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ADB:Schneider, Ludwig

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Artikel „Schneider, Ludwig“ von Karl Wippermann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 32 (1891), S. 134–142, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schneider,_Ludwig&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 02:05 Uhr UTC)
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Band 32 (1891), S. 134–142 (Quelle).
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Schneider: Ludwig S., Schauspieler, Lustspiel- und dramatischer Dichter, Militärschriftsteller, Publicist und Vorleser zweier preußischer Könige, wurde am 29. April 1805 in Berlin geboren. Der Vater Georg Abraham S. war in der Capelle des Prinzen Heinrich von Preußen in Rheinsberg angestellt und nach dessen Tode 1803 als Waldhornist in der königl. Capelle in Berlin aufgenommen, wo er nebenbei musikalischen Privatunterricht ertheilte. Die Mutter, eine Tochter des Musikgelehrten Portmann in Darmstadt, hatte zuerst auf der prinzlichen Bühne in Rheinsberg gesungen und war 1803 Sängerin bei einer die Städte Mecklenburgs bereisenden Schauspielertruppe. Dann fand sie Anstellung bei einem Theater in Breslau, sie kehrte jedoch vor Schneider’s Geburt 1804 zum Gatten nach Berlin zurück. Die Eltern, welche in wachsendem Wohlstande gelebt hatten, wurden durch die Kriegsjahre 1806–13 hart getroffen. [135] Denn bald nach der Schlacht bei Jena wurde dem Vater wie allen bei der italienischen Oper Angestellten eröffnet, daß nach der Flucht der königl. Kassen keine Mittel mehr für sie vorhanden seien und jeder für sich selbst sorgen müsse. Allein zu dem Musikunterricht, auf welchen die Eltern sich nun lediglich angewiesen sahen, fand sich fast Niemand. Sie veranstalteten daher 1810–1813 Uebungsconcerte für Dilettanten und Abonnementsconcerte zu sehr geringen Preisen. Unter den Instrumenten des Vaters wuchs S. ziemlich verwahrlost auf. Da er Talent zum Singen zeigte, boten ihn die Eltern Iffland für das Nationaltheater zu Kinderrollen an. Dieser widerrieth jedoch entschieden, Kinder der Bühne zu widmen. Dennoch kam es hierzu. Zunächst trat der achtjährige Knabe in der von der Familie am 11. Mai 1813 auf einem Berliner Liebhabertheater aufgeführten Operette „Der Orakelspruch“ als Genius auf. Um das Gesangstalent der Tochter Johanna zu verwerthen, reiste die Mutter mit allen Kindern von Berlin nach Breslau, aber infolge des Anrückens der Franzosen wurde der Plan vereitelt. Unverdrossen reiste jedoch die Mutter mit den Kindern weiter nach Prag und Wien. Hier schien sich die gesuchte Aussicht zu eröffnen, als plötzlich die Familie vom Vater nach Reval gerufen wurde, wo er inzwischen Anstellung gefunden hatte. Sie unternahm diese mit vielen Beschwerlichkeiten verbundene Reise durch mit Truppen besetzte Gegenden und führte unterwegs in Königsberg des Vaters Oratorium „Christi Geburt“ auf. In Reval wurde die ganze Familie von A. v. Kotzebue engagirt, so daß S. seit Februar 1814 fortfahren konnte, in Kinderrollen aufzutreten. Daneben besuchte er die Schule und gab sich große Mühe, die russische Sprache zu erlernen. Seine Bekanntschaft mit der damals gefeierten Sängerin Mark in Reval gab ihm später Anlaß zu einer Darstellung „Eine Sängerin unter Friedrich d. Gr.“ (Spener’sche Ztg. 1843, Nr. 14). Auch schrieb er 1861 über die Verhältnisse des Revaler Theaters in Nr. 9–11 des „Neuen deutschen Theaterarchivs.