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ADB:Möller, Andreas

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Artikel „Möller, Andreas“ von Viktor Hantzsch in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 52 (1906), S. 440–443, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:M%C3%B6ller,_Andreas&oldid=- (Version vom 5. Oktober 2024, 09:32 Uhr UTC)
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Band 52 (1906), S. 440–443 (Quelle).
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Möller: Andreas M., auch Moller oder Müller genannt, Polyhistor, verdient als Chronist der Stadt Freiberg, entstammte einer alten Freiberger Patricierfamilie und wurde am 22. März 1598 als Sohn eines lutherischen Pfarrers zu Pegau bei Leipzig geboren. Da er bereits in früher Jugend gute Geistesgaben verrieth, unterrichtete ihn sein Vater in den Anfangsgründen des Lateinischen, Griechischen und Hebräischen. Später schickte er ihn in die Pegauer Stadtschule, doch förderte er ihn auch zu Hause weiter, indem er mit ihm die alten Classiker las. 1613 kam der Knabe auf die Fürstenschule in Pforta, wo er sich eine ungewöhnliche Geläufigkeit in der lateinischen Sprache und Dichtkunst aneignete. Ostern 1616 bezog er die Universität Leipzig. Hier betrieb er vorzugsweise philosophische und nebenher als Famulus des Professors Siglicius auch medicinische Studien. Nach einem Jahre sah er sich wegen seiner Armuth gezwungen, den Sohn eines reichen Frankfurter Kaufmanns als Informator nach Heidelberg zu begleiten. Hier wollte er anfangs Theologie studiren, doch fürchtete er durch die calvinistischen Professoren an seinem Glauben irre zu werden. Deshalb begnügte er sich, philosophische, philologische und medicinische Vorlesungen zu hören. Durch einen glücklichen Zufall gewann er die Freundschaft des berühmten niederländischen Philologen Janus Gruterus, der als Bibliothekar in Heidelberg lebte und dem er vielfache Anregung und Förderung verdankte. Da dem streng lutherisch gesinnten Vater der Aufenthalt des Sohnes in dem reformirten Heidelberg gefährlich erschien, rief er ihn im Herbste 1617 wieder nach Hause zurück. Er setzte nun unter großen Entbehrungen seine Studien in Leipzig fort und vervollkommnete sich namentlich im Hebräischen. Daneben eignete er sich auch die Anfänge des Chaldäischen, Syrischen und Arabischen an. Nachdem er 1620 die Magisterwürde erworben hatte, gedachte er die akademische Laufbahn einzuschlagen und hielt deshalb Vorlesungen über hebräische Grammatik. Diese erregten die Aufmerksamkeit eines reichen Gutsbesitzers, des Herrn v. Mosdorff auf Obereula bei Nossen, der trotz seines hohen Alters den Wunsch hegte, das alte Testament in der ihm bis dahin völlig unbekannten Ursprache zu lesen. Er forderte den jungen M. auf, ihn auf seinem Gute zu besuchen. M. kam der Einladung nach und verweilte länger als 11/2 Jahr bei seinem lernbegierigen Gastfreunde. Dieser hätte ihn gern dauernd an sich gefesselt und bot ihm [441] deshalb die Pfarrstelle in dem benachbarten Dorfe Deutschenbora an, doch lehnte M. ab, als er 1622 einen Brief des Freiberger Superintendenten Abraham Gensreff erhielt, der ihn zum Informator seines einzigen Sohnes begehrte und ihm gute Beförderung für später versprach. M. glaubte in der wohlhabenden, blühenden und geistig regsamen Stadt Freiberg eine aussichtsreiche Zukunft vor sich zu haben und nahm deshalb das angebotene Amt an. Da er sich durch seine vielseitige Gelehrsamkeit bald allgemeine Achtung erwarb, wurde ihm 1624 die Stelle des Tertius an der Stadtschule übertragen. Als solcher entfaltete er eine sehr verdienstliche Thätigkeit. Neben seinen Schulstunden hielt er Vorlesungen über hebräische Grammatik und veranstaltete mit den älteren Schülern öffentliche Disputationen. Diese Neuerungen hoben das Ansehen der Schule, sodaß auch von auswärts mehr Zöglinge als sonst herzuströmten. Um möglichst enge Fühlung mit der