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ADB:Krause, Karl Friedrich Theodor

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Artikel „Krause, Karl Friedrich Theodor“ von Nikolaus Rüdinger in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 17 (1883), S. 79–81, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Krause,_Karl_Friedrich_Theodor&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 20:11 Uhr UTC)
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Krause, Wilhelm
Band 17 (1883), S. 79–81 (Quelle).
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Krause: Karl Friedrich Theodor K. Obschon K. in den letzten Decennien seines thatenreichen Lebens vorwiegend dem Medicinalwesen in Hannover vorstand, muß derselbe doch in der Reihe der Anatomen und Physiologen der guten alten Schule seinen Platz finden. Die anatomischen Specialarbeiten Krause’s, die Abfassung des vorzüglichen Handbuches der menschlichen Anatomie, sowie seine Thätigkeit als Lehrer der Anatomie und Physiologie an der chirurgischen Schule zu Hannover sichern ihm eine hervorragende Stellung unter den besten Anatomen seiner Zeit. K. wurde am 15. December 1797 zu Hannover als das fünfte Kind des damaligen Rectors am städtischen Gymnasium dortselbst, des 1828 in Göttingen gestorbenen Superintendenten Johann Christian Heinrich K. geboren. K. verdankte in erster Reihe seinem Vater seine klassische Bildung und anfängliche Bestimmung zum Philologen. K. war das Urenkelkind jener bekannten Doctorin Dorothea Christiane Erxleben, geb. Leporin, welche 1742 die Aufsehen machende Schrift „Gründliche Untersuchung der Ursachen, die das weibliche Geschlecht vom Studiren abhalten“ etc., verfaßt hat. K. brachte seine Jugendzeit in Idensen, wo sein Vater Pastor wurde, zu und mit den Klassikern in der Tasche mußte er dort das der Pfarrei beigegebene Oeconomiegut mit beaufsichtigen. 1812 besuchte er zu Hannover das Gymnasium und schon während des Besuches als Primaner machte er eingehende Studien in der dortigen anatomischen Anstalt und konnte 1814 als Eleve in dem unter Wedemeyer stehenden Militärhospital in Hannover und 1815 als Unterwundarzt in die hannoversche Armee eintreten. K. machte den Feldzug mit und mußte nach der Schlacht von Waterloo noch längere Zeit in den Militärhospitälern von Brüssel und Antwerpen Dienste leisten. Als der Feldzug beendet war, ging er mit Urlaub und Fortbezug seiner Militärgage nach Göttingen, und immatrikulirte sich dort am 10. Mai 1816 mit gleichzeitigem Eintritt bei C. J. M. Langenbeck als Specialassistent. Langenbeck, welcher K. in sein Haus aufnahm, übte einen nachhaltigen Einfluß auf denselben aus, denn von dieser Zeit an wurde die Anatomie sein Lieblingsstudium. Neben Langenbeck waren es in der Physiologie Blumenbach, in der Pathologie Himly und in der Geburtskunde Osiander, Männer von großer [80] Bedeutung, welche den begabten Jüngling vielseitig anregten. Im 22. Jahre erhielt er auf Grund eines vorzüglichen Examens und der Abhandlung „Ueber die Function der Thymus“ sein Doctordiplom. Schon in dieser Schrift Krause’s ist eine Richtung vertreten, welche von der speculativen Denkart der damaligen Forscher auffallend abweicht. Die nüchterne Würdigung der Thatsachen steht bei ihm oben an. Schon bei seiner Niederlassung als praktischer Arzt in Hannover beginnt gleichzeitig eine fruchtbare schriftstellerische Thätigkeit; er übersetzte eine Abhandlung von Moreau: „Versuch über die Resection der Extremitäten cariöser Gelenke mit einer Vorrede von Wedemeyer“ (1821). Dieser Schrift reihte sich eine andere chirurgische Arbeit: „Bemerkungen über die Gefahr des Ausziehens großer Blasensteine“ etc. von H. Carle unmittelbar an (Langenbeck’s neue Bibliothek für Chirurgie, 1821, Bd. III S. 347). Im J. 1821 erhielt K. die Leitung der unter einem General-Vaccinations-Comité stehenden öffentlichen Impfanstalt für das Königreich Hannover, welche Stellung er bis 1833 beibehielt. 1822 übertrug man ihm die Stelle eines Landchirurgus des großen Physikatbezirkes Hannover. Mit der Uebernahme dieser Stellung dehnte sich seine Praxis in bedeutendem Grade aus und noch mehr, als er 1827 Landphysikus und 1853 Obergerichtsphysikus wurde. Die anatomische Thätigkeit Krause’s begann schon 1820, indem der damalige Hofmedicus Heine ihn zum Prosector an der chirurgischen Hochschule in Hannover wählte; trotzdem der junge Prosector einige Zeit hindurch allgemeine Chirurgie und specielle Therapie las, wendete er sich doch immer mehr der Anatomie zu und erhielt 1829 die Professur für Anatomie und Physiologie an der genannten Schule. Nachdem diese Anstellung erfolgt war, heirathete er die Tochter seines Lehrers und Gönners Heine. Die in den weiteren Jahren ausschließliche Beschäftigung Krause’s mit der Anatomie brachte eine Anzahl von Arbeiten einschlägigen Inhalts an die Oeffentlichkeit. Er lieferte eine Beschreibung der näheren Beziehungen der Musculi ischiocavernosi zu den Schwellkörpern des Penis; in diese Periode fällt auch die werthvolle Untersuchung über die Gestalt und die