“ Nach dem Ende des Feldzugs begab sich die Familie, auf den Ruf von Freunden, im Winter auf 1815 nach Berlin zurück, nachdem sie zuvor in Petersburg und Dorpat Concerte, in Riga und Königsberg Gastrollen gegeben hatte. Da aber der Vater in Berlin nur eine untergeordnete Stellung finden konnte, unternahmen die Eltern eine Kunstreise durch viele größere deutsche Städte, während sie S. bei einem Freunde zum Besuch der Hartung’schen Schule in Berlin zurückließen. In dieser Schule und dann im Werder’schen Gymnasium zeichnete er sich vorzugsweise im Declamiren aus. Im übrigen blieb er ohne alle Aufsicht und auch nachdem der Vater lohnende Anstellung in Berlin wieder gefunden, konnte er sich um den Knaben nicht bekümmern. Dagegen nahm er ihn öfter mit ins Theater, wo er beim Anzünden der Lampen helfen durfte. Mutter und Schwester hatten Anstellung bei einem Theater in Bamberg gefunden, kehrten dann aber ebenfalls nach Berlin zurück. Die Mutter sah nun ein, daß der Sohn in hohem Grade verwildert war, aber sie erkannte auch seine Neigung zum Theater. Sie erlangte, daß er am 4. Mai 1820 in der Oper „Axur“ auf der königl. Hofbühne als „Elamir, ein weissagender Knabe“ auftrat. Da er Beifall fand, ließ der Generalintendant Graf Brühl ihm Unterricht im Declamiren, Musik, Fechten und Tanzen ertheilen. Auf der Bühne gab er zunächst nur Anmelderollen, im übrigen aber erlernte er, nachdem der Vater 1821 zum Director der Militärmusiken des Gardecorps ernannt war, noch Paukenschlagen, Contrabaß spielen und Baßposaune blasen. Auch entwickelte er ein großes Talent im raschen Erlernen von Sprachen: er trieb französisch, italienisch, spanisch, portugiesisch, englisch und sammelte alle auf das Theater bezüglichen Bücher, Kupferstiche und Instrumente. 1822 trat S. als einjährig Freiwilliger in das Gardeschützenbataillon und fand große Freude an der militärischen Ordnung und Pünktlichkeit. [136] Zur Landwehr übergetreten, nahm er seine Wirksamkeit an der Hofbühne wieder auf. Als Schauspieler und Sänger gab er zunächst kleine Rollen in Lustspielen, dann wurden ihm bessere Rollen, wie der Kilian im „Freischütz“ anvertraut. Allmählich that er sich im Bühnenfache durch Vielseitigkeit und in origineller Weise hervor: mit erfinderischer Rührigkeit verstand er aus den kleinsten Rollen etwas Anziehendes und Gefälliges zu schaffen; in der Oper sang er die Buffopartien, im Vaudeville sang und spielte er die Haupt- und Nebenrollen, im Lustspiel gab er die komischen Partien der Naturburschen und Gecken, in der Posse glänzte er durch Komik, auch nahm er Theil am Ballet; mehrfach trat er in die Reihen einer auf der Berliner Hofbühne spielenden französischen Truppe. Vermöge seiner Auszeichnung als Komiker wurde er im September 1823 mit andern auserwählt, um in Schwedt Theater zu spielen, wo Friedrich Wilhelm III. eine Zusammenkunft mit dem Czaren Nikolaus hatte. Hier erlangte er durch seine humoristischen Darstellungen großen Beifall des Königs. In noch weit höherem Grade wurde ihm aber dessen Zufriedenheit zu Theil durch einen die Instruction des Landwehrmanns enthaltenden faßlichen Leitfaden, welchen er in seiner Vorliebe für soldatische Genauigkeit nach seiner ersten Einberufung zur Landwehrübung verfaßt hatte. Die Anregung hierzu hatte ihm der Bataillonscommandeur, Major v. Ivernois, gegeben, wahrscheinlich veranlaßt dadurch, daß S. einen „Kriegsdolmetscher in 10 Sprachen“ geschrieben hatte. Der König ließ ihm durch Schreiben vom 17. December 1830 seinen Beifall über die zweckmäßig bearbeitete Instruction aussprechen und bestellte 900 Exemplare. Infolge dessen bestellten die Commandeure der Landwehrbataillone 34 000 Exemplare und bald kam es zu einer zweiten Auflage von 50 000. Da sich der Leitfaden so nützlich für den gemeinen Mann erwies, wurde S. von Officieren angegangen, etwas ähnliches für den Soldaten des stehenden Heeres zusammen zu stellen. So entstand im Mai 1832 sein „Soldatenfreund, ein Lesebüchlein für den preußischen Infanteristen“. Auch hier war das Wesentliche der Instruction allgemein faßlich gegeben. Die Einleitung war im Soldatenton gehalten, voran das Brustbild des Königs in Kupferstich. Dafür verlieh ihm der König die goldene Medaille für Kunst und Wissenschaft. Die Verbreitung war wieder eine massenhafte und der Beifall in Militärkreisen bestimmte ihn, besondere Umarbeitungen für den Cavalleristen und den Artilleristen zu veranstalten. Nach dem Erscheinen des Instructionsbuchs des Majors Graf Waldersee stellte S. jedoch die ferneren Auflagen ein. Dagegen gab ihm das seit 1833 in Paris erscheinende „Journal de l’Armée“ die Idee ein, eine ähnliche Zeitschrift für das preußische Heer, jedoch nur für den Unterofficier und Soldaten herauszugeben. Nachdem er auf Anfrage vom Könige hierzu ermuntert worden, begann er ein in volksthümlichem Tone gehaltenes Wochenblatt zur Belehrung und Unterhaltung für Militärs aller Grade und übertrug auf dasselbe den Namen des „Soldatenfreund“. Dasselbe wurde im preußischen Heere bald sehr beliebt. Als besonderer Freund desselben erwies sich der König, welcher auch oft bei Gelegenheit von theatralischen Vorstellungen Unterredungen mit S. darüber pflog. Ueberhaupt wurde er durch seine doppelte Wirksamkeit in nähere Berührung mit dem preußischen Hofe gebracht. Diesem bereitete er eine besondere Freude dadurch, daß er eine Erklärung des Liedes „Heil Dir im Siegerkranz“ verfaßte und dann durch sein Blatt bewirkte, daß dieses Lied am Geburtstage des Königs, den 3. August 1833 Mittags 12 Uhr vom ganzen preußischen Heere gesungen wurde. Andererseits wirkte er im October 1834 bei einer musikalischen Abendunterhaltung des Hofes in Potsdam zu Ehren der Kaiserin von Rußland mit und war 1835 betheiligt an Lustspielaufführungen bei der Zusammenkunft König Friedrich Wilhelm’s III. mit dem Czaren Nikolaus in Kalisch. Hier sprach [137] ihm auch dieser große Anerkennung wegen des „Soldatenfreunds“ aus, ja er ließ ihm bei den dortigen Militärparaden alles genau zeigen, damit es in jenem Blatte berichtet werden könne. Sogar auf dem dortigen Theater besuchte ihn der Czar in Fragen der Paraden. Auch erhielt er von diesem einen kostbaren Ring. Nicht minder wie für das Militär, war S. für die Bühne schriftstellerisch thätig. Bei seiner großen Sprachkenntniß fiel es ihm nicht schwer, seit 1832 eine große Zahl von Bühnenstücken aus dem Französischen, Englischen, Russischen und Spanischen zu übersetzen und in einem von ihm unter dem Namen Both herausgegebenen „Bühnenrepertoire des Auslands“ zu veröffentlichen. Am wirksamsten waren die von ihm selbst verfaßten Liederspiele, Schwänke und Possen, von welchen „Der reisende Student“, „Der Heirathsantrag auf Helgoland“, „Der Kurmärker und die Picarde“, „Der Schauspieldirector“, „Der Kapellmeister von Venedig“, „Künstlers Erdenwallen“ großen Erfolg hatten und von denen einige sich lange auf der Bühne behaupteten. Ferner lieferte er beliebte Genrebilder, wie „Der spanische Kontrebandier“, „Der pyrenäische Gebirgssänger“, „Hans und Grete“ und eine Ueberarbeitung des Stücks „Jeder kehre vor seiner Thür“. Endlich gab er 1838–42 ein „Allgemeines Theaterlexikon“ heraus. Ohne Rücksicht auf die Bühne veröffentlichte er 1835 dem damaligen Kronprinzen gewidmete Skizzen unter dem Titel „Berliner Nächte“, eine größere Erzählung „Die Quitzows“ und eine Schrift über „Die Kunst sich zu schminken“. Weiterhin veranstaltete er eine Sammlung von Nationalliedern aller Völker Europas, die er durch Dichtungen miteinander verband und durch einen Prolog einleitete. Das Ganze wurde im December 1837 zum Stiftungsfest des Litterarischen Vereins in Berlin