Zum Inhalt springen

ADB:Martens, Georg von

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Martens, Georg Matthias von“ von Ernst Wunschmann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 20 (1884), S. 467–471, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Martens,_Georg_von&oldid=- (Version vom 18. November 2024, 08:45 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Nächster>>>
Martens, Carl von
Band 20 (1884), S. 467–471 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Georg von Martens in der Wikipedia
Georg von Martens in Wikidata
GND-Nummer 116800763
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|20|467|471|Martens, Georg Matthias von|Ernst Wunschmann|ADB:Martens, Georg von}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=116800763}}    

Martens: Georg Matthias v. M., geb. den 12. Juni 1788 auf einem Landgute bei Venedig, † den 24. Februar 1872 in Stuttgart, Jurist von Beruf, hat sich mit Neigung und Erfolg mit den Naturwissenschaften, vorzüglich mit Botanik, beschäftigt. Auf der Universität Tübingen, die er 1807 bezogen, absolvirte er seine juristischen Studien, genoß aber daneben auch die Unterweisungen der Naturforscher Kielmeyer und Bohnenberger und hörte bei Rösler allgemeine Geschichte. Im J. 1811 bestand er die Staatsprüfung und wurde bald darauf Secretär am damaligen Oberjustizcollegium in Stuttgart. 1818–1821 wirkte er amtlich in Ulm. Nach Stuttgart zurückversetzt, erhielt er 1823 neben seiner bisherigen Stellung das Amt eines Bibliothekars beim Obertribunal, 1829 das eines officiellen Dolmetschers für die italienische, spanische und portugiesische Sprache bei den Ministerien der Justiz und des Innern; 1836 den Titel Kanzleirath. Nach 44jähriger Dienstzeit wurde er im J. 1855 auf seinen Wunsch in den Ruhestand versetzt, der seinem trotz hoher Jahre ungebeugten Geiste noch eine 17jährige arbeitsreiche Mußezeit gewährte, der erst sein im 84. Lebensjahre erfolgter Tod ein Ziel setzte. Martens’ wissenschaftliche Thätigkeit war ganz den Naturwissenschaften gewidmet und bewegte sich auf diesem Gebiete nach den verschiedensten Richtungen. Die größeren Pausen, die sein Dienst ihm gewährte, benutzte er zum Theil zu recht ausgedehnten Reisen. Während seiner Ulmer Thätigkeit bereiste er Oesterreich und Oberitalien und sammelte für das Naturaliencabinet [468] in Stuttgart Naturalien, besonders Fische in Venedig. Die Resultate eines Ausflugs an den Bodensee, sowie seiner Studien der Thier- und Pflanzenwelt der schwäbischen Alp veröffentlichte er in einzelnen Aufsätzen in der geographischen Zeitschrift „Hertha“ und im Correspondenzblatte des landwirthschaftlichen Vereins für Württemberg. Vor Allem aber beschäftigte ihn lebhaft die Naturgeschichte seines Geburtslandes Italien, die möglichst vielseitig zu schildern ein Lieblingswunsch seines Lebens geblieben ist. So entstand im J. 1824 sein erstes größeres Buch „Reise nach Venedig“ in 2 Bänden, in welchem er in anspruchsloser Weise zusammenfaßt, was er auf seinem Reisewege in verschiedenen Ländern beobachtet und in verschiedenen Fächern der Wissenschaft sich angeeignet hat. Der Anhang enthält eine sorgfältig nach eigener Erfahrung und der vorhandenen Litteratur ausgearbeitete Zusammenstellung aller bei Venedig vorkommender Thiere und Pflanzen nebst Beschreibung und Abbildung mehrerer neuer Arten aus beiden Reichen. Einen Abschluß indessen finden Martens’ italienische Studien erst in der 20 Jahre später, 1844–1846 erschienenen umfassenderen Arbeit „Italien“. Dieses dreibändige Werk, auf Grund eines sechsmaligen Besuches Italiens und mit Hülfe der besten derzeitigen litterarischen Quellen verfaßt, ist das Resultat einer zwölfjährigen Arbeit. Alles, was den Gebildeten an Italien fesseln und interessiren kann, sucht der Verfasser vom objectiven Standpunkte aus, allerdings auch mit der Liebe eines Heimathsberechtigten, so zu schildern, daß, wie es in der Vorrede heißt: „jedem klar werde, nicht nur, was da ist, sondern auch warum es da ist.