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ADB:Fleck, Ferdinand

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Artikel „Fleck, Johann Friedrich Ferdinand“ von Joseph Kürschner in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 7 (1878), S. 108–111, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Fleck,_Ferdinand&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 05:29 Uhr UTC)
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Fleck: Johann Friedrich Ferdinand F., genialer Schauspieler, nach Prutz der „wahre Heros der deutschen Bühne“, geb. 10. Juni 1757 zu Breslau, gest. 20. Dec. 1801 zu Berlin. Wenn von großen deutschen Schauspielern die Rede sein wird, die mit genialem Blick ihre Aufgabe erfaßten und in einer kühnen, überraschenden, das Rechte treffenden Weise wiedergaben, so wird ihnen allen voran immer F. genannt werden müssen, der nach den gewichtigsten Zeugnissen nach jeder Richtung hin ein geborenes schauspielerisches Genie gewesen ist. Wie eine große Reihe von Schauspielern damaliger Zeit war auch F. aus den Hörsälen der Alma mater auf die Bretter der Bühne gekommen. Sein Vater, der in Breslau einen Secretärposten beim Magistrat einnahm, ließ den aufgeweckten Knaben das dasige Magdalenen-Gymnasium besuchen und schickte dann den zum blühenden Jüngling Herangereiften auf die Hallische Universität, wo er als Student der Theologie inscribirt wurde. Widrige Glücksumstände (worunter der Tod seines Vaters zu verstehen) und ein unbezwinglicher Hang zur Schaubühne, wie es in einer der ersten Nachrichten (Litter.- und Theater-Ztg. 1778. I. S. 154) über den Künstler heißt – bewogen F. das geistliche Studium aufzugeben und bei Bondini, der unterm 11. Juli 1777 ein fünfjähriges sächsisches Privilegium erhielt, am 20. Juni 1777 in Leipzig als Kreuzer in „die abgedankten Officiers“ zu debutiren. Der Erfolg des bedeutungsvollen Schrittes war ein trefflicher, der Correspondent des Reichard’schen Theaterjournals (1777, St. 3, S. 54) bemerkt, daß F. sogleich „viel Erwartung erregt“ habe und in der schon oben angezogenen Quelle wird gesagt, er habe in verschiedenen Rollen „große Anlagen zu feurigen und Charakterrollen“ gezeigt, auch singe er „einen guten Baß“ und habe „überhaupt viel Dreistigkeit“. Von wesentlichem und nachhaltigem Einfluß auf sein Spiel wirkte das Vorbild Reinecke’s, der damals mit Recht zu den bedeutendsten dramatischen Künstlern Deutschlands gezählt wurde. Als F. daher die Bondinische Gesellschaft verließ und am 20. Mai 1779 als Gloster in König Lear auf der Ackermann-Schröder’schen Bühne in Hamburg debutirte, glaubte der Chronist dieser Bühne ihm nichts Besseres nachrühmen zu können, als daß er zwischen seinem und dem Spiel Reinecke’s eine außerordentliche Aehnlichkeit finde. Dennoch war er kein Nachahmer der Spielweise Reinecke’s, ja Meyer in seinem Leben Schröder’s (I, S. 316) bemerkt sogar, er strebe keinem fremden Muster nach, sei vielmehr bis zum Ueberströmen voll von seiner eigenen Ansicht. Der kunstverständige Meyer ist überhaupt von des Künstlers Lobe voll und seiner Feder verdanken wir die erste genauere Schilderung des Talents und der Persönlichkeit Fleck’s, deren Schönheit ihn zu dem Ausruf begeisterte: „So hätte das Auge den Helden des Trauerspiels zu erblicken gewünscht“. Gewaltige Formen in edlem Gleichmaß zeichneten den jugendlichen Fleck aus, dessen Stimme tönend und herzergreifend war und dessen Auge in strahlendem Glanze funkelte. Eine [109] innere Würde kam dem bestechenden Aeußern zu Gute und seinem Spiel eine beispiellose Sicherheit, die ihn stets natürlich erscheinen ließ. Seine Darstellungen waren ganz und aus einem Gusse, reich an geistreichen Zügen, und wenn ihn auch sein Feuer oft zu weit trieb, so gab er doch stets nur was er empfand. Heldenrollen im Trauerspiel, aber auch treuherzige und drollige Alte im Lustspiel und selbst niedrig komische Rollen gab er mit Meisterschaft.

