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ADB:Bach, Alexander Freiherr von

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Artikel „Bach, Alexander Freiherr von“ von Franz Ilwof in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 46 (1902), S. 158–172, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Bach,_Alexander_Freiherr_von&oldid=- (Version vom 21. November 2024, 22:59 Uhr UTC)
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Bach: Alexander Freiherr von B., Staatsmann. Die in Niederösterreich heimische Familie Bach leitete ihre Abstammung von dem großen deutschen Tondichter Johann Sebastian Bach, dessen Vorfahren von Preßburg nach Thüringen übersiedelt waren, ab, und in der That schien in ihr die musikalische Begabung erblich zu sein. Alexander B. und seine Brüder Eduard und Otto widmeten sich in der Jugend eifrigst der Pflege der Musik und Otto hat sich als Componist und Capellmeister einen Namen gemacht. Der Vater, Michael B., war Oberamtmann zu Loosdorf in Niederösterreich und ließ sich 1831 als Rechtsanwalt in Wien nieder. Alexander B. erblickte das Licht der Welt zu Loosdorf am 4. Januar 1813, studirte in Wien die Rechte, trat 1834 in die k. k. Kammerprocuratur ein, in der er durch neun Jahre arbeitete. Nach des Vaters Tod (1843) übernahm er die Advocaturskanzlei desselben und schwang sich zu einem der angesehensten Rechtsanwälte Wiens empor. Er stand bald auch in der Mitte derjenigen Männer, welche Fortschrittsgedanken hegten, leise der Hoffnung sich hingaben, daß das patrimoniale und absolutistische Oesterreich doch auch einst freiheitliche Institutionen erlangen könnte und vorläufig allerdings nur im engen Kreis durch das Wort diesen Ideen Bahn zu brechen suchten. Anastasius Grün, Doblhoff, Andrian, Schmerling, Hye, Sommaruga, Kudler, Bauernfeld, Feuchtersleben, Berger, Mühlfeld waren es, denen sich B. anschloß und in deren Gesellschaft er bald durch Begabung und Eifer als der ersten einer hervorragte. Nur eine Stelle bot hiezu Gelegenheit, der juridisch-politische Leseverein, dieser Mittelpunkt der bedeutendsten Köpfe Wiens, nur hier konnte ein freies Wort ausgesprochen werden. Dieser Verein, „1841 gestiftet, oder besser gesagt, nach langen schweren Kämpfen, in welchen sich besonders der hochgeachtete Advocat Johannes Bach (Alexander’s Oheim) durch Ausdauer auszeichnete, der mißtrauischen Polizei abgerungen, seitdem in stetem verstecktem Kriege mit den Behörden, von der Regierung ängstlich bewacht und nur widerwillig [159] geduldet, vereinigte in seiner Mitte die besten Kräfte des Wiener Mittelstandes. Rechtsgelehrte, Justizbeamte und Universitätslehrer bildeten seinen Kern, eng verbunden waren ihm liberale Ständemitglieder und hervorragende Industrielle. Heißblütige politische Forderungen fanden hier keine heimische Stätte, die eigentlich revolutionäre Gesinnung keinen Anklang, desto lebhafter fühlte man die unwürdige Bedrückung aller Culturinteressen, desto bitterer klagte man über die verächtliche Schwäche und verderbliche Unfähigkeit der Regierung. Mit Fug und Recht durfte der juridisch-politische Leseverein sich als den Vertreter der öffentlichen Meinung darstellen, die Wünsche, die in seinem Schoß laut wurden, als die allgemeinen Forderungen des gebildeten Volkswillens behaupten“. „Während die böhmische und ungarische Aristokratie für englische Einrichtungen schwärmte, hielten die Wiener Politiker den französischen (und belgischen) Liberalismus überaus hoch und träumten für die österreichische Hauptstadt eine ähnliche tonangebende Stellung, wie sie Paris besaß“ (Springer II, 181). In diesem Kreise bildete sich B. zum Politiker aus und bald galt er bei seinen Gesinnungsgenossen als der glänzendste Kopf.

Als die Märzrevolution von 1848 losbrach, war er daher auch vielseitig und thatkräftig für die Forderungen der Bewegungspartei thätig; er erregte Aufsehen durch seine Reden, in welchen er zur Niederwerfung des absolutistischen Systems aufforderte und die Idee einer constitutionellen Umgestaltung des österreichischen Gesammtstaates und des Anschlusses an Deutschland vertrat. Als der juridisch-politische Leseverein sich in einer Adresse an die Regierung zu wenden beschloß, in welcher freie Presse, öffentliche Rechtspflege, Reform des Gemeindewesens, fester Anschluß an Deutschland und die Berufung eines alle Länder der Monarchie, sowie alle Classen und Interessen der Völker vertretenden Körpers mit dem Rechte der Steuerbewilligung und der Controlle des Finanzhaushaltes, sowie der Theilnahme an der Gesetzgebung gefordert wurden, war es Bauernfeld, der den ersten Entwurf lieferte und B., der die letzte Redaction besorgte. In diesem Sinne wirkte er auch im Gemeinderathe, in den er von seinen Mitbürgern gewählt wurde. In den ständischen Centralausschuß, der in Wien vom 10.–17. April 1848 tagte, war er von dem Advocatengremium als dessen Vertreter entsendet worden. Hier war er besonders bei den Verhandlungen thätig, welche mit Erzherzog Ludwig und andern Vertretern des Hofes geführt wurden, um die Verleihung einer Constitution zu erwirken. Dieser Ausschuß sah von der Aufrechterhaltung der ständischen Verfassungen in den Provinzen ab, was infolge dessen auch in der octroyirten Verfassungsurkunde vom 25. April 1848 geschah. Diese Verfassung trat jedoch nicht ins Leben, da die in Wien ausgebrochene Bewegung (15. Mai) das Ministerium zwang, sie zurückzunehmen und einen constituirenden Reichstag zur Berathung und Beschlußfassung einer Constitution einzuberufen. B. wurde von der Vorstadt Maria Hilf in denselben gewählt. Eröffnet wurde dieser Reichstag am 22. Juli. Inzwischen hatte das Ministerium Pillersdorff schon mehrfach Bach’s Rath und Arbeitskraft bei wichtigen Staatsangelegenheiten in Anspruch genommen. Als dieses Ministerium am 18. Juli stürzte, wurde B. in das Ministerium Wessenberg-Doblhoff als Justizminister berufen. Diese Wahl fand allgemeine Anerkennung, da B. als ausgezeichneter Jurist bekannt war und in der Oeffentlichkeit allseitiges Vertrauen genoß. Im Reichstage trat er mit Entschiedenheit für eine centralistische Organisation der Monarchie ein, schloß sich den gemäßigten Parteien an, indem er (am 4. September) in den Verhandlungen über die Befreiung des bäuerlichen Grundbesitzes von den herrschaftlichen Lasten mit vollem Rechte für das Princip der Entschädigung sich aussprach und das unbedingte Vetorecht der Krone bei der Sanction der Beschlüsse des constituirenden Reichstags vertheidigte.

