Zum Inhalt springen

ADB:Merian, Jean Bernard

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Merian, Jean Bernard“ von Carl von Prantl in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 21 (1885), S. 428–430, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Merian,_Jean_Bernard&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 18:46 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Merian, Andreas
Nächster>>>
Merian, Peter
Band 21 (1885), S. 428–430 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Johann Bernhard Merian in der Wikipedia
Johann Bernhard Merian in Wikidata
GND-Nummer 116892021
Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|21|428|430|Merian, Jean Bernard|Carl von Prantl|ADB:Merian, Jean Bernard}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=116892021}}    

Merian: Johann Bernhard M., geb. am 28. Sept. 1723 in Liestall bei Basel, † in Berlin am 12. Februar 1807, Sohn eines Pfarrers, bezog bereits 1737 die Universität Basel, wo er Philologie und Philosophie studirte, aber von dem dort vertretenen Cartesianismus sich nicht angezogen fühlte. Nachdem er 1740 die Doctorwürde erlangt hatte, bewarb er sich viermal vergeblich um eine Universitäts-Lehrstelle, wozu er jedesmal eine Abhandlung drucken ließ (1740 „De autocheiria“, 1742 „De peccatis poëtarum adversus rhetorices praecepta“, 1743 „De subsidiis, quae requiruntur ad intelligendum Homerum“, 1744 [429] „Sylloge observationum historicarum“), und nach solchem Mißerfolge wandte er sich zur Theologie, in welcher er jedoch seine Befriedigung nicht fand. Er ging auf einige Zeit nach Lausanne zu Verwandten und nahm dann eine Hofmeisterstelle in Amsterdam an; im J. 1749 aber schlug ihn Maupertuis auf Empfehlung Bernoulli’s als Mitglied der Berliner Akademie vor, und freudig trat M. in diesen Wirkungskreis ein. Alsbald war er veranlaßt, in einer widerlichen Streitigkeit, welche Samuel König gelegentlich der Frage über das Princip der geringsten Action (die sog. Lex minimi) gegen Maupertuis führte (s. Allg. D. Biogr., Bd. XVI, S. 522) das Wort für letzteren zu ergreifen, wobei er sogar Euler’s Zustimmung fand. Für Maupertuis verfertigte er auch eine Uebersetzung der philosophischen Schriften David Hume’s, welche Formey mit einer Vorrede und Anmerkungen begleitete (1751 ff.). Im J. 1767 wurde M. Inspector des französischen Collegiums in Berlin und 1770 Director der in der Akademie bestehenden Abtheilung für die schönen Wissenschaften, in welcher Eigenschaft er die Berichte über die einlaufenden Arbeiten auswärtiger Gelehrten zu verfassen hatte. Seit 1770 trat er auch in näheren Verkehr mit Friedrich d. Gr., welcher ihn fortan in wissenschaftlichen und Personal-Fragen zu Rathe zog, und diese Stellung bei Hof wurde noch dadurch verstärkt, daß M. eine Tochter des mit dem Könige innig befreundeten Geheimen Rathes Jordan (s. Allg. D. Biogr., Bd. XIV, S. 505) heirathete. Zum Visitator des Joachimsthaler Gymnasiums ernannt (1773) begann er einen äußerst günstigen Einfluß auf allmälige Umgestaltung des Unterrichtes auszuüben; den im J.1775 zum Rector der Anstalt ernannten Meierotto, mit welchem er bald enge Freundschaft schloß, führte er mittelst einer deutschen Rede in sein Amt ein. Nach dem Tode Formeys’s, welchem er auch die übliche Gedächtnißrede hielt, wurde er 1797 ständiger Secretär der Akademie. In den Publicationen dieser gelehrten Gesellschaft war von ihm seit seinem Eintritte eine reiche Zahl von Abhandlungen erschienen: „L’apperception de notre propre