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ADB:Leeu, Gerhard

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Artikel „Leeu, Gerhard“ von Jakob Franck in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 18 (1883), S. 121–124, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Leeu,_Gerhard&oldid=- (Version vom 25. November 2024, 01:19 Uhr UTC)
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Leeu: Gerhard L. (de Leeu), Buchdrucker zu Gouda und Antwerpen und neben Johann von Westphalen (Bd. XIV, S. 478; und Dirk Martens (s. d.) der bedeutendste niederländische Drucker im 15. Jahrhundert und für dieses eben so hervorragend, wie es für das 16. Plantin gewesen ist. Gleichwol ward ihm bisher in Deutschland eine eingehendere Besprechung nicht zu Theil. Sein Geburtsort ist Gouda im südlichen Holland, wo er einer der angesehensten Familien angehörte, deren Glieder seit mehreren Jahrhunderten die höchsten städtischen Aemter verwaltet hatten. Da er seine Kunst von 1477 bis 1493 betrieb, so dürfte er um die Mitte des Jahrhunderts geboren sein. Seine Kunst hat er wahrscheinlich zu Köln bei Ulrich Zell oder Johann Koelhoff oder zu Löwen bei Johann von Westphalen erlernt, und brachte es darin vermuthlich schon, ehe er seine eigene Officin gründete, zu großer Fertigkeit, wie man aus der technischen Vollendung seiner Drucke und ihrer raschen Folge schließen kann. Einige Bibliographen haben die Behauptung aufgestellt, daß seine Thätigkeit bereits 1473 mit der Ausgabe der „Gulden legende“ des Jacob de Voragine begonnen habe, eine Ausgabe jedoch dieses Buches von diesem Jahre ist ganz und gar apokryph. Vielmehr trat L. zuerst 1477 hervor mit den „Epistelen en envangelien van den geheelen jaere“, „op de Pinxter avont“ (Panzer a. a. O. I, 4427). Noch vor Ende des nämlichen Jahres erschienen: „Die vier uterste ofte de leste Dingen“ und „De Historie van t’ Lyden Jesu Christi“. Bis zum März 1484, um welche Zeit er (Lambinet p. 418) ein vlämisches Andachtsbuch über den englischen Gruß (Pater et Ave) vollendete, setzte nun L. seine Thätigkeit in seiner Vaterstadt fort; die Zahl der Werke dieser 7 Jahre erhebt sich jedoch nicht über 30–40. Gouda, zu jener Zeit großer religiöser Genossenschaften, die das Glück der ersten Buchdrucker bildeten, entbehrend und vermuthlich auch nur eine sehr geringe Zahl von Gelehrten und Schriftstellern in seinen Mauern bergend, war eben kein geeigneter Platz für einen talentvollen Mann wie L., konnte ihm auch keinen genügenden Absatz bieten. Diese Erwägungen mögen ihn denn schließlich bestimmt haben, nach Antwerpen überzusiedeln. Denn diese Stadt hatte bereits zu jener Zeit einen großen Theil der Handelsthätigkeit geerbt, in deren Besitz Brügge mehrere Jahrhunderte lang gewesen war, hierher strömten täglich nicht nur Fremde aus allen Theilen der damals bekannten Welt, sondern auch die Waaren des nördlichen und südlichen Europas, für welche Antwerpen der Stapelplatz geworden war. Wol gegen den [122] Monat Juli des J. 1484 verlegte also L. seine Pressen nach Antwerpen; den 23. Juni (op sente Babtista auont) ließ er noch zu Gouda eine neue Ausgabe der erwähnten „Epistelen ende evangelien“ ausgehen. Schon vom September dieses Jahres an ließ er in Antwerpen die „Gemmula vocabulorum“, einen Druck von 400 Seiten, erscheinen und 15 Tage später die Abhandlung des Albertanus Brixiensis „De arte loquendi et tacendi“. Nach Maittaire, dem darin Visser und Panzer folgen, müßte man freilich Leeu’s Uebersiedelung nach Antwerpen schon ins J. 1480 zurückverlegen, denn zu diesem Jahre führt er eine englische Ausgabe des Romans des Raoul Lefèvre von Jason und Medea an. Diese Ausgabe wird aber von keinem anderen gewissenhaften Bibliographen verzeichnet und es hat sich trotz des unablässigen Nachspürens der englischen Bibliomanen nirgends eine Spur davon gefunden. Es mag eben bei jener Angabe eine falsche Datirung der wirklich bei L. erschienenen Ausgabe von 1493 vorliegen. Wol aber scheint es, daß L. neben seiner Presse in Antwerpen auch die zu Gouda fortarbeiten ließ. Maittaire, Lambinet und Visser citiren die Ausgabe eines Werkes: „Exercitium puerorum