und 1846 im Casino in Potsdam mit Musik aufgeführt. Nach dieser letzten Aufführung aber wurde er, da sich die Marsaillaise und das Polenlied in der Sammlung befanden, mit Rücksicht auf die durch den großen Polenproceß hervorgerufene Erregung insgeheim unter polizeiliche Aufsicht gestellt. Da S. 1835 in Kalisch ein Bedauern der preußischen Officiere über ihre Unkenntniß der russischen Sprache bemerkt hatte, erbot er sich dem Könige zur unentgeltlichen Ertheilung des Unterrichts im Russischen an Officiere. Das Angebot wurde angenommen und der Unterricht von ihm 1836–37, auf Wunsch von Officieren auch im Englischen, an der allgemeinen Kriegsschule in Berlin ertheilt. Bei den dortigen Behörden bekleidete S. auch das Amt eines Dolmetschers im Spanischen. 1838 trat S. als Schriftsteller auf dem Gebiete der Novelle und des Romans auf, indem er unter dem Titel „Bellona“ 2 Bände militärische Novellen, dann „Der böse Blick“ (4 Bände) und 2 Bände „Schauspieler-Novellen“ herausgab. In diesen suchte er durch die Darstellung einzelner hervorragender Persönlichkeiten der allgemeinen Verwerfung des Schauspielerstandes entgegen zu treten. Auf Wunsch des Bischofs Eylert schrieb S. einen Aufsatz über die Neigung des Königs zum Theater. Diesen Aufsatz nahm der Bischof in Bd. 3 seiner „Charakterzüge Friedrich Wilhelms III.“ auf. 1842 reiste er nach London, um die eigenthümlichen Darstellungen des Schauspielers Mathews zu erlernen, dessen Alleinspiel ihn reizte. Was er hier im Winter auf 1843 gesehen, hat er in Gubitz’s „Gesellschafter“ (1843, Nr. 82–97) geschildert. Im Juni 1847 begab er sich, nachdem er in Riga Gastrollen gegeben hatte, nach Petersburg, wozu Kaiser Nikolaus bei Gelegenheit von Manövern in der Umgegend von Berlin ihn in vertraulichem Verkehr mit dem Bemerken aufgefordert hatte, er sei der einzige, der mit Kenntniß der russischen Sprache in wohlwollendem Sinne über das russische Heer geschrieben und sich um Einzelnheiten desselben gekümmert habe. Der Kaiser nahm ihn sehr freundlich auf, sorgte dafür, daß ihm alles, was sich auf militärische Einrichtungen bezieht, genau gezeigt wurde und ergötzte sich an seinem Bühnenspiel wie an seinen ungenirten [138] Antworten. Zurückgekehrt schilderte er das Petersburger Theater in der Spener’schen Zeitung (1847, Nr. 239–244). Er blieb auch insofern in ständiger Verbindung mit dem Kaiser, als er ihm jährlich den „Soldatenfreund“ gebunden schickte und dafür 18 Jahre lang jährlich einen Brillantring erhielt. Diese Zeitschrift hatte übrigens seit 1842 an Abnehmern verloren, weil für das Heer nicht mehr so viel aufgewendet werden konnte. Damit hing es zusammen, daß sie 1848 aus einer Wochenschrift in Quart in eine Monatsschrift in Octav mit colorirten Lithographien umgewandelt wurde. Am 19. März 1848 Regisseur des königl. Theaters in Berlin geworden, hielt sich S. von den Kundgebungen des Theaterpersonals für die deutsche Sache fern und trat wiederholt demonstrativ als strenger Royalist öffentlich auf: er provocirte als solcher im „Kurmärker“ das Theaterpublicum zu wildem Lärm, der ihn zum Rücktritt von der Bühne bestimmte. Da er eine Versammlung von Landwehrmännern durch eine kühne Rede zur Verwerfung des Vorschlags, die Stellung zum Dienst bei der Einberufung von gewissen Bedingungen abhängig sein zu lassen, bewog, brachte er die Berliner Demagogen gewaltig gegen sich auf. Er floh nach Köpenik und erhielt vom Theaterintendanten einen unerbetenen Urlaub. Jener Haß verfolgte ihn auch nach Hamburg. Nach einer Zwiesprache, die er im dortigen Stadttheater von der Bühne aus mit einem Vertreter des lärmenden Publicums über sein Verhalten in Berlin gehalten, wollte man ihn morden und das Theater