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ADB:May, Bartholomäus

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Artikel „May, Bartholomäus“ von Emil Blösch in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 21 (1885), S. 80–83, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:May,_Bartholom%C3%A4us&oldid=- (Version vom 29. November 2024, 21:10 Uhr UTC)
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May: Bartholomäus M., von Bern, geb. 1446, gehörte einer jener Familien an, die in der Schweiz Handel und Geldgeschäfte trieben, und die man um ihres italienischen Ursprunges willen Lamparten oder Lombarden nannte. Schon der Vater und der Großvater des Bartholomäus waren in Bern mit Bürgerrecht niedergelassen und besaßen ein Haus daselbst, ohne daß doch der Zusammenhang mit der Mailändischen Heimath aufgehört hätte. Die Familie nannte sich italienisch de Maggi, lateinisch aber de Madiis; ein Verwandter war Johannes de Madiis, Domdecan zu Sitten, päpstlicher Protonotar, Chorherr zu Domo d’Ossola und später in einflußreicher Stellung in Rom. Auch M. wurde von seinem Vater, der seit 1458 im Großen Rathe saß, im J. 1466 nach Mailand begleitet und erhielt dort, vielleicht auch in Pavia, einen Theil seiner Bildung – er sprach deutsch, italienisch, französisch und lateinisch – wie seine Gewandtheit und Lebenserfahrung. 1468 kehrte er nach Bern zurück und betrieb nun zu jener Zeit mächtigen Culturaufschwunges in immer größerem Maßstabe sein Handels- und Bankgeschäft. Je schwieriger die Verkehrsverhältnisse noch waren, je verwickelter namentlich das Münzwesen war, um so gewinnreicher konnte der Handel sich gestalten für einen gebildeten und unternehmenden Mann; je weniger die internationalen Beziehungen noch geregelt waren, um so größer konnten die Vortheile sein, welche ausgebreitete persönliche Verbindung mit verschiedenen Ländern und mit einflußreichen Staatsmännern zu gewähren vermochten. M. trieb mit allem Handel, was die Schweiz nicht selbst producirte und was die wachsende Cultur zum Bedürfnisse machte, mit Specereien, mit Tuch, Leder, Eisen u. s. w., besonderen Gewinn zog er aber aus dem Handel mit Salz. Die Stadt Bern bezog ihren Bedarf fast ausschließlich aus den Salzwerken der Freigrafschaft Burgund mittelst Staatsverträgen; als Pächter des Monopols vermittelte M. dem ganzen Lande und zugleich einem Theil der übrigen Eidgenossenschaft die nöthigen Transporte und den Verkauf. Wiederholt stand er auch an der Spitze größerer Handels- und Speculationsgesellschaften, an welchen sich nicht selten auch politisch hervorragende Männer betheiligten. Wie er mit Mailand und Venedig verkehrte, so mit Lyon und mit den süddeutschen Städten; mit den Welser in Augsburg verbanden ihn nicht nur gemeinsame Geschäftsunternehmungen, sondern persönliche Freundschaft und später Ehebündnisse zwischen den beiderseitigen Familien. Vorzüglich wichtig wurde für M. die Besorgung der großen Geldsendungen des Auslandes zur Auszahlung der Jahrgelder oder Pensionen und der Soldvorschüsse, und nicht selten kam er in die Lage, den an Geldnoth leidenden Fürsten die erforderlichen Summen verbürgen oder vorstrecken zu müssen. Das letztere war namentlich der Fall bei Gelegenheit des nichtswürdigen „Furnohandels“, als die eidgenössischen Stände, 1508 und 1511, ein durch einen fremden Abenteurer Furno gefälschtes angebliches Testament des Herzogs Karl I. von Savoyen wiederholt zu grober Gelderpressung gegen des letzteren Nachfolger mißbrauchten. M. war es auch, der 1492 den Verkauf des großen Diamanten vermittelte, welcher 1476 beim Siege über Karl den Kühnen von Burgund erbeutet worden und während vieler Jahre eine Quelle der Verlegenheit für die eidgenössischen Tagsatzungen gewesen war. Er verkaufte das berühmte Kleinod um 7000 Gulden an Genueser Kaufleute, von welchen es später nach Mailand, und zuletzt um 20,000 Ducaten in den Besitz des Papstes [81] Julius II. kam, um die dreifache Krone zu zieren. Noch bedeutenderen Gewinn soll M. hernach aus der Verwerthung der Beute gezogen haben, welche die Schweizer in dem großen Siege über die Franzosen bei Novarra erfochten, am 6. Juni 1513. Brachten auch die kriegerischen Ereignisse manchen Verlust, so sammelte