grammaticale per dietas distributum“, gedruckt zu Gouda 1486. Wenn dies Datum richtig ist, so kann dies Buch nur von L. zur Zeit hergestellt worden sein, wo er sich bereits zu Antwerpen niedergelassen hatte, denn die „Collatie broeders“, welche später eine Druckerei zu Gouda besaßen, fingen erst (Panzer a. a. O. p. 445) im J. 1496 zu arbeiten an. Außerdem beschreibt Brunet eine vlämische Uebersetzung des „Dialogus creaturarum“, veröffentlicht durch L. zu Gouda 1486. Von Leeu’s erstaunlicher Thätigkeit in Antwerpen giebt es Zeugniß, daß er 1484 innerhalb 10 Tagen drei Werke edirte, von welchen eines 85, ein anderes 305 Blätter zählt: den 12. Juni die „Statuta provincialia dioecesis Trajectensis“, den 19. den „Samensprack van de seven sacramenten“ und den 22. Juni die „Epistelen van den gehaele jaere“, im J. 1489 in 15 Tagen vier Werke: den 4. März das „Opusculum vitae et passionis Christi“ (131 Bl.), den 14. „Petrarchae de secreto conflictu curarum suarum“ (42 Bl.) und zugleich des Albertus Magnus „De virtutibus animae“ (32 Bl.), endlich den 18. des Poggius Florentinus „Liber de nobilitate“ (14 Bl.). Die verhältnißmäßige Unbeholfenheit des damaligen Mechanismus läßt eine solche Productivität noch erstaunlicher erscheinen. L. hat sich durch die zahlreichen und geschmackvollen Arbeiten, welche er während seiner neunjährigen belgischen Periode ausführte, einen unsterblichen Namen in der Typographen-Geschichte Antwerpens erworben. Ueberdies ist die größere Zahl seiner Produkte, die in lateinischer und französischer, in vlämischer und englischer Sprache erschienen, mit Holzschnitten verziert. Die Zahl seiner bis jetzt gefundenen, zu Gouda und Antwerpen veröffentlichten Drucke beläuft sich auf 176, wobei den belgischen Forschern noch ein Druck entgangen ist, welchen Denis in seiner Bücherkunde I, 151 aus einem besonderen Grunde anführt. Es ist dies „De arte dictandi tres libri expliciunt: editi a magistro engbarto de leydis 1454“ (das Jahr der Abfassung oder der Abschrift, nicht des Druckes) Impressit Gerardus Leeu, o. J. Fol. Ganz besonders aber befleißigte sich L., jene alten Chroniken und Ritterromane, sämmtlich geschmückt mit Holzschnitten, ausgehen zu lassen, welche heute die Freude der Bibliophilen aller Länder bilden und, wenn der Zufall sie auf irgend eine öffentliche Auction führt, mit ganz unglaublichen Preisen bezahlt werden. In dieser Classe von Büchern ist in erster Linie zu erwähnen seine „Cronycles of England“, 1493, Fol. von William Caxton, von welchem Buche auffallender Weise in ganz Belgien selbst kein Exemplar mehr existirt und der oben erwähnte Roman von Jason und der Medea, für den, obwol dem Exemplare ein Blatt fehlte, bei der Roxburgh’schen Bücherversteigerung der fabelhafte Preis von[WS 1] [123] 2362 Fr. 50 C. gezahlt wurde. Es gehören ferner hierher: „De hystorie van Reynaert die Vos“, 1479. 4°; „D’ hystorien van Troyen“, 1479. 1482. Fol.; „De historie van deme uramen ridder Paris. Vnde vader schone Vienna“, 1487. 1488. Fol. Außer diesen verdienen noch hervorgehoben zu werden die drei Drucke „Salomonis et Marcolfi dyalogus“ o. J. (1482) 4°; „Moralissimus Catho“, 1485. 4°. und „Fabulae et vita Esopi“, 1486. 4°. Alle diese Werke, von der größten Seltenheit, sind mit gothischen Charakteren gedruckt und Meermann und Falkenstein haben hiervon Facsimile’s gegeben. L. zeichnete sich aber nicht blos als Drucker aus, sondern er glänzte auch durch Geist und Gelehrsamkeit. Val. Andreas und Walvisch sprechen ihm sogar die Autorschaft des „Dialogus creaturarum“ so wie der „Gesta Romanorum moralisata“ zu, zweier Werke, die im 15. Jahrhundert in großem Ansehen standen und zahlreiche Ausgaben und Uebersetzungen erlebten; andere Schriftsteller halten ihn auch für den Verfasser einiger Gespräche, deren Existenz jedoch nicht hinreichend verbürgt ist, wie ihm auch die Autorschaft der eben genannten Werke wol mit Recht abgesprochen wird. Immerhin stand er u. A. mit Erasmus während dessen Aufenthaltes im Kloster zu Stein in der Nähe Goudas sowie mit dem Philologen Jac. Canterus in Briefwechsel; einen Brief unseres Druckers nahm der erstere mit so großem Vergnügen auf, daß er (Er. op. epist. 