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ADB:Pienzenau, Hans von

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Artikel „Pienzenau, Hans von“ von Sigmund Ritter von Riezler in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 26 (1888), S. 112–115, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Pienzenau,_Hans_von&oldid=- (Version vom 18. Dezember 2024, 15:50 Uhr UTC)
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Pienzenau: Hans v. P., hingerichtet 17. (oder 18.?) October 1504, verdankt seinem unglücklichen Tode sein Leben in der Geschichte. Bei Miesbach in den bairischen Voralpen liegt die kleine Ortschaft Pienzenau, wo die Stammburg eines alten und gegen Ende des Mittelalters weitverzweigten Rittergeschlechtes stand. Hans gehörte zur Hadmarsberger Linie, seine Eltern waren Friedrich v. P. († 1480) und Barbara v. Bogenhofen. Mit Magdalene von Seiboltsdorf, die ihm im Tode vorausging, erzeugte er vier Kinder und pflanzte die Hadmarsberger Linie fort. Diese und mit ihr das ganze Haus P. erlosch im Mannsstamme im J. 1800; da aber eine Tochter des letzten Pienzenauers den bairischen Kämmerer Grafen August v. Yrsch geheirathet hatte, führt die von ihr abstammende Linie dieser gräflichen Familie noch heute den Beinamen: Pienzenau. Als einen rechtschaffenen und untadelhaften Charakter, der viele Freunde hatte, rühmt Hans der Abt Angelus Rumpler von Formbach. Wie seine Ahnen seit dem 12. Jahrhundert in Lehens- und Dienstverhältnissen zu den Wittelsbachern standen, trat auch er in den Dienst der Herzoge von Baiern-Landshut. In den neunziger Jahren des 15. Jahrhunderts erscheint er als Pfleger von Trostberg, nachher als Pfleger von Kufstein. Es ist eine Quittung über 116 Pfund und einige Schillinge schwarzer Münze erhalten, die er 1503 für die Burghut zu Kufstein von Herzog Georgs Rentmeister erhielt. Im Landshuter Erbfolgekriege, der durch das Vermächtniß dieses Fürsten an seinen Schwiegersohn Philipp von der Pfalz heraufbeschworen wurde, ging König Maximilian von Anfang an darauf aus, die drei niederbairischen Aemter im Gebirge: Kufstein, Rattenberg, Kitzbühel, altbairische Striche an der Grenze Tirols, für sich zu gewinnen. Der Schlüssel zu diesen Landen aber war die starke Bergfestung Kufstein. Von P. wie von dem Pfleger zu Rattenberg verlangte [113] nun Max durch Vertrag die Uebergabe ihrer Schlösser, wogegen er beide als Pfleger auf ihren Posten beließ. Der Vertrag hat sich bis jetzt nicht gefunden, und ob die Uebergabe bedingungslos erfolgte, ist nicht aufgeklärt. Am 9. August 1504 aber erschien ein starkes pfälzisches Heer unter Wißbeck vor Kufstein und am 13. übergab ihm P. die Burg. P. selbst schrieb darüber am 10. August an den Pfleger zu Rattenberg, die Pfälzer hätten die Stadt Tags vorher überrumpelt und sich in derselben so festgesetzt, daß sie vom Schlosse herab nicht beschossen werden konnten, sodann ihn im Schlosse zu belagern begonnen und von ihm die Uebergabe begehrt; der Feind sei 6000 Mann stark, ihm fehle es an Geschützen, Mannschaft und Mundvorrath, er werde also das Schloß nicht halten können. Der letzteren Angabe widersprechen die Geschichtsschreiber Kölner und Fugger. Nach Fugger hatte der König selbst P. einiges Geschütz zur Vertheidigung schon früher zugeschickt. Fugger will auch wissen, P. sei von Wißbeck mit 30000 Gulden schwarzer Pfennige bestochen worden; vielleicht ist aber dieses Gerücht nur daraus entstanden, daß eine solche Summe nach der Uebergabe in der Festung gefunden