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ADB:Schröder, Friedrich Ludwig

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Artikel „Schröder, Friedrich Ulrich Ludewig“ von Berthold Litzmann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 32 (1891), S. 506–512, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schr%C3%B6der,_Friedrich_Ludwig&oldid=- (Version vom 5. Dezember 2024, 19:15 Uhr UTC)
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Band 32 (1891), S. 506–512 (Quelle).
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Schröder: Friedrich Ulrich Ludewig S., der berühmteste Schauspieler und Schauspielunternehmer des 18. Jahrhunderts. Sein Vater war der Berliner Organist an St. Georgen Johann Diedrich S. (aus Blankenfelde geb. nach 1700, † nach 1744), seine Mutter Sophie Charlotte Biereichel, die Tochter eines Berliner Goldstickers (geb. am 11. Mai 1714, † am 14. Oct. 1793 in Hamburg). Die 1734 geschlossene Ehe war höchst unglücklich infolge der Energielosigkeit und Liederlichkeit des Mannes. 1738 schon trennte sich die Frau von ihm und ging nachdem sie vergeblich in Schwerin und Hamburg sich durch ihrer Hände Arbeit zu ernähren versucht, Ekhofs Zureden folgend 1740 zur Bühne. Als Mitglied der Schönemann’schen Truppe machte sie entschiedenes Glück. Dagegen endigte eine selbständige, 1742 übernommene, Direction im Sommer 1744 mit einem völligen Mißerfolg. In den ersten Monaten des letztgenannten Jahres hatte eine vorübergehende Wiedervereinigung der beiden Ehegatten stattgefunden und diesem Beisammensein dankte das einzige Kind, der in der Nacht vom 2. zum 3. [507] November (als Geburtstag ward stets der 3. November gefeiert) 1744 in Schwerin geborene Friedrich Ulrich Ludewig, seine Entstehung. Noch nicht drei Jahre alt war er, als seine Mutter, die seit dem Zusammenbruch ihrer Unternehmung sich in Schwerin durch eine Stickschule ernährt hatte, wieder zur Bühne zurückkehrte und damit auch über die Gestaltung seines künftigen Lebens entschied. Mit ihr, die im Jahre 1749 zum zweitenmal sich mit dem Schauspieler Konrad Ernst Ackermann vermählte, machte er in den nächsten Jahren die Wanderzüge der Hilverdingschen Truppe in Rußland mit, die bis nach Moskau führten. Wenig über drei Jahre war er alt, als er in Petersburg zuerst in der Rolle der Unschuld die Bühne betrat. Auch in der Folgezeit wurden ihm bald die seinem Alter und seiner Erscheinung entsprechenden Rollen zugetheilt, seine schauspielerische Begabung erregte schon jetzt Aufsehen. Trotzdem ward seine Schulbildung nicht vernachlässigt. 1753 legte Ackermann die in Rußland gesammelten Ersparnisse in einer selbständigen Theaterunternehmung an und faßte den Plan, in Königsberg ein eigenes Theater zu erbauen. Ehe letzteres aber ins Werk gesetzt werden konnte, besuchte die Gesellschaft außer Danzig und Königsberg im Frühling 1754 Warschau und vom Juli 1754 bis zum August 1755 Breslau, Glogau, Halle, Magdeburg, Berlin und Frankfurt a/O. Auch an diesen Fahrten nahm S. theil, trat jedoch in Warschau nicht auf, um den Unterricht der Jesuiten zu genießen, denen es fast gelungen wäre, die junge arglose, und durch unnatürlich strenge Behandlung im Elternhause verschüchterte Seele einzufangen, und dauernd seinen Eltern und seinem künftigen Berufe zu entfremden. Wol durch diese Erfahrungen gewitzigt