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ADB:Morata, Olympia Fulvia

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Artikel „Morata, Olympia Fulvia“ von Ludwig Geiger in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 22 (1885), S. 211–213, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Morata,_Olympia_Fulvia&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 05:26 Uhr UTC)
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Morata: Olympia Fulvia M., geb. in Ferrara 1526, † in Heidelberg, 26. Oct. 1555, Dichterin und Rednerin. Ihr Vater, Fulvio Pellegrino Morato, der in Mantua, später in Ferrara lebte, mit Unterbrechung von 8 [212] Jahren, 1530–1538, die er mit seiner Familie in Vicenza zubrachte und in Ferrara 1547 starb, ist als Verfasser eines Reimlexicons zu Dante und Petrarca, als lateinischer Dichter, und als Commentator einzelner Schriften des Cicero, Horaz, Virgil bekannt. Er gab seiner Tochter eine gelehrte Erziehung, welche dieselbe befähigte, durch ihre Kenntniß der alten Sprachen selbst den verwöhnten Kennern am Hofe von Ferrara zu imponiren. Sie lebte am Hofe in genauem Verkehr mit Anna von Este, die sich später mit Franz von Lothringen, Herzog von Guise vermählte. Dieses Leben am Hofe rief aber keine höfische Gesinnung in ihr hervor, sie war vielmehr froh, da sie vom Hofleben befreit wurde und braucht später ernste und strenge Worte gegen das höfische Treiben. Von hervorragender Wichtigkeit für sie war das Leben am Hofe nicht blos dadurch, daß sie bedeutende Männer kennen lernte, z. B. Pietro Bembo, dessen Tod sie mit einem lateinischen Gedichte beklagte, sondern dadurch, daß sie in die reformatorischen Gesinnungen und Bestrebungen des Hofes von Ferrara (Renata v. Este) eingeweiht wurde. Seitdem hört die heidnische Periode ihres Lebens auf, in welcher sie den Tendenzen des italienischen Humanismus nahe steht; die christliche Periode beginnt. Olympia liest die Bibel und citirt seitdem mit Vorliebe biblische Stellen. Sie ist von unendlichem Gottvertrauen erfüllt und wünscht dasselbe auch Andren einzuflößen. Sie hält das Leiden für den Antheil derer, welche an Christus glauben, will aber lieber leiden als ohne Christus die Welt besitzen, und lebt der Ueberzeugung, daß Leiden und Unglück eine glückselige Zukunft verheißen. Sie betet viel, liest reformatorische Schriften und tritt entschieden gegen den Papst auf, den sie geradezu als Antichrist bezeichnet. – Nach dem Tod des Vaters hatte Olympia für die Ihrigen zu sorgen und lebte in ziemlich beschränkten Verhältnissen. In diesen fand sie eine Stütze in Andreas Grüntler aus Schweinfurt, der nach Ferrara gekommen war, um sich in Philosophie und Medicin, die er bereits in Deutschland studirt hatte, weiter auszubilden. Er lernte Olympia kennen und lieben, er erhielt ihre Hand; die Vermählung des Paares fand 1550 statt. Bald nach der Hochzeit ging Gr. nach seiner Heimat, um sich dort eine Stelle zu verschaffen, kehrte aber unverrichteter Sache nach Ferrara zurück. Indessen war es der religiösen Verhältnisse halber dem jungen Paar unmöglich in Ferrara zu bleiben; sie zogen daher mit Emilio, einem Bruder der Olympia, Oct. 1551, nach Schweinfurt. Dort blieben sie einige Jahre, Gr. wirkte, als Arzt, Olympia war wegen ihrer Bildung und Herzensgüte bekannt; noch später wandten sich viele Schweinfurter an sie, in der sichern Hoffnung von ihr unterstützt und gefördert zu werden, ohne daß sie im Stande war, allen Anforderungen zu genügen. Die Belagerung Schweinfurts (im Kriege zwischen Albrecht von Brandenburg und Moritz von Sachsen) machte den Aufenthalt daselbst unerträglich; Gr., der einen Ruf nach Linz ausgeschlagen hatte, weil er fürchtete, dort in seiner Religionsübung gestört zu werden, floh mit seiner Gattin nach Hammelburg und kam 1554 an die Universität Heidelberg. Seine Berufung erfolgte am 12. Juli 1554. Nach