ADB:Melle, Jacob von

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Artikel „Melle, Jacob von“ von Andreas Ludwig Jakob Michelsen in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 21 (1885), S. 297–298, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Melle,_Jacob_von&oldid=- (Version vom 28. März 2024, 15:26 Uhr UTC)
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Melle: Jacob v. M., seiner Zeit berühmt als Polyhistor, besonders verdient um die Geschichte Lübecks. Aus einem alten westfälischen Geschlechte stammend und mit den ersten lübeckischen Familien verwandt, wurde er am 17. Juni 1659 in Lübeck geboren. Er war kaum ein Jahr alt, da verlegten seine Eltern ihren Wohnsitz nach Cappeln (Landschaft Angeln) und wurde der Knabe von seinem Pathen, dem Prediger zu St. Marien, Bernh. Krechting und seiner Ehefrau, welche kinderlos, aber sehr bemittelt waren, aufgenommen und genoß fortan ihrer treuesten Pflege und erziehenden Fürsorge. Sein Pflegevater war ein sehr kenntnißreicher Mann, welcher sich bereits um die Bildung zweier, nachmals berühmt gewordener Männer, der beiden Gelehrten Heinr. Meibom und Casp. Sagittarius (s. d. Art.) verdient gemacht hatte. So unterrichtete er denn auch den jungen M., welcher ungewöhnliche Fähigkeit und Lernbegierde zeigte, zum Theil selbst; daneben ließ er ihn durch tüchtige Lehrer des Gymnasiums privatim unterrichten. Erst 15jährig wurde M. reif befunden die Universität Kiel zu beziehen und seine theologischen Studien zu beginnen, mit welchen er gleich anfangs philologische, historische, naturwissenschaftliche verband. Nach einem Aufenthalte von dritthalb Jahren verließ M. Kiel, um nach Jena zu gehen, wo er Haus- und Tischgenosse des als Professor der Geschichte sehr angesehenen Sagittarius ward. Dieser Umstand bekam für die zukünftige Hauptrichtung seines wissenschaftlichen Strebens eine entscheidende Bedeutung. Sagittarius hatte schon zuvor in Lübeck ziemlich viele Materialien gesammelt zu einer von ihm beabsichtigten Geschichte Lübecks und gedachte diese in der nächsten Zeit auszuführen. Da ihm aber, bei der damals herrschenden Geheimthuerei, die nöthigen weiteren Hülfsmittel, welche er sich von Lübeck her erbat, hartnäckig vorenthalten wurden, so gab er jenen Plan auf, ermunterte jedoch um so mehr seinen jungen Hausgenossen, derselben Arbeit sich zu unterziehen, überließ ihm auch seine sämmtlichen Vorarbeiten zu freier Benutzung. Mit jugendlichem Eifer ging der frühreifende Historiker auf den Gedanken, welcher mit seiner Liebe zur Vaterstadt übereinstimmte, alsbald ein. Während seines Jenenser Aufenthalts gab er successive (1677–1679) in lateinischer Sprache, in Form von Dissertationen vier Bücher lübeckischer Geschichten heraus, welche er öffentlich unter dem Vorsitze von Sagittarius vertheidigte, deren erste bis zum Jahre 1185 reichte, die zweite aber die Zeit bis zum Jahre 1227, die dritte bis 1300, die vierte endlich bis 1400 umfaßte. Diese seine Erstlingsarbeit wurde von Gelehrten der Zeit, wie Meibom, Möller, Reimann, v. Seelen aufs Vortheilhafteste beurtheilt. Nachdem sich M. im J. 1680 dort die Magisterwürde erworben hatte, ging er nach der Universität Rostock über, wo er bis ins folgende Jahr hinein theils die theologischen Vorlesungen hörte, theils selbst solche über Philosophie hielt, auch öffentlich eine von ihm herausgegebene, ins Fach der neutestamentlichen Exegese fallende Abhandlung vertheidigte. In seine Vaterstadt zurückgekehrt, erhielt