nahm Ackermann zur Beaufsichtigung und Unterweisung des Stiefsohns während der großen Reise 1754/55 einen besonderen Lehrer in der Person Johann Christian Ast’s ins Haus. Dadurch wurde es auch möglich gemacht den Knaben diesmal seinem Talent entsprechend auf der Bühne zu beschäftigen. Und so stammen denn aus dieser Zeit die ersten öffentlichen Kritiken über Schröder’s schauspielerische Leistungen: „Kritik über die von der Ackermann’schen Gesellschaft im Monate October und November 1754 zu Glogau aufgeführten Schauspiele“ im 26. Stücke der „Neuen Erweiterungen der Erkenntniß und des Vergnügens“ und „Abschilderung der Ackermann’schen Schauspieler in einem Schreiben an einen Freund in Berlin“, Frankfurt und Leipzig 1755. Bald nach der Rückkehr nach Königsberg im Frühjahr 1756 ward dagegen S. vorläufig ganz dem Theater entzogen und dem Collegium Fridericianum anfangs als Extraneer, später als Pensionär zur Erziehung anvertraut. Da Dank einer unglücklichen Verkettung von Verhältnissen, vor allem aber Dank einer bösartigen Zwischenträgerin, die das ganze Vertrauen seiner Mutter besaß, Schröder’s Verhältniß zu seinen Eltern in den letzten Jahren immer unerträglicher, und dadurch sein Elternhaus ihm gradezu zur Hölle geworden, ward diese Verpflanzung zunächst als Wohlthat empfunden. Aber je länger er in der nach starren pietistischen Principien geleiteten Anstalt verweilte, desto schwerer empfand seine früh zur Selbständigkeit entwickelte Natur den eisernen Zwang. Ende 1756 scheuchte die Furcht vor den nahenden Russen Ackermanns aus Königsberg. S. allein ward zurückgelassen, vorderhand im Fridericianum; als aber im Sommer 1757 die Zahlung der für seinen Unterhalt bestimmten Mittel ins Stocken gerieth, mußte er die Anstalt räumen. So gänzlich schutz- und hülflos sich allein und seiner dreizehnjährigen Vernunft überlassen, war der Knabe auf bestem Wege körperlich und geistig zu Grunde zu gehen, als ihm im September 1758 die Bekanntschaft mit dem englischen Equilibristen Michael Stuart gränzenlosem Elend entriß. Ihm und mehr noch seiner feingebildeten Frau, an der S. in schwärmerischer Verehrung als der Neuschöpferin seiner geistigen Existenz hing, hatte S. es zu danken, daß er für die großen Aufgaben, die seiner harrten, [508] erhalten blieb. Im Frühling 1759 trennte er sich schweren Herzens von den Freunden.

Ackermann, der inzwischen mit seiner Truppe vor den Kriegsstürmen in die Schweiz geflüchtet war, hatte es nun endlich an der Zeit gehalten, auch seinen Stiefsohn von dem verlorenen Königsberger Posten abzulösen. Nach mancherlei Abenteuern und Fährlichkeiten traf S. mit den Seinigen im April 1759 in Solothurn wieder zusammen. Die folgenden Jahre, in denen er an den Wanderzügen der Ackermannschen Truppe in der Schweiz, im Elsaß und schließlich wieder in Deutschland schrittweis nach Norden vorrückend, theilnahm, waren nicht minder stürmisch. Das Verhältniß zu Eltern und Geschwistern verschlechterte sich von Tag zu Tage und mehr als einmal drohte völliger Bruch; dabei ziemlich sich selbst überlassen gerieth er in üble Hände. Spielwuth und Genußsucht schienen vor der Zeit eine hoffnungsreiche Künstlerlaufbahn zerstören zu sollen. Den Gipfelpunkt erreichten diese unerquicklichen Verhältnisse 1761 in Straßburg, wo S. in rasender Verblendung sich am Eigenthum seiner Eltern vergriff.

