Zum Inhalt springen

ADB:Lasser von Zollheim, Josef Freiherr

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Lasser von Zollheim, Josef Freiherr“ von Franz Philipp von Sommaruga in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 17 (1883), S. 790–792, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Lasser_von_Zollheim,_Josef_Freiherr&oldid=- (Version vom 10. Dezember 2024, 09:38 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Band 17 (1883), S. 790–792 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Josef Lasser von Zollheim in der Wikipedia
Josef Lasser von Zollheim in Wikidata
GND-Nummer 136320465
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|17|790|792|Lasser von Zollheim, Josef Freiherr|Franz Philipp von Sommaruga|ADB:Lasser von Zollheim, Josef Freiherr}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=136320465}}    

Lasser: Josef Freiherr L. von Zollheim. Aus einem alten salzburgischen Rittergeschlechte entsprossen, widmete sich L., geb. am 30. September 1815, den juristischen Studien an der Wiener Universität und trat nach erlangtem Doctorgrad in den Dienst bei der Hofkammerprokuratur. Das Jahr 1848 rief ihn in die parlamentarische Laufbahn. Er wurde von einem salzburgischen Wahlbezirk in den österreichischen Reichstag, kurz darauf auch für das [791] Frankfurter Parlament gewählt, optirte jedoch für den ersteren. Bei der Unklarheit und dem Mangel an politischer Bildung, welche diese erste österreichische Reichsversammlung charakterisirte, ward L. vielfache Gelegenheit, seine überwiegende Begabung und sein vielseitiges praktisches Wissen in glänzender und gemeinnützlicher Weise zu bewähren. Seinem verständigen und maßvollen Benehmen war es insbesondere zu danken, daß die durch Kudlich’s Antrag im September 1848 in Anregung gebrachte Frage der Aufhebung des Unterthansverbandes und der Grundentlastung, in der er mit überlegenem Wissen in einer meisterhaften Rede eingriff, in einer, den Rücksichten der Billigkeit gegen die bisher Bezugsberechtigten entsprechenden und praktisch durchführbaren Weise gelöst wurde. Auch in den darauf folgenden stürmischen Tagen bildete er stets das versöhnende und die schroffen Parteigegensätze ausgleichende Element. Während der Verlegung des Reichstages nach Kremsier blieb er unbestritten einer der einflußreichsten Führer der centralistischen Partei. Vom Minister Grafen Stadion in das engste Vertrauen gezogen, widerrieth er auf das Entschiedenste die Auflösung des Reichstages und die Octroirung der Verfassung. Nach der Durchführung des Staatsstreiches trat er jedoch als Ministerialrath in das Ministerium des Innern, in welcher Stellung ihm die Durchführung der gesammten neuen Organisation der Verwaltung zufiel. Seine hervorragende administrative Befähigung machte ihn zu einer unentbehrlichen Kraft, welche auch nach dem Rücktritt des Ministers Bach von allen nachfolgenden Regierungen mit Eifer benutzt wurde. Er wurde bei dem Eintritte des Grafen Goluchowski in das Ministerium des Innern im August 1859 zum Sectionschef befördert und bei der Errichtung des Staatsministeriums am 20. October 1860 unter Verleihung der Geheimen Rathswürde und des Ministerranges zur Leitung des Justizministeriums berufen. Nach der Entlassung Goluchowski’s übernahm L. an der Seite Schmerling’s die Leitung der Geschäfte der politischen Verwaltung als Verwaltungsminister. Bei dem Rücktritte Schmerling’s im Juli 1865 trat L. in den Ruhestand, den er bis in das Jahr 1867 in Graz verlebte. Unter dem Bürgerministerium wurde er zum Statthalter von Tirol ernannt, auf welchem Posten er als ein unbeugsamer Wächter der Verfassung sich erwies und die Angriffe der Klerikalen gegen die Staatshoheit mit Erfolg zurückzuschlagen wußte. Die klerikale Partei, über das Lasser’sche Régime aufs tiefste erbittert, versuchte vergeblich die Position des Statthalters zu erschüttern, der mit unerschütterlicher Consequenz auf dem von ihm betretenen Wege