[160] Die politische Thätigkeit Bach’s bis zu dem Augenblicke, in dem ihm ein Ministerportefeuille zu Theil wurde, schildert Springer (II, 401) in folgenden Worten: „Alexander B., durch Vater und Oheim, zwei der geachtetsten Advocaten Wiens, in die Geschäftswelt und die besten bürgerlichen Kreise eingeführt, durch eine große Klientel selbständig gestellt, durch wiederholte längere Reisen der gewöhnlichen Selbstzufriedenheit reicher Wiener entfremdet, nahm bereits vor der Revolution, soweit es die eng gezogenen Polizeischranken erlaubten, regen Antheil an allen politischen Bestrebungen. Er pflegte Verbindungen mit gleichgesinnten Männern in den Provinzen, übte einen überwiegenden Einfluß auf die Richtung des juridisch-politischen Lesevereins und stand in genauen Beziehungen zur ständischen Oppositionspartei. In den Märztagen half B. den Adressensturm vorbereiten, den Magistrat vertreiben, die Krisis beschleunigen. Nach der Revolution zog er sich, klüger als seine Freunde, in ein vieldeutiges Halbdunkel zurück. Er geizte nicht nach der Ehre, eine Woche lang von der Aula vergöttert zu werden, um schon in der folgenden Woche in Vergessenheit, wenn nicht gar in schnöde Verachtung zu fallen, ihn lockte auch nicht der Eintritt in das erste Revolutionsministerium, über dessen Dauer er sich keiner Täuschung hingab. Seine Zurückhaltung ging aber nicht soweit, daß sie ihn in den Verdacht politischer Gleichgültigkeit brachte; er protestirte nicht, wenn sein Name unter den Vertrauensmännern für den Fünfzigerausschuß, unter den Candidaten für das deutsche Parlament genannt wurde; nur zu einem bindenden Glaubensbekenntniß mochte er sich nicht verstehen. Gab er politische Aeußerungen kund, so geschah es in einer Weise, daß er keine Partei verletzte, von jeder zu ihren Anhängern gezählt werden konnte. Er hielt z. B. im Gemeinderathe (10. Juni) dem 26. Mai eine Lobrede, sprach von ‚leserlicher Barrikadenschrift‘, fand aber die Bedeutung des Tages darin, daß sich ‚Wien für den unbedingten Anschluß an Deutschland ausgesprochen habe‘. Durch diese unschuldige Interpretation entwaffnete er die Conservativen. So kam es, daß ihm diese ihr Vertrauen nicht völlig entzogen und auch die Demokraten B. vollständig gewonnen zu haben sich rühmten. Namentlich Häfner in seiner berüchtigten ‚Constitution‘ wurde nicht müde, Bach’s demokratische Gesinnung zu preisen und seine Berufung in das Ministerium zu fordern. Der demokratische Verein unterstützte trotz Tausenau’s Warnungen gleichfalls mit seinem ganzen Einfluß den jungen vielversprechenden Advocaten und setzte in der That die Uebergabe eines Ministerportefeuilles an B. durch.“

Doch änderte sich dies bald. Bach’s gemäßigtes Auftreten schon vor seiner Ministerschaft, welche offenbar den Blick der maßgebenden Persönlichkeiten im Kreise des Hofes und der Regierung auf ihn gelenkt hatte, und seine Reden im Reichstage, in welchen er den weitgehenden und jede staatliche Autorität untergrabenden Anträgen der Linken mit glänzender Beredsamkeit und mit entsprechendem Erfolge entgegengetreten war, zogen ihm den glühenden Haß und die Wuth der Radicalen zu. Schon im September circulirten in Wien Flugblätter mit der Aufschrift: „Bach muß an den Galgen“.

Als die Octoberrevolution ausbrach, war sein Leben schwer gefährdet. Am Morgen des 6. October war das Kriegsministerium Am Hof von bewaffneten und unbewaffneten Volkshaufen umstellt; in athemloser Spannung hörte man in den Räumen des ersten Stockwerkes die Verwünschungen der tobenden Menge; der Ruf: „An den Galgen mit Latour und Bach!“ brauste durch die Lüfte. Tausende von Arbeitern hoben ihre gewaltigen Eisenstöcke zu diesem Chore zornig in die Lüfte. Latour und B. waren im Gebäude, die Wache vor demselben war schwach besetzt, das empörte Volk hatte volle Gewalt zu thun, was ihm beliebte. B. gab entschlossene Befehle, er ließ die Thore des Hauses verrammeln, [161] entsendete eine Vertrauensperson zu dem Commandirenden, Grafen Auersperg, der mit der Garnison die innere Stadt verlassen hatte und auf dem Glacis und im Schwarzenberggarten campirte, mit der Ordre, zu Hülfe zu kommen. Lange und bange Zeit wartete man bis zur Rückkehr des Boten, der Rettung bringen sollte. Sie kam nicht. Auersperg wollte seinen Posten unter keinen Umständen verlassen. „Ein entsetzlicher Bescheid“, rief B., „meine alte Befürchtung trifft zu, das Militär gehorcht nicht, wenn man Marsch! befiehlt. In solcher Lage bleibt nichts übrig als die Flucht.“ – Latour wies als Soldat diesen Rath zurück, vielleicht hoffte er auch, daß die Abgeordneten des Reichstages, welche ab und zu kamen und gingen, schließlich doch Hülfe schaffen werden. B. war mißtrauisch, er blieb dabei, daß man fliehen müsse, aber ein Entweichen über den Platz war undenkbar. Man hätte die Flüchtlinge zerrissen, sowie man ihrer ansichtig geworden wäre. B. und mehrere hohe Beamte beschlossen sich unkenntlich zu machen; Kleider der Amtsdiener wurden herbeigebracht; er und die mit ihm anwesenden Beamten verkleideten sich und begaben sich durch einen dunklen Gang über eine Seitenstiege in die an das Kriegsministerium anstoßende und mit demselben durch eine Thür verbundene Kirche zu den neun Chören der Engel und von da durch eine Seitenpforte ins Freie; B. kam auf Seitenstraßen glücklich in seine Wohnung und eilte von da sogleich in das Lager des Grafen Auersperg, von wo er nach Salzburg reiste, wo er sich mehrere Wochen unter dem Namen „Wagner“ aufhielt.

Kurze Zeit nachdem B. sich gerettet hatte, erstürmten die Volkshaufen das Kriegsministerium und Latour fiel der Wuth des Pöbels zum Opfer. Wessenberg und Doblhoff waren mit dem kaiserlichen Hofe nach Olmütz geflüchtet, Latour war ermordet worden, B. lebte als „Wagner“ in Salzburg, nur der Finanzminister Philipp Krauß war mit dem Reichstage in Wien zurückgeblieben; das Ministerium, das schon im September sich in schwerer Krisis befand, war also factisch aufgelöst, wenn auch nicht nominell enthoben. Nur eine That vollzog es noch, durch ein kaiserliches Rescript vom 22. October schloß es die Sitzungen des Reichstages in Wien und berief ihn auf den 15. November in das Städtchen Kremsier in Mähren, wo er doch erst am 22. November wieder zusammentrat. Die Bildung eines neuen Ministeriums stand bevor. Radetzky hatte die Lombardei zurückerobert, Windischgrätz den Aufstand in Wien niedergeworfen, gegen Ungarns Erhebung bedurfte man vor allem einer starken Armee; das Heer mußte sonach in diesem kritischen Augenblicke als Factor ersten Ranges berücksichtigt werden, das neue Ministerium mußte einen gewissen militärischen Charakter tragen, an seine Spitze mußte ein hochgestellter Kriegsmann zu stehen kommen. Die Wahl war nicht schwer. Der „Armeediplomat“ Fürst Felix Schwarzenberg, welcher in Radetzky’s Lager nicht bloß Proben persönlichen Muthes, sondern auch politischer Gewandtheit abgelegt hatte, bei dem Heere beliebt war, bei dem Hofe großes Ansehen genoß, in diplomatischen Geschäften kein Neuling war, dabei alles liberale Wesen gründlich verachtete, vereinigte alle wünschenswerthen Eigenschaften in sich; dazu kam noch, daß er der Schwager des Feldmarschalls Fürst Alfred Windischgrätz war, der als Sieger über das aufständische Prag (Juni 1848) und jetzt auch über Wien, die hervorragendste, maßgebende Rolle bei Hof innehatte, so daß ohne seine Zustimmung keine wichtige Staatsaction beschlossen und durchgeführt wurde.