alteingesessenen Bürgerschaft zu gewinnen, verheirathete er sich noch im J. 1624 mit Salome Köhler, der Tochter eines Schichtmeisters, die von mütterlicher Seite her einem der ältesten Freiberger Patriciergeschlechter entstammte. Da er sich seines Schuldienstes eifrig und mit Erfolg annahm, wurde er 1627 zum Conrector befördert. Daneben versah er noch das Amt eines Bibliothekars. Er ordnete die reiche und werthvolle, aber seit Jahrzehnten vernachlässigte Büchersammlung der Schule und sorgte auch für ihre Vermehrung, indem er seine gelehrten Freunde zu einer Beisteuer veranlaßte. In seinen Mußestunden verfaßte er deutsche und lateinische Gedichte, schrieb Schulkomödien und begann umfassende Sammlungen für eine von ihm geplante Chronik von Freiberg anzulegen. Seit 1630 verschlechterte sich seine Lage von Jahr zu Jahr, da die Stadt unter den Beschwerden des dreißigjährigen Krieges zu leiden begann, der ihren Wohlstand allmählich völlig zu Grunde richtete. Die häufig wiederkehrenden Contributionen und Truppenverpflegungskosten erschöpften in wenig Jahren die öffentlichen Cassen. M. erhielt seine Besoldung nur noch unregelmäßig und in minderwerthiger Münze ausgezahlt und gerieth dadurch, da er von Hause aus vermögenslos war, in drückende Verhältnisse. Wiederholte Blockaden, Einquartierungen, Seuchen und Hungersnöthe verschärften die allgemeine Nothlage. Am höchsten stieg das Elend, als die Stadt im Herbste 1632 von den Kaiserlichen unter Gallas beschossen und eingenommen wurde. Inmitten der allgemeinen Verwirrung hatte M. das Unglück, seine Frau durch den Tod zu verlieren. Doch schloß er bereits im folgenden Jahre eine neue Ehe mit Regina Thorschmied, der Tochter eines angesehenen Arztes. Da infolge der andauernden Kriegsunruhen die Schule allmählich verkümmerte und schließlich völlig einzugehen drohte, sah sich M. genöthigt, eine andere Beschäftigung zu suchen. In dieser Verlegenheit kam es ihm zu statten, daß er früher medicinische Studien betrieben hatte. Er beschloß jetzt, sich ganz der Heilkunde zuzuwenden und durch eine akademische Prüfung die Erlaubniß zur Ausübung der ärztlichen Praxis zu erwerben. Da er in Leipzig infolge der Kriegswirren nicht zur Promotion gelangen konnte, meldete er sich in Jena, aber erst nach mehrjähriger Verzögerung durch Geldmangel und allerhand Unglücksfälle gelang es ihm, 1637 die medicinische Doctorwürde zu erlangen. Er legte nun sein Schulamt nieder und widmete sich der ärztlichen Praxis. Einige glückliche Curen, namentlich während der Belagerung der Stadt durch die Schweden unter Baner 1639, verschafften ihm großen Zulauf, und bald suchte man auch von auswärts bei ihm Rath und Hülfe. Dadurch kam er allmählich in bessere Vermögensverhältnisse. 1641 konnte er sich ein eigenes Haus mitten in der Stadt am Obermarkte erwerben. Die zweite schwedische Belagerung der Stadt durch Torstenson 1643 überstand er ohne wesentlichen [442] Schaden. Im Auftrage des Rathes verfaßte er kurz nachher eine ausführliche Beschreibung dieses Ereignisses. Auch sonst betrieb er neben seinem Berufe eingehende historische Studien, als deren reifste Frucht 1653 sein bedeutendstes und unvergängliches Werk, die Chronik von Freiberg erschien. In demselben Jahre wurde er von seinen Mitbürgern zum Stadtphysikus erwählt. Als solcher hat er namentlich gegen das Curpfuscherunwesen und gegen den heimlichen Verkauf von Arzneien durch Barbiere und andere Unbefugte gekämpft, sich aber dadurch bei den Betroffenen viele Feindschaft zugezogen. Seine letzten Jahre waren durch mehrere Todesfälle in seiner Familie und durch ein beschwerliches Steinleiden getrübt, dem er am 21. Januar 1660 erlag. Sein Grab befindet sich im Dom zu Freiberg. Sein Bild in Oel gemalt hängt in der Gymnasialbibliothek daselbst. Die von ihm hinterlassene werthvolle Büchersammlung wurde von seinen Erben an die Stadtbibliothek in Kamenz verkauft, wo sie noch heute zum Theil erhalten ist.

