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ADB:Otto I. (Bischof von Würzburg)

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Artikel „Otto I. (Bischof von Würzburg)“ von Theodor Henner in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 24 (1887), S. 734–736, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Otto_I._(Bischof_von_W%C3%BCrzburg)&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 20:42 Uhr UTC)
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Otto I., Bischof von Würzburg (1207–1223), entstammte dem ursprünglich fränkischen, später nach Thüringen verpflanzten Dynastengeschlecht der Herren von Lobdeburg, von welchem seit Beginn des 13. Jahrhunderts einige Jahrzehnte hindurch verschiedene Glieder in den Besitz hoher geistlicher Würden im Hochstift Würzburg gelangten. Verwandtschaftliche Beziehungen zu Bischof Konrad I. (von Querfurt) waren es, die zunächst unserm O. Eingang in das Stift verschafften. Etwa seit 1203 tritt er urkundlich als Dompropst auf, und als am 12. Juli 1207 Bischof Heinrich IV. von Osterburg starb, erfolgte alsbald und wie es scheint mit Einhelligkeit die Wahl Otto’s zum Nachfolger. Die Weihe hat er wohl erst bei Gelegenheit einer Provinzialsynode zu Mainz im Februar 1209 erhalten. Wie Würzburg während der ganzen staufischen Zeit eine hervorragende Stellung einnahm, und seine damaligen Bischöfe meist in erster Linie ihren reichsfürstlichen Aufgaben nachkamen, so ist es auch bei O. gleich vom Beginn seiner Regierung an die Theilnahme an den Reichsgeschäften gewesen, die den Brennpunkt seines Wirkens bildete. Wie man ihn an den maßgebenden Stellen schätzte, darf schon daraus gefolgert werden, daß im J. 1208 in einer wegen des Bischofs Waldemar von Schleswig und seiner Aspiration auf den Bremer Erzstuhl schwebenden wichtigen Streitfrage Papst Innocenz III. speciell ihn beauftragte, am Hofe König Philipps gegen Waldemar zu wirken. Ebenso übertrug Innocenz ihm und zwei anderen Kirchenfürsten am 13. November 1209 die Fürsorge für Wiedereinsetzung des Bischofs Ekbert von Bamberg, des angeblichen Mitschuldigen bei der Ermordung König Philipps. Was nun seine Stellung dem Reiche gegenüber anlangt, so treffen wir O. gleich in den ersten Zeiten seiner Regierung in der Umgebung Philipps; intim scheinen indessen seine Beziehungen zu diesem König und dem staufischen Hause von Anfang an nicht gewesen zu sein. Denn als nach dem bald darauf erfolgten tragischen Ende Philipps im Juli 1208 zu Halberstadt eine Versammlung stattfand, um die allgemeine Anerkennung Otto IV. vorzubereiten, so erging sich O. bei diesem Anlaß in lauten Anklagen über die schwere finanzielle Schädigung seiner Kirche durch König Philipp, sowie durch dessen Vorgänger Heinrich VI., was auch zugleich die Ursache der Ermordung Bischof Konrads gewesen sei; Aeußerungen, die gut beglaubigt, aber schwer zu deuten sind. Man kann nur etwa annehmen, daß O. dabei die aus der sehr eifrigen Antheilnahme seines Vorgängers an den Reichsgeschäften erwachsenen Geldopfer, – Dinge, die sich Unter Otto selbst später ganz ebenso wiederholten – vielleicht auch eine etwas gewaltsame Vergabung von Kirchenlehen zu derartigen Zwecken im Auge hatte, gleichwie wol überhaupt dem tiefen Gegensatz, der sich zuletzt zwischen Bischof Konrad, dem Verwandten und Gönner Ottos, und der staufischen Politik herausgebildet, hier noch einmal Ausdruck gegeben werden sollte. Gleichviel nun, wie es sich damit verhielt: es gelang, O. mit seinen Anklagen und Vorbehalten durch Versprechungen zu beruhigen. Und nicht nur, daß er von sich aus daraufhin der Anerkennung des Welfen zustimmte: Papst Innocenz III. hat sich auch jetzt wieder hauptsächlich seiner Vermittelung bedient, um bei den Fürsten die völlige Anerkennung Otto IV. erwirken zu helfen. Diesem neuen Herrscher hing O. mehrere Jahre lang treu und