Schwarzenberg berief den Grafen Franz Stadion, der sich als ausgezeichneter Verwaltungsbeamte und Statthalter bereits mehrfach bewährt hatte, für das Innere, Bruck für den Handel, Krauß für die Finanzen und auf Stadion’s dringendes Begehren B., der sich Anfangs November von Salzburg nach Olmütz [162] begeben hatte, ins Cabinett. So kam das Ministerium der „starken Hand“ (21. November) zu Stande. Bach’s Entschluß in dasselbe einzutreten, wurde von seinen Freunden und von allen jenen, die ihn in seinem Innersten noch für treu der liberalen Sache hielten, als eine Heldenthat der Aufopferung und Resignation gepriesen. Das am 27. November veröffentlichte Programm dieses Ministeriums klang recht verheißungsvoll, es sprach sich für die constitutionelle Monarchie und für liberale Institutionen aus, versprach sich an die Spitze der Bewegung stellen zu wollen, sagte ein freisinniges Gemeindegesetz zu, „denn die Grundlage des freien Staates ist die freie Gemeinde“, kündigte Vorlagen über die Reform der Verwaltung, über die Aufhebung der Patrimonialgerichte, Umgestaltung der Rechtspflege im constitutionellen Geiste und Trennung der Verwaltung von der Justiz an.

Bald aber vollzog sich ein größeres Ereigniß. Zu Olmütz am 2. December 1848 dankte Kaiser Ferdinand I. ab, sein Bruder Erzherzog Franz Karl verzichtete auf das Nachfolgerecht und dessen den Tag vorher als großjährig erklärter Sohn bestieg als Kaiser Franz Josef I. den österreichischen Thron. Wenn es in der Proclamation des jungen Kaisers heißt: „Fest entschlossen, den Glanz der Krone ungetrübt zu erhalten, aber bereit, Unsere Rechte mit den Vertretern Unserer Völker zu theilen, rechnen wir darauf, daß es mit Gottes Beistand und im Einverständniß mit den Völkern gelingen werde, alle Länder und Stämme der Monarchie zu einem großen Staatskörper zu vereinigen“, so war das das Ziel, welches B. vorschwebte, nachdem er wenige Monate später Minister des Innern wurde und es durch zehn Jahre blieb, und da ihm dies mit den Vertretern der Völker und im Einverständniß mit denselben nicht gelang, so sollte es auf den Wegen der Reaction und des Absolutismus durchgeführt werden.

Mit jenem Satze der kaiserlichen Proclamation war eigentlich der Kremsierer Reichstag bereits null und nichtig, war ihm der Boden für seine Berathungen und Beschlüsse entzogen, denn er war nur die Vertretung der österreichischen Länder und Völker, Ungarn und dessen Nebenländer waren in ihm nicht repräsentirt. Dennoch berieth er weiter, zunächst über eine Magna Charta betreffend die Grundrechte der Völker – ein vielleicht ideal gedachtes jedoch unfruchtbares Werk. Und dann über eine Verfassung, welche über die ungarischen und italienischen Länder sich nicht erstrecken sollte. Die gesetzgebende Gewalt sollte einem Reichstage zustehen, gebildet aus zwei Kammern, einer Länder- und einer Volkskammer; für die erste sollten die 14 Landtage je 6 und die 31 Kreistage je 1 Vertreter wählen, die zweite auf reiner Volkswahl beruhen. Die Wahlen in die Volkskammer sollten direct sein, aber auch ein Census sollte eingeführt werden, der aber nur auf fünf Gulden directer Steuer bestimmt wurde. Für die Wählbarkeit in diese war ein Alter von 28, für die Länderkammer von 33 Jahren erforderlich. Jene sollte auf drei, diese auf sechs Jahre gewählt, jedoch alle drei Jahre zur Hälfte erneuert werden. Immunität und Diäten für die Abgeordneten wurden diesen zuerkannt. Der Reichstag sollte jährlich zusammentreten; die Stärke und Ergänzung der Land- und Seemacht jährlich durch ein Reichsgesetz festgestellt, der Staatsvoranschlag durch die Volkskammer allein votirt werden. Die Gesetze sollten der Sanction der Krone bedürfen, diese aber nicht verweigert werden dürfen, wenn ein in zwei unmittelbar aufeinanderfolgenden ordentlichen Sessionen gefaßter Beschluß von einem ad hoc neu gewählten Reichstage unverändert angenommen würde – also nur suspensives Veto! Die Minister sollten dem Reichstage verantwortlich sein und von diesem in Anklagestand versetzt werden können. Neben dem Reichstage sollten Landtage und Kreistage bestehen; doch war die Competenz der ersteren nicht sehr ausgedehnt und der Reichsverfassung gegenüber nicht in allen Punkten genau festgestellt. [163] Die Landesverfassungen sollten durch die noch bestehenden theils ständischen, theils im J. 1848 auf freisinniger Grundlage berufenen Landtage geschaffen werden, aber von der Bestätigung der Reichsgewalt abhängig sein und in zweifelhaften Fällen sollte die Präsumtion für die Competenz der letzteren sprechen.

Dieser Verfassungsentwurf, vom Constitutionsausschusse fertiggestellt, wurde am 2. März dem Plenum des Reichstages überreicht, sollte vom 7. bis zum 14. März in den Abtheilungen berathen werden und am 15. März zur ersten Lesung gelangen.

So weit kam es aber nicht. Die übermäßige Beschränkung der Gewalt der Krone und der von dem Kaiser bei seiner Thronbesteigung ausgesprochene und dem Ministerium Schwarzenberg-Stadion-Bach zur Verwirklichung aufgetragene Grundsatz, alle Länder und Stämme der Monarchie zu einem großen Staatskörper zu vereinigen, veranlaßten die Regierung, auf Grund des kaiserlichen Manifestes vom 4. März 1849 den Reichstag noch vor Berathung jenes Entwurfes aufzulösen und eine „Reichsverfassung für das Kaiserthum Oesterreich“ zu octroyiren.

Diese „aus eigener kaiserlicher Macht“ gegebene Verfassung constituirte einen „allgemeinen österreichischen Reichstag“. Mit Ausnahme der Militärgrenze, welche als integrirender Bestandtheil des Reichsheeres der vollziehenden Gewalt untergeordnet blieb, sollten alle „Kronländer“ des „Kaiserthums“ in demselben vertreten sein. Doch sollte die Verfassung des lombardischen Königreichs und dessen Verhältniß zum Reiche durch ein besonderes Statut geregelt werden. Die Verfassung des Königreichs Ungarn wurde aufrechterhalten, „soweit sie nicht der Reichsverfassung und dem Grundsatze der Gleichberechtigung der Nationalitäten widerspricht“, aber eben dadurch die Unterordnung unter die Reichsregierung und den Reichstag ausgesprochen. Nur so lange in einem der Länder Ungarn, Siebenbürgen, Kroatien und der Stadt Fiume hinsichtlich des bürgerlichen Rechts, des Strafrechts, der Gerichtsverfassung und des Gerichtsverfahrens die Uebereinstimmung durch den Landtag noch nicht hergestellt wäre, sollten sich die Abgeordneten dieser Landesgebiete der Theilnahme an den Verhandlungen des Reichstages über diese Zweige der Gesetzgebung enthalten. – Der Reichstag sollte aus zwei Häusern, einem Ober- und einem Unterhause bestehen und jährlich berufen werden. Das Unterhaus sollte durch directe Wahl gebildet werden und auf 100 000 Einwohner wenigstens ein Abgeordneter entfallen. Wahlberechtigt sollten alle Reichsbürger sein, welche vermöge ihrer persönlichen Eigenschaften das Gemeindewahlrecht besaßen, oder eine directe Steuer von 10–20 Gulden zahlten. Das Oberhaus sollte halb so viel Mitglieder als das Unterhaus haben und diese durch die Landtage gewählt werden und zwar sollte jeder Landtag zwei Vertreter aus seiner Mitte, die übrigen nach der Volkszahl auf das Land entfallenden Mitglieder aus den Höchstbesteuerten (die eine directe Steuer von wenigstens 500 Gulden zahlten) wählen. Das Unterhaus sollte auf fünf, das Oberhaus auf zehn Jahre gewählt werden, für jenes ein Alter von 30, für dieses von 40 Jahren erforderlich sein. Die Mitglieder des Unterhauses sollten ein Sessionspauschale, die des Oberhauses keine Entschädigung erhalten. – Die Einnahmen und Ausgaben sollten jährlich durch ein Gesetz festgestellt, aber alle bestehenden Steuern forterhoben werden, bis neue Gesetze etwas anderes bestimmen. Von der jährlichen Bewilligung der Stärke des Heeres ist keine Rede, ebensowenig von der Nothwendigkeit der Zustimmung des Reichstages zur Aufnahme von Anlehen oder zur Veräußerung von Staatsgut. Der Kaiser kann endlich in dringenden Fällen, wenn der Reichstag oder der Landtag nicht versammelt ist, Verordnungen mit provisorischer Gesetzeskraft erlassen, doch muß das Ministerium dem nächsten Reichstage oder [164] Landtage Gründe und Erfolge bekannt geben. – Die Landtage sollten fortbestehen, aber alle Angelegenheiten, welche nicht durch die Reichsverfassung oder durch Reichsgesetze ausdrücklich als Landesangelegenheiten erklärt waren, zur Competenz des Reichstages gehören. Die Landesordnungen für die Länder der westlichen Reichshälfte wurden 1849 und 1850 publicirt, aber nicht ins Leben gerufen.

Wäre diese Verfassung treu und ehrlich verwirklicht worden und wären ihre einzelnen grundsätzlichen Bestimmungen durch organische Gesetze ausgebaut worden, so hätte die österreichische Monarchie zu einem centralistischen constitutionellen Gesammtstaate ausgestaltet werden können, denn Lombardo-Venetien war bald darnach durch Radetzky’s Siege sichergestellt worden, Ungarn wurde im Sommer durch das österreichische und durch das russische Heer niedergeworfen und dieses und die westlichen auch durch die Revolution von 1848 erschütterten Kronländer hätten jede verfassungsmäßige Organisation auf wenn auch nur halbwegs freisinniger und dem constitutionellen Staatsrechte entsprechender Grundlage aus der Hand einer starken zielbewußten Regierung mit Dank entgegengenommen und die furchtbaren Katastrophen, welche den Kaiserstaat 1859 und 1866 trafen, und die heutzutage noch nicht verwunden sind, wären aller Wahrscheinlichkeit nach hintangehalten worden.

Doch dieses günstige Geschick war dem Donaureiche nicht beschieden. Stadion wäre der Mann gewesen, die Märzverfassung zur Wahrheit zu machen; er besaß Geist, Charakterstärke, staatsmännische Fähigkeiten und Ansehen und Einfluß in den höchsten Kreisen, um die Opposition der jeder freiheitlichen und centralistischen Entwicklung des Kaiserstaates mißgünstigen Elemente am Hofe, in der Hierarchie und in der Armee zu überwinden. Nach wenigen Monaten angestrengtester Thätigkeit mußte er sich aber von seinem hohen Amte zurückziehen und B. wurde am 21. Mai 1849 provisorisch und am 28. Juni definitiv zum Minister des Innern ernannt. – Schmerling wurde Minister der Justiz, Leo Graf Thun Minister für Cultus und Unterricht.

Damit hatte B. die augenblicklich wenigstens wichtigste Stellung in der Regierung des Kaiserstaates erlangt. Ihm „fehlte es nicht an Beweglichkeit des Geistes und an der nöthigen Gewandtheit, sich in alle Lagen zu schicken; ihm mangelte aber die Kenntniß der Geschäfte, das Verständniß des Provinziallebens und im höchsten Maße die Autorität im Amte. Er galt als ein Eindringling in bureaukratischen Kreisen, blieb ein Revolutionär in den Augen der Aristokratie“. Der hohe Adel war dauernd des bürgerlichen Ministers ärgster und gefährlichster Feind. Er fühlte das von Anfang an, suchte sich Stütze zu verschaffen bei den einflußreichen Vertretern der Armee am Hofe, was ihm theilweise gelang, namentlich aber bei den hohen Würdenträgern der Kirche, welche wol wußten, daß ein Politiker der josephinisch-francisceischen Schule ihnen niemals so große Zugeständnisse machen würde, wie ein Neubekehrter, wie ein Mann, der gerne die Spuren seiner Vergangenheit verwischen möchte. Daher seine vollständige Hingabe an die clericalen Tendenzen, welche anfangs weniger merklich, bald aber immer deutlicher hervortretend alle zehn Jahre seiner Ministerschaft beherrschten. Scheinbar mächtig befand er sich doch in vollkommener Abhängigkeit von Personen und Parteien, welche die wenigen Reste der Errungenschaften des Jahres 1848 zu tilgen leidenschaftlich bemüht waren. Der glühendste Haß erwuchs ihm jedoch in Ungarn. Selbst die Altconservativen, die an der Revolution keinen Antheil genommen, ja sie perhorrescirt hatten, waren Bach’s heftige Gegner; denn die Märzverfassung nahm ihnen mehr, als Kossuth ihnen geraubt hatte, den letzten Rest der Selbständigkeit ihres alten ehrwürdigen ungarischen Reiches; und als die von B. [165] organisirte sogenannte Civilregierung in Ungarn ins Amt trat, als man das langsame Eindringen fremder Elemente in das nationale Wesen, den gewaltsamen Bruch mit den altgewohnten Einrichtungen beobachtete, als die das Deutsche kaum radebrechenden czechischen und polnischen Beamten von der Centralregierung gesendet, ihren Einzug hielten und die leidige Experimentalpolitik Bach’s begann, bildete sich eine tiefe Kluft zwischen dem ungarischen Volksthum und der Wiener Regierung, loderte wilder, oft unverständiger Haß in der Brust eines jeden Magyaren auf.

Nichtsdestoweniger sind die Staats- und Verwaltungsangelegenheiten, welche B. in den ersten Jahren seines Ministeriums durchführte, von hoher Bedeutung und großer Tragweite. So die Grundentlastung, welche zwar schon vom Reichstage im Princip beschlossen worden war, aber unter B. in allen Provinzen, auch in Ungarn verwirklicht wurde, die Entlastung des bäuerlichen Grundbesitzes von allen Urbariallasten, die Aufhebung der Gutsunterthänigkeit der Bauern, die rechtliche Gleichstellung des rustikalen mit dem dominikalen Besitzthum – eine Operation von der höchsten volkswirthschaftlichen Bedeutung. Damit hängt die Aufhebung der politischen Administration durch die herrschaftlichen Ortsgerichte und das Aufhören der Patrimonialgerichtsbarkeit zusammen. Eine bis in die untersten Instanzen reichende landesfürstliche Verwaltung und landesfürstliche Gerichte mußten geschaffen werden. Noch im J. 1850 konnte man auf die Verwirklichung der Constitution hoffen, denn die in der Verfassung verheißenen Landesstatute sammt den dazu gehörigen Wahlordnungen erschienen nach und nach von Neujahr bis September, womit eine wichtige Vorbedingung constitutionellen Lebens für die Erblande erfüllt war; jedoch traten diese Statute nie in Wirksamkeit.

