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ADB:Mattersberger, Joseph

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Artikel „Mattersberger, Joseph“ von Rudolf Müller in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 20 (1884), S. 604–605, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Mattersberger,_Joseph&oldid=- (Version vom 23. Dezember 2024, 03:07 Uhr UTC)
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Band 20 (1884), S. 604–605 (Quelle).
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Mattersberger: Joseph M., Bildhauer, geb. 1754 zu Windischmatrey in Tirol, † zu Breslau am 10. Nov. 1825, kam, entsprechend seinem schon in früher Jugend sich äußernden Talente zum Bildhauer Joh. Hagenauer, damaligem Hofstatuarius zu Salzburg, in die Lehre, dem er auch nach Ablauf der Lehrzeit als Gehilfe – wahrscheinlich bis 1794 – zur Seite stand, da Hagenauer um diese Zeit an die Akademie nach Wien berufen wurde, M. dagegen als fahrender Geselle den Weg nach Passau einschlug. Anziehung hiefür übte jedenfalls der seit seiner Rückkehr aus Italien dort als Cabinetsmaler und Truchseß der letzten Fürstbischöfe weilende „Vetter“ Joseph Bergler (Bd. II, S. 390), durch welchen M. auch richtig Gelegenheit erhielt, sich erproben und als tüchtig bewähren zu können. Erfolg dessen war ein Stipendium für die Reise nach Italien, verbunden mit der Empfehlung an den kaiserlich österreichischen Generalgouverneur der Lombardei, Grafen Karl Joseph v. Firmian, den bekannten Förderer von Kunst und Wissenschaft. – Mailand wurde dadurch Haltestelle für ihn, wo er vorerst noch unter dem Akademieprofessor Giuseppe Franchi seiner Vervollkommnung oblag, später den Studienkreis auf Florenz und Rom ausdehnte, im Ganzen sechs Jahre in Italien verbrachte. Als die bedeutendsten Früchte dieses Aufenthaltes gelten sechs – in Florenz und Rom preisgekrönte – Apostel und vier, kolossal in Gyps ausgeführte mythologische Figuren. – Nach Deutschland zurückgekehrt, suchte sich M. zunächst in Dresden, wo der temporär hier weilende Schlachtenmaler Franz Casanova ihm besonderes Wohlwollen zuwandte, festzusetzen. Die durch diesen erworbene Gunst erwies sich aber nicht nachhaltig genug, so daß er bereitwillig einer Anwerbung nach Rußland folgte, um im Auftrage der Kaiserin Katharina eine Reihe von Standbildern für Petersburg und Moskau auszuführen. Und das also gefundene Schaffensfeld ward ergiebiger als er erwartet, denn innerhalb weniger Jahre entstanden für die verschiedenen kaiserlichen Lustschlösser 72 Statuen in Marmor, nebenbei noch eine bedeutende Anzahl für Petersburg selbst. Eine solche Arbeitsfülle erklärt sich nur aus der ungewöhnlichen Behendigkeit, mit welcher M. arbeitete. Ein älterer Biograph erzählt hierauf bezüglich, M. hätte es dahin gebracht, ein Modell von drei Figuren in drei Stunden fertig zu stellen. Unbekannt blieb, was ihn trotz solch glänzender Erfolge bewog, Rußland wieder zu verlassen. Bekannt ist blos, daß er auf dem Heimwege – 1804 – Breslau berührte, sich mit dieser Stadt schnell befreundete und zur Wiederkehr bereit erklärte, falls ihm Aufträge in Aussicht ständen. Die Weiterreise auf Prag gerichtet, galt vornehmlich dem Besuche Bergler’s, dem mitterweile für Böhmen erkorenen Leiter im Gebiete der bildenden Künste, mit welchem sich M. wol [605] auch über seine ferneren Absichten verständigt und dessen Beihülfe in Anspruch genommen haben dürfte. Kurz, das Endziel wurde erreicht: M. erhielt die Fach-Professur an der Kunst- und Bauschule in Breslau. Obschon bereits Fünfziger, brachte er nun doch noch frisches Leben und Streben in diese Schule, reformirte insbesondere das figurale Zeichnen und Modelliren an derselben. Zeugniß dessen ist ein heute noch brauchbares Schulwerk, betitelt: „Grundregel der Proportion des Menschen von 1 bis 24 Jahren nach den Antiken“, mit Beispielen auf 11 Großfolio-Tafeln, in eigenhändigen Radirungen. Dem auf der ersten Tafel angegebenen Wachsthumsverhältnisse nach Kopflängen ist als Motto beigesetzt: „Regeln gehen vor der Kunst; Ohne sie ist Müh’ umsunst. Bei den Alten sucht’ ich Grund, So ich diese hier erfund. Joseph Mattersberger. 1805.“ – Auf dem vorausgehenden Textblatte hieß es: „Gegenwärtiges Werk ist eine ähnliche Proportion wie die, deren sich die Griechen und Römer bedienten.“ … „Nr. 2, Fig. A zeigt die Generalregel von Michael Angelo und Leonhard da Vinci.“ … „Fig. 8, 9, 10, 11 zeigt die Proportion, deren sich Raphael bediente.“ … Sämmtliche Tafeln tragen das Monogramm MS, das auch seine plastischen Werke kennzeichnet. Zwar in derben, sogenannten Bildhauerstrichen ausgeführt, tragen die zur Anschauung gebrachten männlichen, weiblichen und Kinderfiguren, 22 an der Zahl, doch insgesammt das Gepräge des durch gründliche Studien sicher gewordenen, formgewandten Zeichners, ein Vorzug, der, wie alte Prager Akademiker wissen, Director Bergler bewog, diese Grundregeln der Proportion als Lehrmittel in seiner Schule einzuführen. Bemerkenswerth ist noch, daß die physische Verwandtschaft dieser beiden Künstler vermöge gleichartiger Kunstanschauung im Lichte des Eklekticismus zugleich zur geistigen auswuchs. Bergler, wie M., von gleich reicher Begabung und gleich energischer Schaffenskraft, befangen aber von den Raphael Mengs’schen Lehrsätzen, arbeiteten sie also auch weniger in die Tiefe als vielmehr in die Breite der von der Zeitströmung wieder an die Oberfläche gespielten Barocke. Insofern haben denn auch Beide ihrer Zeit genug gethan und sind Marksteine geblieben an der Grenze, über die hinaus die Neuromantiker sich ansiedelten. Von Werken M.’s sind noch namhaft zu machen: die Apostel Petrus und Paulus in der Matthiaskirche zu Breslau; die Marmorbüste von Georg Gustav Fülleborn, Philologen und Professors der classischen Sprachen am Breslauer Elisabeth-Gymnasium, † 1803; ein Modell zur Statue Peters des Großen; die Büste des sächsischen Ministers Grafen Detlev v. Einsiedel und das Standbild Feldmarschall Blüchers. Bergler ehrte M. durch Radirung von vier Apostelköpfen nach seinen Skizzen; eine andere Skizze, einen russischen Courier in seiner Kibitka vorstellend, wurde von Alexin gestochen.

Tirolisches Künstlerlexikon. Nagler’s Neues allgemeines Künstlerlexikon. Staffler, Das deutsche Tirol und Vorarlberg. Stuttg. Kunstbl. 1826. Eigene Aufzeichnungen.