er eine Zeit lang von dem dortigen Superintendenten Pomarius specielle Anleitung zum Predigen. Bald darauf trat er, von seinem Pflegevater mit den nöthigen Mitteln ausgestattet, nach damaliger Sitte eine große wissenschaftliche Reise an, welche ihn nach Holland, England und Frankreich führte. [298] Er besuchte alle holländischen Universitäten, verweilte besonders in Utrecht und Leyden und suchte überall mit den Gelehrten der verschiedenen Facultäten bekannt zu werden. Darnach reiste er über Calais nach England, bewunderte nicht nur alle Herrlichkeiten Londons, sondern studirte auch bei längerem Aufenthalte namentlich in Oxford. Auf der Rückreise fesselte ihn wiederum Straßburg, insbesondere der berühmte Exeget Sebastian Schmidt. Schon einige Monate, nachdem er, bereichert an Wissen und Erfahrung, heimgekehrt war (1684), durfte sein Pflegevater ihn als erwählten Prediger zu St. Marien bei dieser Gemeine einführen. Im J. 1706 zum Hauptpastorat an derselben Kirche aufgerückt, ward M. 1719 Senior des lübeckischen Ministeriums, als welcher er zweimal in die Lage gekommen ist die Superintendenturgeschäfte während mehrerer Jahre zu verwalten. Er scheint seinen mannigfachen und wechselnden Amtspflichten mit Treue obgelegen zu haben, jedoch so, daß er bei außerordentlichem Fleiße Zeit und Kraft genug übrig behielt, um sich eingehend mit vielartigen Studien zu beschäftigen, welche, dem Amte ferner liegend, ihm gerade nicht den Namen eines bedeutenden Theologen, wol aber den eines allseitig gelehrten Mannes erwarben, so daß er zu den Polyhistoren jener Zeit gezählt wurde. Selbst den Ruhm eines Poeten verschmähte er nicht; vielmehr ließ er sich gelegentlich in deutschen, lateinischen, italienischen etc. Gedichten vernehmen. Die Wissenschaft aber, welche er mit dem größten Eifer cultivirte, war die Geschichte, vorzugsweise die seiner Vaterstadt. In welchem Umfange er die lübeckische Geschichte sowol im Ganzen als einzelne Partien derselben bearbeitet hat, würde ein vollständiges Verzeichniß seiner Schriften am deutlichsten zeigen. Es würde ihn aber nicht allein als mühsam forschenden Genealogen und Heraldiker, sondern auch als Prediger, gründlichen Numismatiker, Archäologen, endlich sogar als Naturkundigen ausweisen. Allerdings sind viele seiner zahlreichen Schriften niemals gedruckt worden. Mit demselben, kaum begreiflichen Fleiße, von welchem diese zahlreichen Werke zeugen, legte er auch verschiedene, wohlgeordnete Sammlungen an, welche weit und breit bekannt waren und viele Besucher aus der Fremde, selbst fürstliche, herbeizogen, außer einem bedeutenden und werthvollen Münzcabinet, welches sich bis zum Jahre 1818 in seiner ursprünglichen Einrichtung erhalten hat, eine umfängliche Sammlung von Alterthümern und Curiositäten jeder Art, ein „Museum“, welches Rector v. Seelen in einem lateinischen Briefe an den Hamburger Gelehrten Mr. Richey (Athenae Lubec. IV, p. 628 bis 638) beschrieben hat. Zu dem allem kam noch die für jene Zeit besonders verdienstliche Herausgabe einer Zeitschrift, in welcher nicht nur die neuesten Erscheinungen der Litteratur beurtheilt, sondern auch historische, besonders antiquarische Abhandlungen geliefert wurden. Hierbei standen ihm Gelehrte verschiedener Fächer zur Seite. Er starb am 13. Juni 1743.

a Seelen, Athenae Lubecenses Pars IV. Append. – Desselben Memoria M. Jac. a Melle Lubec. (1743) fol. – J. C. J. v. Melle in: Zeitschrift des Vereins f. Lüb. Gesch. u. Alterthumskunde, I. 1860.