Zum Inhalt springen

ADB:Never, Heinrich

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Never, Heinrich“ von Karl Ernst Hermann Krause in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 23 (1886), S. 564–565, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Never,_Heinrich&oldid=- (Version vom 26. Dezember 2024, 06:48 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Band 23 (1886), S. 564–565 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Heinrich Never in der Wikipedia
Heinrich Never in Wikidata
GND-Nummer 138231737
Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|23|564|565|Never, Heinrich|Karl Ernst Hermann Krause|ADB:Never, Heinrich}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=138231737}}    

Never: Heinrich N., auch Niver, Nivert genannt, geb. zu Wismar, Franziskaner daselbst, vermuthlich aus dem Geschlechte des 1486 genannten Zimmermanns und Thurmbauers gleiches Namens, wurde um 1523 „Inspector aller Klöster dieses Ordens im ganzen Lande“, was, wenn richtig, nur bedeuten kann, daß er die Custodie dieser Klöster in der „Provinz Sachsen“ verwaltete. Er ist einer der zahlreichen Franziscaner, welche, wie Korte (Curtius), Kempe etc. in Norddeutschland als Reformatoren auftreten. Nach Luthers Zeugniß hat er einmal in Jena noch als Franziscaner eine Disputation über die fünf Wunden Christi verloren. Er war Magister und wahrscheinlich Baccalarius formatus in theologia. Er trat früh zur Reformation über, die in Wismar, wo seit langer Zeit Wiclefitische Lehren nachgewiesen sind, starken Anklang fand. 1425 ernannte ihn der Rath zum Guardian seines Klosters, was den Uebergang in weltliche Verwaltung anzeigt, und hier legte er das noch vorhandene „Kercken-Böck thom Grauennkloster“ an, aus dem Schröder und Crain die Nachrichten von der Reformation in Wismar schöpften. Von dieser Zeit an ist er, getragen von der Volksgunst, als der erste und nachhaltigste Reformator dieser Hansastadt zu bezeichnen. Es scheint der Einfluß Heinrich Möllen’s, den die Gemahlin Herzog Albrechts, Anna, die Tochter Kurfürst Joachims I., als Hofprediger von Berlin mitbrachte, bei ihm bestimmend gewesen zu sein, gleichzeitig wirkten aber mehr als Luther’s Lehre die Grundsätze Zwingli’s auf ihn, deren Durchdringen in den Ostseestädten vielfach bezeugt wird. Die zum Lutherthum sich haltenden Dominicaner in Wismar sagen 1533, daß die Zwingli’sche Lehre dort seit neun Jahren laufe, und Bugenhagen erklärt 1531 Never’s Lehre für Zwinglisch. Schon 1528 oder 1529 hatte er nach Wismar deshalb sich gewandt, und 1530 verboten die Herzoge Albrecht und Heinrich dem Rostocker Drucker Ludwig Tietz, der schon ein Werk Never’s gedruckt habe, fernere von N. fertig gestellte Werke anzunehmen. Mit großer Wahrscheinlichkeit ist jenes den Unwillen Bugenhagen’s und der Herzoge erregende Werk die niederdeutsche Uebersetzung eines Theils von Zwingli’s „Ußlegen und gründ der Schlußreden“, die 1526 bei Dietz erschien. Nach dem Urtheil seiner lutherischen Gegner hielt N. nichts von der Taufe, verwarf die Einzelbeichte und erklärte: Wein und Brot im Abendmahl sei „das Sacrament des Blutes und Leibes“, nicht Leib und Blut selbst. Er ließ sich weder überzeugen noch zum Schweigen bringen. Seine Ueberzeugung vom Abendmahl sprach er dann noch 1528 in zwei kleinen, nur handschriftlich bekannten [565] Schriften aus: „Vorklaringe und entlik beschet der wordt des Heren Diskes, nach gründinge und verforschinge der schrifft“ und „Van beyden naturen in Christo und wo se jegen enander to holden syndt“. Er fand einen eifrigen Unterstützer am Vicar zu St. Nicolai, Heinrich Timmermann, und hatte auf Begehren der Herzoge sein Glaubensbekenntniß diesen eingereicht; der Rath wollte nichts gegen ihn unternehmen oder wagte es nicht. Da in Rostock, Wismar und Stralsund sich die Taufgesinnten gleichzeitig großes Anhanges, selbst hoch hinauf, zu erfreuen hatten und geheime Gemeinden hielten und dadurch die hansischen Räthe seit Wullenweber’s Sturz besonders argwöhnisch machten, so wurde von diesen der Zwinglianismus mit der Wiedertäuferei ohne weiteres zusammengeworfen und namentlich wegen N. in Wismar 1535 ein Hansetag zu Hamburg gehalten, dem auch Prädicanten beiwohnten. Wullenweber hatte auf der Folter N. als Wiedertäufer genannt, aber nachher widerrufen. Die drei wendischen Städte wurden stark gedrängt, die Sacramentirerei abzuschaffen, gegen welche das „Hamburger Mandat“ erlassen ward; aber Räthe und Geistlichkeit sträubten sich in Rostock wie in Wismar gegen die Ausführung, und N. blieb unbehelligt, da er die Erklärung abgab, mit der Secte nichts zu thun zu haben, obwol die Herzoge sein Glaubensbekenntniß 1536 an Luther gesandt, und dieser wie der Kurfürst Johann Friedrich daraufhin energisch gerathen hatten, ihm das Predigen zu untersagen. Als aber 1541 nach der Kirchenvisitation der Parchim’sche Superintendent Johann Riebling die Zwingli’sche Lehre Never’s abermals klagend hervorhob, wurde 1542 auf Befehl beider Herzoge N. und Timmermann die Predigt untersagt und ihnen Stillschweigen geboten. Damit war das Zwinglithum in den Ostseestädten beseitigt. N. blieb ruhig in Wismar und starb dort 1553.

Schröder, Evangel. Mecklenb. I, S. 329 ff. Dess. Wismarsche Prediger-Historie. – v. Rudloff, Meckl. Gesch. III, 1. – Krey, Beitr. zur Meckl. Kirchen- und Gel.-Gesch. II, 26 ff. – J. Wiggers, Meckl. Kirchengesch. – Waitz, Lübeck unter Jürgen Wullenweber, III, 8–13, 51, 362 f., 436 und 493. – Crain, Die Reform. etc. in Wismar, 1841. – Wiechmann-Kadow, Meckl. Altniedersächs. Lit. I, S. 104. – Lisch, Jahrb. VI, 99 ff.; VIII, 50 f.; XXIV, 152; XLVII, 77. (Ludwig Keller, Gesch. der Wiedertäufer u. ihres Reichs zu Münster.)