Zum Inhalt springen

ADB:Mascov, Gottfried

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Mascov, Gottfried“ von Johann August Ritter von Eisenhart in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 20 (1884), S. 551–554, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Mascov,_Gottfried&oldid=- (Version vom 21. November 2024, 21:21 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Maschek, Vincenz
Band 20 (1884), S. 551–554 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Gottfried Mascov in der Wikipedia
Gottfried Mascov in Wikidata
GND-Nummer 117556904
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|20|551|554|Mascov, Gottfried|Johann August Ritter von Eisenhart|ADB:Mascov, Gottfried}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=117556904}}    

Mascov: Gottfried M. (auch Mascovius), Rechtsgelehrter, geb. am 26. September 1698 zu Danzig, † am 5. October 1760 zu Leipzig, ist der Sohn ehrsamer Bürgersleute und jüngerer Bruder des geschätzten Historikers Johann Jakob M. (s. diesen). Frühzeitig beider Eltern beraubt, erhielt er durch die Fürsorge seines Vormundes eine gediegene wissenschaftliche Bildung; bezog 1716 die Universität Leipzig und erlangte am 28. Mai dieses Jahres das akademische Bürgerrecht. Dort wirkte bereits Joh. Jak. M. als Docent, und bot seinem jüngeren Bruder bei jeder Gelegenheit hülfreiche Hand. Nach Verlauf von vier Jahren unterzog sich letzterer mit bestem Erfolge der Anwaltsprüfung, und nahm sodann als Sachwalter bei den Gerichten Praxis. Von hier ging er nach Altdorf, wurde dort 1724 nach Vertheidigung der Inaugural-Dissertation „de sectis Sabinianorum et Proculianorum in jure civili“ – welche 1728 zu Leipzig in vermehrter Auflage erschien, – Licentiat der Rechte, noch im nämlichen Jahre Doctor und Magister der Philosophie, und kehrte hierauf [552] nach Leipzig zurück, wo er öffentliche Vorträge hielt. Als 1727 Gottl. Heineccius von der friesischen Hochschule Franeker nach Frankfurt a. O. übersiedelte, schlug er den ihm persönlich fremden Docenten „in Ansehung der ihm bekannten gründlichen Studien nachdrücklich zum successor“ vor. Obwohl nun M. an erster Stelle in Aussicht genommen war, zerschlug sich doch der Plan, weil (wie aus brieflichen Andeutungen des Heineccius zu entnehmen), die dortigen Theologen an dem lutherischen Bekenntnisse des zu Berufenden Anstoß nahmen. Indessen fand Heineccius bald neue Gelegenheit sich M. gefällig zu erweisen, indem er ihn den Curatoren der Geldern’schen Akademie zu Harderwyck an Stelle des mit Tod abgegangenen Arnold Rotgersius nannte. M. hatte sich schon früher auf einer Reise dort aufgehalten und wurde ihm mit einem schmeichelhaften Schreiben vom Juli 1728 gegen ein Honorar von 700 fl. die ordentliche Professur der Rechte daselbst übertragen. M. erbat sich nun in Altdorf die Ertheilung des ihm unentbehrlichen Doctorgrades, welchen er in Anerkennung seiner wissenschaftlichen Leistungen am 5. August 1728 erhielt, worauf er an seinen neuen Bestimmungsort reiste, am 15. Juni 1729 mit einer Rede „de modestia Ictorum“ sein Amt feierlich antrat, und schon im nächsten Jahre (1730) zum Rector gewählt wurde. Auf das Ansehen der Schule bedacht, wollte er statt der Käuflichkeit des Doctorgrades geordnete Prüfungen treten lassen, fand jedoch in Professor Pagenstecher einen entschiedenen Gegner. Im Uebrigen lebte er gänzlich der Wissenschaft; sein rasch wachsender Ruf zog aus nah und ferne eine jährlich zunehmende Schülerzahl nach Harderwyck, weßhalb dessen damalige Blüthe mit Mascov’s Namen aufs innigste verknüpft ist. So konnte er denn in einem amtlichen Schreiben vom Mai 1734 in Wahrheit von sich sagen: Es sei ihm nach sechs Jahren gelungen, von der Blüthe des deutschen und brittischen Adels die besten Jünglinge um sich zu schaaren. Trotz solch angenehmen Verhältnissen hegte M. den Wunsch nach einem Wechsel des Wohnortes, theils wegen des Klima, welches ihm für seine Gesundheit, namentlich für seine angegriffenen Augen Befürchtungen