dem Berichte von Leodius (oben Bd. 18, S. 296) z. J. 1554, nachdem er Olympia als Sappho bezeichnet hat: Uterque a nostro principe in decus sui gymnasii ascitus est, ipse ut medicinam profiteatur, ipsa ut graecas literas doceat quod hacentus distulit morbo comprehensa, wäre auch sie berufen worden. Doch findet sich nichts davon in den Akten (Hautz, Gesch. der Univ. Heidelb. I, 430 ff.) Die Krankheit, von welcher Leodius spricht, ist Olympia wol überhaupt nicht mehr los geworden. Sie beklagte sich über die Rauhheit des deutschen Klimas, sie sehnte sich nach ihrem Heimathlande, speciell nach ihrer Vaterstadt zurück, trotzdem sie dort für ihre Religion zu leiden gehabt hatte; obwol sie in Deutschland lebte, war sie mit Geist und Herz in Italien. Ihre Werke, wenn [213] man ein dünnes Bändchen als „Werke“ bezeichnen kann, erschienen bald nach ihrem Tode von Freundeshand gesammelt, unter dem Titel: „O. F. M. mulieris omnium eruditissimae latina et graeca quae haberi potuerunt, monumenta eaque plane divina, cum auditorum de ipsa judiciis et laudibus. Hippolytae Taurellae elegia elegantissima. Ad ill. Isabellam Bresegnam“. (Mir liegt die Ausgabe Basel 1558, 115 S. vor, spätere Ausgaben 1562, 1570, 1580. Hippol. Taurella ist die 1525 gestorbene Frau des Baldassare Castiglione, ihre Elegie hat mit dem sonstigen Inhalt des Bändchens nichts zu thun). Ein (ungedrucktes) „griechisches Gedicht“ in 11 Strophen, eine Bearbeitung des 43. Psalms, mit der Unterschrift: Olympia Morata Grunthlera faciebat, findet sich in München (Camerarische Samml., Bd. 13, Fol. 103). Die Sammlung ihrer Werkchen enthält Briefe an Coelius Curio Secundus (Bd. IV S. 647), an Joh. Sinapius, an Flacius, Vergerius und an verschiedene Andere. Sie berichtet von ihrem Leben, übersendet Gedichte und Dialoge, spricht von ihren Plänen, z. B. von ihrer Absicht ein „Sophocleum opus“ zu schreiben, von einem verloren gegangenen Werke: „defensio pro Cicerone“. Außer den Briefen von ihr und an sie, die den größten Theil der Sammlung ausmachen, hat sie eine Anzahl Psalmen griechisch wiedergegeben, ein paar griechische Gelegenheitsgedichte und Epigramme gemacht, die im Originale und einer von Karl Utenhoven angefertigten lateinischen Uebersetzung mitgetheilt werden. Auch lateinische Verse, welche ihre fromme Gesinnung verrathen, rühren von ihr her. Ihre Sprachkenntniß ist bedeutend, ihr lateinischer Stil elegant. Nicht sowol ihre Leistungen, als die für Deutschland ungewohnte Thatsache, daß eben eine Frau lateinische Vorträge zu halten, griechische Briefe zu schreiben im Stande war, daß sie mit Gelehrten wie mit Ihresgleichen verkehrte, haben ihren Ruf in Deutschland begründet. Dazu kam, daß sie persönlich einen eigenthümlichen Reiz ausgeübt haben muß: Coelius Curio Secundus und Jacob Micyllus (Bd. XXI S. 704) sind voll ihres Lobes. Ihr echt weibliches Wesen gewann ihr die Herzen, ihre stark ausgeprägte religiöse Gesinnung, von der man wußte, daß sie ihr das Vaterland gekostet, erregte große Theilnahme; der Reiz des Außländischen wirkte mit; so erlangte Olympia bei den Zeitgenossen und bei den Späteren hohen Ruhm, ohne daß sie durch ihre Leistungen denselben beanspruchen könnte.

Ausgaben der Werke s. oben. Darin auch manche panegyrische und biographisches Material enthaltende Briefe. Die biographische Litteratur über sie ist sehr zahlreich, aber dem Gehalte nach unbedeutend. Holten, Vita Olympiae Moratae, 1775. Knetschke, De Olympia Fulvia Morata, 1808. E. Münch, Olympia Fulvia Morata, Freib. 1827. J. Bonnet, Vie d’Olympia Morata, 1856, deutsch übersetzt von Merschmann, Hamburg 1860. Olympia Morata, Her times, life and writings, arranged from contemporary and other authorities. By the author of Selwin. Second edition, London 1834. Olympia Morata, Her life and times by Robert Turnbull, Boston 1846. O. Wildermuth, O. Morata, ein christl. Lebensbild, 1854.