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ADB:Overberg, Bernard

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Artikel „Overberg, Bernard“ von Franz Heinrich Reusch in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 25 (1887), S. 14–17, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Overberg,_Bernard&oldid=- (Version vom 18. Dezember 2024, 15:39 Uhr UTC)
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Band 25 (1887), S. 14–17 (Quelle).
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Overberg: Bernard Heinrich O., katholischer Pädagoge, geb. am 1. (nicht 5.) Mai 1754 in der Bauerschaft Höckel, Kirchspiel Voltlage, im Osnabrückischen, † am 9. November 1826 zu Münster. Die Eltern Overberg’s waren arm: der Vater war Hausirer (er starb während seiner Studienjahre), die Mutter hielt einen kleinen Kramladen; daher hieß O. als Knabe „Krämers Bernd“. In seinen Kinderjahren war er sehr schwächlich, verrieth auch wenig Talent. Nachdem er bei einem Geistlichen in Voltlage den ersten Unterricht im Lateinischen erhalten, kam er im Herbst 1770, schon sechszehn Jahre alt, in die zweite Classe des von den Franciscanern zu Rheine geleiteten Gymnasiums. Die beiden letzten sog. philosophischen Classen des Gymnasiums absolvirte er 1774–76 zu Münster, wo er Haußlehrer bei dem Hofrath v. Münstermann war. Im Herbst 1776 begann er dort die theologischen Studien. Am 20. December 1779 wurde er von dem Münster’schen Weihbischof d’Alhaus zu Rheine zum Priester geweiht. Er blieb nun noch einige Monate im Priesterseminar. Aus Anlaß der Wahl des Erzherzogs Maximilian Franz zum Coadjutor des Kurfürsten Maximilian Friedrich für Köln und Münster (16. August 1780) verfaßte O. unter der Leitung des Professors der Kirchengeschichte, des Exjesuiten Clemens Becker, eine kirchenrechtliche Dissertation über die Coadjutorwahlen, die er unter Becker’s Präsidium vertheidigte („Dissertatio canonica de electionibus coadjutorum episcopalium, publice propugnata praeside Cl. Becker et defendente B. Overberg“). Einen akademischen Grad hat O. weder damals noch später erhalten. Der kaiserliche Wahlcommissar Graf Metternich, dem er ein Exemplar der Dissertation überreichte, schenkte ihm 17 Louisd’or und erbot sich, ihn dem Coadjutor für eine geistliche Pfründe zu empfehlen. O. erklärte aber, er wünsche zunächst Hilfsgeistlicher, [15] später Pfarrer auf dem Lande zu werden. Im Herbst 1780 wurde er Caplan zu Ewerswinkel bei Münster mit freier Station bei dem Pfarrer und einem baaren Gehalte von 30 Thalern. Der schon bejahrte Pfarrer überließ ihm den ganzen Religionsunterricht und Overberg’s hervorragende Befähigung zum Unterrichten wurde nun bald in weiteren Kreisen bekannt. Der Generalvicar (frühere Minister) Franz von Fürstenberg (s. A. D. B. VIII, 240) wohnte im Juni 1782 an einem Sonntag ungesehen der Katechese Overberg’s bei und bot ihm dann sogleich die Leitung der von ihm geplanten Normalschule an. O. lehnte anfangs ab, willigte aber, da Fürstenberg seinen Antrag dringender wiederholte, im Mai 1783 ein; seinem Wunsche entsprechend wurde ihm ein Gehalt von 200 Thalern bei freier Station im bischöflichen Seminar zugesichert. Die Ernennungsurkunde wurde von dem Kurfürsten am 2. August unterzeichnet und in demselben Monate begann O. seine Thätigkeit. Die Normalschule war ein Lehrcursus, der alljährlich im Seminargebäude während der vom 21. August bis Anfang October dauernden Herbstferien von je 20 bis 30 angehenden oder bereits angestellten Lehrern und Lehrerinnen, von den meisten mehrere Jahre nach einander, besucht wurde. Vormittags wurde drei Stunden in der Religion und Pädagogik, Nachmittags drei Stunden in biblischer Geschichte, Lesen, Schreiben, Rechnen u. s. w. unterrichtet. Anfangs ertheilte O. den ganzen Unterricht; später übernahm ein Hilfslehrer, der Geistliche Anton Wiggermann, die Nachmittagsstunden. Am Ende des Cursus fand eine Prüfung statt, von deren Ausfall die Anstellung bezw. die Höhe der Gehaltszulage für die Lehrer abhing. O. hielt diesen Cursus, der ein an sich sehr unvollkommenes, aber unter einer Leitung wie die seinige sehr werthvolles Surrogat für ein Lehrerseminar war, bis zu seinem Tode 43 Jahre lang jeden Herbst, auch in den Kriegsjahren im Anfange des Jahrhunderts. – Im J. 1785 wurde O. Beichtvater der sog. lotharingischen Klosterjungfern und Vicar an ihrer Kirche. In der von ihnen geleiteten Freischule und in ihrem Mädchenpensionate ertheilte er 27 Jahre lang regelmäßig Unterricht, in ersterer namentlich in der biblischen Geschichte und im Rechnen. Sonntags hielt er in ihrer Kirche Katechesen, die auch von Erwachsenen aus allen Ständen fleißig besucht wurden. 1786 wurde er auf die dringende Empfehlung Fürstenbergs zum Synodalexaminator ernannt.

