ADB:Osse, Melchior von
v. Langenn eine Monographie, welche im Wesentlichen nur auf das sogenannte Osse’sche Handelsbuch, d. i. Tagebuch (von 1541 bis 1555) gestützt ist und einen Ueberblick über dessen sogenanntes Testament, eine die gesammte Staatsverwaltung berücksichtigende Denkschrift, giebt. Insbesondere ist zu bedauern, daß v. Langenn bei seiner Arbeit nicht die im königlich sächsischen Hauptstaatsarchive über Osse vorhandenen Nachrichten mit verwerthet hat. – v. O. wurde nach Köhlers Abbildung der 1543 auf ihn geprägten Denkmünze 1506 (Jöcher: 1494) zu Ossa bei Geithain i. S. geboren. Die Familie ist längst ausgestorben. – Osses Vater hieß Balthasar, seiner Mutter Name hat sich nicht ermitteln lassen. Mit der erwähnten Denkmünze ist uns v. Osses Porträt und sein Wappen überliefert worden. Eine dem Jahre 1551 angehörende Stelle des Handelsbuches (S. 154), welche v. Langenn nicht berücksichtigt hat, nennt aus seiner engeren Familie folgende Glieder: Crispine, geb. v. Dobeneck, sein „liebes Weib“, mit welchem er sich 1535 verheirathet zu haben scheint (königlich sächsisches Hauptstaatsarchiv; Cap. 93, 111) und welche ihn sieben Jahre überlebte, seine beiden Söhne, Michael Friedrich, welcher schon 1571 [497] als verstorben erwähnt wird (ebenda Geneal. v. Osse Bl. ††) und Melchior auf Frauenfels bei Altenburg. Töchter Osses lebten damals folgende fünf: Sibylle O., Gemahlin Georgs v. Todtleuben (auf Buch), Eva, Ursula, Gemahlin Hans Georgs v. Luchau zum Hartis, früher Hofdienerin der Gräfin von Schwarzburg-Rudolstadt, Anna Brigitta und Amalia (vgl. auch v. Langenn a. a. O. S. 199, 61, 128, 130). v. O. starb auf Frauenfels am 8. April 1557 Abends 10 Uhr und wurde in der Familiengruft zu Ossa beigesetzt. Er war ein überaus gelehrter, gewissenhafter und fleißiger, ehrlicher, milder und dazu ein sehr frommer Mann. Nachdem er zu Leipzig die Rechte studirt hatte, nahm er Kriegsdienste, erwarb 1534 die juristische Doctorwürde an der Hochschule zu Leipzig, wo er alsbald mehrere Jahre um sechzig alte Schocke die vornehmste Lectur in den kaiserlichen Rechten vertrat. 1537 wird er bei Zarncke (Acta rectorum Lips. 1859, S. 91, vgl. S. 130) als consiliarius misnensis erwähnt, er blieb Herzog Georgs Rath bis zu dessen Tode. 1541 schrieb Herzog Moritz vertraulich an ihn, er werde sein nicht vergessen, habe er nur erst die Regierung, dann solle v. O. mit ihm auf den Reichstag ziehen (königlich sächsisches Hauptstaatsarchiv: Etliche etc. Loc. 9667 Bl. 1). Noch in demselben Jahre kam er in Moritz’ Dienste, derselbe entließ ihn aber schon 1542 auf wiederholtes Bitten des Kurfürsten Johann Friedrich, dessen Kanzler v. O. auf sechs Jahre gegen hohes Entgelt wurde. 1545 gab er auch diese Stellung wieder auf, da er viele gehässige Gegner hatte, ging nach Leipzig, wo er mit Muße den Studien oblag, manches Amt inzwischen ausschlagend. Später zog er nach Meiningen, von wo aus er besonders dem Grafen Wilhelm von Henneberg diente, 1549 auch eine Verwaltungsstelle bei demselben annahm und fortan auf dem Schlosse Schleusingen wohnte. Schon 1547 ernannte ihn Kurfürst Moritz zu seinem Hofrichter in Leipzig (königlich sächsisches Hauptstaatsarchiv Loc. 10041 Churfürst Moritzen etc. 1547/48 Bl. 5, Instruct. v. 7. Aug. 1547, nicht erst 1553, wie vielfach behauptet worden ist), er wartete seines Amtes, von Schleusingen aus die einzelnen