Als Centralbehörde für das ganze Reich fungirte das Ministerium; Kärnten, Schlesien, Salzburg und die Bukowina wurden als eigene Kronländer constituirt; Galizien in Ost- und Westgalizien, Ungarn in fünf selbständige Verwaltungsgebiete getheilt; Siebenbürgen, Croatien und die Militärgrenze (diese dem Kriegsminister unterstellt) blieben selbständig; als neues Kronland wurde die „serbische Woiwodschaft und das Temesvarer Banat“ geschaffen. An der Spitze der Kronländer standen Statthalter, in den ungarischen Ländern Gouverneure, in den kleineren Provinzen Landespräsidenten genannt. Die größeren Kronländer waren in Kreise mit Kreispräsidenten an der Spitze getheilt. Die unterste landesfürstliche politische Instanz waren die Bezirksämter unter Bezirkshauptmännern. Für die Gemeinden hatte noch Stadion (17. März 1849) ein Gemeindegesetz erlassen, welches auf dem von ihm ausgesprochenen Grundsatze: „die freie Gemeinde ist die Grundlage des freien Staates“ beruhte.

Ebenso tief greifend waren die Reformen auf dem Gebiete des Justizwesens nach dem streng durchgeführten Grundsatze der vollständigen Trennung der Verwaltung von der Justiz. Alle privilegirten Gerichtsstände wurden aufgehoben, die Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetze ausgesprochen. Die Strafproceßordnung vom 17. Januar 1850 beruhte auf dem Principe der Oeffentlichkeit und Mündlichkeit, des Anklageprocesses und der Aburtheilung der meisten Verbrechen durch Geschworene. Gerichte wurden geschaffen: für die erste Instanz Bezirksgerichte für die meisten Civilangelegenheiten, für Uebertretungen und leichtere Vergehen, Bezirks-Collegialgerichte und Landesgerichte für schwerere Vergehen und für Verbrechen; für die zweite Instanz die Oberlandesgerichte, für die dritte Instanz der oberste Gerichts- und Cassationshof in Wien, welcher auch die höchste Gerichtsbehörde für die ungarischen Länder bildete, in welchen die Gerichte in gleicher Weise organisirt wurden, während das bürgerliche Gesetzbuch und andere österreichische Gesetze erst 1852 und 1853 daselbst [166] eingeführt wurden. Auch die Staatsanwaltschaften wurden schon 1850 eingerichtet. –

Die Aufhebung des Unterthanenverbandes und die Entlastung des bäuerlichen Grund und Bodens war schon durch das vom Wiener Reichstage beschlossene Gesetz vom 7. September 1848 ausgesprochen; nach diesem wurden die Unterthänigkeit und das schutzobrigkeitliche Verhältniß, sodann alle aus diesem Verhältnisse entspringenden, dem unterthänigen Gute anklebenden Lasten, Dienstleistungen und Giebigkeiten jeder Art, sowie alle aus dem grundherrlichen Obereigenthum, aus der Zehent-, Schutz-, Obst- und (Wein-) Bergherrlichkeit und aus der Dorfobrigkeit herrührenden Natural-, Arbeits- und Geldleistungen mit Einschluß der bei Besitzveränderungsfällen unter Lebenden und auf den Todfall zu zahlenden Gebühren aufgehoben und zwar die aus dem Unterthansverbande, dem Schutzverhältnisse und obrigkeitlichen Rechte entspringenden Bezüge ohne, die auf dem Grunde als solchem lastenden Leistungen und Abgaben gegen Entschädigung. Gleichzeitig mit der octroyirten Verfassung erschien am 4. März 1849 ein kaiserliches Patent, welches nähere Bestimmungen über die Ausführung des Gesetzes vom 7. September 1848 erließ, namentlich über die Grundsätze, an die man sich bezüglich der Entschädigung zu halten habe und verfügte zugleich die Einsetzung eigener Commissionen in jedem Lande, um diese Bestimmungen im einzelnen durchzuführen. Bezüglich der Entschädigungen wurde bestimmt, daß auch die Zehenten, Naturalleistungen und Roboten in Geld veranschlagt, von der so ermittelten Rente ein Drittel für die vom Berechtigten bisher entrichtete Steuer in Abzug gebracht werde, von den übrigen zwei Dritteln das eine der Verpflichtete zu tragen, das andere das Land aufzubringen hatte, daß die vom Verpflichteten zu zahlende Rente (im zwanzigfachen Anschlage) capitalisirt und binnen zwanzig Jahren in den Grundentlastungsfond eingezahlt und daß den Berechtigten für das ganze ihnen als Entschädigung von den Verpflichteten oder dem Lande zu zahlende Capital Grundentlastungsobligationen ausgestellt werden sollten, welche binnen vierzig Jahren durch Verloosung zu tilgen seien. In Galizien, in der Bukowina und in den ungarischen Ländern blieben die Verpflichteten von weiteren Zahlungen ganz frei und es wurde die Entschädigung vom Lande allein getragen. – Dies gewaltige Werk wurde in den meisten Ländern schon in den Jahren 1849–1854 durchgeführt.

Darin bestand die vornehmlichste staatsmännische Thätigkeit Bach’s in den ersten Jahren seiner Ministerschaft bis etwa Mitte 1851. Wenn man sie unbefangen und gerecht beurtheilt, so muß man bekennen, daß sie von dem Grundgedanken getragen war, in dem durch die Wirren des Jahres 1848 zerrütteten Staate Ordnung zu machen und an die Stelle des alten patrimonial-absolutistischen Oesterreich einen Staat zu bilden, der centralistisch, aber doch noch immer in einer gemäßigt freisinnigen Weise regiert und verwaltet werden sollte. Doch bald änderte sich das. Die Parteien und die Männer des Rückschritts gewannen zusehends Einfluß und Macht und B. blieb nichts übrig, als mit allen seinen früher durch Wort und That kundgegebenen Ueberzeugungen zu brechen und sich selbst als erster Handlanger der Reaction zur Vernichtung der letzten noch vorhandenen Reste der freiheitlichen Errungenschaften und zur Herstellung einer absolutistisch-militärisch-hierarchischen Regierung darzubieten, wenn er nicht auf das Ministerportefeuille verzichten wollte, wie es Schmerling am 24. Januar 1851 gethan hatte.

