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ADB:Konemann

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Artikel „Konemann, Pfaff“ von Jakob Franck in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 16 (1882), S. 499–501, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Konemann&oldid=- (Version vom 24. Dezember 2024, 20:03 Uhr UTC)
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Band 16 (1882), S. 499–501 (Quelle).
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Konemann Pfaff K., Verfasser eines didaktischen Gedichtes im 13. Jahrhundert. Der Dichter war Priester zu Dingelstedt (Regierungbezirk Magdeburg) am Huy, und es ist nicht unwahrscheinlich, daß er selbst ein Niederdeutscher war und in der Benedictinerabtei Huysburg seine Bildung empfangen hatte und sich dann später nicht blos mit dem Studium der Bibel und der Kirchenväter beschäftigte, sondern sich auch an den Liedern der ersten und trefflichsten Dichter seiner Zeit oft ergötzte und manche Erinnerung aus ihnen in sein Gedicht verflocht. Da das Gemüth des Dichters, wie es sich aus seinem Gedichte wiederspiegelt, ein frommes und tiefes war, so mag auch die neue Mystik Hugo’s von St. Victor, der in dem nahen Augustinerkloster Hamersleben den Grund zu seinem nachherigen Ruhme gelegt hatte, K. mit ihren Strahlen erwärmt haben. Seinem Gedichte gab er den Namen „Der Kaland“, hergenommen von dem Namen der frommen Brüderschaften, die ihren Ursprung der herrschenden Vorstellung von der Kraft der guten Werke, besonders der Seelenmesse verdankten. Der Name selbst aber ist von Calendae abzuleiten. Schon seit dem 11. Jahrhundert nämlich kamen die Geistlichen eines Sprengels am ersten Tage des Monats zusammen, um die kirchlichen Feste des laufenden Monats zu berathen. Wahrscheinlich hatten die Kalande ursprünglich dieselbe Sitte, von der sie später abwichen, aber den Namen beibehielten. Die Aufgabe der Kalande war gegenseitige Liebe und brüderliche Freundschaft, Austheilung von Almosen und Spenden an Arme und Altersschwache, hauptsächlich aber Bewahrung des Seelenheiles, sowohl der Lebenden wie der Gestorbenen, durch Darreichung der Sacramente, feierliche Bestattung, Memorien, Vigilien und Messen. Die Zahl der Mitglieder war an verschiedenen Orten verschieden; an einigen Orten beschränkten sie sich auf zwölf Priester nach dem Vorbilde der zwölf Apostel, an anderen Orten gehörten Laien zu dem Bunde und selbst Schwestern waren nicht ausgeschlossen. Auch wurden diese Kalande von den Päpsten, wie die Mönchsorden, [500] oder von den Bischöfen der Diöcese ausdrücklich bestätigt und das Verlockendste zum Beitritt war wol neben dem Ablaß, der jedem zugesichert wurde, der den Gottesdienst der Kalande besuchte sowie der Festlichkeit der Prozessionen und den feierlichen Begängnissen der Verstorbenen, besonders für die Deutschen, die so gern an Gelagen und Schmäußen sich erlabten, der Umstand, daß jede Kalandsversammlung mit einem gemeinschaftlichen Mahle schloß. Aber der Reichthum, den diese Verbrüderungen erlangten, war wie bei den Ritterorden, eine Ursache ihres Verfalls: die gemeinsamen Mahle arteten in Schwelgerei aus, keine Drohungen von Seiten der Bischöfe konnten der Ausartung steuern und die Reformation bewirkte ihren Untergang. In die Blüthezeit aber dieser Kalande gehört auch dieses werthvolle Gedicht, das aus 711 Reimpaaren besteht, bis jetzt aber nur in Auszügen bekannt ist und dessen Abfassungszeit von einigen in das Jahr 1210, von anderen aber und wohl richtiger etwas später gesetzt wird. Denn, wenn der Verfasser, wie wohl nicht zu bezweifeln, mit Vridankes bescheidenheit“ bekannt war, so kann die Kalandsdichtung