ADB:Maximilian Franz
Maria Theresia und der besondere Liebling der Mutter. Er erhielt gemeinschaftlich mit seinem 2½ Jahre älteren Bruder Ferdinand eine sorgfältige Erziehung. Ein Bericht seines Vice-Ajo, des Grafen Anton Thurn, nennt ihn „einen kleinen Herkules“, auch rühmte man seine Offenheit und Wahrheitsliebe, tadelte aber seinen unbeugsamen Starrsinn und, daß er fremdem Urtheile gar keinen Einfluß gestatte. Schon im Knabenalter war sein Streben mehr auf das Nützliche, Vernünftige, als auf das eigentlich Ideale gerichtet.
Maximilian Franz Xavier Josef, Erzherzog von Oesterreich, Kurfürst von Köln (geb. am 8. Decbr. 1756 zu Wien, † am 27. Juli 1801 zu Hetzendorf bei Wien), war das jüngste Kind der KaiserinAls nachgeborener Erzherzog mußte er eine Versorgung erhalten; man dachte, im geistlichen Stande; aber die Kaiserin wollte ihn nicht frühzeitig durch Gelübde binden, deren Erfüllung später eine Last werden konnte; dagegen sah sie gern, daß er am 3. Octbr. 1769 zum Coadjutor seines Oheims, des Prinzen Karl von Lothringen gewählt wurde, in der Hoffnung, er würde auch ohne Gelübde sich als Hochmeister des deutschen Ordens behaupten können. Zugleich wurde ihm die Stelle eines Statthalters in Ungarn zugedacht; bei der Wahl seiner Studien, auch bei längeren Reisen, die man ihn in den Jahren 1774 und 1775 in Deutschland, in den Niederlanden, Frankreich und Italien machen ließ, hatte man wesentlich diese letztere Bestimmung im Auge. Neben der Mutter nahm sich vor allem der älteste Bruder, Kaiser Josef, des jungen Prinzen an. Josefs Briefwechsel mit Maria Theresia und dem Großherzog Leopold von Toscana [57] enthält dafür reichliche Zeugnisse. Im Frühling 1778, beim Ausbruch des baierischen Erbfolgekriegs ließ der Kaiser sich von „seinem guten und lieben Kamaraden“ ins Feldlager nach Böhmen begleiten. M. F. zeigte Neigung für den Soldatenstand; der Kaiser rühmt seinen Eifer und seine Fähigkeiten, allein ein andauerndes Fieber machte Ende August seiner militärischen Thätigkeit ein Ende; er war genöthigt, nach Wien zurückzukehren, und verlebte den Winter von 1778/79 leidend und niedergeschlagen; noch im August rühmt die Kaiserin, daß er unter schmerzlichen Leiden eine englische Geduld beweise.
Die Krankheit blieb, wie es scheint, auf den Charakter des Prinzen und gewiß auf die Absichten seiner Mutter nicht ohne Einfluß, zugleich traten in dem Maße, in welchem die Hoffnung auf kriegerische Lorbeeren sich verminderte, bedeutende Aussichten anderer Art hervor. Das Alter und die wankende Gesundheit des Kurfürsten von Köln und Fürstbischofs von Münster Maximilian Friedrich (Grafen von Königseck-Rothenfels, geb. am 13. Mai 1708, gewählt am 6. April 1761 und 17. September 1762) hatten bereits in weit früherer Zeit den Gedanken an die Wahl eines Coadjutors rege gemacht. Unter den Mitgliedern des Kölner Domcapitels zogen vornehmlich der Vicedechant Franz Wilhelm Graf von Oettingen und der Prinz Joseph von Hohenlohe-Waldenburg, der Begünstigte König Friedrichs II. von Preußen, die Blicke auf sich. Auch an M. F. hatte man schon im J. 1769 gedacht; aber damals schrieb die Kaiserin unter den Bericht des Fürsten Kaunitz, welcher von einer aus Köln ergangenen Anfrage Nachricht gab, eigenhändig die Worte: „schönn zu bedankhen, khlar erkhlären, das niemals zulassen wurde, das ein sohnn von mir geistlich werde“. Beinah derselben Worte bediente sie sich, als 1770 aus Speyer, 1771 aus dem Stift St. Gereon in Köln, 1773 aus Bamberg, 1775 nochmals in Bezug auf den Kölner Kurhut ähnliche Anfragen nach Wien gelangten. Jetzt, im October 1779, dachte sie anders, mit Eifer ergriff sie die Gelegenheit, ihrem Sohn durch Erwerbung eines Kurstaates und hoffentlich auch des Bisthums Münster eine glänzende Versorgung zu sichern und zugleich dem preußischen Einfluß im Nordwesten des Reiches eine Schranke zu ziehen. Freilich große Schwierigkeiten waren zu überwinden. M. F. zeigte noch immer entschiedene Abneigung gegen den Eintritt in den geistlichen Stand. Man dachte deshalb in Rom zu erwirken, daß er auch als Coadjutor von dem Empfange der höheren Weihen dispensirt würde und später, wenn die Abneigung fortdaure, zum Vortheile eines der alsdann herangewachsenen Söhne des Großherzogs Leopold auf seine Würde verzichten könne. In den beiden Domcapiteln durfte man, besonders wenn man Geschenke nicht sparte, auf eine Anzahl Stimmen rechnen, auch der Beistand des französischen Hofes sollte dem Bruder der Königin Marie Antoinette nicht fehlen, und noch wichtiger: der beinahe unumschränkt regierende Minister des Kurfürsten, der Freiherr Caspar Anton v. Belderbusch hatte nach einem Bericht des Reichsvicekanzlers Fürsten Colloredo vom 18. November 1779 „jederzeit den wahrhaft sehnsüchtigen Wunsch an den Tag gelegt“, den Erzherzog M. F. im Besitz der Kurwürde zu sehen. Aber der Mann, auf den es vor Allem ankam, der Kurfürst Maximilian Friedrich, zeigte durchaus keine Lust, einen Coadjutor anzunehmen; so berichteten im Januar 1780 der kurfürstliche Minister und gleicherweise Graf Metternich, der kaiserliche Gesandte bei den geistlichen Kurfürsten und dem niederrheinischen Kreise. Dem von Kaunitz befürworteten Antrage des Freiherrn v. Belderbusch, die Kaiserin möge in einem eigenhändigen Schreiben dem Kurfürsten ihre Wünsche darlegen, wollte Maria Theresia nicht willfahren. Noch am 31. Januar schreibt sie ihrem Gesandten in Paris, dem Grafen Mercy, der Kurfürst von Köln zeige sich wenig entgegenkommend; auch aus aufgefangenen Briefen Friedrichs II. erhelle dessen Bosheit. Man werde die Verhandlungen [58] zwar nicht abbrechen, jedoch bis zu einem günstigeren Zeitpunkte ruhen lassen. In ähnlichem Sinne antwortete man auch dem münsterischen Domherrn, Freiherrn v. Brabeck, welcher als Wortführer der dortigen österreichischen Partei in der zweiten Hälfte des März selbst nach Wien gekommen war, um die Wahl des Erzherzogs anzubieten. Mittlerweile gab aber Belderbusch über die Stimmung seines Herrn günstigere Nachrichten. Er hatte die Besorgniß des Kurfürsten vor dem Ueberhandnehmen der preußischen Macht in Norddeutschland in geschickter Weise benutzt und war dabei wesentlich gefördert durch einen höchst unvorsichtigen Schritt des Prinzen Hohenlohe, welcher zur ungünstigsten Zeit den Kurfürsten um Erlaubniß bat, sich dem Domcapitel als Candidaten für die Coadjutorwahl vorzustellen. Dohm, der bekannte preußische Diplomat, erzählt in