Diese Katastrophe öffnete endlich allen Betheiligten die Augen über den fürchterlichen Abgrund, an dem sie standen. Von Stund besserte sich jedenfalls das Verhältniß zwischen S. und seiner Mutter, sie nahm sich seiner allgemeinen künstlerischen Ausbildung gewissenhaft an und fand an ihm einen ebenso gelehrigen wie dankbaren Schüler. Diese heilsame Wandlung einer Vertiefung seiner künstlerischen Bestrebungen erhielt eine weitere Verstärkung durch das Beispiel Konrad Ekhof´s (s. d.), der 1764 Mitglied der Ackermann’schen Truppe ward. Die Art wie dieser große Künstler mit den ungünstigsten äußern Mitteln der Natur gewissermaßen zum Trotz durch eiserne Willenskraft sich zum Meister durchgearbeitet hatte, machte auf S. den tiefsten Eindruck. Ekhof’s Nähe wirkte auf ihn wie der Stahl auf den Stein; in der Berührung mit ihm blitzte der schöpferische Funke auf. Und wenn es auch noch Jahre währte, ehe er sich von allen Schlacken unberechtigter Anmaßung und unreifer Vorurtheile gereinigt, seit er Ekhof gesehen, konnte er über den Weg den er zu gehen habe, nicht wieder in Zweifel gerathen. So durfte er auch, als 1767 bei dem Uebergang der Ackermann’schen Truppe an die Unternehmer der Hamburgischen Entreprise, für ihn in dem Rahmen des neuen „Nationaltheaters“ zunächst kein Platz war, es wagen sich eine Zeitlang der Truppe des Joseph v. Kurz (s. d.) anzuschließen, deren künstlerisches Programm sonst zu den im Ackermann’schen Kreise gehegten Bestrebungen in schroffem Widerspruch stand. Nach seiner Rückkehr von dort (Frühjahr 1768) entwickelte sich seine künstlerische Individualität überraschend schnell und erfreulich. Während er bisher immer das Schwergewicht seiner Thätigkeit im Ballet gesucht, und die komischen Bedientenrollen allerdings mit einem sich steigernden Pflichtgefühl, nebenher behandelt hatte, wuchs er sich jetzt zu einem vor keiner Aufgabe zurückschreckenden, großes wie kleines mit gleichem Ernst und gleicher Tiefe auffassenden, Künstler aus. Das Verdienst ihn in dieser Richtung bestärkt, ihn durch verständnißvolle Theilnahme und Kritik immer zu neuen Anstrengungen gespornt zu haben, gebürt Susanna Mecour, zu der er seit 1768 in nahe Beziehungen trat, die bis zum Sommer 1771 währten. „Durch sie ebneten und verschliffen sich die scharfen Ecken seiner Eigenthümlichkeit, ward aus dem anspruchsvollen, unbeugsamen Jünglinge der Mann, der mit Festigkeit Milde, mit Ehrgefühl Versöhnlichkeit verband. Nur die Hand der Liebe, die ihn am Scheidewege ergriff, vermochte diesen Zögling zu diesem Ziele zu leiten“ (Meyer). Vor allem aber dankte S. es ihr, daß als nach Ackermann’s Tode (1771) die bereits seit 1769 ihm theilweise zugefallene Verantwortung der Directionsführung auf seine Schultern allein gewälzt wurde, er der zu lösenden Aufgabe auch als Charakter gewachsen war. Die makellose Idealgestalt freilich, an die pietätsvolle Freundschaft des ersten Biographen uns [509] hat glauben machen wollen, war er damals ebenso wenig wie später. Auch sein Charakter zeigt Schwächen und Flecken und zwar bis ins Alter. Aber die Willensenergie, mit der der noch nicht dreißigjährige Director sein ungestümes Ich in Zucht nahm, und der vornehme Geist, in dem er seine künstlerische Aufgabe faßte, sind bewundernswerth. Letzteres um so mehr, als S. als Theaterkind, früh verlernt hatte sich Illusionen hinzugeben, die es dem Bühnendilettanten so leicht machen, mit großartigen weitaussehenden Reformideen die Praktiker zu übertrumpfen. Daß er allem Bühnenschlendrian und allen Kniffen theatralischer Routine zum Trotz sich die Idee von der Größe seiner Aufgabe rein zu wahren gewußt und mit zäher Energie von Enttäuschung zu Enttäuschung an ihr festgehalten hat, darin beruht vor allem die Bedeutung Schröder’s.