dienstwillig an. Deutlich kam dieses gute Einvernehmen zum Ausdruck, als am 24. Mai 1209 König Otto seinen Einzug in das festlich geschmückte Würzburg hielt, wo eine zahlreiche Fürstenversammlung sich mit Erledigung wichtiger Fragen, besonders mit den Vorbereitungen zur Romfahrt beschäftigte. O. zog sodann mit über die Alpen, [735] wohnte der Kaiserkrönung an und hat erst Ende October das kaiserliche Hoflager verlassen. Wol läßt sich dann in den nächstfolgenden Jahren kein näherer unmittelbarer Verkehr am Hofe urkundlich nachweisen, allein die schwere Katastrophe, die im Verlaufe des Jahres 1212 über O. in seiner eigenen Bischofstadt hereinbrach, muß als untrüglicher Beweis für sein Ausharren auf Seite Otto IV. angesehen werden. Das seit dem Jahre 1210 mit wachsender Schärfe sich entwickelnde Zerwürfniß des Kaisers mit dem Papste und die daraus hervorgehende Candidatur des jungen Staufers Friedrich zum Gegenkönig hatte nämlich auch in die Kreise der deutschen Fürsten abermalige Spaltung gebracht. O. harrte gleich dem Erzbischof von Köln auf Seite des Kaisers aus, und das hatte nun in beiden Bischofstädten gewaltsame Erhebungen zur Folge. In Würzburg sind es die bekannten Ministerialen von Ravensburg, von denen die Bewegung ausgeht. Sie, die Mörder des Bischofs Konrad, hatten sich trotz der schweren Strafen, denen sie für jene That verfielen, schon einige Jahre nachher wieder in ihrer früheren Stellung zu befestigen gewußt. Es ist sicher vollkommen unstatthaft, dem König Philipp irgendwelche Urheberschaft oder Begünstigung jener Unthat, etwa aus Rache für den kurz vorher eingetretenen Abfall Konrads von der staufischen Sache, beizumessen; jedoch manche Momente legen immerhin die Vermuthung nahe, daß wenigstens Angehörige der Partei jenen Vorgängen nicht ganz fremd waren. Und wenn nun jene nämlichen Persönlichkeiten in dem Augenblick, wo der junge Staufer herannahte, O. dagegen auf welfischer Seite verharrte, durch eine in Würzburg angezettelte Revolte letzteren vertrieben und dafür einen aus ihrer Sippe, den jungen Canoniker Heinrich als Gegenbischof aufzustellen suchten, so legt dies wenigstens den Gedanken nahe, daß die Ravensburger unter ähnlicher politischer Constellation ihrem alten Haß gegen den ermordeten Konrad noch einmal gegenüber O., dem Verwandten und Nachfolger Luft zu machen suchten. Wie dauernd und tiefgehend diese Feindschaft war, kann noch aus einem Schreiben Papst Honorius III. vom 4. August 1218 gefolgert werden, durch welches O. vom Besuch einer Provinzialsynode dispensirt wird, „da jene Mörder auch nach seinem Blute dürsteten“, also offenbar aus Furcht vor einem neuen Anschlag. Erzbischof Siegfried von Mainz begünstigte jenen Gegenbischof Heinrich, gleichwie auch später noch mancherlei Gegensätze zwischen O. und seinem Metropoliten sich bemerkbar machten, so daß es wegen solcher Streitigkeiten, besonders wegen der Abtei Komburg, im J. 1216 zum Schiedsspruch durch einen päpstlichen Legaten kam. Allein der Gegenbischof vermochte sich nicht zu behaupten; momentan vertrieben, kehrte O. mit seinen Vasallen zurück und errang über die Gegner einen vollständigen Sieg. Was ihn dann aber veranlaßte, wol zu Ende des Jahres 1212, dennoch auf die Seite des Staufers überzutreten, ist nicht näher nachweisbar. Genug, wir finden ihn seit dem Juli 1213 in der Umgebung Friedrich II., zu dessen häufigen Begleitern er während der folgenden Jahre zählt. So machte er u. a. den wichtigen Feldzug gegen Otto IV. in Thüringen im October 1213 mit, desgleichen einen solchen Zug im Herbst 1217. Daß O. weiterhin an dem Erlaß der in diese erste Regierungsperiode Friedrichs fallenden wichtigen Privilegien zu Gunsten der geistlichen Fürsten thätigen Antheil genommen, dürfen wir wol aus seiner ganzen damaligen Stellung folgern; wir besitzen noch den auf einem Hoftage zu Würzburg im Mai 1216 