Zum Inhalt springen

ADB:Lagus, Konrad

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Lagus, Konrad“ von Roderich von Stintzing in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 17 (1883), S. 522–524, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Lagus,_Konrad&oldid=- (Version vom 26. Dezember 2024, 01:55 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Lagus, Daniel
Band 17 (1883), S. 522–524 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Konrad Lagus in der Wikipedia
Konrad Lagus in Wikidata
GND-Nummer 129317861
Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|17|522|524|Lagus, Konrad|Roderich von Stintzing|ADB:Lagus, Konrad}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=129317861}}    

Lagus: Konrad L., Jurist und Humanist, der seinen deutschen Namen Hase oder Häse nach der Sitte seiner Zeit gräcisirte (λαγὸς), ist zu Ende des 15. oder zu Anfang des 16. Jahrhunderts in dem hessischen Städtchen Kreuzburg geboren. Er ist am 16. Novbr. 1519 in Wittenberg immatriculirt, nachdem er wahrscheinlich vorher in Leipzig studirt hatte. Vom Jahre 1522 bis zum Jahre 1540 hat er, seiner eignen Angabe gemäß, dauernd seinen Wohnsitz in Wittenberg gehabt. Er hatte sich den in der Artistenfakultät vertretenen Wissenschaften gewidmet, beherrschte die lateinische und griechische Sprache, war im Hebräischen bewandert und erwarb sich durch ernstes Studium der Quellen ein selbständiges Urheil in den theologischen Streitfragen, welche die Zeit bewegten. Melanchthon’s Lehre und Vorbild ward für ihn von entscheidender Bedeutung. L. hat nie ein besoldetes Lehramt bekleidet; doch gehörte er, nachdem er im April 1528 die Magisterwürde erworben, zur Artistenfakultät und hatte die Befähigung zum Decanat, das er im Wintersemester 1531–32 und im Sommersemester 1538 verwaltete. Eine ausgedehnte Thätigkeit hat er als Privatlehrer entfaltet und wie es scheint, eine Schule mit Pensionat gehalten. Durch das Bedürfniß seiner Zöglinge, ihnen durch Erklärung der Institutionen beim juristischen Studium behilflich zu sein, ward er selbst für dasselbe gewonnen. Mehr und mehr durch die Jurisprudenz gefesselt, beschloß er, sich ihr ganz zu widmen, begann juristische Privatvorlesungen in seinem Hause zu halten und als Advokat zu prakticiren. Bald war er ein gesuchter Lehrer, ein vielbeschäftigter Rechtsconsulent. Die Universität verlieh ihm das Amt eines gelehrten Notarius; die Stadt Zwickau übertrug ihm die Reformation ihres Stadtrechts. Daß ihm trotz dieser anerkannten Erfolge niemals eine Professur in der juristischen Fakultät übertragen wurde, erklärt sich theils daraus, daß er weder den üblichen Studiengang durchgemacht, noch einen juristischen Grad erworben hatte, theils daraus, daß die von ihm mit großem Erfolg vertretene Lehrmethode in ausgesprochenem Gegensatz zur herkömmlichen stand. Vorzugsweise gegen ihn scheint sogar eine kurfürstliche Verordnung d. d. Sonnabend nach Galli 1538 gerichtet zu sein, in welcher „denen, welche, ohne zuvor eine ordentliche Schule durchgemacht zu haben, in jure zu lesen und sogar gegen die hergebrachte Lehrart aufzutreten sich unterstehen“, diese Anmaaßung untersagt wird. Der Einfluß des Professor Hieronymus Schürpff und des in der kurfürstl. Kanzlei einflußreichen Dr. M. v. Ossa ist bei diesem Rescript kaum zu verkennen. Bald nach dem Erscheinen dieser verletzenden Verfügung bemühte sich der Rath von Danzig, durch Melanchthon auf L. aufmerksam gemacht, ihn als Syndicus zu gewinnen. Die Verhandlungen zogen sich in die Länge; im Juli 1539 ließ der Rath ihm seine Bestallung ausfertigen, in der es u. a. heißt, daß „der Herr Magister vor sich bedinget und ausberedt, daß er sich in keine öffentliche Contention diese oder jene Religion zu erhalten keine Wege einlassen will“, dagegen aber „versprochen unser Jugend oder sonst die solches zu hören begierig sein werden eine Lection in den Rechten zu thuende, zu gelegenen Zeiten und Stellen“. Allein erst nachdem er im Frühjahr 1540 den Doctorgrad erworben, trat L. mit seiner Familie die Reise nach Danzig an. In Stettin mußte er sich von den Seinigen trennen, um auf einer „hansaverwandten Zusammenkunft“ in Lübeck wichtige Entschädigungsansprüche Danzigs zur Geltung zu bringen. Endlich traf er in Danzig ein, wo er ehrenvoll empfangen, sich bald das größeste Ansehen erwarb. Sechs Jahre hat er das einflußreiche Amt verwaltet, welches ihn vielfach zu [523] politischen Verhandlungen auf Reisen (nach Marienburg, Königsberg, Wilna, Krakau) führte. Eine im Winter 1545–46 unternommene Reise an den polnischen Hof nach Krakau ward ihm verhängnißvoll: sein Wagen ward umgeworfen und die dabei erlittene Verletzung der Brust führte, nachdem er heimgekehrt, im Spätherbste seinen Tod herbei. Er starb am 7. Novbr. 