abbrennen. Infolge dieser Vorgänge eine Zeitlang ohne Beschäftigung, wandte er sich an Kaiser Nikolaus. Dieser forderte ihn auf, nach Petersburg zu kommen. S. folgte jedoch nicht, weil er inzwischen die Redaction der „Wehr-Zeitung“ in Berlin übernommen hatte. Dagegen lieferte er gegen jährlich 1200 Rubel wöchentliche Berichte über den Fortgang der Volksbewegung in Berlin an die Petersburger „Nordische Biene“. Von diesen Berichten wurde nur wenig gedruckt, während das Manuscript in die Hände der kaiserl. Familie ging. Im Mai 1848 begab er sich nach Schleswig-Holstein, um als Augenzeuge im Feldzug Berichte für den „Soldatenfreund“ zu schreiben. Nach der Heimkehr schrieb er ein „Tagebuch in Schleswig-Holstein“, welches er dem Könige Friedrich Wilhelm IV. vorlesen mußte. Dieser veranlaßte ihn auch zu weiteren Erzählungen aus dem Kriege, wozu er nach Sanssouci, in den Garten von Marly, nach Charlottenhof bestellt wurde. Auch der übrigen königl. Familie hatte er diese Berichte auf Babelsberg und Glienicke zu wiederholen. (Dies ist von ihm geschildert im „Daheim“ von 1866, Nr. 21.) Auf Veranlassung des Königs, dem Schneider’s witziges Wesen immer mehr zusagte, lehnte er die auf ihn gefallene Wahl zum Mitdirector der vereinigten Hamburger Theater ab und wurde bei Hofe eine gern gesehene Erscheinung, durch welche A. v. Humboldt und Tieck als Beherrscher des Gesprächs in den Hintergrund gedrängt wurden. Schneider’s Vorliebe für das Militärische, seine geschickte und unterhaltende Schilderung interessanter militärischer Vorgänge, nicht minder seine Fähigkeit, unter rascher Herbeischaffung alten Materials, Daten aus der preußischen Geschichte anziehend vorzutragen, interessirte den König außerordentlich, der oft anderes wegen dieser Vorlesungen ausschlug. Selbst an Tagen, an welchen der König das Theater besuchte und an Vorabenden wichtiger Tage, wie in Hauptquartieren zur Manöverzeit, fanden diese Vorlesungen statt. Seit Mai 1848 war S. nicht auf der königl. Bühne aufgetreten; sein damaliges Abschiedsgesuch wurde jedoch erst im Juli 1849 genehmigt, und nachdem er im Januar 1850 den rothen Adlerorden 4. Classe erhalten hatte, erfolgte am 15. October 1850 seine Ernennung zum Vorleser des Königs mit dem Titel Hofrath. Im Mai 1851 nahm ihn der König mit nach Warschau, wo er Theaterstücke, wie „Die erste Nacht auf Bürgerwehr“, dem Czaren vorzulesen hatte. Im August 1851 [139] befand er sich beim Könige auf der Burg Hohenzollern, wo die Huldigung der neuerworbenen Fürstenthümer stattfand. Von da ging er im Auftrag des Königs nach Neufchatel, um die dortigen Freunde Preußens von unbesonnenen Schritten abzuhalten. Im Mai 1852 war er wiederum zugegen, als der König mit dem Czaren in Myslowitz zusammentraf. Diesem mußte er hier und in Skiernevice vorlesen. Nachdem er diese Reise und die des Königs zur Beisetzung des Königs Ernst August nach Hannover humoristisch behandelt, wurde ein gleiches Verfahren auch bezüglich der ferneren königlichen Reisen üblich. Humoresken waren es hauptsächlich, die er, wie in Potsdam und Berlin, so auf dem Rheindampfschiffe, auf Stubbenkammer, in Putbus, Stettin, Paretz, Erdmannsdorf, Naumburg, 1853 in Wien und in Westfalen, in Letzlingen und anderen Orten dem Könige Abends beim Thee vortrug. Demselben Zwecke diente er 1851–58 nach den Hofjagden in verschiedenen Jagdschlössern, wie er auch die Jagdprotokolle abfassen und verlesen mußte. Auf besondere Einladung des Herzogs von Braunschweig machte er die Reise des Königs nach Blankenburg mit und der Großherzog von Mecklenburg-Schwerin ließ ihn sich zum Vorlesen kommen. Auch der Prinz von Preußen nahm, als er sich zur Bundesinspection nach Olmütz und Wien begab, S. mit, jedoch nur zur Sammlung militärischen Materials. Da der Prinz bei dieser Gelegenheit mit dem Kaiser Nikolaus zusammentraf, so hatte auch S. wieder eine Begegnung mit seinem Gönner, der mit ihm ein längeres Gespräch über das österreichische Heer führte und ihm 1854 den Stanislausorden verlieh. Nach dem Tode dieses Kaisers veröffentlichte er im „Soldatenfreund“ (Jahrg. 