In seinen Reiterstatuen war K. glücklicher in der Charakteristik des Pferdes als in der künstlerischen Vergeistigung des Gefeierten selbst. Er modellirte im Auftrage der Provinz Schlesien das Reiterstandbild Friedrichs des Großen für Breslau 1847. Der König ist in der Gardeuniform und im Kriegsmantel auf lebhaft vorschreitendem Rosse dargestellt. Als Held, Gesetzgeber und Landesvater mit dem Lorbeerkranz und im Purpurmantel zu Pferd ist Friedrich Wilhelm III. in der 1853 zu Königsberg gesetzten Statue verherrlicht. Das Pferd, besonders das Motiv des Scharrens wird einstimmig gerühmt. Sechs allegorische Figuren zieren das Postament an den Ecken, während die Felder mit Reliefs geziert sind, welche der Geschichte der Erniedrigung und Erhebung Preußens zu neuem Ruhm entlehnt sind. Minder günstig wird das schlichte Standbild auf dem Paradeplatze zu Potsdam beurtheilt, welches den König zu Fuß in Generalsuniform mit unbedecktem Haupt veranschaulicht. Für Dessau schuf K. ein Denkmal des Herzogs Leopold Friedrich Franz. Unglücklich fiel die Figur Beuth’s vor der Bauakademie zu Berlin aus. Zu den letzten Arbeiten des Künstlers gehört die Ersetzung von vier marmornen Feldherrnstatuen auf dem Wilhelmsplatze in Berlin durch bronzene, von denen die Standbilder Schwerin’s und Winterfeld’s neu modellirt sind. Die von K. hinterlassenene Gruppe „Glaube, Liebe, Hoffnung“ in Marmor ausgeführt, ist nach seinem am 24. März 1865 plötzlich erfolgten Ableben im Atelier Bläser’s vollendet und als Geschenk der Wittwe der Nationalgalerie in Berlin überwiesen, welche dem Künstler selbst eine werthvolle Stiftung verdankt.
Kiß: August Karl Eduard K., geb. am 11. Octbr. 1802 im Dorfe Paprotzan bei Pleß in Oberschlesien, modellirte zahlreiche Bildwerke für den Erzguß in vorwiegend realistischem Sinne und fand den Schwerpunkt seines Schaffens in der Thierbildnerei, besonders in der Darstellung des Pferdes. Handwerklich in seiner Heimath, in Brieg und Neisse zum künstlerischen Berufe herangebildet, genoß er seit 1822 seine weitere Ausbildung in Berlin an der Akademie und in der Werkstätte der Bildhauer- [37] Vgl. Recensionen und Mittheilungen über bildende Kunst. 4. Jahrg. Nr. 14. 1865. Hagen, Die deutsche Kunst in unserem Jahrhundert, 1857. 2 Thl. S. 8–12.