beharrte, um die Verfassung und insbesondere das Reichs-Volksschulgesetz in Tirol zur vollen Durchführung zu bringen. Als im Frühjahre 1870 das Bürgerministerium zurücktrat, erkannte L., daß seine Stellung in Tirol unhaltbar geworden und bat unter dem Ministerium Potocki wiederholt um seine Enthebung; sie wurde ihm versagt. Am 20. September 1870 erfolgte nun plötzlich durch den neu eingetretenen Minister Graf Hohenwart die Amovirung Lasser’s und zweier anderer Länderchefs (des Statthalters Baron Poche in Mähren und des Landeschefs Baron Pillersdorf in Schlesien) aus Anlaß ihrer Abstimmung im Abgeordnetenhause in der Frage der Constituirung des letzteren ohne Rücksicht auf die noch ausständigen czechischen Reichsrathswahlen. L. blieb Abgeordneter und bekämpfte aufs Entschiedenste die föderalistischen Tendenzen des Ministeriums Hohenwart. Nach dem Sturze des letzteren trat er (am 25. November 1871) als Minister des Inneren in das Ministerium Auersperg, dessen geistiger Leiter er bis zu seinem definitiven Ausscheiden blieb. Sein nächstes und zugleich wichtigstes Ziel war die Durchführung der Wahlreform durch Einführung der directen Reichsrathswahlen. Diesem Ziele, das nur durch Zustandebringung einer Zweidrittelmajorität im Reichsrath zu erreichen war, widmete er die Macht seiner ganz ungewöhnlichen Popularität und mancherlei [792] Mittel, deren Gefährlichkeit er gar wohl erkannte und zu denen er sich wol nur mit Rücksicht auf ihre Unentbehrlichkeit entschloß. Zu letzteren gehört insbesondere die durch die Umtriebe der Czechenpartei ihm aufgenöthigte Bildung eines Gegenchabrus, einer Gesellschaft zur Acquirirung von Gütern in Böhmen zur Versicherung der Stimmmajorität in der Wahlcurie des böhmischen Großgrundbesitzes, zu deren Durchführung L. sich vielfach der Mitwirkung neu gegründeter Schwindelbanken und der Unterstützung der letzteren durch Gelder der Sparkassen bediente, ein Unternehmen, wodurch späterhin der Ruin vieler der gedachten Banken und eine beträchtliche Beschädigung der ins Mitleid gezogenen Sparkassen herbeigeführt wurde, und das in der Folge zu einer sehr bitteren Kritik in der Broschüre „Ministerium Auersperg genannt Lasser“ und zu sehr gehässigen Anträgen des klerikalen Abgeordneten Lienbacher im Reichsrathe Anlaß gab. Im Uebrigen verliefen die Tage des letzten Ministeriums Lasser’s ziemlich resultatlos und jedenfalls sehr unbefriedigend. Die reactionären Tendenzen von Oben nahmen fortwährend zu, die Abhängigkeit der westlichen Reichshälfte von dem Dictate des ungarischen Ministeriums trat insbesondere bei Gelegenheit des Bankausgleiches und bei den Debatten über die Revision des Zolltarifs immer mehr hervor. Die Ohnmacht oder das Uebelwollen des cisleithanischen Ministeriums, die Interessen der westlichen Reichshälfte Ungarn gegenüber kräftig zu wehren, brachten in dem bis dahin festgeschlossenen Kreis der Verfassungspartei eine Spaltung und Erbitterung hervor, welche die Wirksamkeit des Ministeriums gründlich bedrohte und dadurch noch mehr zunehmen mußte, daß das Ministerium nicht selten zu dem unparlamentarischen Mittel griff, die eigne Partei durch die gegnerischen Fractionen, die selbstverständlich stets durch Gegenconcessionen gewonnen werden mußten, niederstimmen zu lassen. Unter solchen Umständen konnte sich L., dessen Gesundheit in letzterer Zeit durch einen Schlaganfall ohnehin gelitten hatte, von seiner ferneren ministeriellen Thätigkeit keinen Erfolg versprechen. Er erbat sich seine Enthebung, die ihm auch am 5. Juli 1878 unter Verleihung des Großkreuzes des Stephansordens und Berufung als lebenslängliches Mitglied in das Herrenhaus gewährt wurde. Er genoß aber seine Ruhe nur kurze Zeit, indem er schon am 18. November 1879 einem neuerlichen Schlaganfalle erlag.

Vgl. Springer, Geschichte Oesterreichs, II. Rogge, Oesterreich seit der Katastrophe Hohenwart-Beust, 1879. Wurzbach, Biographisches Lexikon, 14. Bd. Augsburger Allg. Ztg. 1879, Nr. 325.