Zum Inhalt springen

ADB:Mercklin, Ludwig von

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Mercklin, Ludwig“ von Eduard Thraemer in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 21 (1885), S. 408–410, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Mercklin,_Ludwig_von&oldid=- (Version vom 25. November 2024, 04:25 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Band 21 (1885), S. 408–410 (Quelle).
Ludwig Mercklin bei Wikisource
Ludwig Mercklin in der Wikipedia
Ludwig Mercklin in Wikidata
GND-Nummer 116904879
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|21|408|410|Mercklin, Ludwig|Eduard Thraemer|ADB:Mercklin, Ludwig von}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=116904879}}    

Mercklin: Ludwig M., geb. am 11. Juli 1816 zu Riga, studirte 1835 bis 1839 in Dorpat Philologie (erhielt 1836 die goldene Medaille für eine Preisschrift über die Gracchischen Unruhen), habilitirte sich Ende 1840 als Privatdocent an der Dorpater Universität (Habilitationsschrift „De Junio Gracchano part. I“), wurde 1841 zum Magister promovirt („De Junio Gracchano part. II“) und 1844 Doctor der Philosophie (Inauguraldissertation „De Cornelia, Gracchorum matre“). In den ersten Jahren seiner Docententhätigkeit bekleidete M. zugleich successive die Stellung eines „wissenschaftlichen Lehrers“ am Dorpater Gymnasium und eines Bibliothekargehilfen an der Universitätsbibliothek. Von tiefgehender Bedeutung für Mercklin’s Entwickelungsgang ward das Jahr 1846, in welchem sein lange gehegter Wunsch, Italien kennen zu lernen, endlich in Erfüllung ging. Er durchwanderte dieses Land bis Paestum, studirte mit nie rastendem Eifer seine Bibliotheken und Museen und erwarb auf dieser Reise jene Vertrautheit mit den beiden Seiten der Alterthumswissenschaft, der kritisch-philologischen und der realen, welche ihn auszeichnete. Trotzdem hatte sich M. noch mehrere Jahre bei seiner Docentur zu gedulden, ward dann aber 1851 einstimmig auf den erledigten Lehrstuhl der altclassischen Philologie, Aesthetik und Kunstgeschichte berufen und ein Jahr darauf zum Ordinarius befördert. Den praktischen Aufgaben dieser Stellung widmete er sich mit der größten Gewissenhaftigkeit, ohne daß dadurch seine wissenschaftlich-productive Thätigkeit eine Einschränkung erfahren hätte. Im J. 1860 entsandte ihn die Dorpater Universität mit halbjährlichem Urlaub zu wissenschaftlichen Zwecken ins Ausland. Dieselben waren auf das Studium der Museen Deutschlands, Frankreichs und Englands, sowie auf Handschriftencollationen für Nonius und Augustinus gerichtet. Ein dauerndes Denkmal dieser Reise besitzt die baltische Universität in ihrem Museum von Gipsabgüssen, zu welchem M. durch umfassende Käufe damals den Grundstock legte. Mitten in rüstiger Arbeit befiel ihn Ende 1862 ein krebsartiges Leiden, welches so rasche Fortschritte machte, daß er bereits nach einigen Monaten um seinen Abschied nachsuchen mußte. „Die Universität sah ihn aus ihrem Kreise ausscheiden ungebeugten Geistes in schwergepeinigtem Leibe. Noch Monat um Monat darauf, während er äußerlich zerfiel, hielt der innere Bau seiner Seele unerschüttert zusammen, als wäre ein Theil des Geistes jener alten Zeit auf ihn übergegangen, deren Verständniß und Bewunderung er ein volles Menschenalter gewidmet hatte“ (C. Schirren). Der Tod erfolgte am 15. September 1863. – Mercklin’s zahlreiche, meist nicht umfangreiche Abhandlungen haben ihrer Zeit zwar seitens der nächstbetheiligten Mitforscher gebührende Anerkennung gefunden, aber sie sind zu sehr zerstreut, theils auch an schwer zugänglicher Stelle veröffentlicht. So ist es gekommen, daß die jüngere Generation das Andenken des Mannes nicht in dem Grade, wie er es verdient, festgehalten hat. Begnügt sich doch Bursian in seiner kürzlich erschienenen „Geschichte der Philologie in Deutschland“ [409] S. 1215 Mercklin’s Verdienste um die Erforschung des römischen Sacralrechts zu berühren und läßt damit eine Hauptseite seiner Leistungen, die für die römische Litteraturgeschichte, ganz außer Acht. Hier bietet sich eine stattliche Reihe von Titeln dar. Zu den bereits oben erwähnten Dissertationen, welche M. den umständlichen Weg in den Dorpater akademischen Lehrkörper bahnten, kommen: ein Gymnasialprogramm „De Fenestella“, Dorpat 1844, eine „Abhandlung über die isagogischen Schriften der Römer“ (Philol. 