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ADB:Makrian

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Artikel „Makrian, Alamannenkönig“ von Felix Dahn in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 20 (1884), S. 125–128, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Makrian&oldid=- (Version vom 23. November 2024, 08:31 Uhr UTC)
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Makrian, Alamannenkönig. Diejenigen Oberdeutschen, welche seit Anfang des 3. Jahrhunderts unter dem Gruppennamen der „Alamannen“ auftreten, hatten bei Errichtung dieses, einem lockeren, nur wenige Zwecke gemeinsam verfolgenden Staatenbunde vergleichbaren Verbandes keineswegs die Gliederung in selbständige Gaue, Völkerschaften und Mittelgruppen aufgegeben. Als um die Mitte des 4. Jahrhunderts Julian und Valentinian die Alamannen im Elsaß und auf dem rechten Rheinufer bekämpften, hatten sie es mit einer sehr erheblichen Zahl von Königen zu thun, welche, als reges oder reguli nur nach ihrer thatsächlichen größeren oder geringeren Macht unterschieden, einander rechtlich völlig gleichstehend, nur zu gegenseitiger Bundeshilfe verpflichtet und während eines Feldzuges einem oder auch zweien aus ihrer Mitte gekorenen „Herzögen“ als Oberfeldherrn untergeben sind. In der Schlacht bei Straßburg (357) kämpfen sieben solcher Könige gegen Julian, den Oberbefehl führen die beiden Mächtigsten. Außer diesen werden aber gleichzeitig noch mehr als fünf andere genannt: darunter die beiden Brüder Makrian und Hariobaudes. Als Julian auf seinem dritten Feldzuge in Germanien bis an die Grenzscheide der Alamannen und Burgunder vorgedrungen war, welche jetzt der ehemalige römische „limes“ in diesen Landschaften bezeichnete (zwischen Kocher und Jaxt?) cui Capellatii vel Palas (d. h. Pfahl) nomen est, erscheinen diese beiden königlichen Brüder (wie es sich erklärt, daß die Gaukönige sehr oft nahe verwandt, der gleichen Sippe angehörig sind, darüber s. Dahn, Deutsche Geschichte I, 2. S. 46) und erbaten Frieden: man vermuthet, daß sie in den Gauen östlich vom Odenwald, nördlich bis an den Mittellauf des Maines saßen, also im [126] heutigen Jaxt- oder Neckarkreis von Württemberg und im Unterrheinkreis von Baden (Zeuß, Die Deutschen und die Nachbarstämme, München 1837, S. 310 f.) Wir würden aus dem lateinischen Namen Makrian’s gewiß folgern, daß er als Geisel (wie etwa Mederich-Serapio), Gefangener, Söldnerführer den Römern nahe getreten war, erfahren aber bestimmt (aus Ammianus Marcellinus [ed. Eyssenhardt, Berlin 1871] XVII. 3) das Gegentheil: er wie sein germanisch benannter Bruder staunte, im Lager unter den Adlern und Feldzeichen umhergeführt, den mannichfaltigen Prunk der Truppen und den Stolz der Römerwaffen an, die er zum ersten Mal erschaute: also der Einfluß römischer Cultur mochte damals schon so tief in das Binnenland dringen, daß ein alamannischer Gaukönig seinem Sohn einen römischen Namen gab. Nach langer Berathung ward den königlichen Brüdern der erbetenen Friede bewilligt: 359 n. Chr. Aber nach Julian’s Abzug aus Gallien und seinem frühen Tode erhoben sich die Alamannen aufs Neue (über die Ursachen dieser unablässigen Bewegungen, welche keineswegs und niemals blos Raubfahrten, sondern sehr oft gewaltsame Ausbreitungen waren und dauernde Niederlassung auf römischem Boden anstrebten, s. Dahn, Urgeschichte der germanischen und romanischen Völker II, Berlin 1882, S. 230 Deutsche Geschichte, I. 1, Gotha 1883, S. 150): und zwar spielt M. hiebei die bedeutendste Rolle. Der kriegsgewaltige Kaiser Valentinian I. (364–375) hatte bei seinem Streben, die Rheingrenze zu schützen, keine dringendere Sorge, als diesen König unschädlich zu machen; unter wechselndem Verhalten zu Rom war seine Macht fortwährend angewachsen – vermuthlich doch dadurch, daß er allmälig immer mehr Gaue unmittelbar unter seine Herrschaft oder mittelbar unter seinen Einfluß brachte: also auch ohne römische Schulung mochte hervorragende Begabung, getragen von der allgemeinen Bewegung, welche damals die Germanen zu größeren Verbänden zusammentrieb, einen solchen „Gaukönig“ recht gefährlich machen. In der That schien dieser Feind so bedeutend, daß der Kaiser des Weltreichs einen besonderen Streifzug lediglich zu dem Zweck unternahm, ihn zu fangen, und daß Ammianus bei seinem Rückblick auf die Verdienste des Herrschers dieses Unternehmen, obwol es scheiterte, nochmals als wichtige That hervorheben zu müssen glaubt. Valentinian schwebte der glückliche Handstreich vor, durch den sich vor wenigen Jahren Julian eines andern gefährlichen Alamannenkönigs, Vadomar (s. den Artikel) bemächtigt hatte. Auf die von Ueberläufern erkundete Nachricht, an welchem Ort in der Nähe des Rheins jener, keine Gefahr besorgend, überrascht werden könne, schlug der Kaiser in aller Stille eine fliegende Schiffbrücke über den Rhein, und schickte eine kleine Schaar Fußvolk voran, er selbst folgte mit der Hauptmacht. Severus, der Führer der Vorhut, machte ängstlich Halt gegenüber den „aquae Mattiacae“ (Wiesbaden), wo (vielleicht bei Soden?) der kränkliche König die Quellen gebrauchte. Römische Gaukler, welche Sclaven feil hielten, kamen zufällig hinzu; Severus ließ sie – die völlig Schuldlosen – echt römisch sämmtlich tödten, damit sie nicht im Lande die Nähe römischer Truppen verkünden konnten; ihre Waaren wurden geplündert. Erst als der Kaiser kam, stieg der verzagten Vorhut wieder der Muth; man schlug ein Lager, freilich, in Ermangelung der Lastthiere für das Gepäck, so ungenügend, daß sogar dem Kaiser Vorhänge und Decken das Zelt ersetzen mußten. Nachdem das nächtige Dunkel gewichen, drang man wieder vor, Theodosius (der spätere Kaiser) mit den Reitern an der Spitze, von kundigen Wegweisern geführt. Der Ueberfall mißlang jedoch, Dank der schlechten Mannszucht der Soldaten, welche, obwohl von dem gefürchteten und geehrten Kaiser selbst geführt und ungeachtet seiner unablässig wiederholten Verbote, sich des Landbrandes und der Plünderung nicht enthielten: so tief war die römische Disciplin bereits gesunken. Das Geprassel der Flammen und mißtöniges Geschrei [127] schreckten die Gefolgen des Königs auf, sie hoben ihn auf ein rasches Gespann – zu reiten verhinderte ihn also wol seine Krankheit – und bargen ihn hinter zerklüfteten, nur mit schmalem Anstieg zugänglichen Hügeln. So ward Valentinian der Erfolg entrissen: ohne sein Verschulden, durch die Zuchtlosigkeit der Truppen. Er verheerte das Land mit Feuer fünfzig Meilen in der Runde und kehrte nach Trier zurück, „betrübt, wie ein Löwe, dem ein Hirsch, eine Gemse entkommen, das leere Gebiß zusammenschlägt“. Der Kaiser suchte nun nach altrömischer, seit des Tiberius Tagen mit so viel Erfolg angewendeter Politik die für ihre Freiheit und gegen Rom kämpfenden Germanen dadurch zu schwächen, daß er andere Völkerschaften der Germanen oder gar in der gleichen Völkerschaft einzelne Gaue auf die römische Seite zog. Schon ein paar Jahre vorher war zwar ein Versuch, die Burgunden gegen die Alamannen, besonders eben gegen M. zu hetzen, vermöge vielfacher Gaustreitigkeiten dieser beiden Nachbarvölker leicht gelungen. Da jedoch die in das Land der Alamannen von Nordosten her eingedrungenen Burgunden die vertragmäßig versprochene Mitwirkung der Kaiserlichen (aus unbekannten Gründen: vielleicht weil es Valentinian vorzog, die Barbaren sich untereinander allein abschlachten zu lassen) nicht gefunden, waren sie bald mit bitterem Groll gegen die Römer wieder abgezogen. Jetzt gewann oder schreckte Valentinian die Bukinobanten, alamannische Gaue gegenüber Mainz dazu, sich an Makrian’s Stelle den natürlich von Rom abhängigen Fraomar als König einsetzen zu lassen. M. aber war keineswegs blos König der Bukinobanten: auch jetzt blieb ihm Macht, den von Rom eingesetzten Gegenkönig durch einen verheerenden Angriff alsbald wieder zu vertreiben; Fraomar flüchtete zu dem Kaiser und dieser schickte ihn als Anführer tüchtiger alamannischer Söldner nach Brittannien. Diese Angaben sind sehr lehrreich: sie beleuchten die uns leider sonst so dunkeln inneren Verfassungsentwicklungen der Stämme, welche später das deutsche Volk ausmachten, im 4. Jahrhundert. Vollständig bekräftigt