Von 1789 an. wohnte O. fast zwanzig Jahre in dem Hause der Fürstin Gallitzin (s. A. D. B. VIII, 338), die ihn zu ihrem Beichtvater und Gewissensrathe gewählt hatte. 1791 begleitete er sie auf ihrer Reise nach Hamburg und Wandsbeck. Durch die Fürstin wurde er mit den zahlreichen hervorragenden Männern bekannt, die mit ihr verkehrten. Er gewann die Hochachtung aller; selbst Voß bezeichnete ihn als ein „Bild altdeutscher Redlichkeit“. Am 1. Juni 1800 legten Friedrich Leopold Stolberg und seine Gemahlin in der Hauscapelle der Fürstin vor O. das katholische Glaubensbekenntniß ab.

Die Schriften, welche O. zur Hebung des Volksschulwesens von 1788 an veröffentlichte, sind folgende: „Neues A-B-C, Buchstabir- und Lesebuch für die Schulen Münsterlands“, 1788; „Anweisung zum zweckmäßigen Schulunterricht für die Schullehrer im Hochstift (in den späteren Auflagen: im Fürstenthum) Münster“, 1793 (3. Aufl. 1798, mit einer „Abhandlung vom Belohnen und Strafen“; 4. Aufl. 1804, mit zwei Zugaben; 9. Aufl. 1861); „Biblische Geschichte des Alten und Neuen Testaments“, zwei Theile 1799; „Katechismus der christkatholischen Lehre zum Gebrauche der kleineren Schüler“, und „Katechismus … der größeren Schüler“, 1804; „Christkatholisches Religionshandbuch“, zwei Theile, 1804 (7. Aufl. 1854). Gesammtausgaben der Schriften für Schulen erschienen in sechs Theilen 1807 und 1825. Von der „Anweisung“ [16] wurden 1793 auf Kosten des Landes 500 Exemplare, von dem „Religionshandbuch“ auf Kosten der preußischen Regierung eine Anzahl von Exemplaren an Lehrer und Lehrerinnen vertheilt. Die Fibel und die Biblische Geschichte wurden durch die Fürstenberg’sche „Schulverordnung“ vom J. 1801 (s. A. D. B. VIII, 241) zum ausschließlichen Gebrauch vorgeschrieben; auch die Katechismen wurden in den Münster’schen Schulen eingeführt. Von diesen und der Fibel ist eine Reihe von Auflagen erschienen; später wurden sie stereotypirt. In den letzten Jahrzehnten wurden in Münster Neubearbeitungen der Katechismen und der Biblischen Geschichte (diese von Wilh. Erdmann, zuerst 1873) gedruckt. Die Schulbücher von O. wurden auch in den katholischen Schulen in anderen Gegenden von Deutschland, in Uebersetzung auch in Holland gebraucht. Von der „Anweisung“ erschien in Lüttich eine französische Uebersetzung in zwei Auflagen. Sie fand auch bei protestantischen Pädagogen Anerkennung; die Jenaer Litteraturzeitung empfahl sie 1793 sogar zur Verbreitung in protestantischen Gegenden. Das „Religionshandbuch“ wurde 1805 in den Göttinger Gelehrten Anzeigen sehr anerkennend besprochen, dagegen in Nicolai’s Deutscher Bibliothek scharf angegriffen (B. Rensing, Apologie der Schriften des Herrn B. Overberg wider die Recensionen derselben in dem 1. Stück des 100. Bandes der Neuen allg. deutschen Bibliothek, 1808). – Außer den genannten Schriften veröffentlichte O. nur noch „Kleiner Haussegen oder gemeinschaftliche Hausandacht“, „Ueber die Moden. Gespräche einer Lehrerin mit ihren Pensionären“, beide 1807, und einige Aufsätze in Zeitschriften.