seinen Denkwürdigkeiten, Belderbusch selbst habe den Prinzen durch eine Mittelsperson und durch Vorspiegelung eines sicheren Erfolges in die Falle gelockt und dann, indem er dem unangenehm überraschten Kurfürsten gegenüber das Vorgehen Hohenlohe’s auf preußischen Antrieb zurückführte, die beste Gelegenheit gefunden, den österreichischen Prinzen eindringlich zu empfehlen. Man kann eine Intrigue solcher Art bei dem Charakter des Ministers nicht gerade für unwahrscheinlich, aber ebensowenig durch Dohm’s Zeugniß für hinreichend verbürgt halten. Das wirklich entscheidende war jedenfalls, daß Maria Theresia auf den erneuerten Antrag von Belderbusch und Kaunitz sich nunmehr, obgleich noch immer mit Widerstreben entschloß, am 7. April zwei Schreiben, ein officielles und ein eigenhändiges, an den Kurfürsten zu richten. Dieselben hatten den günstigsten Erfolg. Max Friedrich erklärte schon am 19. April seine Willfährigkeit und betraute Belderbusch mit der Fortführung der Verhandlungen. Nachdem dann Metternich das Dankschreiben der Kaiserin förmlich in Bonn übergeben hatte, richtete der Kurfürst am 13. Juni eine dringende Empfehlung zu Gunsten des Erzherzogs an das Domcapitel. Weder die Abmahnungen Friedrichs des Großen, noch das wenig geschickte Benehmen seines Bevollmächtigten von Emminghaus in Köln vermochten zu hindern, daß die Mehrheit des Capitels am 26. Juni den Beschluß faßte, es solle am 2. August die Frage, ob ein Coadjutor zu wählen sei, in Ueberlegung genommen werden. Als diese Frage bejaht war, fügten sich auch die meisten vormals Widerstrebenden, so daß am 7. August M. F. beinahe einstimmig gewählt werden konnte. Größeren Schwierigkeiten unterlag die Wahl in Münster. Hier war der leitende Minister nicht die Stütze, sondern der gefährlichste Gegner des Erzherzogs. Der Freiherr Franz Friedrich Wilhelm von Fürstenberg wurde nach einer 16jährigen segensreichen Verwaltung durch die Wünsche eines großen Theiles der Bevölkerung, durch eine bedeutende Partei im Capitel, ja in früherer Zeit durch die eigenen Wünsche des Kurfürsten als künftiger Nachfolger bezeichnet, zudem von den benachbarten Staaten, Holland, Hannover und vor allen von Preußen entschieden begünstigt. Indessen der Einfluß des kaiserlichen Hofes, ein Empfehlungsschreiben des Kurfürsten, die geschickten Vorbereitungen des Legationssecretärs Kornrumpf und das tactvolle Benehmen Metternichs, welcher am 25. Mai unerwartet zu Münster erschien, neigten auch hier die Wage zu Gunsten des Erzherzogs. Im Schoße des Domcapitels kam es zu den bittersten Erörterungen. Formfehler, welche die Majorität nicht vermied, gaben freilich den Anhängern Fürstenberg’s zu nicht unberechtigtem Widerspruch Veranlassung. Es hätte zu gefährlichen Verwickelungen kommen können, wäre eine Beschwerde der Fürstenbergischen Partei an den Reichstag ergangen und von Friedrich II., wie es sein Minister Herzberg wollte, wirksam unterstützt worden. Aber zu einem gewaltsamen Vorgehen zeigte sich der König nicht geneigt, und Fürstenberg, zu klug und zu edel, um in einem aussichtslosen Streite den Frieden seines Vaterlandes zu gefährden, gab den Widerstand auf. Am 14. August, nachdem die [59] Kölner Wahl bereits erfolgt war, zeigte er in einer würdigen Erklärung dem Grafen Metternich an, „daß er und die ihm Gleichgesinnten durch ihren Beitritt die von ihren Mitbrüdern begangenen Nichtigkeiten aufheben und durch eine einhellige, rechtliche Wahl ihrem Bischofe den von ihm begehrten Coadjutor geben wollten“. Am 16. August vereinigten sich dann alle Stimmen zu Gunsten Maximilians.
Auf die Nachricht von der Wahl begab sich der Erzherzog im September 1780 an den Rhein und empfing am 4. October zu Bonn inmitten glänzender Feste die Glückwünsche der Domcapitel von Köln und Münster, des Clerus und der Stände. Die Würde und Bescheidenheit seines Benehmens, die Fähigkeiten und Kenntnisse, die man an ihm bemerkte, zudem die reichen Geschenke, die er austheilte, machten auf den Kurfürsten und die künftigen Unterthanen den günstigsten Eindruck. Am 16. October begab er sich vom Rheine nach Mergentheim, um die durch den Tod seines Onkels Karl von Lothringen (4. Juli 1780) ihm zugefallene Regierung am 23. October in einem Ordenscapitel feierlich zu übernehmen. Einer der fähigsten Bonner Beamten, der Hofkammerrath Boosfeld, der ihn im März 1784 in Mergentheim aufsuchte, berichtet mit Erstaunen und Bewunderung über die Einfachheit seines Auftretens, über seine Arbeitsamkeit und Ordnungsliebe und über die strengen Anforderungen, die er im Geschäftsgange an sich wie an andere stellte. Immer behielt er auch eine Vorliebe für den Orden, verweilte gern in Mergentheim, und die zahlreichen Acten im Deutschordensarchiv zu Wien beweisen, daß er niemals aufgehört hat, den Ordensangelegenheiten eine thätige Sorgfalt zu widmen. Freilich ließ er sich dadurch nicht abhalten, von Zeit zu Zeit in die große Welt zurückzukehren, besonders nach Wien, wo er bei seinem Bruder Joseph stets ein gern gesehener Gast war. In Wien verweilte er im Frühjahr 1782 während der Anwesenheit Pius VI., der ihm großes Wohlwollen bezeigte und sogar den Cardinalshut anbot. Im Frühling 1783 finden wir ihn bei seinem Bruder Leopold in Florenz und bei seiner Schwester, der Königin Karolina in Neapel. Im folgenden Jahre, als er sich wieder in Wien befand, kam ihm am 21. April die Nachricht zu, daß Maximilian Friedrich am 15. April verschieden sei. Rasch entschloß er sich zur Abreise; am 3. Mai erging aus Bonn das erste Manifest an seine Unterthanen; am 6. August wurde er feierlich im Dom zu Köln als Erzbischof und Kurfürst, am 12. Octbr. auch zu Münster als Fürstbischof inthronisirt. Vom Papste hatte er die Erlaubniß erhalten, den Empfang der Weihen zehn Jahre zu verschieben. Kaiser Joseph schreibt jedoch schon am 23. Juli 1780: „Will mein Bruder geistlich werden, so muß er auch alles thun, um ein ausgezeichneter Bischof zu sein. An seiner Stelle würde ich die Weihen und sogar die Priesterweihe sogleich nehmen“. Diesem Rathe folgte M. F. vom 29. Novbr. bis zum 20. Decbr. 1784 theilte er im Priesterseminar zu Köln, wie noch jetzt eine dort befindliche Inschrift aussagt, alle Uebungen der Alumnen, empfing darauf von dem päpstlichen Nuntius Bellisomi in dessen Hauskapelle zu Köln die Priesterweihe und am 8. Mai 1785 von Clemens Wenceslaus, Erzbischof von Trier, in der Münsterkirche zu Bonn die bischöfliche Consecration.