Nachdem die Schröder’sche Unternehmung am 3. März 1780 geschlossen hatte, eröffnete am 29. d. M. die sog. Entreprise der Aktionisten und nach deren Auflösung, am 18. April 1781 die wenig glorreiche Dreyer’sche Direction ihre Vorstellungen. F. gehörte beiden Unternehmungen an und wurde Ostern 1782 von Dreyer dem Director Brömel als Regisseur an die Seite gestellt. Wie bekannt waren auch Dreyer’s Tage als Theaterdirector kurz gezählt und F. verband sich, als er das Ende der Dreyer’schen Direction herannahen sah, mit Stegmann und Klos, um vereint mit diesen die Entreprise fortzusetzen. Leider wurde dieser Plan durch die unberechtigten Rollenansprüche der Frau Stegmann vereitelt; das Hamburger Theater fand seinen vorläufigen Abschluß und F. bei Doebelin in Berlin eine neue Stellung. Am 12. Mai 1783 debutirte er daselbst in d’Ariens fünfactigem Schauspiele „Natur und Liebe im Streit“ als Capacelli, eine Rolle, die obgleich nicht eigentlich dankbar, ihm dennoch den ungetheiltesten Beifall verschaffte. Dieser Beifall steigerte sich noch bei der 5 Tage später erfolgenden Aufführung des Athelstan, die F. Gelegenheit gab, sein glückliches Mienenspiel und die seltene Kunst täuschender Vervielfältigung zu zeigen. (Auch W. H. Wackenroder rühmt ihn in dieser Rolle. S. Holtei: Briefe an Lud. Tieck IV, 220.) Und wieder ist es wie in Hamburg so auch in Berlin die „freie, ungeschwächte und unverkünstelte Jugendkraft“, das funkelnde Auge, das unvergleichlich schöne Organ, die alles mit sich fortreißende Macht seiner Phantasie, die aus den Zuschauern und Zuhörern seines Spiels seine Lobredner macht. Friedrich Schulz hat uns den Eindruck aufgezeichnet, den die „überwältigende Kraft dieses lebensvollen jungen Schauspielers“ auszuüben vermochte (abgedr. Teichmann’s liter. Nachlaß S. 35 ff.) und nennt als Fleck’s beste Rollen aus jener Zeit den Fiesco, Otto von Wittelsbach, daneben Odoardo und den Oberförster. Das Berliner Theater hat überhaupt F. Vieles zu danken, unter Doebelin war er bereits „Haupt und Träger der Bühne“, wurde dann unter Engel’s Leitung (1787–94) am 6. April 1790 vom König zum Regisseur ernannt und trug als solcher bis zu Iffland’s Antritt (1796) den allergrößten Theil directorialer Lasten. Dazu kam seine ungemein ausgebreitete künstlerische Thätigkeit, die sich nicht nur auf rein dramatische, sondern auch auf musikalische Vorstellungen erstreckte und nicht weniger als 202 Rollen umfaßte, die er während seines Berliner Engagements 2627 Mal spielte. Zu den berühmtesten seiner schauspielerischen Leistungen späterer Zeit, zählt vorallem die Partie des Wallenstein, über dessen Darstellung uns neben dem Urtheil Klingemann’s (Kunst und Natur I. S. 405), das Tieck’s (Dramaturgische Blätter, I. „Die Piccolomini, Wallenstein’s Tod“), H. Funk’s (Erinnerungen aus meinem Leben II, 127 ff.) u. A. erhalten blieben. F. gab zwar mehr den geschichtlichen als den Schiller’schen Wallenstein, aber dennoch fühlte man bei der Darstellung des Dichters tiefste Absicht und der Künstler ergänzte als „schöpferischer Genius“ vielfach des Dichters Werke. „Glückliche Zeiten, wenn Genien sich so begegnen“ ruft Tieck aus. Ebenso war F. einer der vorzüglichsten Darsteller des Franz Moor – „der Triumph seiner Größe“ – des Essex, Tankred, Ethelwolf, Infant Pedro (Ines de Castro) und dann namentlich auch Shakespeare’scher tragischer Charaktere, in denen er mit fast beispielloser Kühnheit den Humor hervorhob und mitten in den tiefsten Schatten des Ernstes ein leichtes komisches Licht aufzusetzen wußte. [110] Fleck’s Darstellungen waren der vorzüglichste Commentar des großen Britten und jede Rolle aus dessen Meisterwerken gewann im Munde des deutschen Künstlers eine sonst kaum gefühlte Bedeutung. Leider gab es in Fleck’s Bildniß neben gewaltigen Lichtseiten auch starke Schattenseiten, die vor allem darin bestanden, daß er sich durch Launenhaftigkeit an dem Publicum verging und dem Weine in einer Weise zusprach, daß er auf der Bühne manchmal – um ein anonymes Schreiben von Iffland zu citiren (Heinrich’s Almanach 1853 S. 97) – „wie ein Säugling lallte und tändelte“. Zugleich war F. sehr reizbar und aufbrausend, so daß namentlich der Director Iffland, der ihn als Menschen liebte und als Künstler hochachtete, mit ihm oft einen schweren Stand hatte. Wie aber derartige Differenzen ausgetragen und gewöhnlich doch zu einem guten Ende geführt wurden, davon gibt Louis