1849), die Herausgabe des „Anonymus Magliabecchianus“ im Festprogramm der Dorpater Universität von 1852 und anderes mehr, vor Allem aber seine trefflichen Arbeiten über Varro, die theils in einer Reihe von Indices schol. Dorp., theils im Philologus und rheinischen Museum veröffentlicht sind. Dieselben finden sich von M. selbst aufgezählt und besprochen in seinem umfangreichen, „die varronische Litteratur von 1826–58“ behandelnden Jahresbericht im Philologus von 1858. Hinzuzufügen ist die später erschienene Abhandlung „De Varrone cor onarum Romanarum interprete“ im Dorpater Ind. schol. von 1861 (vgl. Riese im Philol. XXVII p. 286). Auf dem Boden varronischer Forschung besonders ist es zu bedauern, daß ein so früher Tod dem besonnenen und glücklichen Forscher sein Halt zugerufen hat. Noch seine letzte Reise des Jahres 1860 hatte ihm durch die auf Nonius und Augustin gerichteten, in letzter Linie aber Varro geltenden textkritischen Studien neues Material geliefert, doch ward ihm eine Verwerthung desselben nicht mehr möglich. Das Andenken des Mitforschers hat F. Ritschl durch Wiederabdruck zweier varronischer Abhandlungen Mercklin’s in der Sammlung seiner Opuscula geehrt (Band III: „De Varronis hebdomadibus“ und „Sendschreiben an Ritschl“). Durch seine auf die Restitution des Varro gerichtete Thätigkeit ward M. naturgemäß auf Gellius geführt; eine umfangreiche und gründliche Abhandlung im 3. Supplementband der Jahn’schen Jahrbücher: „Die Citirmethode des Gellius in den Noctes Atticae“ (1860) und ein Dorpater Programm von 1861, „Noct. Atticar. capita quaedam ad fontes revocata“ geben von seinen bezüglichen Studien Kunde. In das Gebiet der römischen Geschichte gehören mehrere Programme („De Osculana pugna“, 1854; „De curiator. comit. principio“, 1856 u. A.), mit besonderem Interesse aber widmete sich M. dem Studium des römischen Sacralrechts. Hierher gehört die umfangreichste seiner Schriften: „Die Cooptation der Römer“, Mitau und Leipzig 1848 (recensirt von Rein in Jahn’s J. B. Bd. LVIII, S. 339–49, und in der Zeitschrift für A. W. 1849 Nr. 9–12), sowie eine leider ohne die angekündigte Fortsetzung gebliebene Abhandlung „Ueber die Anordnung und Eintheilung des römischen Priesterthums“ im Bull. der Petersburger Akademie 1852 S. 305–72. – Wenn die bisher aufgeführten Schriften uns den Forscher auf römischem Boden, der eigentlichen Sphäre Mercklin’s, zeigen, so blieb ihm das Interesse für das hellenische Alterthum doch keineswegs fremd. Hier war es besonders die Archäologie, welche M. schon als akademischer Lehrer zu vertreten hatte, für welche er zudem mehrere Dorpater Programme und Verschiedenes in der Archäologischen Zeitung (vgl. Jahrgang 1847–62) beisteuerte. Theils archäologischen, besonders aber mythologischen Inhalts ist endlich eine größere Abhandlung: „Die Talossage und das sardonische Lachen“, erschienen in den Mémoires des savants étrang., Bd. VII, Petersb. 1851 (vgl. Zarncke 1851, S. 307 f.), welche, der durch Movers’ Phönicier gegebenen Anregung folgend, den Spuren des phönicischen Talos im griechischen Kultus nachgeht. – So geben Mercklin’s hinterlassene Schriften von einem unermüdlichen und vielseitigen Forscherleben Kunde. M. war eine schlichte Gelehrtennatur, nicht schwungvollen Geistes, aber gründlich und durch combinatorischen Scharfblick ausgezeichnet. Ein mikroskopischer Blick zog ihn auf das Gebiet mühsamer Detailforschung, ein emsiger Bienenfleiß ließ ihn in derselben nicht [410] ermatten. Doch über dem Einzelnen verlor er nie den Blick für den Zusammenhang der Erscheinungen, ja es trieb ihn weitgesteckten Endzielen zuzustreben. So war seine wissenschaftliche Thätigkeit nach mehreren Seiten in großem Stile angelegt, aber ein früher Tod hat ihn gehindert den begonnenen Bauten die Schlußsteine aufzusetzen.