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ADB:Lutz, Samuel (pietistischer Geistlicher)

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Artikel „Lutz, Samuel (pietistischer Geistlicher)“ von Emil Blösch in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 19 (1884), S. 715–716, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Lutz,_Samuel_(pietistischer_Geistlicher)&oldid=- (Version vom 23. Dezember 2024, 13:35 Uhr UTC)
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Lutz: Samuel L. (gewöhnlich latinisirt Lucius genannt), wurde am 10. August 1674 im Dorfe Biglen im Emmenthale geboren, wo sein Vater Pfarrer war. Vorzügliches Gedächtniß, reiche und lebhafte Einbildungskraft, und vor allem geistige Erregbarkeit machten sich ungewöhnlich früh bei dem Knaben bemerkbar. Den ersten Unterricht erhielt er von seinem Vater und soll schon im siebenten Jahre fertig lateinisch gesprochen haben; allein 1683 starb der Vater und L. wurde nach Bern versetzt, um hier der Gelehrtenschule zu folgen. Der Beruf zum Geistlichen galt als selbstverständlich. Im Gegensatze zu dem äußerlichen Kirchenthum, das in den Consensusformen der schweizerischen reformirten Kantone im Jahre von Lutz’ Geburt seine Vollendung und seinen härtesten Ausdruck gefunden hatte, begann gerade in der Zeit seiner theologischen Studien die pietistische Richtung, angeregt durch Samuel König (Bd. XVI, 520) und Andere auch in Bern sich zu regen. Namentlich wurden die Studirenden davon ergriffen und L. gab sich dem Einfluß dieser Kreise hin. Er wurde dadurch den ängstlichen Kirchenbehörden verdächtig, und nicht ohne Schwierigkeiten und Zurücksetzung ging im J. 1700 die Aufnahme in das geistliche Amt vor sich. Er erhielt 1702 eine Vicarstelle in Burgdorf, entging indessen auch jetzt nicht dem kleinlichen Argwohn seiner Oberen. Seiner anerkannten Gelehrsamkeit wegen – er war ein vorzüglich tüchtiger Kenner der hebräischen Sprache – wurde er wiederholt für einen akademischen Lehrstuhl vorgeschlagen. Das erste Mal wurde er übergangen, beim zweiten Male lehnte er ab; dagegen wurde ihm 1703 die eben erst neu errichtete und wenig gesuchte Stelle eines deutschen Pfarrers in dem damals zum Kanton Bern gehörenden Städtchen Iferten übertragen. Hier entwickelte er nun eine tiefgehende Wirksamkeit. Sein Dringen auf persönliche Bekehrung, sein Kampf gegen ein verweltlichtes Gewohnheits-Christenthum erregte aber bald eine gewisse Unruhe und es fehlte nicht an Widerspruch von Seiten seiner Amtsgenossen. Mehrmals liefen Klagen ein, und L. wurde 1706–1707 und dann wieder 1711 zur Rechtfertigung gezogen. Der arglose Freimuth, mit dem er seine Ueberzeugungen aussprach und die den klugen Leuten unverständliche Demuth seines Auftretens gab dem Mißtrauen immer wieder Nahrung, so sehr auch Charakter und Begabung Achtung einflößten. Ein Amt in der Hauptstadt wurde ihm versagt, obwohl sein Ruf bereits in die Ferne zu dringen begann. In Basel, in St. Gallen, in Frankfurt a. M. trat er mit großem Erfolge als Prediger auf. Aus Köthen, aus Zweibrücken wurden ihm Stellen angeboten, und einen Ruf nach Büdingen lehnte er nur ab, weil seine Pfarrgemeinde ihn zurückhielt. Endlich 1728 erhielt er die Pfarrstelle zu Amseldingen in der Nähe von Thun, und ein Gewissensbedenken, das ihm den vorgeschriebenen Eid – den „Associationseid“ – zu schwören verbot, wurde sogar großmüthig geschont. Die häufigen Besuche von Fremden, seine eigenen Rundreisen und Predigten auf fremden Kanzeln, die Abhaltung religiöser Versammlungen unter freiem Himmel und dergl. erregten immer wieder Anstoß; aber die unverkennbare Lauterkeit seines Wandels, die aufopfernde Pflichttreue, mit welcher der Unverheirathete ganz seinem geistlichen Berufe lebte, der Eifer, mit dem er namentlich, in damals noch ganz ungewohnter Weise, dem Unterricht der Jugend sich hingab, brachte die Ankläger auch immer wieder zum Schweigen. Von den meisten seiner Amtsbrüder scheu gemieden, fand er bei Andern um so größere Gunst, auch in vornehmen Kreisen aufrichtige Verehrung [716] und Anhänglichkeit. In schon vorgerückten Jahren wurde er Ende 1738 in die größere Pfarrgemeinde Dießbach bei Thun versetzt. Hier empfing er im Januar 1740 den Besuch des Grafen Zinzendorf, der, wahrscheinlich durch seinen vertrautesten Freund, den Berner Friedrich von Wattenwyl, mit L. in Verbindung getreten war; vorher schon hatte Graf Heinrich Ernst von Stolberg-Wernigerode sich einige Tage bei ihm aufgehalten. Man ließ ihn schließlich ziemlich unangefochten in seiner Wirksamkeit, die durch Reisen und brieflichen Verkehr sich immer weiter ausdehnte. Am Ostertage 1750 predigte er zum letzten Male und bald hernach, am 28. Mai, starb er. – L. war ein Pietist im vollen aber auch im besten Sinne des Wortes, persönlich anspruchslos, in seinen Predigten kühn, geistreich, phantasievoll, kindlich, naiv, oft durch Gefühlswärme und Wahrheit ergreifend, nicht selten auch geschmacklos allegorisirend; von wesentlich biblischer Haltung und durchaus praktischer Richtung: ein Gegner der äußeren Rechtgläubigkeit, aber auch ein Feind aller bloßen Gefühlsfrömmigkeit und aller Sucht nach den „geistlichen Leckereien“ des schwärmerischen Chiliasmus und aller sektirerischer Absonderung. – Eine Sammlung seiner Predigten wurde nach seinem Tode gedruckt unter dem Titel: „Wohlriechender Strauß von Himmelsblumen“, Basel 1756, und mit einer Fortsetzung: „Neuer Strauß von Himmelsblumen“. Die eigenthümlichste und bekannteste seiner Schriften ist: „Das Schweizerische von Milch und Honig fließende Canaan“, eine allegorische Ausdeutung der Alpen- und Milchwirthschaft.

Lebenslauf des Herrn Sam. Lucii, Bern 1751. – Lebensbeschreibung von S. L. in Scheler’s Morgenstern, Bern. – E. Trechsel, S. Lutz, ein Beitrag zur Geschichte des Bernischen Pietismus, im Berner Taschenbuch, Jahrg. 1858 u. 1859, mit zahlreichen Auszügen aus Lutz’ handschriftlichem Tagebuch von 1731 und aus seinen Predigten. – Hagenbach, Vorlesungen über die Reformation. – Acta pietistica, handschr. Sammlung in der Berner Stadtbibliothek.