Hofgerichtstage besuchend. Den auf die Bestellung Moritz’ bezüglichen Revers v. Osses, d. d. Chemnitz, den 6. September 1549 besitzt das königliche Hauptstaatsarchiv: Rep. LII Gen. 1918a Bl. 27b ff. 1550 besuchte er für Moritz den Reichstag zu Augsburg und wurde damals kaiserlicher Rath. Kriegsrath ist er nie gewesen. Die liebste Thätigkeit war v. O. die richterliche. Er verblieb in derselben bis 1555, oft von Krankheit befallen, zog sich dann auf sein Gut Frauenfels zurück und verfaßte dort sein berühmtes „Testament“, über dessen Entstehungsgeschichte, dessen Manuscript, Abschriften davon und über v. Osses guten Ruf in Kursachsen ich kürzlich im Neuen Archive für die sächsische Geschichte VII, 153 ff. Einiges mitgetheilt habe und hier nun dazu nachtrage, daß auch die Universitätsbibliothek zu Leipzig eine 1579 gefertigte Abschrift dieses Testaments besitzt. Groß ist der schriftliche Nachlaß v. Osses (man vergleiche die von mir in dem angezogenen Neuen Archive VII, 154 Anmerkung 26 citirten Acten, über deren Verbleib bisher jedoch noch nichts ermittelt werden konnte). Vor Allem dürfte es sich empfehlen, einmal das v. Osse’sche Handelsbuch (königliche öffentliche Bibliothek MS. R. 1) wörtlich herauszugeben, dasselbe ist keineswegs so unleserlich geschrieben, wie nach v. Langenns Mittheilung zu vermuten ist. Weitere Schriften v. Osses erwähnt v. Langenn (S. 111), insbesondere (S. 127) einen Tractat über die Natur der Contracte. Von dem „Testament“ erschien 1607 und 1622 ein Theil, 1609 derselbe in Uebersetzung von Casp. Pistoris, im Druck, die vollständige Herausgabe desselben verdanken wir Christian Thomasius (1717), von welcher die königliche öffentliche Bibliothek zu Dresden (Polit. 466) auch einen Abdruck mit vielen theilweise beachtenswerthen Randbemerkungen besitzt.
Osse: Melchior v. O. (Ossa) – er selbst schreibt sich stets Osse –, der Rechte Doctor, hervorragender Jurist und bedeutender Staatsmann. Ueber ihn veröffentlichte 1858- [498] Außer der gelegentlich angezogenen Litteratur vgl. m. die Vorrede, die v. Osse’sche Zuschrift und die Anmerkungen Thomasius’ in der erwähnten Testamentsausgabe. – Köhler, Münzbelustigung, Thl. XV, 1743, S. 193 ff. – Kneschke, N. allg. dtsch. Adelslexikon VII, 1867, S. 1 – Zedler; das bei Jöcher zuletzt angezogene Bedencken dürfte mit dem „Testament“ identisch sein. – Stobbe, Gesch. d. dtsch. Rechtsquellen II, 1864, S. 26 ff. (Nr. 47), 56 ff. – Muther, Zur Geschichte der Rechtswissenschaft, 1876 (vgl. d. Register). – Flathe, Gesch. v. Sachsen I, 1867, S. 520, 578; II, 1870, S. 60, 89. – Stintzing, Gesch. d. dtsch. Rechtswissensch. I, 1880, S. 74 (vgl. Register). – Friedberg, Colleg. jurid. Lips. 1882, S. 104. – meinen kürzlich (Bd. VII S. 89 flgd. der Zeitschr. der Savignystiftung) erschienenen Aufsatz über den Leipziger Schöffenstuhl (I), insbes. S. 103 flgde. – M. s. über seine politische Thätigkeit auch die Register in v. Langenns Christoph v. Carlowitz und Moritz v. Sachsen, in v. Webers u. im Neuen Archive f. d. sächs. Gesch., in v. Druffels Briefen und Acten etc. und alle sonst über die fragliche Zeit erschienenen einschlagenden Geschichtswerke, sowie die an den fraglichen Orten angezogene Litteratur.[1]
[Zusätze und Berichtigungen]
- ↑ S. 498. Z. 16 v. o.: Ueber v. Osse als Staatswirth s. v. Weber’s Archiv f. die Sächs. Gesch. Bd. I, 364 ff. [Bd. 26, S. 832]