Zum Inhalt springen

ADB:Mayer, Samuel Marum

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Mayer, Samuel Marum“ von Karl August Klüpfel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 21 (1885), S. 128–130, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Mayer,_Samuel_Marum&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 19:41 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Band 21 (1885), S. 128–130 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Max Samuel von Mayer in der Wikipedia
Max Samuel von Mayer in Wikidata
GND-Nummer 104273712
Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|21|128|130|Mayer, Samuel Marum|Karl August Klüpfel|ADB:Mayer, Samuel Marum}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=104273712}}    

Mayer: Samuel Marum M., Rechtslehrer, wurde am 12. März 1797 zu Freudenthal im württembergischen Oberamt Besigheim in einer armen jüdischen Familie geboren. Sein mütterlicher Großvater, ein gelehrter Rabbiner, beschäftigte sich viel mit dem Enkel, der frühe eine hervorragende Begabung zeigte, und führte ihn in die Kenntniß des Alten Testaments und des Talmud ein. Er sollte in die Fußtapfen des Großvaters treten und wurde zu seiner weiteren Ausbildung nach zurückgelegtem 13. Lebensjahre der Talmudschule in Hechingen übergeben. Dort machte er schnelle Fortschritte, aber je mehr er die jüdische Gelehrsamkeit kennen lernte, desto weniger befriedigte sie ihn. Der einmal erweckte Wissensdurst zog ihn mehr zu classischen Studien. Er beschloß die Rabbinerlaufbahn zu verlassen und kehrte in das elterliche Haus zurück. Die Seinigen wollten aber nichts von seinen weiteren Studienplänen wissen, da sie fürchteten, diese könnten ihn zum Abfall vom väterlichen Glauben verlocken; und überdies fehlten der Familie die Mittel zum Besuch höherer Bildungsanstalten. Nun faßte der strebsame Knabe den Entschluß, sich unmittelbar an seinen Landesherrn, den gefürchteten König Friedrich, zu wenden. Dieser kam öfters nach Freudenthal, wo er ein Jagdschloß besaß und mit Mayer’s Großvater, dem eben erwähnten Rabbiner, in freundlichen Beziehungen stand. Dies wußte M. und darauf baute er seinen Plan. Als der König wieder einmal in Freudenthal erschien, stellte er sich in den Weg, als der Reisewagen vorbeifuhr und warf eine Bittschrift hinein, in welcher er bat, das Gymnasium in Stuttgart besuchen und eine wissenschaftliche Laufbahn betreten zu dürfen. Des anderen Tages wurde sein Vater in das Schloß beschieden und ihm eröffnet, daß sein Sohn in das Gymnasium zu Stuttgart aufgenommen sei und daß der König durch jährliche Stipendien für die Studienkosten sorgen wolle. Der Vater war zwar nicht ganz einverstanden, aber er wagte nicht zu widersprechen, denn eine solche königliche Gnade war bei König Friedrich Befehl. M. begab sich sofort nach Stuttgart und machte von der ihm gebotenen Gelegenheit mit freudigem Eifer Gebrauch. Im Herbst 1815 bezog er die Landesuniversität, um die Rechtswissenschaft zu studiren, und die königlichen Stipendien, die er auch nach des Königs 1816 erfolgtem Tod fortbezog, machten ihm möglich bis Herbst 1820 auf der Universität zu bleiben. Mit großem Fleiß legte er sich nicht nur auf die juristischen Fächer, sondern auch auf philosophische Studien. Am geselligen Leben der Studenten nahm er schon aus Sparsamkeitsgründen wenig Antheil, doch stand er mit vielen Einzelnen, besonders mit Mitgliedern der Burschenschaft, in