Bald bemerkte man im Kurfürstenthum, wie die Regierung mit dem neuen Regenten eine neue Gestalt annahm. M. F. war in der Schule Josefs II. gebildet; er hatte auch in dem Großherzog von Toscana das Vorbild eines thätigen, scharfsichtigen Fürsten vor Augen, dessen klug berechnende Mäßigung ihn noch mehr zur Nachahmung reizte, als die sich überstürzende Heftigkeit des ältesten Bruders. Seine verschiedenen Territorien fand er in sehr verschiedenem Zustande: im Gebiet des deutschen Ordens hatte er selbst seit 1780 die Geschäfte geleitet; auch Münster erfreute sich nach der langjährigen [60] Verwaltung Fürstenberg’s einer bis dahin niegesehenen Blüthe. Dieser ausgezeichnete Mann war zwar, bald nachdem die Wahl des Erzherzogs erfolgt war, von seinem Ministerposten zurückgetreten, aber die beibehaltene Stelle eines Generalvicars setzte ihn nach wie vor in den Stand, in der Verwaltung der kirchlichen Angelegenheiten, insbesondere des Schulwesens, jene segensreiche Wirksamkeit zu entfalten, die seinen Namen weit über die Grenzen des Landes hinausgetragen hat. Ein leitender Minister war nicht wieder ernannt worden; die unter Fürstenberg gebildeten Männer führten die Regierungsgeschäfte in seinem Geiste weiter. Sein Verhältniß zu dem neuen Landesherrn blieb freilich immer ein gespanntes, besonders nachdem die Wahl seines Bruders Franz Egon zum Coadjutor für Paderborn am 12. Juni 1786 eine Hoffnung Maximilians vereitelt und neues Mißtrauen geweckt hatte. Der Kurfürst ließ nicht selten Vorschläge Fürstenberg’s unbeachtet und empfand es unwillig, daß er diesen niemals für seine kirchlichen Ansichten gewinnen konnte, aber im Ganzen war er verständig genug die Grundsätze des auch ihm verehrungswürdigen Gegners nach wie vor in Anwendung zu bringen. Anders in Köln. Hier war unter einem Kurfürsten, der selbst den Geschäften fremd blieb, beinahe ebenso schlecht, wie in Münster vortrefflich regiert worden. Belderbusch, obgleich für seine Dienste bei der Wahl mit dem Grafentitel und andern Geschenken reichlich belohnt, hatte doch schon bei Maximilians Anwesenheit 1780 empfinden müssen, daß sein Einfluß die Regierung Max Friedrichs nicht überdauern würde. Er starb gerade rechtzeitig, drei Monate vor dem Kurfürsten, am 2. Januar 1784. Das kurkölnische Land war also der eigentliche Schauplatz und der fruchtbarste Boden für die Thätigkeit des neuen Regenten. Zunächst im Finanzwesen. Statt der früheren Pracht wurde alsbald bei Hofe wie im Staatshaushalt eine strenge Oekonomie zur Regel. Manche wollten sie sogar zu streng finden. Jungen, aufstrebenden Talenten – es sei hier nur an Fischenich, die Maler Kügelgen und an Beethoven erinnert – ist jedoch in zahlreichen Fällen die Unterstützung des Kurfürsten zu gute gekommen. M. F. betrachtete sich als ersten Diener des Staates. Er öffnete die einlaufenden Briefe selbst; auf der geheimen Kanzlei hatte er wie jeder andere Beamte sein Arbeitspult. Auch über Gnaden- und Beförderungsangelegenheiten entschied er nicht eigenmächtig, sondern nach dem Gutbefinden einer Commission; und als es sich bei einer Berathung um Ansprüche des deutschen Ordens im kurkölnischen Gebiete handelte, enthielt er sich, vielleicht ebenso klug als gewissenhaft, der Abstimmung, um sich nicht bei seiner entschiedenen Vorliebe für den Orden der Gefahr, parteiisch zu urtheilen, auszusetzen. Täglich von 8 bis 9 Uhr gab er Audienz, zu welcher jeder ohne Unterschied des Ranges zugelassen wurde. Ueberhaupt suchte der Kurfürst den Unterschied und die Scheidung der Stände wenigstens zu mildern. Nicht mehr Geburt sondern Verdienst sollte entscheiden. Für jede Anstellung war eine Prüfung erforderlich. Am wenigsten wollte er dulden, daß bloße Titularbeamte die Einkünfte bezögen und von andern die Arbeit verrichten ließen. Alles was er vornahm und insbesondere die Sammlung seiner Verordnungen zeugt von einem wohlwollenden, meistens auf das unmittelbar Nützliche gerichteten Sinn. Feuerpolizei und Waldschutz waren Gegenstand einer eifrigen Sorge. Das Gefängnißwesen wurde verbessert (30. December 1785), in Criminalsachen die Praxis gemildert, die Tortur schon am 6. Juli 1784 von der vorgängigen Genehmigung des Landesherrn abhängig gemacht. Im Juni 1786 trat das neu errichtete Oberappellationsgericht in Thätigkeit. Die von dem Geheimen Referendarius Josef Cramer von Clauspruch entworfene Geschäfts- und Proceßordnung vom Juni galt als musterhaft. Der Kurfürst hatte tüchtige Beamte zur Seite: für den deutschen Orden den Statthalter Grafen Christian zu Erbach, den Staats- und Conferenzminister Freiherrn von Forstmeister und den geheimen Referendar Franz Jacob [61] v. Breuning, in Münster außer Fürstenberg die geheimen Räthe Adam Franz Wenner, Johann Gerhard Druffel und Maximilian Forkenbeck, in Kurköln den Minister Johann Christian Freiherrn von Waldenfels und die geheimen Referendare Josef Wilhelm von Bersword für die weltlichen und Karl Josef von Wrede für die geistlichen Angelegenheiten. Aber die Seele der Verwaltung war er selber; zu ordnen und zu schaffen war ihm eine Lust. Nicht, daß ihm alles gelungen wäre. Er hütete sich zwar, in den ungestümen, rücksichtslosen Eifer seines Bruders Josef zu verfallen, aber es blieb doch nicht aus, daß seine Neuerungen Anstoß erregten; insbesondere konnte der Adel den Verlust mancher bis dahin mühelos ihm zu theil gewordener Vorrechte nicht verschmerzen. Er rächte sich durch spöttische Worte, auch wohl durch Klatschgeschichten, welche die Sittlichkeit des Kurfürsten verdächtigten, die sich aber meistens bei der ersten ruhigen Erwägung als Fabeln erweisen. Bei dem Volke war M. F. unstreitig sehr beliebt, ja er gehörte zu den populärsten Regenten in Deutschland. In den „Erinnerungen aus dem Jahre 1790“ hat Georg Forster erzählt und Chodowiecki dargestellt, wie der „menschenfreundliche Fürst“ einer Marktfrau behülflich ist, ihren schweren Korb auf den Kopf zu heben. Und in demselben Jahre, bei der deutschen Kaiserwahl bereiteten ihm die Frankfurter einen herzlicheren Empfang als allen übrigen Fürsten und sogar dem Kaiser. Noch lange nach seinem Tode war sein Andenken und sogar die Liebe zu ihm besonders unter der Landbevölkerung lebendig, und wenn sich in dem ehemals kölnischen und im Münster-Lande die Anhänglichkeit an das österreichische Kaiserhaus so lange erhalten hat, so ist dies nicht zum wenigsten der Regierung des letzten Kurfürsten zuzuschreiben.
