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ADB:Lemm, Friedrich Wilhelm

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Artikel „Lemm, Friedrich Wilhelm“ von Joseph Kürschner in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 19 (1884), S. 754–756, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Lemm,_Friedrich_Wilhelm&oldid=- (Version vom 17. November 2024, 11:25 Uhr UTC)
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Lemm *): Friedrich Wilhelm L., Schauspieler, geb. 31. Mai 1782 zu Berlin, † daselbst 16. Juni 1837. L., der als der Sohn eines Berliner Bürgers und Eigenthümers geboren wurde, soll schon früh und bevor er vom Theater überhaupt wußte, heimliche Darstellungsversuche vorgenommen haben. Nachdem er dann – als Schüler des Werder’schen Gymnasiums – Gelegenheit fand, das Theater zu besuchen, ward ihm klar, daß es auch ihn nach einer Bühnenwirksamkeit dränge. Trotzdem sah er nicht freudigen Herzens in die Zukunft, denn er meinte, daß die Beherrschung aller Wissensgebiete nothwendig sei, die Kunst des Schauspielers auszuüben. Dieser Zug ist charakteristisch für Lemm’s ganzes späteres künstlerisches Wirken. Sein Spiel, so sehr es auch [755] zur endgültigen Ausbildung gelangt, den Stempel des Meisterhaften trug, ging immer aus einer Verstandesthätigkeit, nie aus dem Vollen der Empfindung, der Eingebung des Augenblicks hervor. L. suchte jeder Einzelheit seiner Rolle gerecht zu werden und verfolgte mit Strenge ihre logische Entwicklung, nur was dieser und der Natur entsprach, stellte er dar. Seine Gewissenhaftigkeit ging so weit, daß er seine Arbeiten schriftlich auf das Sorgfältigste durcharbeitete. Iffland und Fleck waren seine ersten Vorbilder, wenn auch des letzteren Geist ihn tiefer beeinflußte. Der Erstere war es, durch den er zur Bühne kam. Familienverhältnisse hatten L. gezwungen, den nach der Erkenntniß von der Schwierigkeit des schauspielerischen Berufs eingeschlagenen Weg zum Studium der Rechte aufzugeben und das Gymnasium zu verlassen. Nachdem er einige Zeit als Schreiber gearbeitet hatte, sagte ihm ein Bekannter, daß er Schauspieler geworden sei und verscheuchte Lemm’s Bedenken, die ihn bisher von dem gleichen Schritt abgehalten hatten. Er wandte sich an Iffland und wurde wenige Tage später, am 15. October 1799, in den Chor aufgenommen, machte auch noch denselben Tag eine Probe zu „Hamlet“ mit. L. studirte nun fleißig, spielte zugleich auf den Liebhabertheatern Thalia und Urania und erhielt bald auch kleine Rollen in den Vorstellungen der königlichen Bühne. Als ihm 1803 vom Director Steinberg in Königsberg ein Engagementsanerbieten gemacht wurde, bestimmte ihn Iffland zu einer Talentprobe, und nachdem er diese am 13. September 1803 als „Graf Bellièvre“ (Maria Stuart) und am 15. October als „Raoul“ (Jungfrau von Orleans) mit Erfolg bestanden hatte, wurde er mit 5 Thalern wöchentlich als Schauspieler und Sänger engagirt. Seine gesanglichen Leistungen waren nicht bedeutend – er gab Rollen wie „Masetto“ im Don Juan – und man bewilligte ihm gern einige Jahre später seine Entlassung aus der Oper. Im Schauspiel gab L. zunächst den „Pfarrer Ehrmann“ (Kind der Liebe), „Joh. Parricida“ (Wilhelm Tell), „Malcolm“ (Macbeth) etc., dann den „Edgar“ (König Lear), „Tempelherr“ (Nathan), „Clavigo“, „Appiani“ (Emilia Galotti), seit 1809 auch ältere Charakterrollen, wie „Aldobrandi“ (Die Zauberin Sidonia), „Octavio“ (Piccolomini), „Antonio“ (Tasso), „Reinhold“ (Hagestolzen) u. a. Iffland scheint an L. nicht den gleich großen Antheil genommen zu haben, wie an anderen unter ihm aufblühenden Künstlern, jedenfalls fällt Lemms beste Periode in die Zeit des Grafen Brühl, unter dem der Künstler das Fach der Helden-, Väter- und Charakterrollen bekleidete. „Nathan“, „Alba“ (Egmont), „Kunz Kuruth“ (24. Februar), „Demea“ (Die Brüder), „Walter“ (Kabale und Liebe) etc. waren nun die Rollen, in denen er sich zeigte. Im J. 1818 spielte L. zum ersten Male außerhalb Berlins und gastirte unter andern als „Don Valeros“ (Die Schuld), „Abbé de l’Epée“, „Antonio“ (Tasso), „Reinhold“ (Die Hagestolzen) etc. am Wiener Burgtheater, wo man ihm sogleich ein günstiges Engagement anbot, das er aber mit Rücksicht auf seine Vaterstadt ausschlug. In demselben Jahr wurde L. auf Lebenszeit für das Berliner Hoftheater engagirt und gab zum ersten Male nach Devrient den „Lear“. Bis 1825 erweiterte sich sein Repertoire rasch, dann aber trat eine Periode schmerzhaften Leidens ein, das ihn vom 3. April 1826 bis 24. April 1827 gänzlich von der Bühne fern hielt und ihn bis zu seinem Tode nicht mehr verließ. 1822 gastirte L. mit großem Erfolg in Königsberg i. Pr. und Danzig, 1825 gelegentlich einer Erholungsreise dreimal am Hoftheater zu Darmstadt. Zum letzten Male erschien er am 10. März 1837 als „König Philipp“ auf der Bühne. L. war am besten in der Tragödie, seine Leistungen im Lustspiel standen tief unter denen in jener; zu seinen besten Leistungen zählten „Cajetan“, „Nathan“, „Philipp“, „Don Valeros, „Lear“. Ein wohllautendes Organ, eine kräftige Gestalt und bewegliches Gesicht unterstützten ihn wesentlich in seinen Kunstleistungen, denen trotz [756] der großen Verstandesthätigkeit, die sie mitschuf (nach Saphir’s Urtheil), ein Leben mitgetheilt war, das für das Vorhandensein der überirdischen Insassen in ihm, von einer höheren Inspiration aufs Kräftigste zeugte. Caroline Bauer, die auch von der Innigkeit, Wärme und edelsten Naturwahrheit seines Spiels entzückt ist, erzählt zugleich von Proben so übertriebener Realistik, daß sie daraus auf den Mangel eines feinen künstlerischen Geschmacks bei L. schließt. Ihrem vielfach unzuverlässigen Urtheil ist allerdings wenig zu trauen.

Vgl. Saphir, Berliner Theater-Almanach 1828, S. 310–324; Wolf, Almanach f. Freunde der Schauspielkunst 1838, S. 63–68.

[754] *) Zu Bd. XVIII S. 236.