“ Während der erste Band „Italisches Land“ betitelt, das Orographische, Geognostische, Hydrographische und Klimatische behandelt, bildet die zoologisch-botanische Seite den Inhalt des zweiten Bandes „Italisches Leben“. Hier werden ebensowol die freien, in ihrer Verbreitung von den Alpen bis zum Meere, als auch die vom Menschen eingeführten Kulturpflanzen und Hausthiere im gegenwärtigen Zustande geschildert, ohne fachwissenschaftliche Beschreibung im Einzelnen, oft aber mit vergleichender Bezugnahme auf die aus dem Alterthum überlieferten Notizen; die Menschen selbst aber nach Abstammung, Sprache und Dialekten, Volkscharakter, Religion, Trachten, Spielen, sowie nach den geographischen Abstufungen und der Bevölkerungsdichtigkeit. In diesen Schilderungen bewegt sich der Verfasser auf dem ihm vertrautesten, durch persönliche Anschauung und Erfahrung bekannt gewordenen Gebiete und hat mit diesem Bande daher auch den lebensvollsten Theil seiner Arbeit geliefert. Der dritte Band „Die Staaten“ ist der politischen Eintheilung und der Topographie gewidmet. Unter den fachwissenschaftlichen Werken Martens’ war sein erstes die im J. 1834 in Gemeinschaft mit dem Tübinger Professor G. Schübler herausgegebene „Flora von Württemberg und Hohenzollern“, wozu der Stuttgarter landwirthschaftliche Verein die erste Anregung gegeben hatte. Als thätiges Mitglied desselben hatte M. den botanischen Sammlungen durch Ueberweisung vieler von ihm gesammelter Pflanzen sein besonderes Interesse bewiesen. Ein Ausflug nach dem Schwarzwalde im Juli 1826 und eine mit Schübler im Juni 1832 unternommene Reise in die südöstliche Ecke von Württemberg, namentlich nach dem schwarzen Grat bei Isny, gaben ihm die Möglichkeit zu sammeln und zu beobachten. So entstand das Material zu der „Flora“, deren Fertigstellung indessen Martens’ Mitarbeiter Schübler nicht mehr erlebte. Die Pflanzen sind in dem Buche nach dem Linné’schen System geordnet, die Beschreibungen in klarer, präciser Form verfaßt, so daß das Buch zu den für damalige Zeit besten Specialfloren zu zählen ist. Namentlich ist anerkennend hervorzuheben, daß die damals von den strengen Botanikern vernachlässigten Kulturpflanzen mit ihren zahlreichen Abarten in besonderer Ausführlichkeit [469] behandelt sind. Im J. 1865, also 31 Jahre später, erschien eine zweite Auflage dieser Flora, im Verein mit dem Pfarrer Kemmler von M. bearbeitet. Auch sie verdankt ihr Entstehen einem wissenschaftlichen Verein, dem um diese Zeit gegründeten Vereine für vaterländische Naturkunde in Württemberg. In dessen Interesse hat M. viel gearbeitet und für die naturgeschichtliche Erforschung des Landes durch seine „Beiträge zu v. Seckendorf’s Verzeichniß der württembergischen Mollusken“ (1846), durch seine „Aufzählungen der württembergischen Farne“, hauptsächlich aber durch die Anlegung und sorgfältige Verwaltung eines neuen Herbariums württembergischer Pflanzen für den Verein, nennenswerthes geleistet. Die seit dem Erscheinen der ersten Auflage der „Flora“ verstrichene Zeit hat M. fleißig zu neuen Beobachtungen benutzt und zum Vortheil des Werkes verwendet. Die zweite Auflage umfaßt 1413 Arten wildwachsender und 