ADB:Musäus, Simon
Georg Sabinus begonnenen höhern Studien von 1545–1547 in Wittenberg fort. Die auf Melanchthon’s Empfehlung ihm übertragene Lehrerstelle der griechischen Sprache an der Sebaldsschule in Nürnberg vertauschte M. 1549 mit dem Pfarramte in Fürstenwalde in der Neumark. Wegen seiner Verheirathung vom Bischof von Lebus 1551 vertrieben, fand er 1552 in Crossen eine neue Kanzel, die er jedoch 1554 räumen mußte, weil er in seinen Predigten den Rath wegen seines Auskaufens der Bauern öffentlich angegriffen hatte. Im Januar desselben Jahres war Moiban in Breslau gestorben; der Rath richtete sein Augenmerk auf den bereits in weitern Kreisen bekannten Musäus; wie die in Wittenberg über ihn von Crato durch Zacharias Ursinus eingezogenen Erkundigungen gelautet haben mögen, ist nicht bekannt geworden, indeß M. wurde nach Breslau berufen und auf der Stadt Kosten alsbald nach Wittenberg geschickt, um sich dort das theologische Doctorat zu erwerben. Nur paßte er als eifriger Gegner des Interim nach Breslau, in dessen Kirchen sich fast mehr Katholisches erhalten hatte, als das Interim verlangt, und wo dem Bischof und seinem Capitel gegenüber doppelte Vorsicht Noth that, am allerwenigsten. Cratos Rath zur Milde wurde von M. zwar gebilligt aber wenig befolgt, wie sich das von einem Manne, dem auch der Chorrock kein adiaphoron war, nicht anders erwarten ließ. Wir kennen die specielle Veranlassung nicht näher, aber der durch M. beunruhigte katholische Clerus erwirkte bei Hofe 1557 einen königlichen Befehl an den Rath, M. sofort zu beurlauben, und diesem Befehle mußte Folge geleistet werden. In den Sächsischen Fürstenthümern hatte um diese Zeit der Flacianismus vollständig gesiegt; Justus Menius in Gotha, der Freund Georg Majors war 1557 im Frühjahr dimittirt worden; man brauchte einen Gnesiolutheramer und durfte nach einem solchen nicht lange suchen; im September schreibt M. aus Gotha an Crato; jetzt hörte auch seine Verbindung mit Melanchthon auf. Nachdem er alsdann noch in Eisfeld im Fürstenthum Hildburghausen eine kurze Zeit amtirt hatte, um Mörlin und Stössel näher zu sein, die in Gemeinschaft mit ihm mit der Abfassung der confutatio Saxonica beauftragt waren, berief ihn Herzog Johann Ernst zum Superintendenten und Professor nach Jena. In welchem Sinne er dort gewirkt hat, bezeugt sein Urtheil über Wittenberg; er nannte es bei einer öffentlichen Universitätsfeierlichkeit stinkende Cloake des Teufels. Der 1560 vom 2. August an in Weimar zwischen Matthias Flacius und Victorin Strigel gehaltnen bekannten Disputation, bei welcher der Streit über die Erbsünde, ob accidens oder substantia, ausbrach, präsidirte M., doch war sein Stern bereits im Sinken. 1561 entlassen, fand er als Nachfolger Hardenbergs am Dom in Bremen ein neues Amt, verlor es aber nach wenig Monaten wegen seiner über den Abendmahlsstreit [92] gehaltenen zelotischen Predigten. Er ging nach Lüneburg, und lebte dort eine Zeitlang als Privatmann. Aus dem Räumen ist M. überhaupt sein Leben lang nicht herausgekommen; kaum hatte er irgendwo ausgepackt, so mußte er wieder einpacken; über 3 Jahre hat er nirgends ausgehalten, oder, vielleicht richtiger, ist er nirgends geduldet worden. Als Hofprediger in Schwerin 1563 bis 1566 und als Superintendent in Gera 1566–1568 lag er gegen die Adiaphoristen zu Felde; als Pfarrer in Thorn griff er die Katholiken an und mußte auf Betreiben des Bischofs vom Culm in Folge eines Befehls des Königs von Polen vom Rath dimittirt werden. 1570 als Generalsuperintendent nach Coburg berufen, wurde er nach seines Beschützers Johann Ernst Tode 1574 von der Vormundschaft entlassen. Doch Schaden machte ihn nicht klug. In Soest, wohin er nach zweijährigem Privatisiren 1576 eine Berufung angenommen hatte, verfeindete er sich mit dem Rath und mußte 1579 wieder ins Exil; es war sein zehntes und letztes, denn im Mansfeld, wo er 1580 noch einmal als Generalsuperintendent in Thätigkeit trat, legte ihm endlich der Tod ewiges Stillschweigen auf, sonst würde er dort schwerlich sein Leben beschlossen haben. M. repräsentirt das zelotische Lutherthum seines Jahrhunderts mit allen Licht- und Schattenseiten. Der Eifer dieser Zeloten wäre einer bessern Sache würdig gewesen; die unglaubliche Rohheit in ihren Streitschriften hat zarter besaitete Gemüther der guten Sache der Reformation entfremdet. Als Gelehrter hat M. sich nicht besonders ausgezeichnet. In erster Linie sind die von ihm herausgegebenen acta disputationis Vimariensis 1562 zu nennen. Daß er in der Lehre von der Erbsünde nicht Flacianer gewesen, bezeugt seine „Sententia de peccato originis, quod non sit substantia“ 1561. Außerdem gab er seine in Bremen über das heilige Abendmahl gehaltenen Predigten und eine Evangelien- und Epistelpostille heraus.
Musäus: Simon M. (Meusel), lutherischer Theologe, Sohn eines Bauers in Vitsche bei Cottbus, geb. 1529 am Gründonnerstage, † am 11. Juli 1582 als Generalsuperintendent in Mansfeld, bezog nach Absolvirung der Cottbuser Schule 1543 noch im Knabenalter die Universität in Frankfurt a./O. und setzte die dort unter Massilius und- Walch, Rel.-Streitigkeiten in der luther. K. I, 72 ff. Arnold, Kirchen- und Ketzerhist. II. Buch XVI. c. 29. Leuschneri spicil. XVI. Ehrhardt, Presbyterol. I, 182 ff. II, 637. Gillet, Crato I, 165 u. II. Beilage 12. 14. 15.