Dimensionen des Auges. Bei dieser Untersuchung wurden zum ersten Mal mit Hilfe sorgfältig ausgedachter Methoden die Dimensionen und Krümmungsflächen des menschlichen Auges, welche für optische Zwecke so wichtig sind, näher bestimmt, eine Arbeit, welche die Aufmerksamkeit der Anatomen und der Physiologen auf den exact forschenden jungen Gelehrten lenkte. Trotzdem K. nach dem Tode Heine’s (1833) durch Arbeiten noch bedeutender, als es bislang der Fall war, belastet wurde, erschien doch in dem angegebenen Jahre der erste Theil seines Handbuches der menschlichen Anatomie (Hannover bei Hahn), ein Buch, welches in allen Beziehungen eine Originalarbeit genannt werden muß. Die damalige Zeit war arm an anatomischen Lehr- oder Handbüchern. Die Schriften von Rosenmüller und Hempel bewegten sich fast allein in den Händen der Studirenden. Da erschien denn eine prunklose Beschreibung aller Systeme des menschlichen Körpers, welche an Genauigkeit nichts zu wünschen übrig ließ. Noch gegenwärtig haben die Mittheilungen Krause’s, besonders jene über Gewichte und Maße des ganzen Körpers sowol, als auch seiner einzelnen Theile, vollgiltigen Werth. In diesem Buche wurde auch zum ersten Male mitgetheilt, daß das Herz quergestreifte Muskelfasern besitze. Sowol die makroskopische als auch die mikroskopische Beschreibung der Gewebselemente fand hier einen klassischen Ausdruck. Während in demselben einerseits so manche Kapitel in Folge trockener Beschreibung einen monotonen Charakter erhalten haben, ist doch andererseits durch kurze und klare physiologische Bemerkungen und topographisch-anatomische Angaben das Ganze belebt und interessant gemacht. In dem Handbuche Krause’s ist die topographisch-anatomische Richtung mit klarem Bewußtsein festgehalten und hierdurch ist auch [81] ausgedrückt, daß diese Arbeit die Aufgabe haben soll die Aerzte gründlich anatomisch durchzubilden. Im J. 1841–43 erschien die zweite Auflage dieses Buches, in welcher gesagt wurde, daß dasselbe nach eigenen Untersuchungen und mit besonderer Rücksicht auf das Bedürfniß der Studirenden, der praktischen Aerzte, Wund- und Gerichtsärzte verfaßt sei. Eine Anzahl neuer Beobachtungen sind in demselben aufgenommen, so das Vorhandensein acinöser Drüsen in dem Fornix conjunctivae; die einzelnen Schichten der Retina mit ihrer Ganglienlage erfahren hier eine sorgfältige Beschreibung; die Existenz von Ganglien in dem Orbiculus ciliaris wird constatirt und die Ansichten von dem Vorkommen peripherischer Endschlingen an den Sinnes- und anderen Nerven finden eine entschiedene Bekämpfung. Alle diese Angaben Krause’s, welche sich auf eigene Untersuchungen stützten, fanden mit Hilfe der bedeutend verbesserten Untersuchungsmethoden der Neuzeit von den verschiedensten Seiten volle Bestätigung. Kaum ein Jahr nach Herausgabe dieser Auflage erschien von K. abermals eine höchst werthvolle Originalarbeit: „Physiologische Untersuchungen der menschlichen Haut“, welche eine Zierde des von R. Wagner redigirten Handwörterbuchs der Physiologie darstellt; mit dieser Abhandlung trat K. auch in die Reihe der experimentellen Physiologen und der Histologen ein. Da lag es denn auch nahe, daß deutsche Universitäten einen so ausgezeichneten Forscher zum Lehrer zu gewinnen suchten. Den Berufungen, welche von Tübingen und Dorpat an K. gelangten, gab er keine Folge, theils weil die Regierung von Hannover Alles aufbot, um ihn an der Spitze des Medicinalwesens zu erhalten, theils weil seine Frau ihren Geburtsort zu verlassen keine Neigung hatte. Die Erhaltung Krause’s in Hannover wurde denn auch für dessen Lebenszeit dadurch erreicht, daß man ihn zum Dirigenten des Ober-Medicinal-Collegiums im J. 1852 ernannte. Aber schon 1851 war er in der Lage die ihm nach Langenbeck’s Tod angetragene anatomische Professur in Göttingen abzulehnen. Auf seinen Schüler Kohlrausch, welchem nach Aufhebung der chirurgischen Schule in Hannover (1851) die Leitung der anatomischen Anstalt übertragen wurde, wirkte K. ebenso vortheilhaft ein, wie auf seinen Sohn Wilhelm, dessen derzeitige Stellung in Göttingen durchaus nicht entsprechend ist den sehr hervorragenden Leistungen, welche derselbe als Anatom und Histologe aufzuweisen hat. Die nach 1866 in Hannover eingetretenen neuen Verhältnisse mußten auf einen Mann, der für sein engeres, ihm lieb gewordenes Vaterland mit seinen besten Kräften gearbeitet hatte, verstimmend einwirken; er betrauerte den Verlust der Unabhängigkeit Hannovers, leistete jedoch später einen neuen Eid, hielt sich aber von jenem engherzigen, einseitigen Treiben so Vieler in diesem Lande ferne. Am 8. Juni 1868 starb K., der von Fürsten und wissenschaftlichen Corporationen hoch geehrt worden war, an den Folgen von Gefäßerkrankungen. Als gewissenhafter Forscher, als anregender Lehrer, als trefflicher verdienstvoller Leiter des Medicinalwesens im ehemaligen Hannover und als ein Ehrenmann im privaten und öffentlichen Leben wird er in der Geschichte immer genannt bleiben.

(Mit spezieller Berücksichtigung einer von seinem Sohn veröffentlichten Biographie.)