Auf litterarischem Gebiete hat sich M. als Geschichtsschreiber, Philolog, Naturforscher und Dichter in 7 Sprachen versucht. Auch trat er gelegentlich als Componist hervor (O. und R. Kade, Die älteren Musikalien der Stadt Freiberg, Leipzig 1888, S. 20–21). Am bedeutendsten ist er als Historiker. An gedruckten Werken verdankt man ihm den „Colossus Hoëneccius“ (1627), ein größeres lateinisches Gedicht zu Ehren des kursächsischen Hofpredigers Hoe v. Hoenegg, der ihn als kaiserlicher Pfalzgraf 1626 zum Dichter gekrönt hatte; eine Festrede zur ersten Jubelfeier der Augsburgischen Confession, betitelt „Confessio Augustana vere Augusta“ (1630); eine „Gründliche und ausführliche Relation von der … Belägerung der … Bergkstadt Freybergk“ (1643); das „Theatrum Freibergense Chronicum“ (1653), eine der besten und ausführlichsten unter den älteren sächsischen Städtechroniken; ferner einen philologischen „Commentarius super hymnum Prudentianum ad octavum calendas Januarias“ (1659); ein Ehrendenkmal für seinen Vater und seine Heimathstadt, Ἀντιπελαργία sive debitum parentale“ (1659), sowie zahlreiche Epicedien und andere Gelegenheitsgedichte. Nach seinem Tode wurden noch gedruckt drei kurze Abhandlungen „De situ et incolis Freibergae“ (bei Grundig und Klotzsch, Sammlung vermischter Nachrichten zur sächsischen Geschichte 1767, I, 97), „De metallorum causis“ (bei J. G. Weller, Altes aus allen Theilen der Geschichte 1760, III, 311) und „De fungis“ (ebd. 1765, X, 510), sowie genealogische und historische Nachrichten über verschiedene Freiberger Patricierfami1ien (G. C. Kreysig, Beyträge zur Historie derer Chur- und Fürstlichen Sächsischen Lande 1758, IV, 41; Neueröfnetes Historisch-Sächßisches Curiositäten-Cabinet 1760, 82; Freyberger gemeinnützige Nachrichten 1809–1814). Handschriftlich haben sich theils im Original, theils in Abschriften erhalten: in der Hamburger Stadtbibliothek Möller’s Briefwechsel, enthaltend 609 Briefe aus den Jahren 1614–1644; in der Gymnasialbibliothek zu Freiberg 4 Schulkomödien aus dem Jahre 1628: ein politisches Stück „De ἀναβάσει Jebusitarum“ über die Umtriebe der Jesuiten in Böhmen; ein deutsches Lustspiel „Areteugenia“, welches die angefochtene, aber doch siegreiche Tugend eines Geschwisterpaares verherrlicht; eine lateinische Nachbildung der Aulularia des Plautus, betitelt: „Querulo-Euclio“, und ein deutsches Satyrspiel „Cleaeret“, in welchem erzgebirgische Bauern in ihrer Mundart auftreten, ferner 13 Briefe an Gelehrte und ein Entwurf, betitelt: „Collegium rhetoricum habitum Freibergae 1634“; in der Bibliothek des Alterthumsvereins daselbst verschiedene Collectaneen zur Geschichte Freibergs; in der Kgl. Bibliothek zu Dresden das eigenhändige Concept des ersten Theiles der Freiberger Chronik und ein eigenhändiger Band „Miscellanea Freibergensia“; [443] in der Stadtbibliothek zu Leipzig eine genealogische „Abhandlung über das Geschlecht derer von Günterrode“; endlich in der Ponickau’schen Sammlung der Universitätsbibliothek zu Halle 4 Handschriften: „Annales bibliothecae Freibergensis“, „Epistola de situ Freibergae“, Nachrichten von den alten Freibergischen Geschlechtern und eigenhändige Sammlungen und Excerpte zur Freiberger Stadtgeschichte der Jahre 1633–1650.

A. Moller, Ἀντιπελαργία sive debitum parentale … Freibergae 1659. – S. G. Starcke, Pyramis Molleriana … [Freiberg 1660]. – Ad parentalia manibus Andreae Molleri … invitat N. Grefius … [Freiberg 1661]. – J. S. Grübler, Ehre der Freybergischen Todten-Grüffte, Leipzig 1730, I, 260–269. – C. G. Wilisch, Kirchen-Historie der Stadt Freyberg, Leipzig 1737, I, 369–372. – Leben D. Andreas Möller’s (Freyberger gemeinnützige Nachrichten 1801, S. 219–224, 229–231). – R. Kade, Studien zum Freiberger Chronisten Andreas Möller (Mittheilungen vom Freiberger Alterthumsvereins 1886, XXIII, 1–20. Mit Bild). – Ders., Der sächsische Historiker Andreas Möller (Wissenschaftliche Beilage der Leipziger Zeitung 1887, S. 290–291). – Ders., Andreas Möller, der Chronist von Freiberg (Neues Archiv für sächsische Geschichte 1888, IX, 59–114. Mit Bild).