freundschaftlichem Verkehr. Unter den Universitätslehrern zog ihn besonders Schrader an, mit dem er auch nach der Universitätszeit in Beziehungen blieb und später als College durch innige Freundschaft verbunden war. Nachdem er seine Studien vollendet und seine Prüfungen mit Auszeichnung bestanden hatte, ließ ihm der damalige Justizminister v. Maucler das Anerbieten machen, ihn sogleich im Staatsdienst zu verwenden, sobald er zum Christenthum übergetreten sein werde. Daß er diesen Schritt thun werde, konnte man mit Wahrscheinlichkeit annehmen, da er sich von jüdischen Anschauungen und Gebräuchen losgemacht hatte und für religiöse Fragen sich lebhaft interessirte. Doch konnte er sich noch nicht dazu entschließen, da er noch keine positiv christliche Ueberzeugung gewonnen hatte und zu gewissenhaft war, um äußerer Vortheile willen das religiöse Bekenntniß zu [129] wechseln. Er verzichtete daher vorerst auf den Staatsdienst und begnügte sich unter fremdem Namen die Advocatenpraxis auszuüben, da die damaligen Gesetze den Juden noch nicht gestatteten, als Rechtsanwälte aufzutreten. Der damalige Präsident der Kammer der Abgeordneten, Dr. Weishaar, übertrug ihm die Ausarbeitung von Proceßschriften, auch andere Stuttgarter Advocaten ließen ihn unter ihrem Namen Processe führen. Bald erwarb er sich durch seine Advocatenpraxis und litterarische Arbeiten den Ruf eines gelehrten und scharfsinnigen Juristen. Es lag daher nahe, seine reichen Kenntnisse für das akademische Lehramt zu nützen und es wurde ihm von dem damaligen Minister Schmidlin der Antrag gemacht, ein Lehramt an der Universität Tübingen, zunächst provisorisch, zu übernehmen. Er ging darauf ein, wurde 1828 Doctor der Rechte und im Juli 1829 zum Privatdocenten für römisches Recht mit dem Titel eines außerordentlichen Professors und entsprechendem Gehalt ernannt. Seine Vorlesungen, auf die er sich sehr sorgfältig vorbereitete, fanden Anklang und wurden als sehr gründlich und inhaltreich geschätzt. Im J. 1831 wurde er außerordentlicher Professor und als 1833 Wächter einem Rufe nach Leipzig folgte, war M. neben Schrader der Hauptvertreter des römischen Rechtes. Dem Vorrücken zum Ordinariat stand seine jüdische Confession noch im Wege und die Frage des Uebertritts zum Christenthum trat aufs neue an ihn heran, aber immer noch war er von Zweifeln und Bedenken hin- und hergetrieben. Ein von ihm verfaßtes Glaubensbekenntniß, das er zwei theologischen Freunden privatim vorlegte, fanden diese nicht ganz genügend; eine allgemein gehaltene Erklärung der Uebereinstimmung mit den symbolischen Büchern, die man ihm vorschlug, entsprach seiner gewissenhaften Wahrheitsliebe nicht. Dazu kam die Rücksicht auf die Bitten und Vorstellungen seiner jüdischen Verwandten, die Alles aufboten, um ihn vom Uebertritt abzuhalten. Diese Kämpfe griffen ihn so an, daß seine Gesundheit Noth litt und er in eine Nervenaufregung und Abspannung gerieth, welche ihn eine Zeit lang arbeitsunfähig machte und nöthigte, seine Vorlesungen beinahe ein Jahr lang auszusetzen. Endlich im Sommer 1834 kam er zu einem Entschluß, am 28. August wurde er in Buoch im Remsthal, wo er im dortigen Pfarrhaus längst eine zweite Heimath gefunden hatte, durch die Taufe in die evangelisch-lutherische Kirche aufgenommen und befestigte sich von nun an immer mehr im christlichen Glauben. Im October desselben Jahres trat er auch in den Stand der Ehe mit der Tochter eines