96 cultivirter Pflanzen, gegenüber 1207 Arten in der älteren Auflage. Dem neueren Standpunkt der Wissenschaft entsprechend, ist das natürliche System zu Grunde gelegt, auch sind die Coniferen als selbständige Abtheilung behandelt und den Monocotylen nachgestellt. Indessen sind die lateinischen Diagnosen der species durch deutsche ersetzt. Hinsichtlich der systematischen Begrenzung der Gattungen und Arten ist Koch’s Synopsis flor. germ. zu Grunde gelegt, allerdings mit theilweise nicht unerheblichen Abweichungen, namentlich, was die Aufstellung der Gattungen anlangt. In noch höherem Maße aber wie in der ersten Auflage sind die allgemeinen Verhältnisse der Pflanzen des behandelten Gebietes in vortrefflicher Weise geschildert. Dahin zu rechnen sind die Bemerkungen über das Schicksal der Pflanzenwelt durch die Zunahme der Bearbeitung des Bodens, über Dauer und Vertheilung auf die für Württemberg angenommenen vier Pflanzengebiete, über Einfluß der Wärme, Entwicklung der Farbstoffe und Gerüche. Werthvoll endlich sind auch die Nachweise über die Kulturgewächse, wobei Bau und Verbreitung des Weines, Obstes und Getreides in erster Linie berücksichtigt worden sind. Mit diesen letztgenannten, bis dahin bei systematischen Werken nicht üblich gewesenen Betrachtungen ist M. gewissermaßen seiner Zeit vorausgeeilt. Eine dritte, von Kemmler aufs neue durchgesehene und ergänzte Auflage der „Flora“ ist 1882 erschienen. Von kleineren Arbeiten, welche durch Anregung des „Vereins für vaterländische Kultur“ entstanden sind, seien noch folgende erwähnt. Ein Aufsatz „Die Dohlen in Württemberg“, 1847 publicirt, schildert das Vorkommen dieser Vögel im engeren Vaterland; ganz frei von geographischen Schranken dagegen bewegt sich der Verfasser in den „Menagerie-Beobachtungen“, welche sich durch die Jahreshefte 1847 bis 1858 erstrecken und zu den anziehendsten seiner Arbeiten gehören, zumal die Schilderung des Zusammenlebens der verschiedenaitigen Thierarten in Hüntgen’s „Omnismus erbfeindlicher Thiere“. Auch die Pflanzenfarben bildeten längere Zeit den Gegenstand der Studien Martens', welche 1862 zu einer größeren Arbeit in den Jahresheften führten, worin der Nachweis versucht wurde, unter welchen Umständen und in welchem Umfange die Farben der Blätter und Blüthen sich verändern oder in einander übergehen. An diese Farbenvergleichungen knüpft auch eine andere Arbeit an, die über die Gartenbohne, vom J. 1860. Die verschiedenen Form- und Farbenabänderungen der Bohnen werden unter Zugrundelegung einer Reihe schöner Abbildungen in systematischer Weise behandelt; auch in einer zweiten Ausgabe von 1869 die Bohnensorten Ostasiens besprochen. Noch in Martens’ letzte Lebensjahre fällt die Veröffentlichung eines bedeutenden Werkes. Es ist das die 1816 erschienene Bearbeitung der im Gefolge der Expedition des preußischen Kriegsschiffes Thetis nach Ostasien hauptsächlich von seinem Sohne, dem Zoologen Eduard v. M., gesammelten und mitgebrachten Algen. Für diese [470] Abtheilung des Gewächsreiches hatte M. von jeher eine Vorliebe besessen und ihrem Studium einen großen Theil seines Lebens gewidmet. Schon in der „Reise nach Venedig“ werden die Algen besonders ausführlich behandelt und mit ihrem Studium wuchs auch das ihm zu Händen kommende Material, so daß er eine Algensammlung hinterließ, die zu den reichsten derartigen Sammlungen seiner Zeit gehörte. Unbestritten genoß M. den Ruf einer Autorität auf algologischem Gebiete, wiewol er weniger durch gedruckte Publicationen, als durch einen ausgebreiteten Briefwechsel und regen Tauschverkehr diesen speciellen Theil der Botanik gefördert hat. Was nun die letzterwähnte Arbeit betrifft, welche unter dem Titel „Die preußische Expedition nach Ostasien. Nach amtlichen Quellen. Die Tange. 