Die Maßnahmen, durch welche diese Schwenkung bald kund wurde, sind folgende. Durch das Allerhöchste Cabinetsschreiben vom 20. August 1851 wurde erklärt, daß das Ministerium nur dem Monarchen verantwortlich und von jeder Verantwortlichkeit gegenüber jeder anderen politischen Autorität enthoben sei. [167] Durch die zwei Patente vom 31. December 1851 wurden die Verfassung vom 4. März 1849 und die am gleichen Tage für die nichtungarischen Provinzen kundgemachten Grundrechte mit Ausnahme der Gleichheit aller Staatsangehörigen vor dem Gesetze ausdrücklich außer Wirksamkeit gesetzt und zugleich in 36 Artikeln die Grundsätze bekanntgegeben, welche „in den zunächst wichtigsten und dringendsten Richtungen der organischen Gesetzgebung“ beobachtet werden sollten. Dabei ist eine Reichsvertretung nicht mehr erwähnt, sondern nur gesagt, „daß den Kreisbehörden und den Statthaltereien berathende Ausschüsse aus dem besitzenden Erbadel, dem großen und kleinen Grundbesitze und der Industrie mit gehöriger Bezeichnung der Objecte und des Umfanges ihrer Wirksamkeit an die Seite gestellt“ werden würden. Doch sind solche Ausschüsse nie einberufen worden. Alle diese Verordnungen erschienen ohne Berathung mit Vertretern des Volkes oder einzelner Gruppen desselben. – Die durch die provisorischen Gesetze von 1849 und 1850 durchgeführte Trennung der Justiz von der Verwaltung wurde aufgehoben und die Bezirksgerichte und Bezirkshauptmannschaften zu Bezirksämtern vereinigt, welche Justiz und Verwaltung in erster Instanz zu besorgen hatten. Die Strafproceßordnung vom 17. Januar 1850, die Schwurgerichte und die Oeffentlichkeit des Verfahrens wurden abgeschafft und durch die Strafproceßordnung vom 29. Juli 1853 ersetzt. – Das Stadion’sche Gemeindegesetz wurde außer Wirksamkeit gesetzt und für eine neue Gemeindeverfassung wurden bestimmte Grundsätze festgestellt, wornach die Gemeindevorsteher von der Regierung bestätigt und nach Umständen selbst ernannt, auch höhere Gemeindebeamte von der Regierung bestätigt, die Oeffentlichkeit der Gemeinderathsverhandlungen aufgehoben, wichtigere Beschlüsse der Prüfung und Bestätigung durch die landesfürstlichen Behörden vorbehalten und bei den Wahlen und Verhandlungen „den überwiegenden Interessen auch ein überwiegender Einfluß zugestanden“ werden sollte. Aber auch die diesen Grundsätzen entsprechenden Gemeindeordnungen sind nie erschienen und Wahlen für die Gemeindevertretungen und deren Vorsteher nicht mehr vorgenommen worden. Nur die Oeffentlichkeit der Gemeinderaths- und Gemeindeausschußverhandlungen wurde rasch beseitigt.

Die Krönung dieses Werkes rückschrittlicher Organisation des Kaiserstaates war der Abschluß des Concordates mit dem päpstlichen Stuhle vom 18. August 1855. Dadurch erlangte die katholische Kirche „alle Befugnisse und Vorrechte, deren dieselbe nach der Anordnung Gottes und den Bestimmungen des Kirchengesetzes genießen soll“. Das Placetum regium wurde beseitigt und der Kirche die volle und alleinige Gewalt in kirchlich-religiösen Dingen, die unbedingte Freiheit in Besitz und Erwerb, die Beaufsichtigung und Leitung des Volks- und Mittelschulwesens, die Einrichtung der theologischen Studien und Seminare, die geistliche und Ehegerichtsbarkeit u. s. w. zugesprochen. Kirchliche Ehegerichte wurden wieder eingesetzt und am 8. October 1856 erschien ein neues Ehegesetz für Katholiken, das auf den kanonischen und Tridentiner Satzungen beruhte und für Ehestreitigkeiten nur kirchliche Instanzen kannte. Der strenggläubige Katholik Beidtel schreibt (II, 466) über diesen leoninischen Staatsvertrag: „Das österreichische Concordat machte in der Welt ein ungeheures Aufsehen. Man behauptete, ein Concordat dieser Art habe die Welt noch nicht gesehen. Für eine politisch kluge und zugleich der katholischen Kirche nützliche Maßregel wurde es nur von einer sehr kleinen Zahl frommer, aber auch sehr beschränkter Katholiken angesehen. – Vielen sachverständigen Beobachtern schien es weniger ein geregelter Staatsvertrag als eine Capitulation der österreichischen Regierung gegenüber der Kirchengewalt zu sein, welche nach einem mehr als ein Jahrhundert fortgesetzten Kampfe aus demselben als Siegerin hervorging. Das angesehenste englische Journal, die ‚Times‘, fand die Herabwürdigung des Thrones durch diesen [168] Vertrag so stark, daß es meinte, ‚eine Krone, welche man unter solchen Bedingungen trage, sei nicht das Metall werth, aus welchem sie verfertigt sei‘. Viele öffentliche Stimmen meinten, daß der Weg, welchen man eingeschlagen, in den Vorhof des Schlosses von Canossa führe und daß die österreichische Regierung durch den Vertrag einen großen Theil der ihr im Ausland gezollten Achtung verwirkt habe“.

War, wie es scheint, bei dem Abschlusse dieses Vertrages B. auch nicht in erster Reihe betheiligt, so geschah es doch unter seiner Regierung, trägt der Act seine Unterschrift und war er seit dem Tode Schwarzenberg’s (5. April 1852) der führende Geist des Ministeriums.

Hatte das Concordat den Zweck, zur Behauptung des absolutistischen Regimes die katholische Kirche als stärkste Hülfsmacht heranzuziehen, so sollte durch das von dem Finanzminister Baumgartner entworfene und von Bruck durchgeführte National-Anlehen (der Volksmund nannte es das „freiwillige Zwangsanlehen“) die Sanirung der arg zerrütteten Finanzen herbeigeführt werden. Der Abschluß des Concordates und die Emission des Nationalanlehens bezeichnen den Gipfelpunkt von Bach’s Macht. Hatte er bei dem Vertrage mit Rom mindestens neben Thun die erste Rolle gespielt, so war bei der Anleihe von 500 Millionen Gulden, welche Summe jedoch von Bruck um weitere 111 Millionen Gulden überschritten wurde, Baumgartner durch B. vollständig in den Hintergrund gedrängt worden. Aber gerade durch seine unbedingte Unterwerfung unter die Macht der Kirche hatte er mit allen gebildeten Kreisen der Gesellschaft gebrochen, während er von dem hohen Adel doch ewig nur als ein bis auf weiteres geduldeter Parvenu angesehen wurde. Bach’s Stern war ungemein rasch emporgestiegen, aber noch rascher war sein Fall. Und nicht bloß die inneren Verhältnisse waren dessen Ursache. Die äußere Politik Oesterreichs war in dem Jahrzehnt von 1849 bis 1859 die denkbar unglücklichste gewesen; während des Krimkrieges wurde Rußland Oesterreichs Gegner, in der deutschen Frage wurden nur solche Maßregeln getroffen, welche Preußen erbittern, die Rivalität zwischen den beiden deutschen Staaten aufs äußerste gespannt machen mußten, Sardinien wurde zum Kriege provocirt, in dem es Napoleon’s III. Unterstützung fand, die Finanzlage verschlechterte sich immer mehr, Steuern wurden auf Steuern gehäuft, die directen im Laufe von zehn Jahren (1849 bis 1859) geradezu verdoppelt, Anleihen zu Anleihen gefügt, die Staatsschuld in derselben Zeit um eine Milliarde vergrößert, die vortrefflich gebauten Staatsbahnen weit unter dem Werthe an französische Gesellschaften verkauft; wie die Steuern und die Anleihen stiegen, stieg auch Jahr für Jahr das Deficit, der Wohlstand des Volkes sank, es vermehrten sich die Verlegenheiten der Regierung. Der Absolutismus hatte sich vollkommen unfähig erwiesen, die Schäden der Revolution zu heilen, eine neue feste Ordnung zu gründen, die Entwicklung des Staates auf eine sichere Bahn zu leiten. Das schöpferische Unvermögen offenbarte sich auf allen Gebieten. Die österreichische Diplomatie hatte viel von ihrer früheren mit Recht gerühmten Feinheit, das Heer ohne sein Verschulden viel von seiner Schlagfertigkeit verloren, die Justiz, von Arbeiten überbürdet, versagte den Dienst, die Verwaltungsmaschine stockte, die Finanzen waren in tiefer Zerrüttung, die Macht des Reiches war von außen, seine Kraft im Innern gleichmäßig bedroht. Der Adel mißachtete B., die mittleren Classen und der gebildete Bürgerstand haßten ihn als den Schöpfer des militärisch-hierarchischen Absolutismus und den Unterdrücker jeder Spur geistiger Regung, die untersten Classen, der kleine Bürger und Gewerbsmann, sowie der Bauer, schmachteten unter dem Drucke der immer steigenden Steuern. Zu all dem kam noch der unglückliche Krieg von 1859. Da kam man denn auch in den höchsten leitenden [169] Kreisen zur Ueberzeugung, daß man auf diesem Wege nicht weiter fortschreiten könne. Nicht durch einen jähen Sturz endete das absolutistische System, es erlitt einen jammervollen Bankerott, einen schmachvollen Ausgang. Das erste Merkmal dieser Wandlung war Bach’s Enthebung von seinem Ministerposten (21. August 1859).

