ADB:Konrad von Heimesfurt
Franz Pfeiffer, Zeitschrift für deutsches Alterthum, 8, 156 ff., vgl. 18, 143 f.), gearbeitet nach einem lateinischen apocryphen „Transitus Mariae“, der sich für ein Werk des Bischofs Melito von Sardes, eines Schülers des Apostels Johannes ausgab. Doch lag dem Dichter keiner der beiden von Tischendorf in seinen „Apocalypses apocryphae“, Lipsiae 1866, publicirten Texte des „Transitus“, sondern ein dritter noch unedirter, der mit jedem der bisher bekannten wesentliche Züge theilt, vor. Bald nach seinem Erscheinen erfuhr das Gedicht von der Himmelfahrt gewaltsame Veränderungen durch eigenmächtige Schreiber, wie sich das aus den starken Differenzen der drei erhaltenen Handschriften desselben sowohl, als aus den Bemerkungen Konrads in seinem zweiten Werke, der „Urstende“ ergibt. Bitter beklagt er sich dort über diejenigen, die ihn hätten verbessern wollen; ihr Treiben habe ihn so verdrossen, [332] daß er lange Zeit hindurch von jeder poetischen Thätigkeit abgestanden sei; und um allen willkürlichen Veränderern ihr Handwerk zu legen und sein Autorrecht zu wahren, benutzte er die Anfangsbuchstaben der einzelnen Abschnitte zu einem poetischen Acrostichon, welches vollständig lautet:
Heimesfurt: Konrad v. H. (jetzt Hainsfart in der Nähe von Oettingen), deutscher Dichter des 13. Jahrhunderts. Er war von adlicher Geburt und ist höchstwahrscheinlich der zum J. 1204 aus einer matricula nobilium urkundlich nachgewiesene Cunradus de Heinsfurt; erst später, wie es scheint, trat er in den geistlichen Stand, dem er angehörte, als er die beiden Gedichte, durch welche sein Andenken sich erhalten hat, verfaßte. Das ältere derselben ist eine „Himmelfahrt Mariä“ (herausgegeben vonChuonrât von Heimesfurt
hât diz buoch gemachet,
des râten unde vurt
guote namen swachet.
Darin tritt nicht geringer Dichterstolz zu Tage. Auch dies zweite, von Hahn in seinen „Gedichten des XII. und XIII. Jahrhunderts“, Quedlinburg und Leipzig 1840, S. 103 ff., aus der einzigen Wiener Handschrift bekannt gemachte Gedicht ist nach einer apocryphen lateinischen Quelle, dem Evangelium Nicodemi, gearbeitet.
In seinem Erstlingswerke gesteht Konrad zu, daß er noch keine Kunst in der Versification besitze. Und in der That ist sein Stil da recht unbeholfen; trotz der entschiedenen Beeinflussung, die er durch Gottfried von Straßburg erfahren hat, ist es dem Dichter noch nicht gelungen, zu einem glatten und fließenden Periodenbau sich hindurchzuarbeiten. Lateinischen biblischen Wendungen folgt er häufig, zuweilen recht ungeschickt. Doch hat seine adliche Abstammung ihn davon zurückgehalten, in die gewöhnlichen Tiraden der geistlichen Dichtung zu verfallen; er steht im wesentlichen auf dem farblosen religiösen Standpunkte, den die höfischen Erzähler, wenn sie geistliche Stoffe behandelten, einnahmen, nur mit dem Unterschiede, daß das Publikum, für welches er dichtete, nicht, wie bei jenen, die exclusive vornehme Gesellschaft war, sondern daß er sich an jeden Laien wandte, der die Heilswahrheiten in der fremden Sprache nicht verstehen konnte. Fehlt es aber auch schon der „Himmelfahrt“ nicht an hübschen Passagen, so bezeichnet die „Urstende“ (d. h. Auferstehung), die Erzählung von den Wundern während Christi Höllenfahrt und Auferstehung, einen ganz bedeutenden Fortschritt nach Seite der dichterischen Technik und Composition. Sein Stil ist flüssiger geworden; mit Geschmack wählt er aus seiner Vorlage aus, indem er über die Marter und den Tod Christi rasch hinweggeht, dagegen länger als die Quelle bei lieblichen Bildern verweilt. Aehnlich wie Konrad von Fußesbrunnen schließt er seine beiden Werke mit einem künstlichen Reimgefüge. Bei ihm zeigt sich die geistliche Poesie durchaus unter der technischen und gedanklichen Beeinflussung der höfischen Dichtung.
- R. Wülcker und K. Bartsch in der Germania, 15, S. 157 ff. – R. Wülcker, Das Evangelium Nicodemi in der abendländischen Litteratur, Paderborn 1872, S. 35 ff. – M. Haupt in der Zeitschrift für deutsches Alterthum, 15, S. 468.