Am meisten nach außen hin trat Maximilians reformirende Thätigkeit auf dem Gebiete des kirchlichen Lebens hervor, freilich oftmals nur fortsetzend, was unter der vorigen Regierung bereits begonnen war. Zu den Freidenkern darf man ihn nicht zählen. Er hat sein ganzes Leben hindurch Verehrung für die Grundsätze gezeigt, welche ihm von seiner frommen Mutter eingeprägt waren. Aber er fühlte sich auch der geistlichen Gewalt gegenüber mehr als Landesherrn denn als Erzbischof; die Strömung der Zeit und das Beispiel seines Bruders trieben ihn fort zu Reformen, die man nicht unterschätzen darf, und zu Mißgriffen, die bei einem meist so billigen, klaren Urtheile unter anderen Verhältnissen kaum begreiflich wären. Wir können den Streit, der sich an den Namen „Febronius“ knüpft, hier nicht im einzelnen darstellen. Er füllte schon die Regierungszeit Max Friedrichs, erhielt aber neue Lebhaftigkeit, als der Bruder Kaiser Josefs in die Reihe der geistlichen Kurfürsten eintrat, die den Jurisdictionsrechten des Papstes und seiner Nuntien widerstrebten. Nach der Errichtung der neuen Nuntiatur in München am 14. Febr. 1785 mag M. F. nicht wenig zu dem kaiserlichen Schreiben beigetragen haben, welches sich am 12. Octbr. so entschieden für die Ansprüche der Erzbischöfe aussprach. Den Höhepunkt dieser Streitigkeiten bildeten bekanntlich die Punktationen des Emser Congresses vom 25. Aug. 1786. M. F. war dabei durch den münsterischen geistlichen Geheimen Rath Georg Heinrich von Tautphöus vertreten. Er säumte auch nicht von den durch die Punktationen den Erzbischöfen zugesprochenen Vollmachten mit Uebergehung der Kölner Nuntiatur Gebrauch zu machen, und vornehmlich gegen ihn richtete sich das Schreiben des Nuntius Pacca, welches am 30. Novbr. 1786 die von den Erzbischöfen eigenmächtig ertheilten Ehedispensen für ungültig erklärte.
Den Ansichten, die von Seiten des Kurfürsten in diesem Streite zu Tage traten, entsprachen auch andere Maßregeln, insbesondere die Erhebung der im Jahre 1777 gestifteteten Bonner Akademie zu einer eigentlichen Universität. Auch dieser Plan war bereits unter Maximilian Friedrich angeregt, ja der Ausführung nahe gebracht, aber M. F. ergriff ihn mit einem Eifer und widmete [62] ihm Hülfsmittel, welche die Regierung seines Vorgängers schwerlich gefunden hätte. Gleich in den Jahren 1784 und 1785 setzte er sich mit dem Akademierath in eine lebhafte Correspondenz, und noch raschere Förderung erhielt das Unternehmen, seitdem am 26. Juli 1786 Franz Wilhelm Freiherr von Spiegel zum Diesenberg zum Präsidenten der Akademie ernannt worden war. Am 20. Nov. 1786 konnte die Inauguration der Universität stattfinden; der Kurfürst selbst hielt die Eröffnungsrede. Es gelang, zu den früheren eine Anzahl neuer tüchtiger Lehrer zu gewinnen; hier seien von jenen nur Daniels und Rougemont, von diesen Fischenich und Wegeler genannt. Bald gelangte die junge Universität auch im übrigen Deutschland zur Anerkennung; nur mit der alten stadtkölnischen lag sie in beständiger Fehde, so sehr, daß eine kurfürstliche Verordnung vom 10. Aug. 1789 allen, die zu Köln studirt hätten, jede Hoffnung auf ein geistliches oder weltliches Amt in den kurfürstlichen Landen absprach. Vieles mangelte freilich auch der Bonner Universität, besonders auf dem Gebiete der Philologie; es hat mehrere Jahre gedauert, ehe man nur die Typen des griechischen und hebräischen Alphabets beschaffen konnte. Aber einer der besten Kenner westfälischer Verhältnisse, Seibertz, bezeugt gewiß nicht mit Unrecht, daß Westfalen der neuen Anstalt vielleicht mehr Schriftsteller, besonders in juristischer Hinsicht verdankt habe als allen früher besuchten Universitäten. Die meisten Vorträge und die von Seiten der Universität zahlreich veröffentlichten Abhandlungen tragen freilich öfter, als nöthig oder vortheilhaft, den Stempel der febronianischen Bestrebungen. Auch auf dem Gebiete des niederen Schulwesens, wo Spiegel die schon unter Max Friedrich entwickelte Thätigkeit eifrig fortsetzte, mag es an Takt- und Rücksichtslosigkeiten nicht gefehlt haben; das läßt schon der Charakter der Zeit wie des Mannes erwarten. Aber einen entschiedenen Fortschritt der geistigen, wie der socialen Entwickelung wird man weder in Münster noch in Kurköln verkennen dürfen.
In der Geschichte der Rheinlande erscheint es als ein ganz besonderes Unglück, daß in eine Zeit so schöner Hoffnungen der Sturm der französischen Revolution zerstörend hineinbrach. Ein Vorbote, freilich ganz eigenthümlicher Art, war der Aufstand der belgischen Niederlande gegen Joseph II. Im November 1789 kam in Folge dessen, aus Brüssel vertrieben, die Statthalterin Maria Christina nach Bonn und erhielt von ihrem Bruder das Schloß Poppelsdorf zum Aufenthalt. Sicher billigte M. F. ebensowenig wie seine Schwester das unbesonnene Vorgehen des Kaisers, den nur der Tod (am 20. Febr. 1790) vor noch schwererem Unheil bewahrte. Die Wahl seines Bruders Leopold II. wurde zu einem Familienfeste des österreichischen Hauses. Der König und die Königin von Neapel hatten im Sommer der Krönung Leopolds zum König von Ungarn in Pest beigewohnt, im Herbste folgten sie ihm nach Deutschland, trafen mit M. F. in Mergentheim zusammen und begleiteten ihn dann nach Frankfurt, wo am 30. September die Kaiserwahl, am 9. October die Krönung erfolgte. Der neue Kaiser wußte durch Mäßigung und Klugheit die Fehler seines Vorgängers zum Theil wieder gut zu machen. Er wandte die Gefahren ab, die ihm von Seiten Preußens drohten, und setzte sich wieder in Besitz der Niederlande. Auch der schon zwei Jahre währende Aufstand der Lütticher gegen ihren Bischof Constantin Franz von Hoensbroek wurde im Januar 1791 durch österreichische und Reichs-Truppen unterdrückt. M. F. hatte dabei als Mitdirector des westfälischen Kreises einen Eifer gezeigt, der besser einer besseren Sache gewidmet worden wäre. Jetzt gab er dagegen dem wiedereingesetzten Fürsten die weisesten, leider nicht befolgten Rathschläge, durch Milde und Mäßigung das Vertrauen seiner Unterthanen wieder zu gewinnen. Leicht hätte er nach dem Tode des Bischofs (am 3. Juni 1792) auch den bischöflichen Stuhl von Lüttich erlangen können, aber er verzichtete weislich auf den Erwerb eines neuen, von so vielen [63] Seiten gefährdeten Besitzthums. Denn auch Kaiser Leopold hatte den Krieg mit der Revolution von Deutschland nicht abwenden können. Das gewaltsame Vorgehen der Franzosen im Elsaß und von der anderen Seite das völkerrechtswidrige Verfahren, welches die Emigranten unter dem Schutze des Kurfürsten von Trier an der Grenze sich gestatteten, machten einen Zusammenstoß unvermeidlich. Der Kaiser starb schon am 1. März 1792. Gegen seinen Sohn und Nachfolger erging am 20. April die französische Kriegserklärung, und kaum war Franz II. am 14. Juli in Frankfurt zum Kaiser gekrönt, als die verbündeten Heere von Oesterreich und Preußen sich