Zehn Jahre lang war B. an der Spitze der Staatsverwaltung Oesterreichs gestanden und an seinen Namen ist die Erinnerung an eine der verhängnißvollsten und schwersten Epochen in der Geschichte dieses Kaiserstaats geknüpft. Er war einer der entschiedensten Vertreter des freiheitlichen Fortschritts vor und im Jahre 1848 gewesen und nach Unterdrückung der Bewegung vollzog sich in ihm ein Gesinnungswechsel, der ihn zu einem der ersten Vorkämpfer der Reaction gemacht hatte. „Als Justizminister im Cabinet Schwarzenberg führte er noch die Grundentlastung in den einzelnen Kronländern und die Reorganisation der Gerichte durch, als Minister des Innern begann er dann, auf die Macht des Fürsten Schwarzenberg gestützt, die Centralisation der gesammten Staatsverwaltung in Angriff zu nehmen. Er stimmte der Aufhebung der Ministerverantwortlichkeit bei, die am 20. August 1851 erfolgte, und verblieb im Amte. Sein Werk war es, daß das von Stadion geschaffene Gemeindegesetz und die von Schmerling durchgeführte Gerichtsreform sammt den Schwurgerichten außer Kraft gesetzt wurden. Nachdem am 31. December 1851 auch die Verfassung vom 4. März 1849 aufgehoben und am 5. April 1852 Fürst Felix Schwarzenberg gestorben war, gelangte B. auf die Höhe seines Einflusses und führte den Centralismus auf allen Gebieten der Staatsverwaltung mit Hülfe des bureaukratischen Absolutismus ein. Er galt damals als allmächtig, obwol er eigentlich von der Hofpartei, den militärischen Machthabern und den Vertretern der Kirche abhängig war und denselben als Werkzeug dienen mußte. Im J. 1854 wurde B. in den Freiherrnstand erhoben, in den aristokratischen Kreisen vergaß man aber seine bürgerliche Abkunft und sein politisches Renegatenthum nicht. – B. war nicht im Stande, auf wirthschaftlichem Gebiete irgend welche Reformen durchzusetzen, welche der Bevölkerung den absolutistischen Druck erträglich gemacht hätten. Auf seine Person concentrirten sich der Unwille und die Unzufriedenheit, die in allen Kreisen des Volkes herrschten und in Ungarn fand die Erbitterung über die centralistische Vergewaltigung dadurch ihren Ausdruck, daß die dahingesendeten österreichischen Beamten bekanntlich als ‚Bachhusaren‘ bezeichnet wurden. Das traurigste Denkmal der Aera Bach war das am 18. August 1855 mit dem päpstlichen Stuhle geschlossene Concordat, dessen verhängnißvolle Wirkungen und Folgen noch im Gedächtniß älterer Personen fortleben. Ebensowenig kann man den Polizeidruck vergessen, durch den unter Bach jede freie Meinungsäußerung verhindert und die Presse einer rücksichtslosen Präventivcensur preisgegeben war.“

Noch schärfer spricht sich eine andere publicistische Stimme über B. aus: „Der Name Bach bezeichnet für Oesterreich die Incarnation des Absolutismus, des Polizei-Regiments, die Vermengung der Justiz mit der Verwaltung, die Unterdrückung aller geistigen Freiheit, die Preisgebung der Souveränetätsrechte des Staates an die Kirche, die Zwangs-Germanisation, für Ungarn den ‚Nationalfeind‘ schlechtweg – mit diesem Namen hat Stephan Szechenyi den Staatsmann Bach gebrandmarkt“. Es erschien unglaublich, „daß ein Staatsmann, der ‚ein Mann des Rechtes, der rechte Mann‘, wie er 1848 in der Reichsversammlung gepriesen wurde, einer der Träger der Ideen der Märztage, der ihre Bewegung so eifrig vorbereitet hatte, von dieser Bewegung emporgetragen, zur Leitung der Staatsgeschäfte berufen, einen bureaukratischen Absolutismus, durch Säbel- und Priesterherrschaft gestützt, etablirte, den Versuch einer starren Centralisation [170] und Germanisation in der ganzen Monarchie, an dem schon Kaiser Joseph gescheitert, ohne die Zuthat der Aufklärung erneuerte“. Er „unterdrückte die Rechte des Volkes auf gesetzgebende Gewalt, half nicht bloß wacker bei Sprengung des Reichstages, er sorgte dafür, daß der Volksmund verstummte!“. „Er kehrte dem Volke verächtlich den Rücken“, nannte es „nunmehr Pöbel, erkannte ihm keine Rechte, sondern nur Pflichten zu, forderte und erzwang der Staatsgewalt den Gehorsam“. Er „ließ keine österreichische, keine ungarische Verfassung aufkommen und ging hinter den Absolutismus des Kaisers Franz zurück!“ Er „vernichtete alle Aeußerungen der öffentlichen Meinung in Wort und Schrift ganz und gar, erstickte alles Vereinsleben, die Presse und jegliche provinziale und communale Autonomie!“ Er „regierte ein Jahrzehnt ohne jegliche Controle“. Er „vernichtete die Presse, ließ die Buchhandlungen nach josephinischen Schriften durchsuchen, die Classiker, römische und deutsche, censuriren, die Bühnenwerke verstümmeln, die Zeitungen mit Präventiv- und Repressiv-Maßregeln verfolgen“. „Furchtbar ist das Verschulden Bach’s, den Augenblick versäumt zu haben, Ungarn, das niedergeworfene, vom Bürgerkriege erschöpfte Land, das in jenem Augenblicke den Bedürfnissen der Gesammtmonarchie manches Zugeständniß gemacht hätte, nicht versöhnt und mit Oesterreich in ein befriedigendes Verhältniß gebracht zu haben. Ohne Kenntniß des Charakters und der Geschichte des Landes, ließ der Schablonenpolitiker auf den Militarismus den Absolutismus folgen, dessen Einförmigkeit tödtlich war, der in Ungarn eine Politik der strafenden Vergeltung übte, den ganzen magyarischen Stamm der neuen Ordnung gründlich entfremdete, Ungarn ohne und gegen die Ungarn regierte, dabei ihnen, wie den Slaven, Rumänen und Sachsen, die Gemeinde-Autonomie entriß, die Nationen wider einander hetzte, die sächsischen Beamten in ungarische und Szekler-Comitate einsetzte, den Haß der Bevölkerung gegen jene willenlosen Organe der Staatsverwaltung künstlich heraufbeschwor. Was frommte die bessere Verwaltung, die unparteiische Justiz, der steigende Bodenwerth, die leichtere Communication, die Grundentlastung – unterdrückt war alles, was dem Ungar lieb und theuer war, die Freiheit, seine Lebenslust, die Selbstregierung, das Vereinswesen, eine fast tausendjährige Rechtsübung; der Barrikaden-Minister war verhaßter als irgend ein Minister des Vormärz.“ „Die Agitationen des feudalen Adels in Oesterreich, den er herabdrückte und in keine vorwaltenden Stellen einrücken ließ und der hinwiederum gegen den Centralisten, gegen den Leugner aller ständischen Provinzialrechte wüthete, unterwühlten seine und seiner Bureaukratie Allgewalt, die in den Provinzen von den Militär-Gouverneuren eingeschränkt wurde, in Ungarn aber auf Schritt und Tritt auf die Opposition des nationalen Adels und Clerus stieß, zu gleicher Zeit von der Emigration, von den Liberalen und Altconservativen in Flugschriften und Memoranden bekämpft wurde.“ „Das Concordat, von Rauscher und Thun verhandelt, ist gleichwol Bach’s Werk.“ „Was wollte er damit? Seinen revolutionären Ursprung vergessen machen, sich dem Clerus, den Höflingen angenehm und willfährig zeigen. Und deshalb die Auslieferung staatlicher Rechte an die Curie, das Niederhalten der Künste und Wissenschaften!“ Das Concordat wurde auf Ungarn ausgedehnt, „das Reich der Stephanskrone zerlegt, die partes adnexae wurden mit Selbständigkeit ausgestattet, das Land mit Belagerungszustand und Gendarmerie ‚restaurirt‘, es wurde weiter noch schonungslos internirt, arretirt und confiscirt. Aus dieser Drachensaat ging ein blutiges Verderben hervor. Oesterreich ward als Staat der Finsterlinge verschrieen, aller Sympathien beraubt, sah es Preußen und Italien emporwachsen, sich selbst isolirt, sein Recht und seinen geschichtlichen Anspruch unbeachtet, in seinen Niederlagen sah die Welt eine Strafe für die Versündigung am Weltgeiste, [171] eine Bürgschaft für den Sieg der Freiheit aller Orten und in Oesterreich-Ungarn selbst“.

