ADB:Pilgrim (Bischof von Passau)

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Artikel „Piligrim, Bischof von Passau“ von Karl Uhlirz in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 26 (1888), S. 131–134, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Pilgrim_(Bischof_von_Passau)&oldid=- (Version vom 22. April 2024, 14:09 Uhr UTC)
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Piligrim, Bischof von Passau, 971–22. Mai 991. Er war vornehmen Standes, ein naher Verwandter des Erzbischofs Friedrich von Salzburg, vielleicht der Sohn von dessen Bruder Sigihart, Grafen im Chiemgau. In dem Kloster Nieder-Altaich, das unter Friedrichs Fürsorge aus dem tiefen Niedergange während der Ungarneinfälle zu raschem Gedeihen kam, erhielt er unter eines trefflichen Lehrers, Udalgis, Leitung Unterricht und erwarb er sich gründliche wissenschaftliche Bildung. Nach vollendeter Lehrzeit blieb er als Canonicus im Stifte und wurde aus demselben im J. 971 auf Vorschlag des Erzbischofs Friedrich als Nachfolger des am 15. Mai verstorbenen Adalbert auf den bischöflichen Stuhl von Passau berufen. In seiner neuen Würde entfaltete er eine reiche Thätigkeit in einer Zeit, die an den bairischen Episcopat die größten Ansprüche stellte, in welcher derselbe, wie unter der Regierung König Konrads I. unmittelbar für das Interesse nach Außen und Innen zu wirken berufen war. Die erste und weitreichendste Aufgabe, der sich der hochbegabte Bischof zuwandte, war die Bekehrung der Ungarn. Der Zeitpunkt schien trefflich gewählt. Gerade damals war die Vereinigung der einzelnen fast selbständigen Theile des Volkes zu einem Reiche vollzogen worden, dessen Beherrscher Geisa mit seiner Gemahlin dem Christenthum geneigt und bemüht war, freundliche Beziehungen zu dem deutschen Reiche aufrecht zu erhalten. Zu Ostern 973 erschienen am Hofe in Quedlinburg Gesandte der Ungarn, um dieselbe Zeit wurde im Auftrag des Kaisers ein Bischof Bruno, den in jeder Weise zu unterstützen P. angewiesen worden ist, an Geisa entsendet. In breite Schichten der Bevölkerung des ungarischen Reiches hatten Kriegsgefangene und unterworfene Slaven die christliche Lehre getragen, ein laues, mit heidnischen Anschauungen und Gebräuchen durchsetztes Christenthum hatte sich duldender Schonung zu erfreuen, bedurfte aber dringend der fürsorglichen Hand eines geistlichen Oberhirten. P. war nach dem Vorbilde des h. Augustinus, des Bekehrers der Angelsachsen, über den er sich aus Bedas Kirchengeschichte unterrichtet hatte, mit allem Eifer bemüht, diese Reste einer früheren Zeit zu schützen und den herrschenden Stamm für den Glauben an Christus zu gewinnen. Er hat wohl auch persönlich eingegriffen, sich auf einer Reise nach Ungarn von dem Fortgange der Mission überzeugt, aufs beste war er mit dem erzielten Erfolge zufrieden. Eifersüchtig wehrte er jeden Wettbewerb ab, den h. Wolfgang, der unabhängig von ihm [132] sich der gleichen Aufgabe widmen wollte, rief er zurück und lenkte ihn durch die von ihm befürwortete Ernennung zum Bischof von Regensburg in andere Bahnen. Hand in Hand mit dieser anerkennenswerthen Thätigkeit ging das Bestreben, das Bisthum Passau von der Unterordnung unter Salzburg zu befreien, es neben diesem zum Erzbisthum über Ungarn und Mähren zu erheben. P. suchte zu diesem Behufe sein Hochstift als Rechtsnachfolger des in Römerzeiten bestandenen Lorcher Bisthums nachzuweisen, wobei er einer in Passau gäng und gäben Ueberlieferung folgte, die schon seinen Vorgänger Adalbert veranlaßt hatte, sich mit dem Titel eines Bischofs von Lorch zu schmücken. Eine Anzahl gefälschter päpstlicher Urkunden sollte den historischen Zusammenhang herstellen und zugleich das Bisthum Lorch mit den Vorrechten ausstatten, als deren nunmehriger Inhaber das Passauer Bisthum zu gelten hatte. Gelang es ihm auch, für die Fabel von der Uebertragung jenes Hochstifts nach Passau bei Hofe Glauben zu finden, so war er doch außer Stande, für die Erhebung Passaus zum Erzbisthum die Einwilligung des Kaisers und des Papstes zu gewinnen. Auch die Bemühung, seine Diöcesangewalt über Ungarn auszudehnen, war vergeblich, da sie auf der falschen Voraussetzung beruhte, daß dieses Land dem deutschen Reiche einverleibt werden sollte. Bereits zu Ende der siebziger Jahre verschlimmerten sich die Beziehungen Geisas zu Otto II., sein Sohn, der h. Stephan, hat dann die volle Selbständigkeit Ungarns begründet, im Einvernehmen mit dem Papste die kirchliche Einrichtung seines Reiches durchgeführt und dadurch der Bekehrungsthätigkeit der Passauer Bischöfe ein für alle Mal ein Ende bereitet. Die Absichten auf Mähren mußte P. infolge der Gründung des Bisthums Prag fallen lassen. So konnte der Erzbischof von Salzburg, ohne in offenen Gegensatz gegen seinen Suffragan zu gerathen, die Rechte seiner Metropole ungeschmälert bewahren. P. dürfte als einsichtiger Staatsmann es aufgegeben haben, unerreichbaren Zielen nachzustreben, jedenfalls hat er nach dem Jahre 977 keinen Versuch in dieser Richtung mehr gemacht, sondern sich darauf beschränkt, in engerem Kreise aufs ersprießlichste sein Amt zu versehen.