zu einem Einfall in Frankreich anschickten. Das Benehmen Maximilians während dieser Jahre zeugt von kluger Mäßigung und Festigkeit. Als Kurfürst und als Oberhaupt des deutschen Ordens erklärte er sich auf dem Reichstage scharf gegen die Uebergriffe der französischen Nationalversammlung, aber als Grenznachbar vermied er vorsichtig Alles, was als Beleidigung der Franzosen gelten konnte. Die Emigranten erhielten nicht mehr, als durchaus nöthig. Nach einer Verordnung vom 11. April 1792 durfte keine Stadt mehr als zwanzig bis höchstens dreißig in ihrem Bereiche dulden, kein Emigrantencorps bewaffnet durch das Erzstift ziehen, Waffenübungen oder Werbungen vornehmen. Als eine Compagnie bewaffneter Emigranten in Andernach sich einquartierte, wurde sie sofort über die Grenze gewiesen. Persönlich hatte der Kurfürst von der Revolution im eigenen Lande nichts zu fürchten; er ließ ungehindert alle Nachrichten aus Paris und die fremden Zeitungen in der Bonner Lesegesellschaft, die er öfters selbst besuchte, bekannt werden. Begreiflicherweise trat aber doch in dem Geiste der Regierung eine Aenderung, in den Reformen ein Stillstand ein; der Streit gegen die Nuntien, obgleich in der Wahlcapitulation Leopolds II. noch erwähnt, kam mehr und mehr in Vergessenheit; von der Universität nahmen im J. 1791 die beiden Professoren, welche zu Ausstellungen den meisten Anlaß gegeben hatten, Eulogius Schneider und Dereser, den Abgang. Aber keine Maßregel im Innern konnte den Sturm von Außen beschwichtigen. Schon im Herbst 1792, nach der unglücklichen Wendung des Feldzugs in der Champagne, als auch Mainz am 21. October sich schmachvoll den Franzosen überliefert hatte, schien das gesammte linke Rheinufer wehrlos dem Feinde preisgegeben. Der Kurfürst von Trier begab sich schon an dem genannten Tage von Koblenz nach Bonn und nach kurzer Rast auf das rechte Rheinufer. Auch in Bonn dachte man an Flucht; das Archiv und sämmtliche Werthsachen wurden eingepackt, und Schiffe, um sie aufzunehmen, in Bereitschaft gehalten. Der Kurfürst selbst entfernte sich am 22. October aus seiner Residenz, kehrte jedoch bald zurück, da mit dem rechtzeitigen Eintreffen der Preußen in Koblenz Anfangs November die Gefahr vom Oberrhein her verschwunden war. Aber sie kam von einer anderen Seite. Dumouriez’ Sieg bei Jemappes am 6. November brachte bald die gesammten Niederlande, Mitte Decembers sogar Aachen in die Gewalt der Franzosen. Man mußte besorgen, sie bald auch in Köln und Bonn zu sehen. Dies und vielleicht noch mehr das ihm äußerst mißfällige Benehmen der Oesterreicher in seinem Lande bewogen den Kurfürsten, am 21. December nach Münster abzureisen, wo er den Winter verlebte. Unablässig bemühte er sich, wie es der Briefwechsel mit seinem Freunde, dem Hofmarschall Freiherrn v. Schall, beweist, auch von dort aus, die Bedrückung des kölnischen Gebietes wenigstens zu lindern. Zugleich zeigt er in diesen Briefen das richtigste Verständniß für die Gefahren der Zeit und für die verfehlten Maßregeln, welche besonders die geistlichen Kurfürsten in eine so üble Lage gebracht hatten. Nur freilich die Einsicht fehlte ihm, daß ein eifriges Zusammenwirken aller Reichsstände zum Schutze Deutschlands unerläßlich sei; sein Hauptbestreben ging dahin, sich so wenig als irgend [64] möglich an dem Kriege zu betheiligen. Nachdem am 23. November 1792 vom Reichstag die Ausrüstung eines Triplums der Reichscontingente beschlossen war, hätte Köln etwa 3200 Mann stellen müssen. Diese waren aber bei weitem nicht vorhanden; der Kurfürst wünschte, das Fehlende durch Geld abzukaufen, und war nicht wenig bestürzt, als er von Oesterreich und Preußen, an die er sich wegen einer Contingentsvertretung gewandt hatte, eine durchaus abschlägige Antwort erhielt. Um die nöthige Truppenzahl aufzubringen wurde Mitte Februar ein außerordentlicher Landtag berufen, der aber zum großen Mißfallen des Kurfürsten ohne Ergebniß blieb. Nicht mehr leistete der gleich nach Ostern einberufene ordentliche Landtag. Die Städte traten auf demselben mit einem Antrag auf gleiche Vertheilung der Steuern hervor, und der Kurfürst zeigte sich bereit, die Kammergüter mit in Anschlag zu bringen. Aber Adel und Geistlichkeit weigerten ihre Zustimmung, und nur der Kurfürst that am Ende doch noch etwas, indem er Rekrutirungen anordnete, die vorhandenen Truppen zur kaiserlichen Armee abgehen ließ und dem Prinzen von Coburg, der dieselbe befehligte, aus eigenen Mitteln die bedeutende, niemals zurückgezahlte Summe von 650,000 Gulden vorstreckte. Die Kämpfe bei Aldenhoven und Neerwinden am 1. und 18. März brachten noch einmal die Niederlande in österreichischen Besitz; der Kurfürst kehrte am 21. April von Münster nach Bonn zurück und konnte im Sommer mit Befriedigung vernehmen, daß ein kölnisches Bataillon von 600 Mann neben münsterischer Artillerie bei der Einnahme von Valenciennes (28. Juli) nützliche Dienste geleistet hatte. Aber die Uneinigkeit der Coalition ließ den Franzosen Zeit, sich aus ihrer fast verzweifelten Lage wieder aufzuraffen und im Sommer 1794 entschied die Schlacht bei Fleurus am 26. Juni auf beinahe 20 Jahre das Uebergewicht der französischen Waffen in Europa. Ohne eigentliche Niederlage, aber zu schwach, um dem Feinde Stand zu halten, wichen die Oesterreicher unter Coburg, dann unter Clerfayt bis an den Rhein und Anfangs October bei Köln hinter den Rhein zurück. Mit dem äußersten Mißfallen hatte der Kurfürst diese Ereignisse verfolgt. Er gab sich der damals vielverbreiteten, obwol irrigen Ansicht hin, daß Belgien von den Oesterreichern absichtlich ohne Noth preisgegeben sei. Sowol nach Wien als an die österreichischen Generale richtete er die bittersten Klagen und weigerte jede fernere Unterstützung. Ende September war an Widerstand nicht mehr zu denken; Bonn füllte sich mit Flüchtigen, welche das rechte Rheinufer zu gewinnen suchten. Am 2. October Nachmittags 3 Uhr verließ auch der Kurfürst, Thränen in den Augen, mit segnender Hand die Stadt, die er niemals wiedersehen sollte. Er setzte auf der Schiffbrücke über den Rhein, nahm, mehrmals von den Colonnen der rückziehenden Oesterreicher aufgehalten, seinen Weg nach Münster, von da nach Frankfurt und gelangte in der ersten Hälfte Decembers nach Mergentheim, das von jetzt seine Residenz und der Mittelpunkt seiner Regierung werden sollte. Der Minister v. Waldenfels und die geheimen Referendare Bersword und Wrede hatten ihn dahin begleitet; der Hofmarschall v. Schall blieb zunächst in Bonn und wurde später zu diplomatischen Sendungen verwandt. Denn man darf nicht glauben, daß mit dem Verlust des linken Rheinufers die Regierungsthätigkeit des Kurfürsten ein Ende genommen hätte. Das Bisthum Münster war noch gar nicht, das Gebiet des deutschen Ordens zu geringem Theile vom Kriege berührt, selbst von dem Kurfürstenthum Köln lag der größere Theil, insbesondere das Herzogthum