Wenige Jahre vor seinem Tode suchte B. einem Interviewer gegenüber seine staatsmännische Thätigkeit zu erklären, zu entschuldigen: „Ich bin ein Architekt, der seinen Bau nicht unter Dach gebracht, das Schicksal ließ mich nicht zu Ende kommen, nun erheben sich Tadel und Vorwurf, daß ich die Façade nicht mit dem rechten Schmucke bekleidete. Nur fünf oder sechs Jahre! Ich wäre ans Ziel gelangt!“ „Wir hatten alles aufzufrischen, weil alles faul geworden war, der Ober- und Unterbau im Staate war morsch, die guten Ideen der Revolution aus ihren Stürmen in das Staatsleben herüberzuretten, die Bureaukratie neu zu beleben, war unsere Pflicht geworden. Haben wir nicht wirkliche Gesetze gemacht, die bis heute Geltung haben? Ersetzten wir nicht die leeren Köpfe, die bis 1848 Befehle ertheilen durften, durch neue bessere Talente? Ich hatte anfangs durchaus nicht die Absicht nach einem absoluten Regime. Ich arbeitete persönlich die neuen Landesordnungen aus. Ihr Geist lebt in der Februar-Verfassung fort … Wir konnten sie aber nicht ins Leben treten lassen; der partikularistische Geist war viel zu mächtig.“ Die Bevölkerung, führte er weiter aus, rief nach einer kräftigen Centralgewalt, die Aufgabe der Gegenwart sei gewesen, durch eine gute Verwaltung für eine parlamentarische Zukunft vorzubereiten – daher die Aufhebung der Verfassung. „Ein einheitliches Oesterreich war unser Ziel.“ Im Kampfe gegen den hohen Adel dies- und jenseits der Leitha war es Selbsterhaltungstrieb, der B. zum Aeußersten drängte – er schloß das Concordat. „Es ist mein Verdienst, meinte er, die Bedeutung der Kirche als Staatsmann gewürdigt zu haben … Man hat mich bigott gescholten; ich war es nicht. Ich sah nur, welche Kraft dem Christenthume innewohne und wollte diese mit unseren Bestrebungen in Verbindung bringen, sie meinem Zwecke dienstbar machen, deshalb rieth ich zum Concordate. Es sollte die italienische und ungarische Frage lösen, alle politischen und nationalen Vorurtheile besiegen helfen.“

Soweit B. selbst. Worte, Worte!, denen die Thaten und ihre Erfolge widersprachen.

Bach’s Rücktritt wurde in ganz Oesterreich als eine Befreiung und Erlösung und als das erste Anzeichen einer Aenderung der unhaltbar gewordenen Zustände des Staates begrüßt. Er wurde zum Botschafter in Rom ernannt, wo er auch mehr im Dienste des päpstlichen Stuhles als für die Interessen Oesterreichs thätig war und man fand, daß die Art und Weise, wie er dort öffentlich auftrat, eines Vertreters Oesterreichs nicht würdig sei. Im J. 1867 wurde er von Rom abberufen und in den Ruhestand versetzt. Er lebte fortan auf seinem Schlosse Schönberg bei Unter-Waltersdorf nächst Wiener-Neustadt.

Während seiner öffentlichen Wirksamkeit war er zum Freiherrn erhoben worden und wurden ihm die Großkreuze des Leopold- und des Franz Josefsordens verliehen.

Im J. 1885 hatte ihm das System Taaffe den Muth gemacht, als Reichsrathscandidat aufzutreten, aber in ganz Oesterreich fand sich nicht ein Wahlkreis für ihn. Im J. 1891 wollte ihn die clericale Partei in Wien für eines der Mandate der inneren Stadt aufstellen, doch lehnte er dies selbst unter Hinweis auf sein hohes Alter ab. B. starb am 13. November 1893 auf seinem Schlosse Schönberg.

Springer, Geschichte Oesterreichs seit dem Wiener Frieden 1809. II. Bd. Leipzig 1865. – Helfert, Geschichte Oesterreichs vom Ausgang des Wiener October-Aufstandes 1848. 6 Theile in 4 Bänden. Prag 1869–1886. – Alfons Huber, Oesterreichische Reichsgeschichte. Wien 1895. – Bachmann, [172] Lehrbuch der österreichischen Reichsgeschichte. Prag 1896. – v. Luschin, Oesterreichische Reichsgeschichte. Bamberg 1896. – v. Luschin, Grundriß d. österreichischen Reichsgeschichte. Bamberg 1899. – v. Krones, Geschichte d. Neuzeit Oesterreichs vom 18. Jahrhundert bis auf die Gegenwart. Berlin 1879. – Beidtel, Geschichte der österreichischen Staatsverwaltung von 1740 bis 1848. Herausgegeben von Alfons Huber. II. Bd. Innsbruck 1898. – Rogge, Oesterreich von Világos bis zur Gegenwart. I. Bd. Leipzig u. Wien 1872. – Wurzbach, Biographisches Lexikon des österr. Kaiserstaats I, 105; II, 363. – Neue Freie Presse 1893, Nr. 10 499, 10 500, 10 504.