1546. – L. ist neben seinem Zeitgenossen Johann Apell (s. Allg. d. B. Bd. I. S. 501) unter den ersten deutschen Vertretern der systematischen Jurisprudenz der bedeutendste. Vermuthlich ist es das Vorbild Melanchthon’s, dessen Loci communes 1521 erschienen waren, gewesen, welches ihn den Versuch wagen ließ ein systematisches Compendium des Civilrechts auszuarbeiten. Den ersten Entwurf machte er im Sommer 1535 in Jena, wohin die Universität Wittenberg wegen der Pest geflüchtet war. Nachdem er ihn weiter ausgearbeitet hatte, dictirte er die ganze Schrift seinen Zuhörern, dabei ihnen nachdrücklich einschärfend, daß die Arbeit nur zu ihrem Privatgebrauch und nicht zur Veröffentlichung bestimmt sei. Indeß ward das Werk in zahlreichen Abschriften verbreitet, von denen eine 1539 in die Hand des Druckers Egenolf in Frankfurt kam, der sich 1543 bei L. um die Erlaubniß zur Publication bemühte. Obgleich L. diese verweigerte, erschien das Werk dennoch unter dem Titel „Juris utriusque traditio methodica“, Francof. 1543, fol. Entrüstet veröffentlichte L. dagegen eine „Protestatio adversus improbam suorum commentariorum editionem ab Egenolpho factam“, die Egenolf bald darauf mit einer „Defensio“ beantwortete, in der er ausführt, daß die Publication für das Buch und seinen Verfasser nur vortheilhaft sei, da die zahllosen Abschriften, welche von dem Dictat verbreitet würden, von Tag zu Tage fehlerhafter geworden seien. Es war nicht blos die Verletzung seines Urheberrechts, was Lagus’ Zorn erregte, mehr noch war es die Furcht, daß die Publication seinem Rufe als Gelehrter schaden könne. Denn nicht nur war das abgedruckte Heft in hohem Grade fehlerhaft, sondern L. betrachtete das Werk selbst nur als einen unvollkommenen Entwurf, zu dessen Ausführung und Durcharbeitung er niemals die Muße hatte finden können. Ueberdies aber wußte L., in wie geringem Ansehen eine Arbeit dieser Art bei den zünftigen Gelehrten seiner Zeit stand, da es ihr gänzlich an der Beglaubigung schulmäßiger Gelehrsamkeit fehlte; um so mehr mußte ihm daran gelegen sein, sie nicht in unvollendeter und fehlerhafter Gestalt vor die Oeffentlichkeit treten zu sehen. Wohl fühle er, so heißt es in der Protestatio, in sich die Fähigkeit das zu erreichen, was er erstrebt; aber es habe ihm von jeher ein Mäcenas gefehlt, der ihm die zur Vollendung erforderliche Muße gewähre. – Trotz seiner Mängel ist das Werk, wie es vorliegt, in mehrfacher Beziehung ausgezeichnet zu nennen. Es zeugt von ungewöhnlicher Begabung des Verfassers nach der Richtung der Methodik und Systematik, und bezeichnet als das erste systematische Rechtscompendium einen bemerkenswerthen Fortschritt. Es hat ihm denn auch an Anerkennung und Erfolg nicht gefehlt, wie die zahlreichen bis zum Schluß des 16. Jahrhunderts erschienenen Auflagen beweisen; unter dem Namen „Lagi Methodus“ wird es in der späteren Litteratur öfter mit Anerkennung erwähnt. Die in dem Werke nicht verhehlte protestantische Gesinnung brachte es auf den Index; durch Beseitigung der anstößigen Stellen suchte eine Löwener Ausgabe von 1550 dem kirchlichen Verbote auszuweichen und wurde 1570 als „repurgata“ erlaubt. Joh. Thom. Freigius gab es in einer Bearbeitung nach Ramistischer Methode unter dem Titel „Partitiones juris utriusque“, Basil. 1571, 1581, fol. heraus. – Von geringerer Bedeutung ist das „Compendium juris Saxonici“, eine übersichtliche Darstellung des sächsischen Rechts auf Grund des Sachsenspiegels und des sächsischen Weichbildes, in deutscher Sprache systematisch geordnet nach den in seiner „Methodus juris civilis“ durchgeführten Gesichtspunkten. Als erster [524] Versuch, die Grundsätze des deutschen Rechts in ein dem römischen Recht entlehntes System einzuordnen, ist dieses Werk merkwürdig. L. hat es um 1537 verfaßt; aber erst lange nach seinem Tode ist es von Dr. Joachim Gregorii aus Prietzen, damals Beisitzer am Schöppenstuhl in Magdeburg, unter dem Titel „C. Lagi compendium juris civilis et saxonioi etc.“, Magdeb. 1597, 4° (1603, 1614) herausgegeben.

Vgl. Muther in Glasers Jahrb., Bd. V. S. 394–424, 1866. Derselbe, Zur Geschichte der Rechtswissenschaft und Universitäten, S. 299–351, 412–420. Muther hat das Verdienst, zuerst wieder auf L. aufmerksam gemacht zu haben. Stintzing, Gesch. der d. R.W. I. 296–304. 445.