Die beiden Hauptziele, auf deren Erreichung er vom ersten Augenblick seiner Directionsführung hin arbeitete, lassen sich kurz zusammenfassen: Erziehung des Publicums vom Standpunkt der blos müßigen Schaugelüsten fröhnenden, kritiklosen Menge zu höherer, Dichtung und Darstellung gleich verständnißvoll auffassenden, Einsicht, und zweitens die moralische und sociale Hebung seines Standes.

Die Glanzperiode Schröder’s als Bühnenleiter war die seiner ersten Hamburger Direction 1771–1780. In dem Junggesellenquartier des jungen Directors im „Opernhof“ entwickelte sich zu Anfang der siebziger Jahre ein reichgeselliges Leben. Hier versammelten sich neben den jungen Schauspielern die Freunde des Theaters und der Kunst überhaupt. Eine Zeitlang wußte S. sogar diesen Vereinigungen durch ein bestimmtes Programm den Charakter einer Theaterakademie im kleinen zu geben. Hier streckte er für künftige Pläne die Fühler aus, indem er den Freunden Wieland’s Shakespeareübersetzung, die schon auf ihn als Jüngling beim ersten Erscheinen gewaltigen Eindruck gemacht, und Sophokles in Steinbrüchel’s Uebertragung nahe brachte. So prüfte er nicht nur den Eindruck, den diese ganz aus dem Rahmen des üblichen Theaterrepertoires heraustretenden Dichtungen auf diese urtheilsfähige kleine Gemeinde machten, sondern gewöhnte auch einen kleinen aber gehaltvollen Theil seines Publicums an die neuen Aufgaben, die er seinen Schauspielern und seinem Publicum zu stellen gesonnen war.

Vor allem aber verfolgte er mit scharfem Auge die Erscheinungen auf dem Gebiete des deutschen Dramas. Hierbei hatte er das Glück, an J. J. Bode einen ebenso kenntnißreichen wie anregenden Berather und Freund zu finden. Letzteres Anregung war auch die im Frühling 1775 erlassene sog. Hamburger Preisausschreibung zu danken, in der S. nicht nur seine Bühne allen wirklich guten Bestrebungen zur Verfügung stellte, sondern auch den bis dahin der Willfür der Nachdrucker und Directoren ziemlich schutzlos preisgegebenen Autoren eine angemessene materielle Entschädigung in Aussicht stellte. Neben der Rücksicht auf letztere war dabei maßgebend das praktische Bedürfniß des Theaterdirectors einem altmodigen, von den Größen vergangener Litteraturepochen zehrenden Repertoire durch Stücke modernen Gepräges, neues Leben und neue Anziehungskraft zu verleihen. Hatte man es hierbei vorwiegend auf Mittelgut zur Deckung des täglichen Bedarfs abgesehen, so ward darüber die Sorge um das große Drama nicht außer Augen gesetzt. Goethe’s Götz, Clavigo, Dramen von Klinger und Lenz wurden sorgfältig einstudirt und auch wenn wie bei Lenz das Publicum sich dagegen sträubte, wiederholt. Weitaus das größte Verdienst aber erwarb er sich durch die Einführung Shakespeare’s ins Repertoire, die geradezu dem großen nationalen Drama den Weg bereitete. Am 20. September 1776 ward mit Hamlet der Reigen eröffnet und dieser Abend entschied über das Schicksal Shakespeare’s auf der deutschen Bühne. Alle Versuche Shakespeare auf die Bretter zu bringen waren bisher an der Ungeschicklichkeit der Bearbeiter und der Unzulänglichkeit der Darsteller gescheitert. Ließ nun auch Schröder’s Bearbeitung [510] ebenfalls noch mancherlei zu wünschen übrig, so hob sie die Darstellung auf ein höheres Niveau. Nun war die Bahn gebrochen. In den folgenden 3 Monaten ward Hamlet allein in Hamburg dreizehnmal gegeben, von hier aus machte das Drama mit Blitzesschnelle den Siegeszug durch ganz Deutschland. Am 26. October 