22, Heft 19) einen Nekrolog desselben, wofür er von zahlreichen russischen Generalen eine Dankadresse und vom russischen Hofe ein Schnupftuch des Czaren zum Andenken erhielt. Dessen Wittwe ließ bald nach ihrer Ankunft in Sanssouci im Mai 1856 S. holen, damit er „hübsche Sachen“ vorlese. Im ganzen hat er dem König, der Königin und anderen fürstlichen Personen 415 Mal vorgelesen. Den Gegenstand bildeten meistens Vorgänge auf den Theatern von Berlin, Hamburg, London, Abschnitte aus seiner Geschichte der Berliner Oper, Coulissengespräche, Uebersetzungen von Dramen, Tagesereignisse, bekannte Persönlichkeiten und Züge des Berliner Lebens, Erlebnisse auf den Reisen des Königs, litterarische Travestien, drastische Scenen aus Polizeiacten, Polizeigerichtsscenen, komische Gedichte und Jagdgeschichten; daneben trug er geschichtliche Vorgänge, namentlich auf Potsdam, Charlottenburg und Brandenburg bezügliche, in novellistischer Form vor. König Wilhelm behielt S. in seiner Stellung bei, die Beschäftigung nahm jedoch einen ernstlicheren und nützlicheren Charakter an. Der Prinz von Preußen hatte S. bereits die wichtigsten Notizen für seine Biographie dictirt, welche im Januar 1857 zum Militärdienstjubiläum des Prinzen im „Soldatenfreund“ erschien. Als König übertrug er ihm die Aufsicht über seine Privatbibliothek. Im übrigen benutzte S. sein Verhältniß zum König zu eifriger Thätigkeit als Berichterstatter, Sammler und militärischer Beobachter; zuweilen streifte er auch die Politik. So benutzte er seine Bekanntschaft am hannoverschen Hofe, den König Georg zu einer besseren Pflege der persönlichen Beziehungen zum preußischen Hofe zu bewegen, freilich erfolglos, und förderte 1865 möglichst den Plan einer Verbindung des Prinzen Albrecht von Preußen mit einer Tochter des Königs Georg (Meding, Memoiren I, 243). Das Welfenmuseum in Hannover gab ihm Anlaß, die Gründung des Hohenzollernmuseums in Berlin anzuregen. Am 12. Mai 1866 wurde er vom auswärtigen Amte nach Hannover geschickt, um Sicheres über die Absichten der dortigen Regierung zu erfahren. König Georg theilte ihm ausführlich seine Auffassung der politischen Lage mit. Beim Ausbruch des Krieges von 1866 wurde er vom General v. Roon veranlaßt, Flugblätter für [140] das Heer zu schreiben, damit der Soldat aus denselben immer ersehe, worum es sich handele. Statt der Monatshefte des „Soldatenfreunds“ wurde daher ein „Feld-Soldatenfreund“ herausgegeben. Am 25. Juni wurde er dem Militärcabinet des Königs beigegeben. In dieser Stellung hatte er Telegramme abzusenden und in Empfang zu[WS 1] nehmen und sich vom König Notizen behufs wahrheitsgetreuer Berichterstattung an den „Staatsanzeiger“ und andere Blätter, namentlich an die „Kreuzzeitung“ geben zu lassen. Nach dem Hauptsiege schrieb er auf Eingebung des Königs auch politische Artikel. Am Tage des Einzuges der Truppen in Berlin erhielt S. das Band des Erinnerungskreuzes von 1866 für Nichtkämpfende. Bald hiernach gab er unter dem Titel „König Wilhelm. Militärische Lebensbeschreibung“ ein Buch heraus, nachdem der König dasselbe zuvor durchgesehen hatte. Dieser ehrte ihn abermals, am 11. November 1866, dem Tage des allgemeinen Friedensfestes, durch Verleihung des Hohenzollernordens mit dem Zusatze „dem königl. Historiographen auf dem Kriegsschauplatze“. Als solcher bewährte er sich