wurde. Sicher ist, daß P. nun selbst auf die pfälzische Seite übertrat, vielleicht weil er erst damals von der Einmüthigkeit, mit der die Landshuter Lande zu Philipp standen, sowie von den eigennützigen Absichten des Königs unterrichtet wurde. Am 1. October aber eröffnete Maximilian den Angriff auf Kufstein mit sieben Feldschlangen, deren Feuer jedoch gegen die Festung wenig ausrichtete. Zum Hohne sollen die Vertheidiger die Wälle da, wo die Kugeln aufgeschlagen, mit Besen gekehrt haben, worauf der König mit ingrimmigem Lachen ausgerufen habe: „Bei Gott, das ist eine neue Form des Krieges; dies Reiterstückchen müssen wir auch lernen!“ P. hatte 100 Kriegsknechte in der Stadt und 50 in der Festung; er drohte jeden, der von Uebergabe spräche, in den Inn werfen zu lassen, konnte aber nicht hindern, daß die Stadt, wo der Bürgermeister von Anfang an für die Uebergabe war, am 12. October dem König ihre Thore öffnete. Dann benützte der König einen dreitägigen Waffenstillstand, um von Innsbruck sein schwerstes Geschütz, den Weckauf von Oesterreich und den Burlebaus, kommen zu lassen. Er selbst richtete die gewaltigen Feuerschlünde gegen die Festung, und im Verlaufe von drei Tagen war dieselbe in Trümmer geschossen. Einen Antrag Pienzenau’s, die Burg gegen freien Abzug zu übergeben, beantwortete Maximilian nun ablehnend: habe P. die Burg zerschießen lassen, so wolle er ihm auch die Trümmer lassen. Am 17. October ward die Festung mit Sturm genommen, die noch lebenden Vertheidiger beim Versuche, heimlich zu entkommen, gefangen genommen und vom Könige zum Tode verurtheilt. Die Hinrichtungen fanden angesichts der versammelten Fürsten bei Ainliffen vor den Thoren Kufsteins statt, auf einem öden Hofe, wo noch jetzt eine Capelle den Platz bezeichnet. In einem Bauernhause beichteten die Verurtheilten, dann ward P. in seinem verschnürten Wamms als der erste vor den Scharfrichter geführt. Er war ein schöner, hochgewachsener Mann mit langem Bart, damals 36 Jahre alt. Vergebens wollte er zu seiner Rechtfertigung sprechen; man hörte ihn nicht. Vergebens soll auch dem Könige eine große Summe – wieder werden 30000 Gulden genannt – für seine Begnadigung geboten worden sein. Ein reicher Bürger von Schwaz, namens Füger, habe sich dafür verbürgt, eine Nachricht, die eine gewisse Stütze darin findet, daß ein Hans Füger Pienzenau’s Schwester Magdalene geheirathet hatte. Dem Unglücklichen ward der Johanniswein gereicht, den man beim Abschiede zu trinken pflegte. „Um aller Baiern willen“ – läßt ihn das Volkslied sagen – „muß ich mich heute tapfer halten! Muß ich denn sterben, so walte dessen der liebe Gott! Hab’ Urlaub, liebe Welt, Gott segne Dich, Laub und Gras!“ Unerschrocken beugte er sein Haupt dem Todesstreich. Nach einander wurden [114] achtzehn enthauptet, die letzten dreiundzwanzig aber durch Herzog Erich von Braunschweig losgebeten, der sich dafür den vom Könige als Strafe für eine Fürbitte angedrohten Backenstreich gefallen ließ. Im bairischen Volke ward P. als tragischer Held gefeiert. Das rührende Lied vom Pienzenauer gehört zu den schönsten historischen Volksliedern dieser Periode und darf auch als geschichtliche Quelle nicht unterschätzt werden; denn der es gesungen, war einer von Pienzenau’s Kufsteiner Kriegsgenossen von gutem Geschlecht, der dem „trockenen Scheren“ glücklich entronnen und der sich nur nicht nennen will „wegen seiner Stadt“, d. h. wol weil er in einer Stadt wohnte, die nach dem Kriege einem der Gegner der Pfälzischen zugefallen war.