1776 ließ S. bereits den Othello folgen, am 7. November 1777 den Kaufmann von Venedig, am 15. December Maaß für Maaß, am 17. Juli 1778 König Lear, am 17. November Richard II., am 2. December Heinrich IV., am 21. Juni 1779 Macbeth. (Vgl. Merschberger, Die Anfänge Shakespeares auf der Hamburger Bühne. [Progr. des Realgymnas. des Johanneums.] Hamburg 1890.) In einem Zeitraum von noch nicht drei Jahren war also das tragische Repertoire um acht große Dramen bereichert, von denen sechs sich dauernd gehalten haben. Leider erfuhr diese kräftige und erfolgreiche auf das Große gerichtete Initiative durch den 1780 erfolgten Rücktritt Schröder’s von der Direction eine Unterbrechung, was um so mehr zu beklagen, als S., als er 5 Jahre später aufs neue die Leitung der Hamburger Bühne übernahm, hier nicht wieder anknüpfte.

Schon in der zweiten Hälfte der siebziger Jahre hatte er erst die Rolle des Regisseurs mit der des Dramaturgen, dann die des letzteren mit der des dramatischen Schriftstellers zu vertauschen begonnen. Ungewöhnliche Erfolge auch auf diesem Gebiet spornten ihn zu gesteigerter Thätigkeit und vor allem fand er in Wien, wo er vom Frühling 1781 bis zum Herbst 1785 als Mitglied des Kais. Nationaltheaters von Directionssorgen nicht belastet, neue Lorbern erntete, eine für seine Weiterentwicklung fast verhängnißvolle Muße, eine rege schriftstellerische Thätigkeit zu entfalten. Von unbedeutenderen Bearbeitungen abgesehen lieferte er in diesen Jahren fast 20 größere und kleinere dramatische Arbeiten zum größtentheil allerdings nach fremden, meist englischen Originalen. Bleibenden poetischen Werth kann keins seiner Bühnenerzeugnisse weder aus dieser Periode noch aus der Folgezeit beanspruchen. Aber man begreift, daß sie, als Werke eines der erfolgreichsten Schauspieler, eines der geschmackvollsten Bühnenleiter und vor allem eines der intimsten Kenner des Theaters, von Schröder’s Collegen mit großem Eifer gefördert wurden und bei dem Publicum jener Tage lebhaften Anklang fanden. Es soll einigen von ihnen, so namentlich dem „Testament“ (1781), dem „Fähndrich“ (1782), dem „Ring“ (1783), „Stille Wasser sind tief“ (1784), der „Unglücklichen Ehe durch Delikatesse“ (1788) auch keineswegs jedes litterarische Verdienst abgesprochen werden, wenn sie auch mit den sie auf der Bühne ablösenden Arbeiten Iffland’s sich nicht messen können. Aber es darf nicht verschwiegen werden, daß durch diese dramatische Vielgeschäftigkeit der in den ersten Jahren seiner Directionsthätigkeit so rein auf das größte und höchste gerichtete Blick etwas getrübt wurde. Das Repertoire der zweiten Hamburger Direction Schröder’s von 1785–1797 steht nicht ganz auf der Höhe der ersten. Allerdings muß dabei berücksichtigt werden, daß die allgemeinen litterarischen Verhältnisse in diesem Jahrzehnt nicht mehr so günstig lagen, wie in den ersten siebziger Jahren. Von Schiller’s ersten Dramen abgesehen, von denen auch nur die Räuber und Kabale und Liebe wirklich durchschlugen, macht sich grade in dieser Periode auf dem Gebiete der dramatischen Litteratur die Mittelmäßigkeit ungebührlich breit. Als Schiller in den Xenien gegen die Mißwirthschaft zu Felde zog, als er mit dem Wallenstein eine neue Aera des großen deutschen Dramas einleitete, hatte S. schon theatermüde den Entschluß zum endgültigen Rücktritt von der Bühne gefaßt. Am 30. März 1798 trat er zum letzten Male auf und an dem gleichen Tage endete auch seine zweite Direction.

