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ADB:Mellobaud

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Artikel „Mellobaud“ von Felix Dahn in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 21 (1885), S. 301–302, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Mellobaud&oldid=- (Version vom 26. Dezember 2024, 19:06 Uhr UTC)
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Mellobaud, König der Franken. Im J. 378 waren 40,000, nach anderen Quellen 70,000 Alamannen, darunter wol besonders die Linzgauer, Lentinenses, auf der Nordseite des Bodensees, in Gallien eingedrungen, welches sie von einem großen Theil seiner Vertheidiger entblößt wußten, die zur Deckung Illyricums gegen die Westgothen abgezogen waren. Auf diese Nachricht rief Kaiser Gratian die nach Pannonien entsendeten Cohorten zurück und vereinte die am Rhein zurückbelassenen Truppen unter dem Befehl von zwei tüchtigen Feldherrn Nannenus (al. Nannienus) und Mellobaud: letzterer, ein kriegerischer, tapferer Mann, war comes domesticorum (vgl. v. Wietersheim-Dahn, Geschichte der Völkerwanderung, Bd. I S. 308, 526) und König der Franken. Darauf wurden die Alamannen bei Argentaria (Colmar, oder Harburg gegenüber Colmar, oder Neubreisach) angegriffen, zumal auf Drängen des M., „der, von heißer Kampfbegierde fortgerissen, wie seine Gewohnheit war, den Aufschub des Ansturms wie eine Qual empfand“, und so schwer geschlagen, daß von jener Zahl sich nur 5000 durch die Flucht in die dichten Wälder retteten. An dem Bericht ist Mehreres denkwürdig. Einmal wird dadurch abermals bestätigt, daß es schon lange vor Errichtung des merovingischen Königthums über die beiden Mittelgruppen der salischen und der Uferfranken Könige der Franken gab, d. h. eben Gaukönige (vgl. Maelo, Markomer u. A.). Sodann sehen wir einen solchen Germanenkönig zugleich in Personalunion eine römische Militärwürde bekleiden. [302] Gerade dieser Fall zeigt recht deutlich, daß, kam eine solche Verbindung vor, doch keineswegs, wie eine widergeschichtliche Lehre behauptet, welche aber wol nur mehr von deren Erfinder (v. Sybel, Entstehung des deutschen Königthums, 2. Auflage, Frankfurt a. M. 1881) allein vertreten wird, die römische Würde, der „Dienstvertrag mit dem Kaiser“, die Grundlage des germanischen Königthums war. Denn der nämliche Frankenkönig M., der bei Argentaria für Rom kämpft, hat sich durch seinen Titel comes domesticorum durchaus nicht abhalten lassen, (die Jahreszahl ist nicht festzustellen, aber der Zusammenhang zeigt, daß es nach jener Schlacht anzusetzen, was für die hier zu ziehende Nutzanwendung übrigens gleichgültig ist) den für Rom gewonnenen Alamannenkönig Makrian (s. Bd. XX, 125) zu bekämpfen und zu vernichten. Wäre ein solcher Barbarenführer nur durch sein foedus mit Rom König, er könnte doch nicht gegen Rom eine Volkskraft verwenden, welche er nach jener Lehre in dem Augenblick des Bruches mit Rom unter den Füßen verlöre. Wir lernen vielmehr aus diesen Angaben, daß also damals schon (aber gewiß bereits viel früher: auch bestimmte Fälle könnten bezeichnet werden) ein fränkischer Gaukönig, der durch Geschlecht und Volkswahl, nicht durch kaiserliche Ernennung, zu dieser Stellung berufen war, zugleich eine Militärcharge im römischen Dienst übernehmen mochte; auch damals nicht mit der Wirkung, daß er wie jeder andere römische Offizier auf Befehl des Kaisers marschirte: er marschirt gelegentlich auch gegen den Kaiser und dessen Verbündete, er ist Oberhaupt eines Volkes und führt dessen Heerbann auch wol gegen Rom: ist aber das foedus des Volks, nicht sein persönlicher Dienstvertrag mit Rom, geschlossen, dann kämpft er für Rom, mit römischen Würden ausgezeichnet. Allerdings hatte damals – rein thatsächlich und aus rein thatsächlichen Gründen – ein solcher Titel zwingendere Bedeutung, als wenn etwa ein Jahrhundert später ein König der Burgunden oder Franken patricius oder Consul benannt ward von Rom oder Byzanz: das war zuletzt ein ganz leerer Titel geworden, der lediglich den Provinzialen den Barbarenführer als vom Kaiser anerkannten Gewalthaber bezeichnen sollte: kein römisches Heer stand mehr in Gallien, den Patricius oder Consul zu Kriegsdiensten zu zwingen, für die er besondere Subsidien verlangte, die er oft, ohne die Gegenleistung zu erfüllen, einsteckte. Unter Gratian dagegen hätten die römischen Truppen in Gallien einen fränkischen Gaukönig noch leicht erdrückt, der ja seine etwaigen Besitzungen auf dem linken Rheinufer damals nur noch durch ein Födus behaupten konnte. Allein auch bei solchem Födus wahrte und verfocht M. völlig die Interessen seines Volkes, nicht nur die seinigen oder die des Kaisers: vor Allem mußte der große Streit um die künftige Beerbung Roms an den Rheinufern ausgefochten sein zwischen den beiden Stämmen, welche von Mitte des 3. bis Ende des 5. Jahrhunderts hierüber miteinander ringen: den Alamannen und den Franken. Es ward dies Ringen um den Rhein erst durch Chlodowech’s Sieg zu Gunsten der Franken entschieden. Daher war es ganz im Interesse des Frankenvolkes selbst gehandelt, wenn ein fränkischer Gaukönig sich mit Rom verband, um auch als Befehlshaber römischer Truppen wie als Anführer seines fränkischen Heerbannes die Ausbreitung der Alamannen zu bekämpfen: er focht für den römischen Besitz am Rhein, um ihn nicht den Alamannen zufallen zu lassen, sondern später allein Rom zu beerben.

Ammianus Marcellinus XXX. 3, XXXI. 6 ed. Eyssenhardt (er liest Mallobaudes), Berlin 1871. v. Wietersheim-Dahn, Geschichte der Völkerwanderung, Leipzig, I, 1880, S. 539; II, 1881, S. 50. Dahn, Urgeschichte der germanischen und romanischen Völker, II, Berlin 1881, S. 382, 389. Deutsche Geschichte I. 1, Gotha 1884, S. 592, 596 (daselbst weitere Litteratur).