Auf die Nachricht von Pienzenau’s und seiner Genossen Hinrichtung sandten Hauptleute und Gesinde zu Landshut eine Beschwerdeschrift an den König, worin sie klagten, daß er den Krieg anders führe, als in deutscher Nation herkömmlich sei. Darauf ließ Max antworten: P. habe sein Gelübde, Brief und Siegel gegen ihn vergessen und sich verrätherisch gehalten; seine Genossen aber nach Einnahme der Stadt Kufstein ihre Zusage von dannen zu ziehen, nicht gehalten und sich zu P. in das Schloß begeben, ihn dort unterstützt und überdies dem Könige etliche schmähliche, verächtliche Worte nachgeredet. Die verhängte Strafe sei also eine billige gewesen. An seine Gemahlin schrieb Max, er habe P. die nachgesuchte Begnadigung nicht gewähren können angesichts seines großen Verschuldens, und da er früher, als ihm Pardon angeboten wurde, denselben verschmäht habe. Ob das Urtheil der Geschichte diese Selbstrechtfertigung gelten lassen kann, bleibt fraglich. P. selbst scheint das Bewußtsein der Schuldlosigkeit gehabt zu haben, da er am Tage seiner Hinrichtung an Christoph von Laiming, der in Rattenberg befehligte, einen Zettel schrieb des Inhalts: er möge wohl Acht haben, mit wem er handle; denn er sehe nun, wie es ihm zu Kufstein ergehe. Einiges Licht auf die Sachlage fällt auch aus einem wahrscheinlich Ende August geschriebenen Berichte von Statthalter und Regenten aus Innsbruck an den König und dieses Licht ist der strengen Auffassung Maximilians wenig günstig. Hiernach hat der Pfleger von Rattenberg, Christoph Laiminger, das Ansuchen gestellt, den vor einer gewissen Zeit mit ihm aufgerichteten Vertrag auf drei Monate zu verlängern. Sie hätten geantwortet, dies sei nicht nöthig, da der Vertrag noch einen Monat währe und bis dahin wohl Frieden geworden sei. Aber es sei wohl zu erwägen, daß man sich auf den genannten Pfleger nicht wohl verlassen könne; er habe geäußert: es wäre immer schade, wenn Rattenberg vom Hause Baiern kommen sollte! „So hat er auch nach der Uebergabe von Schloß und Stadt Kufstein (an die Pfälzer) Hans Füger und anderen geschrieben, er versehe sich, Hans Pienzenauer habe damit nicht anders gehandelt, als er mit Fug und Ehren wohl verantworten könne.“ Die Regierung räth dann dem Könige, daß er sich vom Pfleger von Rattenberg als rechter natürlicher Herr und Landesfürst Gehorsam geloben lasse. Demnach war dies vorher noch nicht geschehen, wenn aber nicht in Rattenberg, dann sicher auch nicht in Kufstein. Wahrscheinlich fiel P. als beklagenswerthes Opfer einer Collision von Pflichten, Pflichten gegen einen Landes- und Dienstherrn und dessen Erben – einen Landesherrn, dessen Rechtstitel freilich sehr anfechtbar und der der Reichsacht verfallen war, aber von seinen Unterthanen fast einmüthig vertheidigt wurde – und Pflichten gegen ein Reichsoberhaupt, das doch in dieser Verwicklung weniger auf Beschirmung des Rechtes als auf eigenen Gewinn ausging.

Münchener Reichsarchiv (darin Huschbergs handschriftl. Ahnentafel der Freiherren v. P.). – Innsbrucker Statthaltereiarchiv. – Kölner (cod. germ. Monac. 1933). – Fugger (cod. germ. Monac. 900b, wegen habsburgischer [115] Färbung mit Vorsicht aufzunehmen). – Zayner bei Oefele, Script. rer. Boic. II, 451 und andere Chronisten. – v. Liliencron, Volkslieder, II, 549 flgd. – Oberbayerisch. Archiv V, 142. – Der in v. Hormayr’s Tiroler Almanach, Jahrg. 1804, S. 122 flgd. gedruckte, angeblich einer gleichzeitigen Handschrift entnommene Bericht über die Eroberung Kufsteins ist werthlos, da in der Hauptsache nur auf Fugger beruhend.