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ADB:Räsewitz, Georg Christoph Ferdinand von

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Artikel „Räsewitz, Georg Christoph Ferdinand von“ von Paul Zimmermann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 27 (1888), S. 322–324, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:R%C3%A4sewitz,_Georg_Christoph_Ferdinand_von&oldid=- (Version vom 22. November 2024, 00:37 Uhr UTC)
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Räsewitz: Georg Christoph Ferdinand v. R., mit dem Beinamen Passel, geboren zu Breslau am 18. December 1643, † 1720, verlor seinen Vater Georg v. R., der wie auch sein Großvater Konrad als Hofrath in Diensten der Herzöge von Münsterberg-Oels stand, im ersten Jahre seines Lebens. Seine Mutter Barbara Elisabeth geb. v. Mingen zog mit dem Knaben nach einiger Zeit, da das väterliche Vermögen in den unruhigen Kriegszeiten fast ganz darauf gegangen war, nach Wiltschkau, wo R. bis zum neunten Jahre weilte. Nachdem dieser dann einige Zeit in Frankenthal und Jakobsdorf von Privatlehrern unterrichtet war, wurde er 1656 nach Breslau geschickt, wo er sieben Jahre das Marien Magdalenen-Gymnasium und dann, durch Elias Major angezogen, ein Jahr das Gymnasium Elisabethanum besuchte. Der Ruf Hermann Conring’s lockte ihn darauf nach der Universität Helmstedt; am 10: October 1664 wurde er hier als Georgius Christophorus à Passel nob. Siles. immatriculirt. Neben juristischen Studien trieb er besonders bei Conring Politik und Staatengeschichte. Als Herzog August d. J. zu Braunschweig und Lüneburg am 17. September 1666 gestorben war, nahm R. an dem feierlichen Leichenbegängnisse des Fürsten Theil und verfertigte auf ihn ein deutsches Gedicht. Im folgenden Jahre veröffentlichte er eine Dissertation „de gratia delinquentibus facienda“ (Helmstedt 1667) und kehrte dann nach Schlesien zurück, wo er, da seine Mutter inzwischen gestorben war, bei seiner Großmutter in Wiltschkau, zeitweise auch in Breslau seine Studien fortsetzte. Im J. 1670 trat er als Hofmeister in den Dienst des Grafen Johann Heinrich von Hochberg. 1672 in den des Grafen Johann Albrecht von Ronow, welchen er 1675 mit dem bei dem Grafen Heinrich I. von Reuß aus der jüngeren Linie in Schleiz vertauschte. In allen diesen Stellungen hatte er vielfach Gelegenheit, fremde Höfe kennen zu lernen; insbesondere verkehrte er viel an dem zu Bayreuth, als sein Herr, Graf Heinrich, in Hof in den Dienst des Markgrafen Christian Ernst von Brandenburg-Culmbach getreten war. Da R. jedoch für die Dauer keine Befriedigung an dem Hofleben fand, so wechselte er bald wieder den Herrn und ließ sich 1678 vom Grafen Heinrich II. von Reuß (älterer Linie aus dem Hause Greiz, Linie Untergreiz) zum Hof- und Consistorialrath ernennen, eine Stellung, die ihm jener zugleich mit für das Gebiet seines unter Vormundschaft stehenden Neffen, des Grafen Heinrich XIII., übertrug. Dem Gedächtnisse des Vaters des Letztern, welcher 1675 als Braunschweigischer Geh. Kriegsrath und Commandant von Braunschweig gestorben war, hatte R. eine besondere Schrift gewidmet (Schleiz 1675). Neben seiner amtlichen Thätigkeit in Greiz war R. aber auch nach der Sitte seiner Zeit im Dienste anderer Fürsten beschäftigt. So nahm u. a. Herzog Rudolf August von Braunschweig-Wolfenbüttel, der ihn zum Rath ernannte, seine Thätigkeit mitunter in Anspruch. Einen tiefen Eindruck machte auf R. der Tod seiner Frau Maria Sophie, einer Tochter Friedrich Sebastians Edlen von Planitz, welche er am 5. December 1678 geheirathet hatte. Sie starb am 22. Juni 1680 bei einer Fehlgeburt. Ernster gestimmt wandte R. sich jetzt mehr und mehr von den politischen und rechtswissenschaftlichen zu theologischen und religiösen Studien und Beschäftigungen. Er versenkte sich in die Summa theologia des Thomas von Aquino, in die Commentare Franz Suarez’, in die Schriften der Kirchenväter u. a. und ließ sich so vollständig von ihnen fesseln, daß er sein Lutherthum aufgab und am 14. November 1681 in Künsberg zur katholischen Kirche [323] übertrat. Trotzdem