Die deutsche Schauspielkunst verlor damit für immer ein unnachahmliches Muster, einen Meister von gewaltiger Kraft der natürlichen Begabung, von bewundernswerther Vielseitigkeit und einen Künstler von einer ungewöhnlich harmonischen Durchbildung. Vom Tänzer und vielbelachten Darsteller komischer Bedientenrollen [511] ausgehend hatte er im Laufe der Jahre seinen Darstellungskreis immer mehr erweitert; und er, den man anfangs sich nicht anders als lustigen Kapriolenmacher hatte vorstellen können, hatte nach und nach durch Rollen „gemischter Empfindung“ sich zu einem Darsteller des Tragischen durchgearbeitet, der seines gleichen in Deutschland nicht hatte. In seiner Verkörperung humoristischer und komischer Rollen folgte er den Lehren und dem Beispiele seines Stiefvaters Ackermann, der ihm stets als unerreichtes Muster vorschwebte. Als Tragöde aber hatte er kein Vorbild, da stand er ganz auf eigenen Füßen. Für das Drama Shakespeare’s genügten die Kunstgriffe der alten Schule, die Vorbilder der älteren Meister, auch Ekhof’s nicht. Da mußte ein neuer Stil erfunden, geschaffen werden. Und der Schöpfer und bis zur Stunde nicht übertroffene Meister dieses Stils war und ist Schröder.

Seit 1797 lebte S. auf seinem Landsitz in Rellingen bei Pinneberg. Ein durch sehr sorgsame Finanzwirthschaft im Laufe der Jahre erworbener Wohlstand gestattete ihm sorgenfrei in behaglichsten Verhältnissen seinen litterarischen, wissenschaftlichen und freimaurerischen Interessen zu leben. Mit ihm theilte die ehrenvolle Ruhe wie früher den Ruhm und die Arbeit seine Gattin Anna Christine, geb. Hart aus Petersburg, mit der er seit dem 26. Juni 1773 in beglückendster Ehe lebte, auf die nur leider in den letzten Jahren ein düsteres Verhängniß einen Schatten warf. Auch mancherlei andere Sorgen ließen ihn seiner Muße nicht froh werden und in einer unglücklichen Stunde entschloß er sich gar noch einmal wieder, zum dritten Mal, die Leitung der Hamburgischen Bühne selbst zu übernehmen. An den Schluß seiner Aufzeichnungen über diese letzte vom 1. April 1811 bis zum 31. März 1812 dauernde Unternehmung, hat er selbst die Worte gesetzt: „Ende der infamen Entreprise“. Es war ein totaler Mißerfolg, den nicht nur die unglücklichen politischen Verhältnisse, die französische Occupation Hamburgs mit allen daran sich schließenden Drangsalirungen verschuldet hatten. Die Hauptursache lag an S. selbst, der in der Rellinger Einsamkeit die Fühlung mit den geistigen Strömungen verloren hatte und nun in seltsamer Befangenheit dem Publikum ein Repertoire aufdrängen wollte, das dem Geschmack ausgangs der 90er Jahre entsprach. Das war ein harter Schlag für den alten Meister; den, nicht unbeträchtlichen, materiellen Schaden konnte er wohl verwinden, aber nicht so leicht den zehrenden Schmerz über diesen kläglichen Abschluß seiner ruhmreichen Laufbahn. Für ihn war es ein Glück, daß