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ADB:Müller, Hermann (Jurist)

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Artikel „Müller, Hermann“ von Franz Xaver von Wegele in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 22 (1885), S. 559–561, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:M%C3%BCller,_Hermann_(Jurist)&oldid=- (Version vom 6. November 2024, 01:55 Uhr UTC)
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Müller: Hermann M., Rechtsgelehrter. Geboren am 18. Octbr. 1803 zu Werden an der Ruhr, widmete er sich zunächst dem Studium der Jurisprudenz und trat 1825 in den praktischen Dienst, entsagte aber 1832 dieser Laufbahn und zog sich in die Nähe von Bonn zurück, um sich auf eine akademische Wirksamkeit vorzubereiten. Die Frucht dieser Zurückgezogenheit war die Schrift „Die Marken des Vaterlandes“, welcher es trotz manchen Eigenthümlichkeiten an Anerkennung nicht gefehlt hat. Die Göttinger Universität hat M. 1837 honoris causa zum Doctor der Philosophie, die Münchner bald darauf (1839) zum Doctor juris promovirt. In dieser Zeit hatte sich M. bereits nach Baiern gewendet, weil er in Preußen nicht fand, was er suchte, nämlich einen akademischen Lehrstuhl, und weil, wie er sich gelegentlich ausdrückte, er sich dem damals in Preußen geltenden politischen System gegenüber daselbst nicht wohl fühlte. Das in jenen Jahren in Baiern herrschende sog. Abel’sche System ließ ihn allerdings hoffen, hier einen seinen Neigungen zusagenden Wirkungskreis zu finden; denn diese waren eben so feindselig gegen das protestantische Preußen gekehrt, als sie den Grundsätzen des Ministeriums Abel entsprachen. Es dauerte in der That nicht lange, so erhielt M., von seinen gleichgesinnten Freunden in München nachdrücklich unterstützt, im November 1839 auf sein Ansuchen eine außerordentliche Professur in der juristischen Facultät zu Würzburg, die bereits im März 1840 in eine ordentliche verwandelt wurde. Seine Bestallung erfolgte für die Fächer des bairischen Staatsrechtes, des Bundesrechtes, der deutschen Staats- und Rechtsgeschichte und des französischen Rechtes. Die weitere Entwickelung und Thätigkeit des unzweifelhaft begabten Mannes war nun freilich der Art, daß sie nur einen ungünstigen und betrübenden Eindruck hervorrufen kann. Für die Wissenschaft hat er trotz der vielversprechenden Anfänge seit dem J. 1840, wo die Schrift „über das Alter und die Heimath der „lex Salica“ erschien, nichts mehr geleistet und an seiner Wirksamkeit als Lehrer hat er nach wenigen Jahren seiner Anstellung ebenfalls die Freude verloren und Mittel und Wege der unerfreulichsten Art gefunden, sich seinen Berufspflichten zu entziehen. Als im J. 1848 das deutsche Parlament in Frankfurt zusammentrat, nahm er dort seinen Aufenthalt, ohne zunächst ein Mitglied desselben zu sein, und das Ministerium in München war so gefällig, ihm zu diesem Privatvergnügen den erbetenen Urlaub zu gewähren. Erst im August 1848 wurde er in einem westfälischen Wahlkreise wirklich in das Parlament gewählt und trat in dasselbe ein, ohne der bairischen Regierung oder seiner Facultät in Würzburg auch nur eine Anzeige zu machen; erst mehrere Monate später hat er in Folge an ihn ergangener nachdrücklicher Mahnungen das dreist Unterlassene nachgeholt. Seine Thätigkeit in Frankfurt war nicht gerade geräuschvoller Natur, hinter den Coulissen hat er jedoch schwerlich versäumt, im Sinne der ultramontanen und preußenfeindlichen Wünsche kräftig zu arbeiten, denn als Mann der Opposition war er auf seinem eigentlichen Felde und er hat später auch in anderen Verhältnissen eine wahre Meisterschaft hierin bewährt. Als die Nationalversammlung in Frankfurt sich auflöste, fiel es M. nicht ein, nach Würzburg [560] zurückzukehren und die Erfüllung seiner Berufspflichten wieder aufzunehmen, sondern er ließ sich nach einiger Zeit in Köln nieder und übernahm die Redaction der sog. „Deutschen Volkshalle“, die die kaum verhehlte Bestimmung hatte, die Bevölkerung der Rheinlande gegen die preußische Regierung aufzureizen und Unkraut zu säen. Die bairische Regierung, bez. das bairische Cultusministerium ließ auch dieses ruhig geschehen und M. seinen Gehalt unbehindert fortbeziehen, obwohl die Würzburger juristische Facultät nichts versäumt hat, diesem unwürdigen Zustand ein Ende zu machen und M. zu seiner Pflicht zurückzuführen oder seine Professur anderweitig zu besetzen. Erst im October 1850 ließ sich das von Würzburg aus gedrängte Ministerium zu der Erklärung herbei, daß das Benehmen Müller’s zu der Annahme zwinge, daß derselbe auf seine Professur verzichtet habe! Der berührte Aufenthalt Müller’s in Köln hat jedoch nur so lange gedauert, bis die preußische Regierung die Geduld verlor und durch die Ausweisung des dreisten Publicisten ihm ein Ziel setzte. M. hat später wiederholt und so kühn als möglich behauptet, er habe im Einverständnisse mit der baierischen Regierung jenes sein journalistisches Amt in Köln versehen und es seien ihm Zusicherungen der bestimmtesten Art in Betreff seiner Zukunft gemacht worden. Was daran Wahres, ist schwer zu entscheiden; ist die Behauptung nicht ganz erfunden, so war M. später wenigstens niemals im Stande, etwas Schriftliches dafür vorzuweisen. Genug, als seines Bleibens in den Rheinlanden, wie erwähnt, nicht mehr war, erschien er in München und betrieb auf Grund der ihm angeblich gemachten Versprechungen seine Versorgung mit irgend einem ihm zusagenden Amte, am liebsten in München selbst. Das bairische Ministerium befand sich diesem ungestümen Bittsteller gegenüber in Verlegenheit und ergriff um ihn loszuwerden, den traurigsten Ausweg, auf welchen es verfallen konnte, d. h. sie ernannte ihn zum o. Professor der deutschen Philologie in der philosophischen Facultät in Würzburg, da hier gerade die Besetzung dieser Professur in Frage stand. Die Zumuthung, die mit dieser Ernennung der Universität Würzburg gemacht wurde, war nach allem Vorausgegangenen der allerstärksten Art, davon nicht zu reden, daß die Qualification Müller’s gerade für diesen Lehrstuhl doch einigermaßen zweifelhaft erscheinen mußte. Es gehörte auch eine eherne Stirn dazu, nach dem oben erwähnten Verhalten Müller’s gegenüber dieser Corporation, wenn auch noch so unfreiwillig wieder in ihrer Mitte und gegen ihren Willen Platz nehmen zu wollen. Senat und Facultät säumten auch nicht, um die Zurücknahme dieser Ernennung zu bitten, das Ministerium Zwehl wies aber die wohlbegründete Bitte entschieden zurück und es hatte somit bei dem Geschehenen zunächst sein Bewenden. M. ist übrigens dieses seines ihm übertragenen Amtes, freilich aus eigener Schuld, nicht froh geworden, noch viel weniger aber vermochte die Universität, der er unter so bedenklichen Umständen aufgezwungen war, sich dieses Zuwachses zu erfreuen. M. war einer regelmäßigen Thätigkeit, wie sie ein akademisches Lehramt erfordert, längst entwöhnt, und es hätte ein aufopfernder Eifer für die ihm anvertraute Disciplin dazu gehört, für sie die Theilnahme der Studirenden zu erwecken und festzuhalten. Da diese Eigenschaft ihm aber fehlte, so blieb das herrliche Fach trotz seiner Ernennung für dasselbe in Würzburg thatsächlich länger als ein Jahrzehnt hindurch verwaist, M. dagegen verwendete seine Gaben zu Stänkereien in der Facultät und quälte zugleich das Ministerium mit fortgesetzten Gesuchen um Beurlaubung und um Gehaltserhöhung oder doch um außerordentliche Geldunterstützungen, die ihm in der That Jahre hindurch immer aufs Neue gewährt wurden. Wenn gegenüber dieser unbegreiflichen Langmuth der Staatsregierung die Behauptungen Müller’s von seinen gegründeten Ansprüchen auf besonderen Dank von Seiten derselben Glauben gefunden hatten, so hätte dieselbe sich darüber kaum zu beklagen gehabt. Erst der Rücktritt des Ministers von Zwehl und die Thatkraft [561] seines zweiten Amtsnachfolgers, des Ministers von Gresser, machte diesem in jeder Beziehung unwürdigen Zustande ein Ende. Da M. auch jetzt fortfuhr, seine fortgesetzten Anforderungen um außerordentliche Unterstützungen sogar in drohender Sprache zu wiederholen, so wurde er von dem Ministerium aufgefordert, den Nachweis seiner Ansprüche zu liefern, und da er dieses nicht vermochte, erfolgte nach eingeholter Begutachtung von Seiten des Senates, jedoch unter den denkbar günstigsten Bedingungen, im Januar 1868 seine Versetzung in den Ruhestand. Er nahm seinen Aufenthalt bald außerhalb Würzburgs, in Aschaffenburg, und trat seit dieser Zeit in das Dunkel zurück, das er nur gelegentlich durch anonyme Ausbrüche seines nie ganz überwundenen Ingrimms in Journalartikeln und Broschüren unterbrach. Am 26. Mai 1876 ist er gestorben. Eine reich angelegte Natur ist durch die verkehrte Verwendung ihrer Gaben und durch eine bedauerliche Entwickelung des Charakters danklos und ruhmlos dahingegangen.

Nach den Originalacten der Universität Würzburg.