Westfalen, auf dem rechten Rheinufer. Nach der Hauptstadt dieses Landes, nach Arnsberg, verlegten das Domcapitel, das Officialat, das Revisionsgericht und die ständische Obersteuerkasse ihren Sitz, die Regierung kam nach Recklinghausen, die Hofkammer nach Brilon. Einige ruhige Monate gaben Zeit, Ordnung in die neue Organisation zu bringen. Den Franzosen fehlte die Kraft, den Rhein zu überschreiten, und auch Clerfayt konnte sich trotz bedeutender Verstärkungen, [65] trotz der dringendsten Mahnungen, die ihm von Wien aus zugingen, zu einem energischen Angriff nicht ermannen. Man hörte sogar von Friedensunterhandlungen. In der That standen sich auf dem deutschen Reichstage zwei Parteien gegenüber, die eine unter dem Vorgange Oesterreichs für eine kräftige Fortsetzung des Krieges wirkend, die andere mit Anlehnung an Preußen zum Frieden mit Frankreich geneigt. Der Kurfürst, obgleich österreichischer Erzherzog, gehörte keineswegs zu den Reichsständen, auf die der Wiener Hof mit Sicherheit zählen konnte. Als der Kaiser am 13. August 1794 statt des zwei Jahre früher bewilligten Triplums das Quintuplum, also eine Reichsarmee von 200,000 Mann forderte, wurde dasselbe am 13. October zwar bewilligt, aber von allen Reichsständen hatte keiner sich so bitter über die Politik und Kriegführung des Wiener Hofes ausgesprochen, als M. F. in einem Schreiben an den Reichsvicekanzler Fürsten Colloredo vom 29. August. Am 24. October stellte der Kurfürst von Mainz den in Wien äußerst mißfälligen Antrag, Frankreich den Frieden auf der Grundlage des früheren Besitzstandes anzubieten. Auch jetzt stimmte Kurköln nicht, wie der Kaiser wünschte, und der Unwille des leitenden österreichischen Ministers stieg noch höher, als M. F. zu Anfang des folgenden Jahres und sogar nach dem von Preußen zu Basel am 5. April abgeschlossenen Separatfrieden die preußische Vermittlung für Unterhandlungen mit Frankreich in Anspruch nehmen wollte. In den Briefen an den Grafen Franz Colloredo findet Thugut kaum Worte genug, seinem Aerger Ausdruck zu geben. „Der Kurfürst von Trier“, schreibt er im Juni, „versucht umsonst den Kurfürsten von Köln zu bekehren, der, weil er ein Erzherzog ist, und weil seine Erhebung zum Kurfürsten der Monarchie zwei oder drei Millionen gekostet hat, darauf besteht, gegen die Absichten des Kaisers zu stimmen und auf dem Reichstage die Vermittlung und die guten Dienste Preußens anzuflehen“. … „O, wenn unsere Maria Theresia, die doch nur eine Frau war, ihr Haupt aus dem Grabe erheben und das alles ansehen könnte!“ Umsonst versuchte Graf Lehrbach, der im Juni mit einer Sendung an den Reichstag beauftragt war, den Kurfürsten umzustimmen. M. F. spricht in einem Briefe an seinen Comitialgesandten, den Freiherrn v. Karg, am 26. Juni die Ansicht aus, daß das Reich für die Wiedereroberung der Niederlande den Krieg nicht fortzusetzen brauche, und bemerkt am folgenden Tage in einem Briefe an Lehrbach unter bittern und höhnischen Aeußerungen gegen den Wiener Hof: „wenn Preußen sich auch durch den Baseler Frieden sehr ins Unrecht gesetzt habe, so müsse man doch bei einem so mächtigen Reichsstande, dessen bona officia sich leicht in mala officia verwandeln könnten, die Staatsklugheit eintreten lassen. Ein Krieg mit Preußen würde jetzt der Untergang des Reiches sein, besonders der katholischen Stände.“ „O! Kinder Maria Theresias“, ruft Thugut (6. Juli) aus. „wie erkennt man in Eurer Kleinlichkeit den großen Charakter Eurer Mutter?“ Man wird es dem österreichischen Minister nicht verdenken, wenn er, besonders nachdem die preußische Demarcationslinie beinahe die Hälfte des Reiches in Unthätigkeit versetzt hatte, über die Lässigkeit der Reichsstände zürnt. Aber es ist zu viel, wenn er verlangt, daß der Kurfürst von Köln sich nur als österreichischen Erzherzog und nicht als Fürsten seiner Länder fühlen sollte, die eben zu jener Zeit nicht weniger auf Preußen als auf Oesterreich angewiesen waren. Aus den mit großer Bitterkeit geführten Verhandlungen des Reichstages ging am 3. Juli ein Reichsgutachten hervor, welches dem Kaiser vornehmlich, aber doch unter beihülflicher Verwendung Preußens die Einleitung eines anständigen Friedens auf Grundlage der Reichsintegrität übertrug. Ehe aber die lässig geführten Verhandlungen nur den Anfang eines Ergebnisses erreichten, kam der Krieg wieder zum vollen Ausbruch. Die Franzosen hatten am [66] 6. September bei Düsseldorf, am 15. bei Neuwied, am 20. bei Mannheim den Rhein überschritten. Unbeschreiblich war bei ihrem raschen Vordringen das Entsetzen am Oberrhein. Wer fliehen konnte, floh hinter die preußische Demarcationslinie oder in die Ferne, die Fürsten zuerst. M. F. war dieser traurigen Nothwendigkeit durch eine Reise überhoben, die er im August über Arnsberg nach Münster angetreten hatte, wo er am 6. September unter Assistenz der Bischöfe von Sens und Limoges drei Bischöfe consecrirte: den Domherrn Caspar Max von Droste-Vischering zum Weihbischof für Münster, den Freiherrn v. Lüning zum Fürstbischos von Corvey und den Herrn v. Gruben zum Weihbischofe für Osnabrück. Erst als die Gefahr in Süddeutschland durch die Siege Clerfayt’s bei Bergen und Mainz (11. und 29. October) und die Rückeroberung Mannheims (22. November) geschwunden war, kehrte er über Frankfurt nach Mergentheim zurück.
In einem Briefe vom 31. December 1795 an die Gemahlin des Hofmarschalls v. Schall fügt der Kurfürst den allgemeinen Wünschen den besonderen hinzu, daß das kommende Jahr sie beide wieder in die rheinische Heimath zurückführen möge. Aber diese Hoffnung wurde auf schreckliche Weise durch den wiederausbrechenden Krieg getäuscht. Die Siege Bonaparte’s in Italien schwächten auch das Heer des Erzherzogs Karl in Deutschland dermaßen, daß er vor den Armeen Jourdan’s und Moreau’s, welche am 15. und 24. Juni bei Neuwied und Straßburg den Rhein überschritten hatten, den Rückzug antreten mußte. Wieder ergoß sich die Fluth der fremden Dränger verheerend über Süddeutschland, und beinahe noch schlimmer hausten sie, als der Sieg des Erzherzogs bei Würzburg am 3. September sie zu eiliger Rückflucht nöthigte. Wie andere süddeutsche Fürsten hatte auch M. F. beim Anrücken der Franzosen am 18. Juli seine Residenz verlassen. Er verweilte bis zum November in Leipzig und kehrte dann nicht in das verwüstete Mergentheim, sondern zunächst nach Frankfurt zurück. Die glückliche Wendung des Krieges in Süddeutschland konnte den Siegeszug Bonaparte’s gegen Wien nicht aufhalten. Anfangs April 1797 stand er in der Nähe der österreichischen Hauptstadt; wenig später gingen auch die französischen Armeen, bei Neuwied am 18., bei Straßburg am 20. April wieder über den Rhein. Aufs neue drohten die Greuel des vergangenen Jahres, als die Nachricht von den am 18. April in Leoben unterzeichneten Präliminarien zur unsäglichen Freude der Rheinlande dem Blutvergießen ein Ziel setzte.