einflößte, theils wegen des für ein standesgemäßes Auskommen zu knapp bemessenen Gehaltes. Als ihn daher Minister Münchhausen 1735 an die neuzugründende Universität Göttingen rief, wo ihm nach Gebauer und Reinharth die dritte Professur für Jurisprudenz mit einem Gehalte von 800 Imperialen und dem Titel eines königlichen Hofrathes angeboten wurde, folgte er ohne Zaudern diesem Anerbieten. Die Göttinger Juristen-Facultät erfreute sich vorzüglicher Besetzung; hierin lag für M. ein mächtiger Antrieb durch litterarische Thätigkeit auch von seiner Befähigung Zeugniß zu geben. Wir besitzen von ihm aus jener Periode nicht weniger als 29 handschriftliche Dissertationen über J. Böhmers Lehre von den Klagen; dann veröffentlichte er mehrere „Praelusiones“ wie de redhibitione equorum (1738), de rationibus decidendi (e. a.), de matrimonio putativo (e. a.), de eo quod singulare est in demonstrationibus (1739), de collatione bonorum (1742), de censu Judaico u. s. f. Damals hatte er auch eine kritische Ausgabe des Gravina unter dem Titel veranstaltet: „Jani Vinc. Gravinae Icti opera, seu originum juris civilis libri tres, quibus accedunt de Romano imperio liber singularis, ejusque Orationes et Opuscula latina“ (Lips. 1737), und sind die zahlreich beigefügten Mascov’schen Noten zum Verständnisse Gravina’s fast unentbehrlich. In diese Periode litterarischen Schaffens fällt ferner eine „notitia juris et judiciorum Brunsuico-Lüneburgicorum, accedit notitia juris Osnabrugensis et Hildesensis“ (Gottingae 1738), die erste systematische Bearbeitung der Quellen jener heimischm Particularrechte in den verschiedenen Gebieten; hieran wollte der Verfasser zum Vergleiche des Braunschweig-Lüneburgischen Rechtes mit dem gemeinen ein Pandekten-Compendium reihen, und hatte bereits die letzte Feile an dieses Werk [553] gelegt, als ein leidiger Vorfall ganz unerwartet Mascov’s Stellung in Göttingen unmöglich machte, und so auch das Erscheinen des Werkes vereitelte. Zwischen M. und einigen seiner Collegen bestand seit Längerem eine im Stillen genährte Zwietracht und es bedurfte nur eines geringen Anlasses, um den heimlich glimmenden Funken zur lodernden Flamme zu entfachen. Solchen Anlaß bot ein schwieriger Rechtsfall, der zur zweitmaligen Entscheidung an das Spruchcollegium gelangt, dort Meinungsverschiedenheiten hervorrief. Die Berathung steigerte sich zu lebhafter Debatte, die Debatte zu heftigem Wortwechsel, der Wortwechsel zu Thätlichkeiten, indem Mascov in seinem leidenschaftlichen Wesen sich selbst vergessend, zwei der Mitvotanten, Reinharth und Ayrer, beohrfeigte, dem geheimen Rathe Gebauer aber, der als wissenschaftlicher Nebenbuhler mit M. auf besonders gespanntem Fuße stand, – das Gesicht tüchtig zerkratzte. Die Mißhandelten wurden klagbar; die Geschichte erregte in dem stillen Göttingen ungeheures Aufsehen; nur M. selbst nahm sie leichthin, und meinte gegenüber dem Theologie-Professor Feuerlein, der ihm sein ungeeignetes Benehmen vorhielt: es gebe wohl kein Collegium, dessen Mitglieder nicht bisweilen sich in die Haare geriethen! Allein die gegen M. eingeleitete Disciplinaruntersuchung endete, wie vorauszusehen war, mit dessen Verurtheilung, und sämmtliche Professoren der Juristenfacultät erklärten, ihre Stellen niederzulegen, wenn die Beleidigten nicht volle Genugthuung erführen, so daß dem Minister Münchhausen, welcher den reichbegabten Lehrer um seiner Talente willen hoch schätzte und gerne gehalten hätte, nichts übrig blieb, als denselben zu entlassen. M. wandte sich nun 1739 nach Leipzig, wo sein Bruder Joh. Jak. noch in Amt und Ansehen stand. Ohne Vermögen, ohne Gehalt oder andere Einnahmequellen litt er, obwohl von Jugend auf an die einfachste Lebensweise gewöhnt, bittere Noth, und waren ihm daher die geldarmen Zustände, welche zu jener Zeit in Sachsen herrschten, doppelt empfindlich. Trotzdem verbarg er seine Armuth, nur dem Bruder schüttete er sein übervolles Herz aus:

Pars vitae periit, premitur altera fame,
Eheu! seminecem, Frater! ne desere fratrem!