wird hiedurch die Auffassung jener Gruppen von Alamannen, Franken u. s. w. als lockerer Staatenbündnisse benachbarter, meist (aber nicht immer) verwandter Völkerschaften und Gaue, die sich vor Allem zu gegenseitiger Kriegshilfe in Vertheidigung und auch, wo erforderlich, zu gewaltsamer Ausbreitung verpflichteten. Uebrigens zeigt gerade dieser Versuch mit Fraomar, daß das so lange mit Erfolg eingesetzte Mittel eingesetzter Könige nicht mehr verfing; die Furcht vor dauerndem römischen Eingreifen auf dem rechten Rheinufer war bei den Alamannen nicht mehr stark genug: man glaubte nicht mehr daran, daß die Legionen zur Aufrechterhaltung solcher Schützlinge wiederholt oder gar ständig Gebiete besetzen würden, welche endgültig aufgegeben waren. M. und die ihm verbündeten Könige waren es doch offenbar, welche die zu Rom Abgefallenen züchtigten, vielleicht die Rom Widerstrebenden befreiten, die Errichtung auch nur mittelbarer Herrschaft Roms an dem rechten Ufer verhinderten (372–373). M. blieb unbezwungen und eine so drohende Gefahr für die Rheingrenze, daß die Räthe des Kaisers diesen, als er im folgenden Jahre gegen die Quaden an die Donau ziehen wollte (welche, ergrimmt über die treulose Ermordung eines ihrer Könige, zwei Legionen schwer geschlagen hatten), beschworen, doch ja nicht aufzubrechen, während M. in Feindschaft verharre, der sich dann nicht begnügen werde, das Flachland zu verheeren oder in Besitz zu nehmen, sondern sogar an die Mauern der festen Städte sich wagen werde. In der That entschloß sich der Herr der römischen Welt, den bitter gehaßten Barbarenkönig selbst freundlich zu einer Zwiesprach in die Nähe von Mainz zu laden. M. erschien: „unmenschlich aufgeblasen von Uebermuth, als der Ueberlegene, der die Bedingungen des Friedens werde vorzuschreiben haben. Am festgesetzten Tage stand er hart an dem (rechten) Ufer des Rheines, hoch [128] das Haupt erhebend, nach allen Seiten hin erdröhnte der Schild-Lärm seiner Volksgenossen.“ Der Alamanne weigerte sich offenbar, der römischen Treue und dem römischen Ufer sich anzuvertrauen; und er hatte alle Ursache zu solchem Mißtrauen: gerade um diese Zeit waren (wie übrigens von jeher seit den Tagen der Kimbern und Ariovists) von den Römern die heiligsten Grundsätze des Völkerrechts durch Mord, Vertragsbruch, treulose Gewalt jeder Art gegenüber Königen und Völkern der Germanen wiederholt gebrochen worden. Nicht einmal auf den Mittelweg ließ sich der Alamanne ein, welchen der Westgothe Athanarich (s. den Artikel) vor wenigen Jahren (369) Kaiser Valens zugebilligt hatte: – auf dem Strome selbst in Kähnen zusammen zu treffen – er blieb hartnäckig auf dem rechten Ufer: und da der Barbar nicht zum Kaiser ging, ging der Kaiser zum Barbaren, den er gewinnen mußte. So fuhr denn Valentinian auf Strom-Nachen unter starker Bedeckung hinüber und betrat vorsichtig das feindliche Ufer, weithin schimmerte der Glanz der Feldzeichen. Allmälig beruhigte sich das unbändige Gebahren und Gedröhne der Alamannen: die beiden Fürsten sprachen und hörten und schlossen Freundschaft unter eidlicher Bekräftigung. Vermuthlich gewann ihn der Kaiser durch reiche Gewährung von Getreide, Geld, vielleicht auch durch Landabtretung, und lenkte seine Kriegslust auf die anderen Bedränger des Rheins und Galliens ab, auf die Franken. So schied denn der König, der langjährige Unruhestifter (turbarum artifex), endlich zur Ruhe gebracht, als neuer Verbündeter für die Zukunft: und wahrlich, er gab bis zu seinem letzten Augenblicke ein Beispiel unwankender Treue. Er fiel später im Gebiete der Franken (hier begegnet zum ersten Mal der Landesname „Francia“, wie kurz vorher „Alamannia“); als er hier allzu hitzig in vernichtender Verheerung vordrang, gerieth er in einen Hinterhalt des kriegerischen Frankenkönigs Mellobaud (s. den Artikel) und ward getödtet.

Ammianus Marcellinus XXIX. XXX. ed. Eyssenhardt, Berlin 1871. Stälin, Geschichte Wirtembergs I, Stuttgart 1883. Dahn, Urgeschichte der germanischen und romanischen Völker II, Berlin 1881, S. 325–376. Dahn, Deutsche Geschichte I. 1. Gotha 1883. S. 563–591.