Der Kampf, den Otto II. zur Behauptung der Reichsgewalt gegen die bairische Linie seines Hauses zu führen hatte, bot dem Passauer Bischof Gelegenheit, seine opferbereite Anhänglichkeit an das Herrscherhaus durch die That zu beweisen. Neben Friedrich von Salzburg war er die vornehmste Stütze der kaiserlichen Gewalt in Baiern. Die günstige Lage Passaus, die durch die Verbindung der Empörer mit dem Böhmenherzoge entscheidend wurde, hatte es bewirkt, daß der Kampf vornehmlich um den Besitz dieser Stadt geführt wurde, beide Parteien die größten Anstrengungen machten, den wichtigen Punkt zu erlangen und zu behaupten. Als im J. 977 der Krieg zu Gunsten des Reiches entschieden war, hat Otto II. die Festungswerke Passaus zerstören lassen, damit sie in einem spätern Kampfe dem Feinde nicht wiederum sichern Rückhalt gewährten. Für P. entsprangen aus der nahem Beziehung zum Hofe mancherlei Vortheile, nicht der Geringste war, daß er einen der Kanzleibeamten Ottos II. gewann, der in seinem Sinne echte und falsche Urkunden, sowie Vorlagen an den Kaiser ausarbeitete. Getragen von der Gunst des Herrschers konnte P. die Zeit friedlicher Entwickelung, die den bairischen Wirren folgte, benützen, um den Schaden, den seine Diöcese erlitten hatte, auszugleichen. Mit geschickter Hand wußte er eine großartige Erweiterung des passauischen Besitzstandes zu erlangen. In dem eigentlich bairischen Theil seines Sprengels war wenig für ihn zu gewinnen, er war auf die Gebiete östlich des Inn angewiesen, in denen damals unter des ersten babenbergischen Markgrafen Liutpold Leitung die politischen Verhältnisse stetiger Ausbildung zugeführt wurden. War bereits in karolingischer [133] Zeit das culturfähige Gebiet in Nieder- und Oberösterreich an geistliche und weltliche Besitzer vertheilt worden und wurde der Umfang desselben zunächst nicht erweitert, so konnten größere Schenkungen nur auf Kosten der bisherigen Inhaber erfolgen. Salzburg, das unter Erzbischof Friedrichs Schutz stehende Nieder-Altaich, Freising und der Markgraf konnten und durften nicht zu Gunsten Passaus geschädigt werden, da richtete P. sein Augenmerk auf jene Klöster seiner Diöcese, die sich aus dem Verfalle während der Ungarnherrschaft noch nicht erhoben hatten. Mit Hülfe gefälschter Urkunden und durch kluge Ausnützung der politischen Lage bekam P. die Marienabtei zu Passau und die Klöster Oetting, Mattsee, Kremsmünster, St. Pölten in seine Gewalt und brachte sie in dasselbe Abhängigkeitsverhältniß, in dem sich St. Florian seit langem befand. Für die Erweckung kirchlichen und geistigen Lebens in diesen Stiftern hat P. nichts gethan, er behandelte sie lediglich als Mittelpunkte der Verwaltung, die von dem Ertrage des Besitzes möglichst wenig beanspruchen sollten. Mit größtem Eifer aber übernahm er die Pflichten, die ihm aus so reicher Gabe entstanden. Es galt die unter den Karolingern rüstig geförderte Culturarbeit, die durch den Ungarneinfall jähe Unterbrechung erlitten hatte, wieder aufzunehmen. Ueberaus rührig ging P. ans Werk. Wir sehen ihn allerorten thätig, den alten und neuen Besitz seines Hochstifts zu erkunden, die Grenzen durch die Aussage der Landesgenossen festzustellen, Rechte und Bezüge der Pfarr- und Taufkirchen zu sichern und durch die Erbauung neuer Gotteshäuser für das Seelenheil der Anwohner zu sorgen. Da die ansässigen Leute nicht ausreichten, Rodung und Anbau mit raschem Erfolg zu fördern, begünstigte er die Einwanderung von Freien, die in den passauischen Unterthanenverband eintraten, nachdem sie der König aus dem ordentlichen Gerichtsverband entlassen hatte. Indem er für den Besitz und die Leute seines Hochstifts die Unabhängigkeit von der Gewalt des Herzogs und des Markgrafen erlangte, leitete P. die Entwickelung der ständischen Verhältnisse in der Ostmark ein, die später auf die Beziehungen der Landesfürsten zu den kirchlichen Großgrundbesitzern entscheidenden Einfluß geübt haben.