bewahrte er sich auch Protestanten gegenüber volle Unbefangenheit. Ehrlich und gutmüthig, wie er war, kam es ihm nicht in den Sinn, diese zu verdammen; er drang vielmehr in den verschiedenen theologischen Schriften, die er verfaßte, auf eine Erneuerung des altchristlichen Lebens und wollte nicht römisch-katholisch, sondern rein katholisch sein. Nur so ist es erklärlich, daß R. trotz seines Glaubenswechsels seine Stellung auch im evangelischen Consistorium zu Greiz unbeanstandet fortführen konnte. Am 1. Juli 1688 ging R. eine zweite Ehe mit Eva Susanna Constantia von Ottengrün ein und etwa zehn Monate später nahm er in Greiz seinen Abschied. Nach einem kurzen Aufenhalte in Eger ließ er sich Ende des Jahres 1689 in der Oberpfalz auf dem von ihm gekauften Landgute Mogelhof in der Landgrafschaft Leuchtenberg nieder. Er beschäftigte sich hier mit Landwirthschaft und wissenschaftlichen, vorzüglich theologischen Studien. Einem Gelübde zufolge, das er nach dem Tode seiner ersten Tochter gethan hatte, erbaute er, als ihm am 25. April 1692 eine zweite geboren war, eine Capelle, für die Papst Innocenz XII. einen Indulgenzbrief ausstellte. Eine dritte Tochter gebar ihm seine Frau im November 1693. Von weltlichen Geschäften zog er sich seitdem fast ganz zurück. Nur in Angelegenheiten, bei denen religiöse Fragen in’s Spiel kamen, ist er noch thätig gewesen. So insbesondere für den Herzog Anton Ulrich von Braunschweig-Wolfenbüttel. Schon zur Vertheidigung des Religionswechsels der Enkelin desselben, der späteren Kaiserin Elisabeth Christine, hat er eine Schrift verfaßt, die nicht zum Drucke gelangte. Als dann auch der Herzog zur katholischen Kirche übertrat, hat dieser selbst in acht Sätzen „die bewegenden Ursachen, warum er zu der römisch-katholischen Kirche sich begeben“ aufgesetzt. Diese „Ursachen“ sind R. mitgetheilt worden, damit er sie allgemein bekannt mache. Zu dem Ende schrieb R. seine „Vorstellung der Considerationen und Bewegungsursachen, durch welche – Anton Ulrich – in die heilige Catholische Kirche sich zu begeben veranlasset worden ist“ (1710) So benutzte man die Feder Räsewitz’s zu publicistischen Zwecken, aber man irrt, wenn man dem vielseitig gelehrten, gutmüthigen Manne einen Einfluß auf den G1aubenswechsel des ihn geistig weit überragenden Fürsten beimißt. Ebenfalls auf Veranlassung Anton Ulrich’s ist Räsewitz’s Schrift: „Nöthige Wiederaufrichtung der ersten Christlichen Kirche, angestellet durch wohlgemeinte altchristliche Gedanken“ (Braunschweig 1709) unter dem Pseudonym Zephyrinus de Pace herausgegeben. Ein zweiter Theil dieses Werkes ist ungedruckt geblieben. Mancherlei Angriffen, die R. wegen jenes Buches erfuhr, ist er in besonderen Schriften entgegen getreten. Sein wichtigstes Werk erschien dann 1714 ohne Namen „Aufrichtiger Abriß der wahren und gantzen catholischen Kirche“. Er redete hier einer Vereinigung aller christlichen Kirchen, von welcher er auch die Secten nicht ausgeschlossen wissen wollte, das Wort und machte auch aus den Mißbräuchen des Papstthums keineswegs Hehl. Auch dieses Werk rief eine Reihe von Gegenschriften hervor, in denen der Verfasser vor allem des Indifferentismus beschuldigt wurde: er hätte ein platonisches Christenthum im Sinne, das er altcatholisch nenne, welches aber weder irgendswo wäre, noch sein könnte u. s. w. Es liegt in der eigenthümlichen Mittelstellung Räsewitz’s, daß er weder bei Katholiken noch bei Protestanten vollen Beifall fand, aber nach beiden Seiten mannigfache Anregung schuf. In seinen späteren Jahren zog sich R. immer mehr in religiöse Betrachtungen zurück, zuletzt soll er nur die Bibel und zwei Andachtsbücher bei sich behalten haben. Er starb eines plötzlichen Todes zu Mogelhof am 24. April 1720.

Vgl. Nova literaria Germaniae anni 1705 collecta, Hamburgi S. 314–320. – Fabricius, historia biblioth. suae IV, S. 219 ff. – Deutsche Acta [324] eruditorum, Th. 82, 1722, S. 771–802. – Jöcher III, Sp. 1873 f., wo auch seine Schriften aufgeführt werden. – Hoeck, Anton Ulrich und Elisabeth Christine von Braunschweig-Lüneburg-Wolfenbüttel S. 214 ff.