die politischen Ereignisse der nächsten Zeit die Aufmerksamkeit von ihm ablenkten und daß auch er durch die Noth und dann durch die glorreiche Erhebung des Vaterlandes aus dieser Atmosphäre der Verstimmung herausgerissen wurde. Ein glühender Patriot verfolgte er den Gang der Ereignisse mit steigender Freude; seine musterhaft geführten Ausgabebücher verrathen, welche selbst für seine Vermögensverhältnisse, ungewöhnlich bedeutenden Opfer dieser alte Komödiant der nationalen Sache brachte. Er überlebte die Erhebung nicht lange. Am 3. September 1816 starb er, an der Schwelle des dreiundsiebenzigsten Jahres nach kurzem Leiden. Am 7. September ward die Leiche von Rellingen nach Hamburg überführt. Die Freimaurer ehrten ihren berühmten Großmeister durch eine glänzende Todtenfeier, die Theilnahme und Trauer war allgemein. Einen großen Künstler, einen edlen ernststrebenden Menschen, einen Wohlthäter der Armen hatte man zu beklagen. Die Summe seines Lebens und seiner Persönlichkeit faßten schön zusammen die Worte, welche die Wittwe ihm auf den Denkstein, der Schröder’s Ruhestätte auf dem Petrikirchhof deckt, setzte:

„Dem Freunde der Wahrheit und des Rechts
Dem Förderer menschlichen Glückes,
Dem unerreichten Künstler
Dem liebevollen Gatten.“

[512] Die Wittwe überlebte ihn 13 Jahre, sie starb am 25. Juni 1829 zu Rellingen und ward an seiner Seite bestattet.

Aus der sehr umfangreichen, zum Theil in Zeitungen und Zeitschriften verstreuten Litteratur über S. sei nur hervorgehoben: J. F. Schink, Fr. L. Schröder’s Charakteristik als Bühnenführer, mimischer Künstler, dramatischer Dichter und Mensch, i. d. Zeitgenossen, 3. Bd. 1818 S. 35–82. – C. A. Böttiger, Fr. L. Schröder in Hamburg im Sommer 1795 i. d. Minerva, Taschenbuch für das Jahr 1818, S. 271–312. – F. L. W. Meyer, F. L. Schröder, Beitrag zur Kunde des Menschen und des Künstlers, II, Hamburg 1819. – (E. Campe), Zur Erinnerung an F. L. W. Meyer, den Biographen Schröder’s, II, Braunschweig 1847. – H. Uhde, Denkwürdigkeiten des Schauspielers Fr. L. Schmidt (1772–1841) II, Hamburg 1875. – H. Uhde, Fr. L. Schröder in seinen Briefen an K. A. Böttiger 1791–1816, in Raumer’s hist. Taschenbuch, 5. Folge, 5. Jahrgang 1875, S. 245–320. – Ders., Flugschriften über F. L. Schröder und seine Familie im Archiv für Litteraturgeschichte, VIII, S. 201–22. – O. Devrient, Briefe von A. W. Iffland und F. L. Schröder an den Schauspieler Werdy, Frankfurt 1881. – B. Litzmann, Schröder und Gotter. Eine Episode aus der deutschen Theatergeschichte. Briefe F. L. Schröder’s an Fr. W. Gotter 1777 und 1778, Hamburg und Leipzig 1887. – B. Litzmann, Fr. L. Schröder. Ein Beitrag zur deutschen Litteratur- und Theatergeschichte. I, Hamburg und Leipzig 1890 (der zweite Band erscheint im Herbst 1891). – Eine (unvollständige) Sammlung der „dramatischen Werke F. L. Schröder’s“ gab E. v. Bülow in 4 Bänden Berlin 1834 heraus.