M. F., durch die Kriegsgefahr von Frankfurt verscheucht, hatte eben dem Kurfürsten von Mainz in Aschaffenburg einen Besuch abgestattet, als ihm zwei Stunden von der Stadt auf dem Wege nach Mergentheim die Couriere begegneten, welche ihm die Nachricht des Friedens überbringen sollten. Freudig kehrte er nach Aschaffenburg zurück, um dem Kurfürsten von Mainz selbst zuerst die lang ersehnte Botschaft mitzutheilen. Nach fünfjährigen Kriegsleiden athmete man wieder auf. Die Freude steigerte sich, als man vernahm, und als kaiserliche Erlasse vom 27. April und 23. Juni bestätigten, daß in Leoben die Reichsintegrität gewahrt sei. Die Rückkehr nach Bonn schien dadurch gesichert. Die nach Arnsberg ausgewanderten Beamten rüsteten sich bereits zur Heimreise, und gewiß wäre der Kurfürst von seinen Unterthanen mit Jubel empfangen worden. Die kurkölnischen Lande am linken Rheinufer hatten seit dem October 1794 unter den Bedrückungen französischer Generale und Commissare das traurigste Dasein geführt. Die auch hier nicht ganz fehlenden Aeußerungen republikanisch-französischer Gesinnung sind so schwach und vereinzelt, daß daraus die entgegengesetzten Wünsche der übergroßen Mehrheit der Bevölkerung nur um so deutlicher zu Tage treten. Zahlreiche Documente und Correspondenzen zeigen auch, daß M. F. mit seinen linksrheinischen Unterthanen in steter Verbindung blieb, daß insbesondere [67] auf geistlichem Gebiet seine Regierungsthätigkeit niemals ganz unterbrochen wurde. Im Frühjahr 1797 gingen bereits Deputationen aus Bonn nach Mergentheim, um wegen der Rückkehr des Kurfürsten Verabredung zu treffen. Aber wie schmerzlich wurden auch diese Hoffnungen wieder getäuscht! Das französische Directorium hatte nicht gewagt, die von Bonaparte nach eigenem Gutdünken abgeschlossenen Präliminarien offen zu verwerfen; ebensowenig wollte es sie jedoch zur Ausführung kommen lassen, denn die Vereinigung des linken Rheinufers mit Frankreich war von den Machthabern in Paris beschlossen. Darin liegt der eigentliche Ursprung der cisrhenanischen Republik, welche im September 1797 das linke Rheinufer in so große Aufregung versetzte. Nur eine geringe Zahl bethörter, kurzsichtiger Menschen ließ sich als Werkzeug der Fremden gebrauchen; aber unter dem Schutz französischer Waffen konnten dem offenen Unwillen des Landes gegenüber in Koblenz am 14., in Köln am 17., in Bonn am 22. September die cisrhenanischen Freiheitsbäume gepflanzt werden. Mit Besorgniß und Entrüstung hörte der Kurfürst von diesem Treiben, und es war nicht seine Art, müssig zuzusehen. Nach Aussage eines seiner Beamten, des Geheimen Rathes v. Pelzer, kannte er die Namen aller Derjenigen, welche sich in Bonn bei den republikanischen Festen betheiligt hatten. Am 19. September richtete er eine Aufforderung zu gemeinsamem Handeln an den Kurfürsten von Mainz, am 20. September ein Manifest an seine Unterthanen, am 12. October ein zweites Manifest an die Bonner; auch Flugschriften ließ er verbreiten und war selbst bei ihrer Abfassung thätig. Aber was vermochten Worte und Gründe in einer Zeit, wo nur die Gewalt den Ausschlag gab? Selbst auf dem rechten Rheinufer sah M. F. seine Besitzungen eben jetzt in ganz unerwarteter Weise gefährdet. Preußen hatte im Sommer 1796 während der Unruhen des französischen Einfalls Gelegenheit genommen, wirkliche oder vermeintliche Ansprüche in Franken nicht ohne Gewaltsamkeit geltend zu machen, insbesondere zum Nachtheile des deutschen Ordens. Es kam so weit, daß preußische Truppen am 8. Januar 1797 einen Hauptsitz des Ordens, Ellingen, besetzten und noch im folgenden Sommer mit schweren Contributionen belegten. Dann mischten sich freilich die Reichsbehörden ein. Schon im Juli 1797 erließ der Reichshofrath ein in den stärksten Ausdrücken formulirtes Mandat gegen den König, der als Markgraf zu Ansbach und Baireuth „den deutschen Ritterorden unter einem überströmenden Zusammenfluß der größten Gewaltthätigkeiten seiner hergebrachten Hoheitsrechte zu Ellingen, Stopfenheim, Absberg und Eschenbach wirklich entsetzt habe.“ Dem König wurde „unter Strafe von 5 Mark löthigen Goldes geboten, alle landfriedensbrüchigen Befehle zurückzunehmen“. Einiges wurde denn auch zurückgenommen. Aber diese Angelegenheit bildete noch im Juni 1798 auf den Berliner Conferenzen einen wesentlichen Streitpunkt für Oesterreich und Preußen, ohne daß man zu einem Abschluß gekommen wäre. Hauptsächlich hing das Schicksal des Kurfürsten von den Verhandlungen ab, welche im Anschluß an die Präliminarien von Leoben zwischen Bonaparte und den Bevollmächtigten des Kaisers in Montebello, später in Udine gepflogen wurden. Als sie sich in die Länge zogen und in immer tieferes Geheimniß hüllten, ließ der Kurfürst durch ein Rescript vom 4. October in Regensburg den Antrag stellen, den schon so lange in Aussicht genommenen Friedenscongreß nunmehr wirklich zu berufen. Der Antrag sollte am 25. October zur Berathung kommen, als die Nachricht von dem am 17. October unterzeichneten Frieden von Campo Formio dazwischen trat. In diesem Frieden waren die Präliminarien von Leoben wesentlich verändert, die Reichsintegrität aufgegeben; die festgesetzte Grenze sollte dem Laufe des Rheins bis zur Mündung der Nette, nahe bei Andernach, folgen, dann diesen Fluß hinauf durch die Eifel und nordwärts die Roer entlang nach Venlo an die Maas gelangen. Danach wären freilich Trier und Mainz aufgegeben, [68] aber beinahe der gesammte kölnische Besitz auf dem linken Ufer dem Kurfürsten erhalten worden. Leider öffnete der Friede selbst schon den weiteren Uebergriffen der Fremden den Weg. Wenn Frankreich, hieß es, größere Erwerbungen in Deutschland mache, müsse Oesterreich dafür eine Compensation erhalten. Die Franzosen sahen die Abtretung des linken Rheinufers als gewiß an. Schon im December 1797, ehe noch das Reich sich erklärt hatte, ließen sie durch den Regierungscommissar Rudler das Land in Departements eintheilen sowie französische Gesetzgebung und Verwaltung einführen. Alles kam nun darauf an, wie der Congreß zu Rastatt die Entschädigungen regeln würde, welche den auf dem linken Rheinufer depossedirten weltlichen und den drei geistlichen Kurfürsten zugesagt waren. Die Abgesandten Maximilian Franz’, Graf Erbach und v. Ulrich, ließen nichts unversucht, die Interessen ihres Herrn zu fördern und den auch auf dem rechten Rheinufer schwer bedrückten kölnischen Landen Erleichterung zu verschaffen, besonders nachdem der Congreß am 9. März die Abtretung des linken Rheinufers und am 4. April den Grundsatz der Säcularisationen anerkannt hatte. Genugsam belehrt, woher der Kurfürst einzig noch Schutz zu erwarten habe, schlossen sie sich enge den kaiserlichen Abgesandten Metternich, Cobenzl und Lehrbach an. Auch M. F., der im October 1797 seinen Wohnsitz von Mergentheim wieder nach Frankfurt verlegt hatte, wandte sich trotz seiner schon sehr leidenden Gesundheit in eigenhändigen Schreiben an den Kaiser und an Thugut. Im November 1798, als die Frage der Säcularisationen den Congreß nach Lehrbach’s Ausdruck zu einer „Handlungsbörse“ machte, suchte er eine Vereinigung der geistlichen Reichsstände dagegen hervorzurufen. Ausführlich setzt er am 30. November dem Kaiser und dem Kurfürsten von Mainz die Nothwendigkeit auseinander; aber vergebens, denn der Kurfürst von Mainz und sein Minister Albini hatten, thöricht genug, ihre eigennützigen Hoffnungen auf die Hülfe der Franzosen gebaut. Eine höhere Macht schien freilich noch einmal die Absichten des Feindes zu vereiteln. Der im März 1799 wieder ausbrechende Krieg brachte Italien und den größten Theil der Schweiz in die Gewalt der gegen Frankreich verbündeten Mächte. Als im September die Truppen des Erzherzogs Karl sich dem Niederrheine näherten, trat auch auf dem linken Ufer die nie verläugnete Anhänglichkeit der Einwohner an den alten Landeshern so deutlich hervor, daß die Franzosen die stärksten Maßregeln, insbesondere das berüchtigte Geißelgesetz dagegen in Anwendung brachten. Aber nochmals folgte die Enttäuschung. Die Schlacht bei Marengo, am 14. Juni 1800, Moreau’s Feldzug in Deutschland und endlich die Schlacht bei Hohenlinden am 3. December machten jeden ferneren Widerstand des Kaisers unmöglich; der Friede von Lüneville am 9. Februar 1801 gab dann das linke Rheinufer auch völkerrechtlich in französischen Besitz und machte der Existenz der geistlichen Staaten ein Ende.