398) ihm antwortete: „Tantum enim, me Hercule, veteris tum eloquentiae, tum eruditionis prae se ferunt, ut nisi jam ubique gentium tuorum natalium splendore nobilitate esset Frisia, nemo te neque barbara regione, neque his natum saeculis crederet“. Seine Wohnung in Gouda, worin er auch seine Pressen aufgestellt hatte, lag nahe bei „Kraalingen brügh“ nördlich vom Canale, der hart an den Mauern des Fischmarktes vorbeifließt; doch hatte er 1479 seine Officin „auf dem großen Platz“, 1482 in „de Konincstraat“, endlich 1483 in „de Koestraat“. In Antwerpen aber befand sich seine Werkstätte in einem nahe dem Kloster von Notre-Dame gelegenen, mit dem Schilde des St. Markus bezeichneten Hause „in sinte Marcus naest Onsen Vrouwen part“. Von seinen Druckerzeichen, deren er mehrere gebrauchte, besteht das, welches er am häufigsten auf seinen in Holland gedruckten Werken in Anwendung brachte, in einem, an einem Baumzweige hängenden Schilde, zur Rechten findet sich das Wappen der Stadt Gouda und zur Linken das des Druckers; dieses Zeichen, welches u. a. auch seine französische Ausgabe des „Dialogus creaturarum“, 1482 schmückt, ist durch Dibdin, Lambinet und Brunet wiedergegeben worden. Von den zwei Vignetten, welche er in Belgien verwendete, versinnlicht die eine, durch mehrere Antwerpische Künstler adoptirte, das Schloß dieser Stadt, die andere findet sich in seinen Drucken kleineren Formats und zeigt einen mit seiner Rechten das Wappen Antwerpens haltenden Löwen, dieses Wappen aber stellt ein Schloß und darüber beiderseits je eine abgehauene Hand vor, links zeigt sich das Wappen des Druckers. L. starb im J. 1493, sein letzter Druck trägt diese Jahreszahl (also nicht 1492). Allerdings beendigte L. jenen letzten Druck, Caxton’s Cronicles of England, nicht selbst, denn der Kolophon desselben beweist, daß er bereits gestorben war, ehe es in die Oeffentlichkeit gelangte; sein Nachfolger Adrian van Liesvelt (vgl. d. Art.), beendigte es und gab es heraus. Diese ehrenvolle Unterschrift lautet gekürzt: „Enprentyd … of Andewarpe … M. CCCC. XCIII. By maistir gerard Leew, a man of grote wysedom in aller maner of Kunyng: whych nowe is come from Lyfe vnte the doth, which is grete harme for many of poure man. Ohn whas sowle god allmyhty for hys hygh grace haue mercy. AMEN“. – L. hatte zu Antwerpen einen Verwandten, Nicolaus (Clas) L. Doch erscheint sein Name nur in den zwei Jahren 1487 und 1488; ohne Zweifel hatte er seine Kunst bei Gerhard erlernt, wenigstens [124] sind beider Ausgaben mit den nämlichen Charakteren gedruckt und mit denselben Holzschnitten und Wappen verziert. Das letzte seiner sechs Druckwerke ist: „Die historie van den VII vysen mannen van Rome“ am Ende: „Desse buck is gheprentet in die stat van Antwerpen bey mey Niclaes de Leeu … M. CCCC. LXXXVIII, den XIsten dach in april“, 4°. So Verdienstliches übrigens L. auch geleistet hat, so reicht seine Thätigkeit doch nicht im Entferntesten an die seines Landsmannes Christoph Plantin (s. d.), der sein Geschäft in Antwerpen in den Jahren 1555–1589 zur größten Buchhändlerschöpfung der damaligen Zeit erhoben hatte.

Ein Verzeichniß der Antwerpener Drucker von 1482 mit Matthias v. d. Goes (Bd. IX, 326) beginnend bis zu Plantin 1550, vierzig Namen zählend, welches jedoch auf Vollständigkeit sowohl als Richtigkeit der Daten keinen Anspruch machen kann, findet sich im Serapeum 1847, 100 bis 101. Walvisch, Beschryving d. stad. Gouda I, 229 ff. Val. Andreas, Bibl. belg. I, 353. Marchand, Hist. de l’imprim. p. 62. Maittaire, Ann. IV. 2, 480. Visser, Naamlyst p. 2. 5. 11, 22. 37. Meermann, Orig. typogr. II, 219. Brunet, Man. II, 74. Serna Santander, Dict. bibl. du XV. siècle I, 349. Lambinet, Origine de l’imprimerie II, 262–291. Dupuy de Montbrun, Rech. bibl. p. 18–20. 36–38. 44–47. 49. Dibdin, Biogr. Dec. II, 417. Panzer, Ann. typ. I, 6–12. 442–446. IV, 217. 218. V, 555. Meersch, Recherch. I, 101–110. 117–121. Falkenstein, Gesch. d. Buchdr. S. 257. 261. Le bibliophile belge 1846, 407. 455–465. 1847, 249–286. 1848, 29–45. Goedeke, Gr. I, 118.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: von von