ausgesprochenen Verzicht auf das Spolien- und Regalienrecht gegenüber den Reichskirchen in specieller Ausfertigung für Bischof O. Weiterhin gehörte O. aber auch zu jenen Fürsten, welchen Friedrich beim Weggang nach Italien seinen minderjährigen Sohn König Heinrich (VII.) zur Obsorge anvertraute, und so finden wir ihn denn von 1221 an auch häufig in des letzteren Hoflager. Die letzte bedeutendere Angelegenheit, an der er theilgenommen [736] hat, waren die Verhandlungen über die Freigabe des von dem Grafen Heinrich von Schwerin gefangen genommenen Dänenkönigs Waldemar im J. 1223. Es handelte sich darum, als Bedingung der Freilassung die Herausgabe der dem Reiche entfremdeten Gebiete zu stellen, und O. war, wie aus einem Schreiben Friedrich II. deutlich hervorgeht, hier noch einmal energisch im Interesse des Reiches thätig gewesen, besonders auf dem Hoftage zu Nordhausen im September 1223. Schon bald darauf, am 5. December dieses Jahres, ist er gestorben. – Wenig läßt sich im Großen und Ganzen über die andere Seite seiner Thätigkeit, über sein Regiment im Hochstift sagen. Man kann, soweit sich das nach dem vorhandenen Urkundenmaterial überschauen läßt, nicht etwa von Vernachlässigung dieses seines nächsten engeren Wirkungskreises reden; jedoch besonders bemerkenswerthe, tiefer eingreifende Regierungsacte sind nicht zu verzeichnen. Dagegen hat seine vielfache Antheilnahme an der äußeren Reichspolitik und die damit im Zusammenhang stehende Neigung zu Aufwand und glänzendem Auftreten zuletzt schlimme finanzielle Rückwirkungen geäußert, und darüber ist es dann zu merkwürdigen Auseinandersetzungen mit den anderen maßgebenden Factoren des Hochstifts gekommen, die sich bis zum Jahre 1216 zurück verfolgen lassen. Man hatte u. a. zur Veräußerung der seit den Tagen des Bischofs Adelbero der Würzburger Kirche in Lambach gehörigen Besitzungen an den Herzog von Oesterreich greifen müssen, und es war dem offenbar bedenklich gewordenen Domcapitel bereits eine Versicherung auf alle noch nicht verpfändeten bischöflichen Einkünfte gegeben worden, bis es endlich im J. 1222 zu einem förmlichen Vertrag kam. Der Verkauf der Lambacher Güter wurde zwar endgiltig genehmigt; im Uebrigen aber traf man eine Reihe von einschneidenden Bestimmungen zum Schutz der noch vorhandenen Einkünfte und Besitzungen gegen willkürliche Veräußerung, sowie wegen Wiedererwerbung von anderen Gütern zum Ersatz für das Verlorene, Wiedereinlösung der ebenfalls verpfändeten Münze u. s. w. Schon früher hatte O. auch Einschränkung in seinen Ausgaben versprochen. Wichtig ist bei diesen Vorgängen vor Allem der Umstand, daß wiederholt des Beirathes und der Genehmigung nicht nur des Domcapitels, sondern auch der Barone und Ministerialen des Landes Erwähnung geschieht; ein Anlauf zur Ausbildung landständischer Einrichtungen, die sich dann freilich in der Folge im Würzburgischen nicht in der Weise weiter ausbildeten, wie man nach solchen Anfängen hätte erwarten dürfen. Ein Ausfluß der also entstandenen Lage ist aber die Wahlcapitulation, – der erste Fall der Art in Würzburg – die im J. 1225 dem Neffen und zweiten Nachfolger Otto’s, Hermann I. von Lobdeburg (s. A. D. B. XII, 158 ff.) vorgelegt wurde. Dieser zweite Bischof aus dem Hause Lobdeburg hat dann freilich während seiner langen Regierung gerade in Bezug auf umsichtige energische Wahrung und Förderung der Stiftsinteressen seinen Oheim weit übertroffen.

Monumenta Boica,,Bd. XXXVII. – Böhmer, regesta imperii. Bd. V. – Huillard-Bréholles, historia diplomatica Friderici II. – L. Fries, Geschichte der Bischöfe von Würzburg. – Ussermann, episcopatus Wirceburgensis. – Stein, Geschichte Frankens. Bd. I. – Winkelmann, Jahrbücher des deutschen Reichs unter Philipp von Schwaben u. Otto IV. – Winkelmann, Geschichte K. Friedrich II. Bd. I. – Ed. Schmid, die Lobdeburg bei Jena. Jena 1840. S. 15–16.