nicht vor dem Jahre 1229 gedichtet sein, da nach Wilh. Grimm’s Forschungen p. XLIII die Abfassung, wenigstens des historischen Theiles des Vridank, in das J. 1229 fällt. Die Dichtung des K. hat aber eine große weit reichende Wichtigkeit, sie ist für die Geschichte unserer Litteratur von Interesse und giebt uns einen Beitrag beachtenswerther Aufschlüsse über den Zustand der Bildung im Mittelalter. K. war mit den besten Dichtern seiner Zeit bekannt und vor allem benutzte er „Vridank“ und Stellen aus der Bescheidenheit klingen in seinem Gedichte nach. Wie sehr K. von Vridank abhängig ist, beweisen nicht allein einzelne Stellen, nicht allein die Aehnlichkeit der Gedanken, sondern auch die Form der Konemann’schen Dichtung. Wie Vridank oft von einem deutschen Sprüchworte ausgeht und dasselbe dichterisch erweitert oder ausschmückt und ebenso mit Stellen aus den Bibel verfährt, so auch K. bei seiner poetischen Production, nur mit dem Unterschiede, daß er die Sätze, welche er behandelt, größtentheils Stellen aus den Kirchenvätern, einige auch aus lateinischen Schriftstellern, im Zusammenhange seiner Dichtung anführt, sie als Belegstellen benutzt und die poetische Paraphrase oder Behandlung dann folgen läßt. Die bis jetzt veröffentlichten Auszüge aus dem Gedichte behandeln die Freundschaft (V. 93–271), wobei der Dichter Stellen aus der Bibel so wie solche aus Augustinus, Isidorus, Cicero und Seneca in sein Gedicht verflicht und in einer freieren Weise weiter ausführt und die ganze Art und Weise, wie er die Freundschaft behandelt, ist für die Kenntniß des Mittelalters außerordentlich wichtig, weil wir hier ein Beispiel haben von einer christlich-religiösen Auffassung der Freundschaft. Ein zweiter Abschnitt (V. 615–911) „Ein sunderlîch manunge“ handelt von der Aufforderung zur Reue und Buße und auch hier stimmt er in der tiefen Auffassung wiederum mit Vridank und Walther von der Vogelweide ganz überein, nicht aber als ob er Nachahmer und Entlehner wäre. Denn solche Gedanken und Empfindungen, die Gemeingut aller tieferen, um ihr Seelenheil besorgten Laien im Mittelalter waren (man denke auch an Trevrizent’s zu Parcival gesprochene Worte in Wolfram’s großer Dichtung) mußten dem Priester nahe liegen, der schon durch seinen Beruf auf die Beschäftigung mit der Bibel und den Kirchenvätern gewiesen war. In ästhetischer Beziehung stehen allerdings die Verse des K. denen Vridank’s und Wolframs nach, und die Vergleichung lehrt, wie diese beiden in Freiheit der Darstellung und in schöner Bildlichkeit, vor Allem an Selbständigkeit bei weitem überlegen sind, während K. den bildlichen Ausdruck meistentheils nur dann hat, wenn er ihn in den Stellen, an die er sich anlehnt, vorfindet, wie die Stelle aus dem Jesaias (V. 705 ff.) dies beweist. Den dritten Abschnitt (V. 1170–1422) hat K. überschrieben „Ein manunge van [501] der vroude des himelrîkes“ und er ist derjenige, in welchem er verhältnißmäßig am meisten Dichter ist, er erhebt sich an manchen Stellen zu lyrischem Schwunge und erzählt mit epischer Anschaulichkeit, indem er die Stellen der Bibel und der Kirchenväter reicher und freier ausführt. Wir glauben den ästhetischen Theil des Gedichtes nicht überschätzt zu haben und stimmen in dieser Beziehung ganz zu der Bemerkung des Herausgebers Wilh. Schatz, welcher mit J. Grimm’s schönen Worten die Dichtung als ein verkrochenes Wiesenblümchen bezeichnet. Aber der Herausgeber that sehr Recht, „sich danach zu bücken“. Möchte er nur auch die Dichtung vollständig herausgeben.

Wilh. Schatz, Der Kaland. Ein Gedicht des 13. Jahrhunderts. In Auszügen mitgetheilt. Programm des Gymnasiums zu Halberstadt, 1851. Goedeke, Gr. II, 1157.