doch M. ein sehr beträchtliches Vermögen; nach den Steuerverzeichnissen war er weitaus der reichste Berner seiner Zeit und eine Geldmacht für die Schweiz. Er erkaufte sich 1495 die schöne Herrschaft Amsoldingen, 1499 diejenige von Strätlingen am Thunersee, 1517 das Schloß von Toffen, und besaß daneben eine Anzahl von Häusern in der Stadt und Güter im Herzogthum Mailand. An den ausgebreiteten Geld- und Handelsverkehr knüpfte sich bald auch diplomatische Verwendung. Die häufigen Reisen ins Ausland, die Menschenkenntniß, die Sprachen- und Geschäftsgewandtheit machten M. in hohem Maße geeignet, die Interessen seines Landes in der Fremde zu vertreten. An Gelegenheiten dazu fehlte es nicht in jener Periode, da die schweizerischen Kantone als Staaten, und die Schweizer als Söldner in den welthistorischen Kampf um die Herrschaft in Oberitalien hineinverflochten waren. Schon früh betheiligte sich übrigens M. am politischen Leben der Republik. Bald nach seiner Heimkehr nach Bern, 1468, wurde er Mitglied des Großen Rathes, 1485 Schultheiß (Landvogt) zu Thun und 1494 berief ihn das Vertrauen seiner Mitbürger in den Kleinen Rath, die eigentliche Regierungsbehörde, der er nun bis zu seinem Tode angehörte. Im J. 1474 wurde er nach Mailand, 1477 nach Genf geschickt, und 1484 erhielt er den schwierigen Auftrag, Namens der Eidgenossen die endliche Bezahlung der rückständigen Pensionengelder beim Könige von Frankreich zu betreiben. Als es sich im folgenden Jahre darum handelte, das früher mit Ludwig XI. bestehende Bündniß mit seinem Nachfolger Karl VIII. zu erneuern, wurde M. neuerdings neben dem Schultheißen Ludwig von Diesbach von Bern mit den bezüglichen Unterhandlungen betraut, indem er zu gleicher Zeit die Berner Handelsinteressen in Hinsicht auf die Lyoner Messe zu vertreten übernahm. Im J. 1490 besorgte er eine Sendung nach Mailand, 1491 eine solche nach Burgund zur Friedensvermittelung zwischen Karl VIII. und Maximilian und zur Beseitigung der drohenden Kriegsgefahr an den Grenzen der Schweiz; gleich darauf war er wieder in Rom; 1494 ging er mit Wilhelm von Diesbach zum Herzog von Savoyen in Angelegenheiten des Walliserlandes. Obwohl er nach der Sitte der Zeit selbst ein Jahrgeld von Frankreich bezog, gehörte er doch entschieden zur kaiserlichen oder deutschen Partei; er brachte sogar 1495 ein gegen Frankreich gerichtetes Bündniß zwischen Bern und dem Herzog Ludovico Moro von Mailand zu Stande, dem dann auch der Papst und Venedig beitraten, und arbeitete an der Theilnahme aller schweizerischen Stände an der heiligen Liga. Allein die Politik der inneren Schweiz fand im Anschluß an Frankreich größeren Vortheil, und die Unterhandlung verzögerte sich, bis das Jahr 1499 den Streit der Eidgenossenschaft mit dem Kaiser herbeiführte, den sogenannten Schwabenkrieg, und die Wiedereinnahme von Mailand durch die Franzosen. Nach Herstellung des Friedens war M. neuerdings thätig für die Verbindung mit der kaiserlichen Politik, worauf am 7. Februar 1511 die Erbeinung mit Oesterreich zu Stande kam. In der schon erwähnten Schlacht bei Novarra war M. Hauptmann der Bernischen Truppen und sandte an seine Regierung in Bern einen sehr merkwürdigen Bericht. Die furchtbare Niederlage bei Marignano, 1515, verschaffte dem französischen Einfluß wieder das Uebergewicht; Bern und ein Theil der übrigen Eidgenossen schloß Frieden mit Franz I., und M. wurde im Februar 1516 zur Ratification des Vertrages nach Frankreich geschickt, worauf am 29. November des gleichen Jahres – wieder unter [82] wesentlicher Mitwirkung May’s – die ganze Eidgenossenschaft zu Freiburg den Frieden mit Frankreich unterzeichnete. Noch zwei Mal, 1517 und wieder 1525, unmittelbar nach der Schlacht bei Pavia und der Gefangennehmung Franz I. war M. in Staatsgeschäften in Paris; fast regelmäßig war er von 1494 an Abgeordneter von Bern zu den schweizerischen Tagsatzungen und wurde als solcher vielfach zur Beilegung innerer Streitigkeiten und Conflicte in Anspruch genommen. In seinen letzten Lebensjahren wandte sich M. hauptsächlich dem Interesse für die Ausbreitung der reformirten Lehre zu. Er war von jeher kirchlich gesinnt gewesen, auch Vorsteher einer eigenen, damals entstandenen Bruderschaft Conceptionis virginis