Mit diesen und ähnlichen Klageworten fleht er in seiner Bedrängniß den stets Hülfebereiten an, dessen Einflusse er theilweise den zunehmenden Besuch seiner Vorträge über römisches und namentlich über Völker- und Naturrecht zu danken hatte. Allerdings ging er auch bei diesen Vorträgen mit großer Gründlichkeit zu Werke, indem er auf die Vorbereitung zu einer Vorlesung oft acht bis neun Stunden verwandte. Als der Fachprofessor Joh. Friedr. Höckner 1748 mit Tod abging, wurde er an dessen Stelle als professor ordinarius juris gentium et naturae ernannt; aus diesem Anlasse schrieb er das Programm: „Selectae quaestiones juris naturae et gentium inter Grotium et Pufendorfium controversae,“ ferner verfaßte er die „exercitatio juridica de collatione bonorum (1742),“ nebst einigen minder erheblichen Abhandlungen wie „de ingenio judicis“ (1750), „de saltu Leucadio“ (1754) etc. und versah (1745 und 46) die Bücher 2, 3 und 4 der italienischen Geschichte Ludwig Anton Muratori’s mit Vorreden und reichhaltigen geschichtlichen Anmerkungen. Das Hauptwerk Mascov’s aber während dieses Leipziger Aufenthaltes, überhaupt eine der gediegensten Arbeiten unsers Gelehrten sind dessen Erläuterungen zu Sam. Freih. v. Pufendorf’s acht Büchern Natur- und Völkerrecht, welche 1744 zu Frankfurt und Leipzig unter dem Titel: „Sam. a. Puffendorf de jure naturae et gentium libri octo etc. etc. recensuit et animadversionibus illustravit Gottfr. M.“ erschienen, und in der Einleitung das Leben und die wissenschaftlichen Verdienste Pufendorf’s eingehend schildern. In der letzten Lebenszeit Mascov’s machte sich eine auffallende Aenderung seines ganzen Wesens bemerkbar. Der früher so anregende und strebsame Mann, der [554] mit Begeisterung an den vom Alterthume überlieferten Schätzen der Litteratur hing, wurde taub gegen Fragen der Wissenschaft und mied ängstlich allen geselligen Umgang. Von tiefer Verachtung gegen die Welt und ihr Treiben erfüllt, las er nur noch die fünf Bücher Moses in der Alexandrinischen Uebersetzung; er starb nach kaum erreichtem 62. Jahre nicht an den Folgen einer Krankheit, sondern an vorzeitigem Verfalle der Körperkräfte. M. hat in seinem früheren Schüler, dem Leipziger Professor J. L. E. Püttmann, welcher die theilweise selten gewordenen „opuscula juridica et philologica“ seines Lehrers mit Anmerkungen neu auflegte (Lips. 1776) nicht nur einen warmen Anhänger und Verehrer, sondern auch einen beredten Biographen gefunden, unter dessen geübter Feder die Lebensbeschreibung (Memoria G. Mascovii autore Püttmanno. Lips. 1771) sich zu einem Panegyrikus gestaltete. M. war aber nicht blos ein namhafter Gelehrter und Schriftsteller, er war zugleich wenn auch heftig, ja leidenschaftlich, ein Mann von durchaus ehrenhaftem, festem Charakter, denn eher hätte (wie Püttmann behauptet) die Sonne ihre Bahn geändert, als M. den Pfad der Ehre verlassen. Als Forscher und Schriftsteller zeichnete er sich durch Gründlichkeit und Genauigkeit aus („scribebat non multa – sed multum“); er wußte seine Gedanken in gewählten Worten und fließendem Stile zum Ausdruck zu bringen, weshalb er als Hauptvertreter der sogenannten „eleganten Jurisprudenz“ von den Zeitgenossen hoch geschätzt wurde. Schon als Jüngling an eine unabhängige Lebensweise gewöhnt, war er gerade kein erklärter Gegner der Frauen, doch fürchtete er deren Streit- und Herrschsucht, weshalb er unverheirathet blieb. – Ein Verzeichniß seiner Schriften bei Hirsching s. v. Mascov.

Die Hauptquelle f. Gottfr. M. ist das obengenannte Werk: J. L. E. Püttmanni „memoria Gottef. Mascovii etc.“ (mit 15 theils von theils an Mascov geschriebenen Briefen aus der Periode v. 1725–1755). Dann die Vorrede desselben Verf. zu M. opuscula juridica et philologica.Meusel B. 8 und die dort Genannten.