An der erwähnten „Verordnung für die deutschen und Trivialschulen des Hochstifts Münster vom 2. September 1801“ hatte O. in den Jahren 1799 bis 1801 mitgearbeitet; er wurde auch Mitglied der durch sie errichteten „Land- und Trivialschulen-Commission“. – Nach dem Tode der Fürstin Gallitzin (23. April 1806) behielt O. noch einige Jahre seine Wohnung in ihrem Hause bei ihrer Tochter Marianne (Mimi). Im J. 1809 wurde er zum Regens des Priesterseminars, gleichzeitig zum Dechanten in Ueberwasser, ernannt. Er wirkte nun noch 17 Jahre ebenso segensreich für die Bildung der Candidaten des geistlichen Standes wie für das Schulwesen. Als im J. 1816 die Schulcommission zu einer Abtheilung der königlich preußischen Regierung umgestaltet wurde, wurde O. zum Consistorialrath und Mitglied der Regierung für Schulangelegenheiten ernannt. Im J. 1818 verlieh ihm der König den rothen Adlerorden 3. Classe; im J. 1826 ernannte er ihn zum Oberconsistorialrath und Ehrenmitglied des Provincial-Schulcollegiums. Bei der Errichtung des neuen Domcapitels im J. 1823 wurde ihm das zweite Canonicat angeboten; er lehnte es ab, weil Alter und schwache Gesundheit ihn hinderten, die damit verbundenen Verpflichtungen zu erfüllen; die geistliche Obrigkeit, fügte er bei, würde ihn zwar von dem Chorbesuche dispensiren können, er wolle aber nicht Anlaß dazu geben, daß die neue Ordnung mit Dispensationen beginne. Er wurde darauf zum Ehrendomherrn ernannt. – Im J. 1825 wurde das erste Lehrseminar für Westfalen in Büren errichtet. O. erklärte: schon länger als ein Vierteljahrhundert habe er danach geseufzt, besonders am Ende jedes Normalcursus, weil ihm dann die Unzulänglichkeit dieses Interimsbehelfes am lebhaftesten aufgefallen sei. Im Herbst 1826 hielt er den letzten Normalcursus; er schloß ihn am 7. November, zwei Tage vor seinem Tode. Im J. 1828 wurde ihm in einem Hofe des Priesterseminars ein bescheidenes Denkmal gesetzt; in den Inschriften wird mit Recht gesagt: „Lehrer der Lehrer während 43 Jahren. So ward ihm vergönnt, der Wohlthäter des ganzen Münsterlandes zu werden. Sein heilbringendes Wirken hemmte des Landes Grenze nicht. Ein großer [17] Theil von Deutschlands Jugend wird fort und fort nach seinem Lehrplan unterrichtet. Er förderte das Reich Gottes durch Wort und That. Trost, Rath und Hilfe hat er Unzähligen gespendet. Nicht Einen schloß er je von seiner Liebe aus“.

Nach Overberg’s Tode erschienen noch: „Vollendung des Laufes der geliebten Amalia Fürstin von Gallitzin“, in der Würzburger Zeitschrift Athanasia. N. F. X (1839), S. 216–249. „Sechs Bücher von dem Priesterstande. Betrachtungen, gehalten in dem bischöflichen Seminar zu Münster, nach einer von dem sel. Verfasser nachgelassenen Handschrift herausgegeben“, 1858.

B. Overberg, in seinem Leben und Wirken dargestellt von einem seiner Angehörigen (J. Reinermann), 1830. – C. Krabbe, Leben B. Overbergs, 1831 (3. Aufl. 1864, ins Französische und zweimal ins Englische übersetzt). – H. Schubert, Erinnerungen an B. Overberg und G. M. Wittmann, 1835. – E. Raßmann, Nachrichten von Münsterl. Schriftst., 1866, S. 248; N. F. S. 262. – H. Zöckler in der Real-Encyklopädie für prot. Theol., 2. Aufl., XI, 148. – Die Schriften über Fürstenberg und die Fürstin Gallitzin (s. A. D. B. VIII, 244. 345), besonders J. Galland, Die Fürstin Amalie von Gallitzin und ihre Freunde, 1880, und (desselben) Aufsätze in den hist.-pol. Blättern, 83. Band (1879), S. 405. 561. 641.