existence“ (1749), „L’existence des idées dans l’âme“ (1749), „L’action, la puissance et la liberté“ (1750, eine sehr schwache Erörterung des Freiheitsproblemes), „Reflexions philosophiques sur la ressemblance“ (1751, gegen Leibniz), damit verwandt „Le principe des indiscernables“ (1754), „Sur l’identité numerique“ (1755), „Parallèle de deux principes de psychologie“ (1757, nämlich über den Locke-Condillac’schen und den Leibniz’schen Standpunkt mit dem Nachweise dessen, worin beide Recht und beide Unrecht haben), „Le sens moral“ (1758, anschließend an die schottische Schule), „Le désir“[WS 1] (1760), „Le suicide“ (1763), „Discours sur la metaphysique“[WS 2] (1765), „La durée et l’intensité du plaisir et de la peine“ (1766). Dann folgte eine französische Uebersetzung des Gedichtes des Claudianus „Raptus Proserpinae“ mit historisch-kritischer Einleitung (1767) und hierauf unter dem Titel „Système du monde“ (1770) eine Bearbeitung der kosmologischen Briefe Lambert’s; eine Reihe akademischer Abhandlungen betraf sodann (1774–77) das sog. Problem Molyneux, d. h. die Frage, ob ein Blindgeborener, wenn er später die Sehkraft erlangt, durch bloßen Gesichtssinn ohne Beiziehung des Tastsinnes einen Würfel von einer Kugel unterscheiden könne, wobei M. nach erfolgloser Prüfung aller verschiedenen Ansichten mit dem Vorschlage schließt, eine Anzahl Findelkinder mehrere Jahre in absolut finsterem Raume nach Art der Blinden zu pflegen und dann in das Licht zu entlassen, um zu erfahren, was sie vom Würfel sagen. Gleichfalls eine größere Zahl von Aufsätzen (1774–91) betrifft die Frage „Comment les sciences influent-elles sur la poësie?“ welche er geschichtlich bis in das 15. Jahrhundert verfolgt und in dem Sinne beantwortet, daß wissenschaftliche Lehren für Poesie untauglich und nachtheilig seien. Inzwischen folgte „Sur l’universalité de la langue française“ (1785) und „Si Homère a écrit ses [430] poèmes“ (1788 f.), welche Frage er in einer Weise verneinte, daß ihm hierfür Fr. Aug. Wolf in den Prolegomena seine Anerkennung aussprach. Zur Philosophie wieder zurückgreifend veröffentlichte er in den Abhandlungen der Akademie „Sur le phénoménisme de D. Hume“ (1793), worin er die Ansicht aussprach, daß Hume’s Skepsis über das Ziel hinausschieße, und „Parallèle historique de nos philosophies nationales“ (1797), wo er zu dem seichten Ergebnisse gelangt, daß die nun Aufsehen erregende Philosophie Kant’s wohl in bälde ebenso vergessen sein werde, wie jetzt die Wolff’sche Philosophie. M. war sicher kenntnißreich, aber eine hervorragende Stellung in der Philosophie kann ihm nicht zugewiesen werden, denn er ist ebenso wie sein Amtsvorgänger Formey (s. Allg. D. Biogr. Bd. VII, S. 156) ein Eklektiker mit Hinneigung zur empirisch-psychologischen Auffassung der speculativen Fragen. Er bekämpft mit Vorliebe den Wolff’schen Dogmatismus und auch die Leibniz’sche Philosophie, denkt aber doch an eine Vereinbarung derselben mit den Grundsätzen der schottischen Schule und möchte alle tieferen Probleme in eine Art Naturgeschichte der Seele umsetzen.

Biographie universelle, 2. Aufl. Bd. XXVIII, S. 29 ff. (der Nekrolog der 1. Aufl. fand eine deutsche Uebersetzung in „Zeitgenossen, Neue Folge“, Bd. II (1822), S. 135). Fr. Ancillon, Éloge historique de J. B. Mérian (1810). Chr. Bartholmeß, Histoire philosophique de l’Académie de Prusse (1850 f.) Bd. II, S. 32 ff.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Schließendes Anführungszeichen fehlt.
  2. Vorlage: Schließendes Anführungszeichen fehlt.