immer mehr auch im Frieden. So brachte er im December 1866 im „Staatsanzeiger“ (Nr. 315) anläßlich des 60jährigen Militärjubiläums des Königs eine von diesem vervollständigte Zusammenstellung von Daten über denselben und fertigte 1867 eine Art von Regentenkalender an, in welchem alle Handlungen des Königs in Militärsachen, Gesetzgebung und Verwaltung aufgezählt waren. Seine Uebersicht über die militärischen Verhältnisse und des Königs Sorge für rechtzeitige Feststellung geschichtlich merkwürdiger Vorgänge der Gegenwart machten S. immer mehr zu einem geschäftlich Vertrauten des Königs Wilhelm. Wie dieser ihn schon als Prinz durch Mittheilungen über militärische Inspectionsreisen und durch Material zur litterarischen Abwehr der Angriffe gegen das Heer und den Plan zu dessen Organisation unterstützt hatte, so sah er als König eine Reihe von Artikeln Schneider’s über wichtigere Vorgänge durch und verbesserte sie. S. trug Sorge, daß der König seine bei den verschiedensten politischen Vorgängen gehaltenen Reden ihm möglichst bald dictirte oder die nach dem Gehörten entworfenen Reden verbesserte. Dies hatte 1865 bei den Reisen des Königs nach Merseburg, Lauenburg und Münster begonnen und wurde nach dem Feldzug fortgesetzt 1868 in Kiel, Wilhelmshaven, Osnabrück, 1869 in Oldenburg, Emden, Königsberg. Von jeder Reise des Königs brachte S. alle Gedichte, Adressen, Bilder, eingereichte Bücher, Karten, Pläne zur Einreihung in die Bibliothek des Königs mit. 1869 begleitete er den Prinzen Albrecht d. Aelt. nach Petersburg zur Theilnahme am Fest der St. Georgsritter und wurde hier vom Kaiser Alexander II., den Großfürsten und dem Fürsten Gortschakoff sehr geehrt. In demselben Jahre erschien sein „Instruktionsbuch für den Infanteristen“ und sein „Buch vom schwarzen Adlerorden“, beides zuvor vom Könige durchgesehen; 1870 schrieb er in „Unsere Zeit“ einen Aufsatz über den Krieg der Tripleallianz gegen Paraguay. Während des Feldzuges von 1870–71 nahm S. beim König und in Bezug auf die Presse dieselbe Stellung wie 1866 ein; auch lebte sein „Feld-Soldatenfreund“ wieder auf. Im Felde hatte er täglich früh beim Könige zu erscheinen, Nachrichten mitzutheilen, Zeitungsausschnitte und Karten vorzulegen und Aufträge zu empfangen. Daran knüpften sich öfters Gespräche mit dem König über die politische Lage. Abends las er dem König Episoden aus der französischen Geschichte vor, namentlich mit Bezug auf Oertlichkeiten des Kriegsschauplatzes. In Rheims wurde er zum Censor dortiger Zeitungen bestellt, in Versailles hatte er ein Neuigkeitsbureau zum Empfang und zur Austheilung von Nachrichten an viele Zeitungscorrespondenten. Es kam auch vor, daß er durch Telegramme nach England den Feind erfolgreich irre führte. Nach dem Frieden erhielt er am 8. März 1871 das eiserne Kreuz am weißen Bande. 1872 schrieb er „Das [141] Buch vom Kronenorden“ und ein „Instruktionsbuch für den Kavalleristen“. Bei der Zusammenkunft des Kaisers Wilhelm mit dem Czaren in Wiesbaden wurde er von diesem sehr ausgezeichnet. Ebenso im December 1872 in Petersburg, wohin er den Prinzen Karl von Preußen zur Feier des St. Georgsritterfestes begleitete. Er hatte hier der kaiserl. Familie ein von ihm angelegtes Album mit malerischen Darstellungen aus dem Leben des Kaisers Wilhelm vorzulegen und zu erläutern. 