Alle Hoffnungen des Kurfürsten waren damit zu Grabe getragen; nur um wenige Monate hat er sie überlebt. Schon in Bonn litt er an übermäßiger Körperfülle, die er durch eine unvortheilhafte Diät – er aß sehr reichlich, trank aber nur Wasser – noch vermehrte. Im März 1795 erlitt er einen Schlaganfall, 1797 war er so stark geworden, daß er sich nur mühsam noch bewegte. Im folgenden Jahre nahm das Leiden zu; man dachte an einen Coadjutor; er selbst schrieb im März darüber an den Kaiser; sein Gesandter, Graf Erbach, und der ihm nahe befreundete Domherr v. Merveldt traten mit den kaiserlichen Gesandten in Rastatt zuerst im Juni und abermals im November in Verhandlung. Allein der Wiederausbruch des Krieges lenkte die Gedanken wieder ab. Aus Frankfurt, wo er sich nicht mehr sicher fühlte, begab sich der Kurfürst am 19. Februar 1799 nach Mergentheim, im März nach Ellingen und im folgenden Frühling, abermals durch die Kriegsunruhen verscheucht, nach Wien, wo er am 28. April [69] eintraf. Er wurde freundlich, ja mit Auszeichnung empfangen, bezog in dem früheren Garten des Fürsten Esterhazy eine Wohnung, gab täglich Audienzen und suchte mit den ihn begleitenden höheren Beamten die nöthigen Regierungsgeschäfte zu erledigen. Eigentlichen Einfluß besaß er in Wien wohl nicht, weil das gespannte Verhältniß zu Thugut fortdauerte; als Kurfürst und wegen der möglichen Annahme eines Coadjutors war er jedoch noch immer für den österreichischen, wie für andere Höfe ein Fürst von nicht geringer Bedeutung. Schwerlich hätte er gedacht, daß die Wuth des Krieges ihn selbst in so weiter Ferne bedrohen würde; aber nach der Schlacht bei Hohenlinden, als Moreau sich der Hauptstadt näherte, mußte er sich täglich zur Flucht nach Brünn bereithalten. Sein Zustand ließ damals schon ein baldiges Ende befürchten; ein Sommeraufenthalt in dem benachbarten Luftort Hetzendorf brachte keine Linderung. In Voraussicht seines nicht fernen Todes hatte er es dahin gebracht, daß am 6. Juni vom deutschen Orden der Erzherzog Karl zu seinem Coadjutor gewählt wurde; zum Haupterben seines sehr bedeutenden Privatvermögens setzte er am 24. Juni den Erzherzog Maximilian, Sohn seines Bruders Ferdinand, ein. Noch immer blieb die Nachfolge für Köln und Münster von großer Wichtigkeit. Diesem Umstande verdanken wir, daß Graf Keller, der preußische Gesandte in Wien, auf Befehl seiner Regierung die genauesten Nachrichten über die letzten Tage des Kurfürsten erstattet. Schon Anfang Juli deutete alles auf ein baldiges Ende. In der Mitte des Monats trat ein lethargischer Zustand ein, die Sprache war kaum noch verständlich, was aber den Kranken nicht abhielt, in leidlicheren Momenten noch immer von Geschäften zu reden. Am Abend des 26. hatte er mit gutem Appetit gespeist und bis elf Uhr Gesellschaft bei sich gesehen; eine Stunde nachher trat ein Erstickungsanfall ein, und in zwanzig Minuten, am 27. Juli, kurz nach Mitternacht der Tod. M. F. starb zu Hetzendorf, aber nicht, wie es gewöhnlich heißt, in dem Schlosse, welches zu jener Zeit von der kaiserlichen Familie eingenommen wurde, sondern in einem damals dem Grafen Seilern gehörigen Hause – es ist das Eckhaus rechts der Straße, die gerade auf das Thor des Schloßhofes führt. Rechtzeitig war der Tod des Kurfürsten erfolgt. Hätte er länger gelebt, er hätte schwerlich hindern können, daß seine noch übrigen Besitzungen, das rechtsrheinische Gebiet von Köln und das Bisthum Münster, nach der vereitelten Wahl des Erzherzogs Anton Victor theils an Preußen, theils an Hessen-Darmstadt fielen, und daß der deutsche Orden im Jahre 1809 unterdrückt wurde. Einen großen Mann, der seiner Zeit oder nur der Regierung seiner Länder den Stempel eigener schöpferischer Ideen aufgedrückt hätte, darf man M. F. nicht nennen, aber er hat vollen Anspruch auf den Namen eines thätigen, wohlmeinenden, einsichtigen Regenten, der die lange Reihe der Kölner Kurfürsten in würdiger Weise zum Abschluß brachte.
- Eigene archivalische Forschungen im preußischen und österreichischen Staatsarchiv und im Archiv des deutschen Ordens zu Wien. – Arneth, Maria Theresia, sowie die zahlreichen von Arneth veröffentlichten Correspondenzen. – Vivenot, „Herzog Albrecht von Sachsen-Teschen“ und die von Vivenot veröffentlichten Quellensammlungen aus der Revolutionszeit. – Mering, Die vier letzten kölnischen Kurfürsten, Köln 1842. – Ennen, Frankreich und der Niederrhein, Köln 1856. – Dohm, Denkwürdigkeiten meiner Zeit, Lemgo 1814. – Erhard, Geschichte Münsters, Münster 1837 und: Die Wahl des Kurfürsten Maximilian Franz, in Ledebur’s Archiv für die Geschichtskunde des preußischen Staates, Bd. XV, Berlin 1834. – Varrentrapp, Beiträge zur Geschichte der kurkölnischen Universität Bonn, Bonn 1868. – Galland, Franz von Fürstenberg [70] und der Kurfürst Maximilian Franz in den hist.-polit. Blättern, Bd. 83, S. 190 fg. – Hüffer, Die Stadt Bonn unter französischer Herrschaft, Bonn 1863, und Rheinisch-westfälische Zustände zur Zeit der französischen Revolution, Bonn 1878.