1866“, den botanischen Theil des officiellen Reisewerkes ausmacht, so umfaßt dieselbe ein Material, das in Portsmouth, auf Madeira, im Sargasso-Meer, in Rio Janeiro, der Simonsbai am Cap, im indischen und stillen Ocean zwischen den Wendekreisen und in Nordchina und Japan gesammelt wurde. Die Bestimmung und systematische Anordnung der Formen, unter Ausschluß der von einem anderen Fachmanne bearbeiteten Diatomaceen, ist nach Fr. Tr. Kützing’s „Species Algarum“ erfolgt. Bei jedem einzelnen Gebiete wird ausführlich dargelegt, was der Kenntniß der Formen und besonders ihrer geographischen Verbreitung neues durch die Sammlungen der Expedition hinzugefügt worden ist. Die neuen Arten sind genau diagnosticirt und abgebildet. Am Schlusse jedes Abschnittes findet sich eine Charakterisirung der betreffenden Algenflora. In dem bezeichneten Gebiete des indischen und stillen Meeres wurden 185 Algen gesammelt, von denen 107 aus dem Gebiete noch nicht bekannt und 23 ganz neue waren. Aus dem Gebiete von Nordchina und Japan stammen fünf Süßwasserformen und 111 Meeresformen, wovon 81 bis dahin daselbst noch nicht aufgefunden waren. Innerhalb derselben Richtung war M. auch anderweitig während seiner letzten Lebensjahre thätig. Verschiedene Listen brasilianischer und indischer Algen, die er bestimmt und wodurch die Wissenschaft um viele neue Arten bereichert wurde, publicirten die Einsender derselben in auswärtigen Zeitschriften. Die Sammlungen Anderer sah er durch und bestimmte er, und wenn er dadurch auch manchen Zuwachs für die eigene Sammlung erhielt, so war doch der Zuschuß, den er selbst aus seinem Doublettenvorrathe dagegen gab, meist viel größer. Nach seinem Tode überließen die Erben die reichhaltigen Sammlungen dem Berliner botanischen Museum als Geschenk. Eine durch den Sohn Eduard v. M. nach den sorgfältig geordneten Katalogen vorgenommene Zählung ergab insgesammt 12,439 Pflanzenarten, von denen 6666 Species Phanerogamen und unter den Kryptogamen allein 4101 Arten Algen waren. Diese Sammlung enthielt die Originalexemplare zu der „Flora Württembergs“, ferner eine große Anzahl italienischer Pflanzen, sowie mehrere werthvolle Collectionen, welche der württembergische Reiseverein ausgegeben hatte, endlich noch die Sammlungen von Kappler, Kotschy, Ludwig, Schimper (Arabien) und Vincent. Die ganze Sammlung zeichnet sich durch außergewöhnliche Sauberkeit, ja Eleganz und durch Vollständigkeit und Zuverlässigkeit der Bestimmungen aus. – Die mannigfaltige und anspruchslose wissenschaftliche Thätigkeit Martens’ brachte ihm im Laufe der Zeit die Ehrenmitgliedschaft einer ganzen Reihe in- und ausländischer gelehrter Gesellschaften ein. Eine besondere Freude aber gewährte es ihm, von der naturwissenschaftlichen Facultät zu Tübingen aus Anlaß ihrer Gründung im J. 1863 das Doctordiplom honoris causa zu erhalten. Wie er hierin den äußeren Ausdruck der Achtung und Verehrung erblicken durfte, die seine wissenschaftlichen Leistungen bei seinen Fachgenossen und Correspondenten erfuhren, so haben auch nicht minder seine edlen Charaktereigenschaften ihn allen [471] denen lieb und werth gemacht, die je ihn gekannt oder näheren Umgang mit ihm gepflogen haben. In der botanischen Wissenschaft bleibt sein Name durch die von Hering aufgestellte, von Krauß in der Natalbay entdeckte Florideengattung Martensia erhalten.

E. v. Martens, Lebensbild des Kanzleiraths Dr. G. v. M.