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ADB:Naue, Johann Friedrich

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Artikel „Naue, Johann Friedrich“ von Robert Eitner in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 23 (1886), S. 298–299, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Naue,_Johann_Friedrich&oldid=- (Version vom 25. November 2024, 08:17 Uhr UTC)
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Naue: Dr. Johann Friedrich N., ein gelehrter Musiker und Kenner der altclassischen Kunstperiode, wurde am 17. November 1787 in Halle a. S. geboren. Sein Vater, ein wohlhabender Fabrikant, der nur den einen Sohn hatte, ließ ihm eine ausgezeichnete Erziehung zu Theil werden. Obwohl er schon als Knabe sich als Pianist hören ließ, besuchte er doch die Universität, um philosophische Vorlesungen zu hören und seiner Bildung die gehörige Abrundung zu verleihen. Daniel Gottlob Türk in Halle, der bekannte Theoretiker, der in den letzten Jahren seines Lebens sich nur schwer entschloß noch Schüler anzunehmen, interessirte sich jedoch in einem solchen Maße für das emporblühende Talent, daß er ihn mit großer Vorliebe in das Heiligthum seiner Kunst einweihte. Hier mag N. auch die alten Meister kennen gelernt haben, für die er später so viel gethan hat. Schilling, der N. sehr gut kannte und ihm in seinem Musiklexikon einen nicht gerade wohlmeinenden Denkstein setzt, sagt von Naue’s technischer Ausbildung: „Virtuose auf Orgel und Klavier, wandte er seine Kräfte doch nie in der Weise an, wie andere praktische Tonkünstler gewöhnlich zu thun pflegen, nicht zum Glanze mit technischer Fertigkeit oder überhaupt einem äußerlichen Schmuck, sondern immer nur zur Einübung und zum Studium alter vorhandener classischer Werke; und daher schreiben sich denn auch die ungeheuren antiquarischen Kenntnisse, welche wir an N. bewundern müssen.“ Sobald N. durch den Tod seines Vaters selbständig wurde, war seine erste Sorge eine Bibliothek alter Meisterwerke zu sammeln und er machte behufs dessen vielfache Reisen. Sein eigentliches Bestreben ging dahin, in den Besitz der ältesten Kirchenmelodieen zu gelangen, doch kaufte er so viel durcheinander, indem er gleich ganze Bibliotheken erwarb, daß sein Vermögen auf die Neige ging. Schilling sagt, die Bibliothek habe ihm 14,000 Thaler (42,000 Mark) gekostet und nennt es ein thörichtes Verfahren. Als sein Lehrer Türk starb, rückte er in dessen Stellung ein, sowol als Organist an der Liebfrauenkirche, wie als Universitätsmusikdirector. Die erste Frucht seiner gesammelten Schätze war der 1818 im Druck erschienene: „Versuch einer musikalischen Agenda oder Altargesänge zum Gebrauche in protestantischen Kirchen“. Ob diese Arbeit aus freiem Antriebe entstand, oder ob sie durch den Wunsch des preußischen Consistoriums hervorgerufen war, welches schon seit 1814 über die Ausführung einer Liturgie berieth, ist hier gleichgültig. Das Werk machte großes Aufsehen und N. wurde dann im Vereine mit A. B. Marx officiell beauftragt, eine Agende auszuarbeiten, die durch Cabinetsbefehl vom 14. Februar 1822 in allen Garnisongemeinden und Militärinstituten eingeführt und an alle Consistorien mit dem Wunsche gesandt wurde, daß in den [299] Kirchen davon Gebrauch gemacht werde. Das Werk fand so allgemeinen Anklang, daß es nicht nur in den Kirchen Preußens, sondern auch in denen von Baden Eingang fand. N. hatte die alten gregorianischen Melodien, soweit sie seinem Zwecke dienten, als Grundlage benützt, sie vierstimmig bearbeitet und auch eigene Chorsätze beigefügt. Marx war hauptsächlich berufen die Texte zu revidiren und dem Zeitgeschmacke anzupassen. Dieser Agende ließ N. im J. 1829 ein „Allgemeines evangelisches Choralbuch in Melodien, größtentheils aus den Urquellen berichtigt, mit vierstimmigen Harmonien“ folgen (Halle bei Ed. Anton). Bei Hofmeister in Leipzig gab er außerdem eine Sammlung Motetten heraus, von Johann Christoph und Johann Michael Bach, ein Salve regina von Zelenka und Tenebrae von Zelter componirt. Seine Vermögensverhältnisse hatte er aber in solchem Grade heruntergebracht, daß er einen großen Theil der Bibliothek an den preußischen Staat verkaufte (1824). Diese, nebst Forkel’s, Pölichau’s und Landsberg’s Bibliothek bildeten den Grundstock, als die musikalische Abtheilung der königlichen Bibliothek zu Berlin gegründet wurde. Das Verdienst Naue’s, welches er sich mit dem Opfer des eigenen Vermögens erwarb, ist daher sehr hoch anzuschlagen, wie wäre die kgl. Bibliothek in Berlin ohne so opferfähige Männer in den Besitz der alten Schätze gelangt! Was daher Schilling ihm zum Vorwurfe macht, das gereicht uns Nachkommen zum Vortheile. Seine Verdienste wurden aber auch von der Welt anerkannt und die Universität Jena verehrte ihm das Doctordiplom. Durch den Glanz der damals ins Leben gerufenen Elbmusikfeste ließ er sich verleiten, in Halle ebenfalls ein Musikfest zu veranstalten. Da er der alleinige Unternehmer war, so fielen auch alle Unkosten auf ihn und was er eben durch den Verkauf der Bibliothek von seinem Vermögen gerettet hatte, das ging hierbei wieder verloren. Schilling berechnet das Deficit auf 5000 Thaler (15,000 Mark). Doch hielt ihn dies nicht ab, bald darauf ein zweites in Erfurt und 1835 wieder eines in Halle zu veranstalten, aber stets zu Ungunsten seiner Casse. Er war eben eine jener Naturen, denen Geld nur Mittel zum Zweck ist. Von eigenen Compositionen hat er nur Weniges veröffentlicht. Sie bewegen sich zum größten Theile in demselben Stile wie seine Altargesänge und haben nie besonderes Interesse hervorgerufen. Bekannter ist einst sein Triumphmarsch für Chor und Harmoniemusik geworden. Auch seinem Lehrer Türk setzte er noch einen pietätvollen Denkstein, indem er dessen „Anleitung zum Generalbaßspiel“ neu herausgab. Leider erreichte er ein hohes Alter ohne jegliche Versorgung und so starb der einst im Wohlleben Aufgewachsene in der größten Dürftigteit. Der Tod erlöste ihn erst am 19. Mai 1858 in Halle.