evangelischen Geistlichen, des Pfarrer Mayer in Alfdorf, verlor aber schon nach drei Jahren diese in treuer Hingebung für ihn lebende Gattin durch den Tod. Nachdem die Krisis des Uebertritts überwunden war, kehrte auch Mayer’s Gesundheit wieder und er widmete sich mit neuem Eifer seiner akademischen Lehrthätigkeit. Die Gegenstände seiner Vorlesungen waren Institutionen, Pandekten, Exegese einzelner Abschnitte derselben und seit 1839 auch der Civilproceß, der seine geschätzteste Vorlesung wurde. Auch mehrere werthvolle litterarische Arbeiten erschienen nun, unter denen eine Monographie über die Lehre von den Legaten und Fideicommissen (1854) wol die bedeutendste ist. Er stand auf dem Boden der historischen Rechtsschule, seine wissenschaftlichen Ausführungen waren gründlich, klar und streng quellenmäßig, vermieden aber Aufstellung allgemeiner Gesichtspunkte und philosophische Erörterungen. Seine Vorlesungen waren sehr inhaltreich, nur berücksichtigten sie die Litteratur und die neueren Ansichten gar zu wenig. Im Januar 1837 rückte er zur ordentlichen Professur vor und nahm seitdem an den Senats- und Facultätsgeschäften, sowie an den Arbeiten des Spruchcollegiums eifrigen Antheil. Bei letzteren entwickelte er großen Scharfsinn, der zuweilen an die talmudische Schule erinnerte. Im Senat war er von Geltung und Einfluß und im J. 1849 [130] bis 1850 führte er das Rectorat der Universität und hatte in dieser politisch bewegten Zeit mannigfache Gelegenheit, seine Festigkeit und Besonnenheit zu bewähren. Mit seinem Freunde Schrader war er eifriges und ausdauerndes Mitglied des vaterländischen Vereins, welcher das constitutionell-monarchische Princip gegen die unter der Tübinger Bürgerschaft sehr verbreitete demokratische Richtung muthig vertrat. In späteren Jahren nahm er an den politischen Angelegenheiten keinen thätigen Antheil mehr, seine Interessen concentrirten sich immer ausschließlicher auf das religiöse Gebiet und seine Berufsthätigkeit. Er war ein glaubenstreuer, frommer Christ und bewährte seine Frömmigkeit besonders auch durch umsichtige Wohlthätigkeit. Die Obliegenheiten seines Berufs konnte er bis zu seinem am 16. April 1862 erfolgten Tod mit gewohnter Treue erfüllen. Nachdem er Tags zuvor ohne Ahnung auf den folgenden Morgen eine Facultätssitzung zusammenberufen und sich Abends in bestem Wohlbefinden schlafen gelegt hatte, überraschte ihn der Tod im Schlaf. Am 1. Januar seines letzten Lebensjahres hatte er als Zeichen der Anerkennung seiner Verdienste den Orden der württembergischen Krone erhalten und schon 1856 den Friedrichsorden.

Schriften: „Commentar des neuen württembergischen Pfandrechts“, 2 Bde., 1825/26; „Die öffentlichen Verhältnisse der Juden“, 1827; „Ad Livii libri III, cap. 44–48. dissertatio de jure civili historica“, 1828; „Ueber die staatsbürgerlichen Wahlrechte der Verurtheilten und Begnadigten“, 1. und 2. Auflage, 1833; „Ueber das Recht der Anwachsung bei Testaments- und gesetzlichem Erbrecht“, 1835; „Ueber römisches Recht und neue Gesetzgebung“, 1839; „Die Lehre von dem Erbrecht nach d. heutigen röm. Recht“, 1840; „Das Intestaterbrecht der liberi naturales“, 1837 und 1838; „Ad Caji Institutionum commentar. IV, 48 Commentatio“, Tubingae 1853 (Gratulationsschrift zu Schrader’s fünfzigjährigem Doctorjubiläum); „Die Lehre von den Legaten und Fideicommissen“, I, 1854; „Digestorum de jure dotium XXIII. 3. 1. 56. 3. interpretatio“, Tubingae 1859.