Schneider in seiner Skizze „Iffland als Director des Berliner Nationaltheaters“ (Heinrich a. a. O. S. 97–102) ein ehrendes, der Nachahmung in der Gegenwart würdiges Beispiel. Mit seiner Darstellung des Wallenstein schließt die Reihe von Fleck’s künstlerischer Wirksamkeit eigentlich ab. Eine schmerzvolle Krankheit warf ihn darnieder und obgleich er am 18. Dec. 1800 als Wiedergesundeter vor das Publicum trat, das ihn mit unbeschreiblichem Jubel empfing, erlag er doch, erst 45 Jahre alt, ein Jahr später seinen quälenden Leiden. Iffland war es, der, manche Kränkung des Lebenden nicht achtend, nach seiner gutmüthigen noblen Art ihm in einer Todesanzeige den ersten Nachruf widmete (z. Th. abgedruckt bei Devrient, Gesch. der deutschen Schauspielkunst III S. 288). Trotzdem fehlte es nicht an Stimmen, die ihn der Kälte gegen den Verstorbenen ziehen und ihn zu einer besonderen Rechtfertigung, d. d. 8. Febr. 1802 (abgedr. bei Teichmann a. a. O. S. 76 ff.) nöthigten. Fleck’s Gebeine wurden auf dem Friedhof vor dem hallischen Thore beigesetzt und seinem Andenken ein von Schadow ausgeführtes Monument errichtet, das außer Namen, Geburts- und Sterbeangaben auf den Seiten des Untergestells folgende Inschriften zeigt: Der Leidenschaften Flamme, | des Hochsinns Adel, der Tugend Göttergestalt, | prägte er mit des Genius Schwunge, | staunenden Hörern ins Herz, | und das Laster bebte. | – Dem hartsinnigen Alter, | dem bespotteten Sonderling, dem höfischen Schmeichler Volk, hielt er treu den Spiegel vor | und die Thoren errötheten. | – Wahr, edel, gross | auf der Bühne und im Leben, | biederherziger Freund, zärtlicher Gatte und Vater, | ging er, droben Grosses zu schauen, | was er hienieden ahnend empfand. | Es erübrigt noch die Porträts des Künstlers anzuführen: man findet ein solches von Berger nach Rosenberg in der Litt.- und Theaterztg. 1783, III; ein anderes vor dem ersten Stücke des neuen Leipziger Theaterjournals; ein drittes stach Bolt 1792 in Berlin; auch ist ein von Thönert nach Rosenberg ausgeführtes Bildniß Fleck’s, Reichard’s Theaterkalender für 1794 vorgeheftet. – Verehelicht war F. mit Sophie Louise Mühl, geb. 5. Juni 1777 zu Berlin, gest. 16. Oct. 1846 zu Prenzlau. Ein junges schönes Mädchen hatte sie am 21. Juni 1792 das Berliner Nationaltheater als Landmädchen in der Posse „Der Mondkaiser“ betreten, rasch die Gunst des Publicums und nicht minder rasch die innige Liebe Flecks erworben, mit dem sie sich am 9. August 1793 ehelich verband und der ihr künstlerisches Talent zur erfreulichsten Blüthe reifen half. Gefühlswahrheit, tiefe Innigkeit und Grazie beseelten ihr Spiel und ein wohllautendes Organ wußte sie trefflich zu beherrschen. Schon 1798 gastirte sie mit glänzendem Erfolg in Breslau an der Seite ihres Gatten, nach dessen zu früh erfolgtem Tode sie sich am 3. März 1809 mit dem Kammermusikus Schröck verheirathete. Vorher und zwar 1805 hatte sie eine große Gastspielreise unternommen, die sie über Leipzig und Gotha nach Frankfurt a. M., Mannheim, Stuttgart, Cassel führte, wo man ihr überall Anerkennung und Sympathiebezeugungen entgegenbrachte. [111] 1806 wiederholte sie ihr Gastspiel in Leipzig, trat 1808 auch in Wien auf, acceptirte aber die glänzenden Engagementsanerbietungen nicht, mit denen man sie an die österreichische Hauptstadt zu fesseln suchte. Den letzten Ausflug unternahm sie 1827 nach Cassel und entsagte am 25. Oct. 1842 nach 50jähriger Thätigkeit am Berliner Nationaltheater, der Bühne. Jugendliche Liebhaberinnen (Margarethe in den Hagestolzen, Friederike in den Jägern, Afanasia in Benjowsky), Heldinnen der Tragödie (Maria Stuart, Orsina) und ältere weibliche Charaktere im ernsten und komischen Genre (Oberförsterin) hat sie während ihrer Laufbahn gegeben, aber die verschiedensten Partien doch mit gleicher künstlerischer Durcharbeitung. Gelegentlich ihres funfzigjährigen Jubiläums verlieh ihr der König von Preußen die goldene Medaille für Kunst und Wissenschaft. – Aus ihrer Ehe mit F. gingen drei Kinder hervor, ein Sohn, der kurz nach der Rückkehr von den Befreiungskriegen starb und zwei Töchter, von denen die ältere, Friederike (deb. 1810 in Hamburg, † 1824) den Dr. Unzer, die jüngere (deb. in Berlin) den Prof. Gubitz heirathete.

Ein Bildniß von Fleck’s Gattin findet man in Iffland’s Almanach auf 1807. Zu ihrer Biographie vgl. Wolf’s Almanach auf 1842 S. 135–143 und Heinrich’s Almanach auf 1846 S. 75–81.