Von großer Bedeutung war Piligrim’s Regierung für die Stadt Passau. Er hat die Stadtherrschaft der Bischöfe begründet, war in den Besitz der Zolleinkünfte gekommen und der Grundherr der Stadt geworden. Als der Mittelpunkt einer eindringenden und geordneten Verwaltung, als Ausgangspunkt und Stapelplatz für den Handel nach der Ostmark, mit Ungarn und Böhmen konnte die Stadt sich bald von der im baierischen Kriege erlittenen Schädigung erholen, P. verschaffte ihren Kaufleuten umfassende Zollerleichterungen. In jeder Weise suchte der Bischof den Glanz seiner Residenz zu erhöhen. Die Gebeine des h. Maximilian, die bisher in Oetting verwahrt worden waren, wurden auf seine Veranlassung in die Domkirche übertragen.

Auch für die Pflege litterarischer Thätigkeit und wissenschaftlicher Studien, für die ihm seine Vorgänger eine wohlausgestattete Büchersammlung hinterlassen hatten, war der hochgebildete Mann eifrig bemüht. Herzog Heinrich III. zog ihn bei der Reform des Klosters Nieder-Altaich neben dem h. Wolfgang als Berather zu. P. hatte durch einen seiner Cleriker, Konrad, die Nibelungensage aufzeichnen lassen, Konrad, auf den Ruhm seines Herrn bedacht, hatte seinen Namen in die Sage eingefügt, P. wurde zu einem nahen Verwandten Kriemhilds und ihrer Brüder. Rühmliches weiß der deutsche Sänger des Nibelungenliedes von dem mächtigen Bischof zu erzählen, der in ritterlicher Art die Nichte an die Grenze seines Bisthums geleitet und ihr die Verbreitung christlichen Glaubens am Hofe und im Volke ihres Gemahls empfiehlt. Von dem großen Rufe, dessen [134] P. sich im Mittelalter erfreute, geben auch die Wunder Zeugniß, die ein übergläubiger Sinn an seinem Grabe geschehen ließ.

Er steht ein echter und rechter Bischof des zehnten Jahrhunderts, durchaus erfüllt von den kirchlichen und politischen Interessen seiner Zeit, ein guter Verwalter und weltkundiger Staatsmann von bedeutender litterarischer Bildung mit dem Markgrafen Liutpold am Eingange der Geschichte des österreichischen Staates.

Vgl. Ernst L. Dümmler, Piligrim von Passau und das Bisthum Lorch. Leipzig 1854. ferner die allgemeinen Darstellungen: Büdinger, Oesterr. Gesch. I, 274 f., 385 f., 445 f. – Dümmler, Jahrb. Ottos des Gr., S. 493 f. – Riezler, Gesch. Baierns I, 391 f. – Schrödl, Passavia sacra. p. 77 f. – Giesebrecht, Gesch. der deutschen Kaiserzeit, 1. Bd., 5. Aufl., S. 585, 847. – Huber, Gesch. Oesterreichs I, 144 f., 177 f. – Ranke, Weltgesch. 7, 74. – Ueber die Urkunden noch: Uhlirz, Die Urkundenfälschung zu Passau im zehnten Jahrh. in Mittheil. des österr. Instituts 3, 177 f. und ebenda Ergänzungsband 2, 548 f. – Sickel, Erläut. zu den Diplomen Otto II., ebenda, Ergänzungsband 2, 135 f. – Ueber Piligrim und das Nibelungenlied Zarncke in Berichte der k. sächs. Gesellschaft der Wissenschaften, phil.-hist. Klasse 8 (1857), 168 f. – Scherer, Literaturgesch. S. 731 spricht im Anschluß an Lachmann der Nachricht von der Aufzeichnung des Nibelungenliedes durch Konrad jede „Gewähr der Glaubwürdigkeit“ ab.