Mariae; aber er setzte die Religion über die Kirche. In den Jahren 1508–1509 wurde in Bern im Dominikanerkloster das berüchtigte Spiel mit dem Schneidergesellen Joh. Jetzer (s. Bd. XIV, 1 ff.) aufgeführt. M. war einer der Rathsherren, welche bei der staatlichen Untersuchung der ärgerlichen Vorfälle und dann wieder bei der Einleitung des geistlichen Processes gegen die schuldigen Mönche betheiligt waren. Der Eindruck dieses Ereignisses, das einen tiefen Einblick gewährte in die unheilbare Corruption gewisser mönchischer Kreise, und deshalb die öffentliche Meinung in der Nähe und Ferne mächtig erregte, mußte auch bei ihm ein durchschlagender sein. Wie er von seinen Reisen in die große Welt mancherlei Gedanken mit sich heimbringen mochte, so stand er in naher persönlicher Verbindung mit den reformatorisch gerichteten Männern der Stadt, mit dem Schulmeister und Stadtarzt Valerius Anshelm, dem Barfüßer-Lesemeister Sebastian Meyer, mit Berchtold Haller und mit der Familie des Schultheißen Jakob von Wattenwyl. Dr. Thomas Wyttenbach, einst Zwingli’s Lehrer an der Baseler Universität, war seit 1515 Chorherr in Bern; eine Anverwandte desselben verheirathete sich mit einer Großtochter May’s. Der letztere äußerte sich, als 1518 der Ablaßkrämer Bernhardin Samson nach Bern kam, so unzweideutig, daß er sich den Bann zuzog und als 72jähriger Mann zu einem förmlichen Widerruf gezwungen wurde. Wohl mit nur um so größerem Eifer schloß er sich der wachsenden kirchlichen Bewegung an. Johannes Haller, der Pfarrer zu Amsoldingen, einer M. zugehörenden Gutsherrschaft, war der erste Berner Geistliche, der sich zur Ehe entschloß, und M. nahm ihn gegen daherige Angriffe in Schutz. In Bern wurde der Reformation mehr durch die Staatsmänner, als durch die Theologen Eingang verschafft; unter jenen war M. einer der bedeutendsten, und sein Einfluß war es ganz vorzüglich, der die Evangelischen zusammenhielt, als während der Jahre 1525–1527 ein offenbarer Stillstand, sogar ein Rückschlag, in Folge allgemeiner politischer Zustände sich bemerkbar machte. In eben dieser Zeit widmete Zwingli eine kleine Schrift über das heilige Abendmahl „Die Nachhut vom Nachtmahl des Herrn“ betitelt, „dem berühmten Manne, Bartholme May, des Raths zu Bern, Wolfgang und Glado (Claudius), seinen Söhnen, Jakob und Bendicht, seinen Enkeln, seinen Urenkeln und dem ganzen Geschlecht“. Das Schriftchen, in Gestalt eines Briefes geschrieben, trägt das Datum des 17. August 1525 und zeugt für die freundschaftliche Hochachtung, welche der Züricher Reformator für den Berner Magistraten hegte. Der Verkehr dauerte noch länger fort und zeigte sich in mehreren Briefen, von denen nicht alle erhalten geblieben sind. Bemerkenswerth ist das Schreiben, in welchem Zwingli seinen Glückwunsch darbrachte zur Vermählung von May’s Tochter Clara mit dem gewesenen Stiftspropst Niklaus von Wattenwyl, der im entscheidenden Augenblicke allen seinen kirchlichen Würden entsagt und die reformirte Lehre angenommen hatte. An dem schließlichen Siege der Reformation in Bern im Januar 1528 hatte M. ohne Zweifel nicht geringen Antheil, wenn auch Zwingli die Einladung, während der Disputation in seinem Hause Wohnung zu nehmen, nicht angenommen hat. [83] Nicht ohne Grund schrieb Johann Eck im Aerger über einen mißliebigen Entschluß des Berner Rathes, mit Anspielung auf den lateinischen Namen der Familie M.: „Es müssend die Maden drein gekommen sein.“ Am 1. Mai 1527, nachdem seine beiden Söhne ihm im Tod vorangegangen, machte M. in Gegenwart von Berchtold Haller, Franz Kolb und des in Bern wohnenden Schwagers Zwingli’s, des Schneiders Leonhard Tremp, sein Testament; er starb in der Osterwoche 1531, über 40 Nachkommen hinterlassend. Einer der Köpfe in Niklaus Manuel’s Todtentanz gibt allgemeiner und wohlbegründeter Annahme zufolge ein Bildniß des bedeutenden Mannes.

B. May u. seine Familie, ein Lebensbild aus der Reformationszeit, von A. v. May, im Berner Taschenbuch Jahrg. 1874. – Amtliche Sammlung der Eidgenössischen Abschiede, Bd. III u. IV. – Valerius Anshelm’s Berner Chronik. – Zwingli’s Werke, hrsg. von Schuler u. Schultheß, Bd. VII. – Originalakten im Berner Staatsarchiv. – Strickler, Aktensammlung zur Schweizer. Reformationsgeschichte, 4 Bde.