1873 begleitete er letzteren nach Petersburg. In seinen letzten Jahren lebte er, mit Auszeichnungen überhäuft, in Potsdam. Hier entwarf er den Plan einer Sammlung von Denksteinen von allen Schlachtfeldern, auf welchen preußische Truppen gekämpft haben. Die Denksteine wurden aus Frankreich beschafft und der weitere Plan vom Kaiser genehmigt (Nordd. A. Ztg. Nr. 212 vom 1. Juni 1879). Seit 1876 litt er an Asthma, wogegen er im Sommer 1878 Linderung fand durch eine Reise nach Süddeutschland. Solange Kaiser Wilhelm im November 1878 in Wiesbaden sich aufhielt, weilte auch S. dort. Am 16. December 1878 starb er in Potsdam an Herzlähmung. – S. war eine offene, ehrliche Natur, ein vielseitig begabter Mann, kein eigentlicher Politiker, aber ein strenger altpreußischer Royalist. Als solcher rechnete er sich stets zur Partei der „Kreuz-Ztg.“. Die „Wochenschau aus den Jahren 1848–50“, welche dieses Blatt in Nr. 79 vom 1. April 1888 bis Nr. 299 vom 30. Juni 1889 aus dem Nachlaß veröffentlichte, bestätigt, daß er sich in jener Richtung zu großer Einseitigkeit verleiten ließ, indem er die patriotischen Bewegungen in ganz Deutschland, bloß weil sie von Liberalen ausgingen, ebenso verurtheilte wie die Ausschreitungen, deren Zeuge er in Berlin gewesen war. Auch erhob Hauptmann v. Pfuel, persönlicher Adjutant des Kronprinzen Friedrich Wilhelm, am 10. Mai 1888 öffentlich Einsprache gegen die Richtigkeit der Schilderung des Generals v. Pfuel (s. A. D. B. XXV, 705). Seine Thätigkeit als Schauspieler, als Schriftsteller auf verschiedenen Gebieten und als Sammler hat stets allseitige Anerkennung gefunden. Auch seine Verdienste als Vorleser preußischer Könige sind nie in Zweifel gezogen. Nicht zu bezweifeln ist seine eigene Angabe, daß er dem Könige Friedrich Wilhelm IV. über manche trübe Stunde hinweggeholfen zu haben glaube. „Ganz und voll“, sagt die Nat.-Ztg., „hatte er sich in das Leben der beiden Residenzen hineingewachsen. Mit Herz und Sinn hatte er sich den Mächtigen angeschlossen, um von dieser Stelle aus die großen Interessen mit der Feder zu verfechten, die ihm so heilig waren. Wichtiges ist durch seine Hände gegangen; seine Preßthätigkeit war bis zur letzten Zeit eine vielverzweigte, einflußreiche, mächtige Interessen verbindende.“ Sein Werk „Aus meinem Leben“ (Berlin, 2. Aufl. 1879) enthält eine ausführliche, mit vielen Urkunden belegte Schilderung seiner Erlebnisse, insbesondere seines Verkehrs mit drei preußischen Königen und zwei Czaren, sowie werthvolle Beiträge zur Charakteristik dieser Fürsten (Bl. für lit. Unterh. 1880, Nr. 1. Nat.-Ztg. 1885, Nr. 352. Allg. Ztg. 1879, Nr. 295 Beil.). Aehnlich verhält es sich mit dem aus dem Nachlaß herausgegebenen Werke „Aus Kaiser Wilhelm’s Leben. 1849–1873“ (3 Bde., Berlin 1888). Zu erwähnen ist noch, daß er 1868 eine Schrift „Eine königliche Dienstschnalle“ herausgab, in welcher alle Orden des Kaisers Wilhelm aufgeführt sind. In späterer Umarbeitung ist diese Schrift betitelt „Erdient und verdient“. Auch sind Aufsätze von ihm in den „Preuß. Jahrbüchern“ zu erwähnen, in Bd. 35: „England und Rußland im Orient“; in Bd. 36: „Das freie Suanetien“. – Am 11. Januar 1879 fand im Rathhause zu Berlin eine Feier für S. statt. Die Vereine für die Geschichte Berlins und Potsdams hielten am 29. April 1879 eine Feier an seinem Grabe. Nekrolog in Kreuz-Ztg. vom 22. December 1878; Nordd. A. Ztg. vom 14. Januar 1879. Vgl. Hamb. Korresp. Nr. 263, Volks-Ztg. Nr. 275, [142] N. Fr. Presse Nr. 5472 von 1879, Nat.-Ztg. Nr. 399 von 1884. Schneider’s Wittwe starb am 27. Februar 1886.

Männer der Zeit, Biogr. Lex. d. Gegenwart. Leipzig 1859, 1. Halbband S. 173. – Charakterzüge u. histor. Fragen aus dem Leben des Königs von Preußen Friedrich Wilhelm III. von Eylert, III, 222. – Gartenlaube 1879, Nr. 2 („Des Kaisers Lector“). – Leipz. Illustr. Ztg. vom 11. Jan. 1879. – Ueber Land und Meer, Bd. 41, Nr. 16. – Meding, Memoiren z. Zeitgesch. I. – M. Ring, Erinnerungen a. m. Leben 1838–40 in Nat.-Ztg. Nr. 352 von 1885. – H. Wagener, Erlebtes I, 51 u. 55.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: zn