ADB:Raßmann, Christian Friedrich
Heinrich Ernst R. (s. S. 337) und wurde am 3. Mai 1772 zu Wernigerode geboren. Nachdem er kurze Zeit das dortige Lyceum besucht hatte, folgte er seinem Vater 1783 bei dessen Berufung nach Halberstadt und erhielt seine weitere Schulbildung in der Martinischule daselbst, deren Rector der Vater war. Nachdem er 1791–1794 zu Halle Theologie studirt und sein Examen als Predigtamtscandidat bestanden hatte, trat er als freiwilliger Lehrer an jener Martinischule ein und wurde dann als Collaborator an derselben Anstalt angestellt. Schon in früher Kindheit war in ihm die von seinem Vater geerbte Neigung zur Poesie erwacht und schon seit seinem 18. Jahre wurden einzelne seiner Dichtungen gedruckt. Bald aber that er einen Schritt, dessen Beweggründe wir nicht kennen und der für sein ganzes Leben verhängnißvoll gewesen ist; er gab seine Lehrstelle im J. 1800 auf und ist seitdem, nur von seiner Schriftstellerei lebend, im Privatstande geblieben. Zunächst schloß er sich an die beiden in Halberstadt lebenden Dichter, Gleim und Klamer Schmidt an, doch haben beide wohlwollende Männer nicht vermocht, ihm einen ergiebigeren Lebensweg zu verschaffen, ebenso wenig sein würdiger Vater. In den Jahren 1803 und 1804 führte er die Redaction zweier von einem Halberstädter Juden gegründeten Zeitschriften und beschäftigte sich daneben als Corrector. Gegen Ende des Jahres 1804 ging er auf Veranlassung des als Redacteur der Zeitung für die elegante Welt bekannten Hofraths Spazier nach Münster und übernahm dort die Redaction der Zeitschrift Merkur. Da im J. 1806 auch diese einging, ernährte er sich vorübergehend durch Privatunterricht, dann aber war er bis an sein Ende lediglich aufs Schriftstellern angewiesen. Da es hiemit niemals recht glücken wollte und er außerdem noch eine Familie zu ernähren hatte, so war er fortwährend höchst empfindlichem Mangel, zuweilen der bittersten Noth überliefert. In einem ärmlichen Zimmer, das er zuweilen lange Zeit hindurch, einmal fünf Monate lang, nicht verließ, lebte er mit den Seinigen zusammen, rastlos und fast übermenschlich arbeitend und mitunter sogar heitern Sinn sich bewahrend. Nur im J. 1812 wurde er nach dem Tode seines Vaters durch die kleine Erbschaft auf kurze Zeit seinen Sorgen entrückt. Im J. 1825 trat er aus unbekanntem Anlasse zur katholischen Kirche über, in einer Zeit, in welcher überhaupt diese Uebertritte sich häuften; er hat über diesen Schritt stets Stillschweigen beobachtet. Im J. 1812 begann er zu kränkeln, von 1823 ab körperlich und geistig schwer zu leiden; Wassersucht und wechselndes Irresein verzehrten sein Leben. Noch 1830 arbeitete er fast sterbend an einem in die Litteratur der Musik einschlagenden lexikalischen Werkchen, das nach seinem Tode erschien; am 9. April 1831 endeten seine Leiden. Als Schriftsteller ist er außerordentlich vielseitig und fruchtbar gewesen. Seine Dichtungen haben zwar [336] Mangel an Phantasie und poetischer Kraft, doch zeigen sie eine reine Form, große Gewandtheit, namentlich im Nachbilden romanischer Formen, und eine gewisse Anmuth. Sie gehören fast ausschließlich dem lyrischen Gebiete an; wir nennen hier folgende Schriften: „Kalliope, Sammlung lyrischer und epigrammatischer Gedichte“, Münster 1806; „Maja, Sammlung vermischter Schriften“, Osnabrück 1811; „Sommerfrüchte“, Münster 1811; „Auserlesene poetische Schriften“, Heidelberg 1816: „Poetisches Lustwäldchen,“ Köln 1820; „Poetische Schriften“, Leipzig 1821; „Astern“, Altenburg 1824. Eine zweite Seite seines Wirkens war die bibliographisch-litterarhistorische, womit er sich unleugbares Verdienst erworben hat. An der Spitze steht hier sein „Münsterländisches Schriftstellerlexikon“, das in fünf Abtheilungen, zu Lingen 1814 und 1815, zu Münster 1818 und 1824 und nach seinem Tode 1833 (in seinem „Leben und Nachlaß“) erschien und später von seinem Sohne Ernst R. zu Münster 1866 neu bearbeitet herauskam. Dahin gehört ferner der „deutsche Dichternekrolog“, Nordhausen 1818, die „Gallerie der jetzt lebenden Dichter, Romanschriftsteller, Erzähler, Uebersetzer, Anthologen u. s. w.“, Helmstedt 1818, das „kritische Gesammtregister oder Nachweise aller in den deutschen Litteraturzeitungen und Zeitschriften enthaltenen Recensionen“, Leipzig 1820, das „Pantheon deutscher jetzt noch lebender Dichter“, Helmstedt 1823, das „Lexikon deutscher pseudonymer Schriftsteller“, Leipzig 1830, die „Denkmäler deutscher Dichterinnen „im Fouquéschen Frauentaschenbuch, der Artikel Johann v. Alpen im dritten Bande der Ersch und Gruberschen Encyklopädie, endlich seine vielen Beiträge zu Meusel’s gelehrtem Teutschland. Drittens als Antholog stand er bis dahin in Deutschland an erster Stelle. Wir erwähnen hier seine „Triolette der Deutschen“, Duisburg und Essen 1815, seine dreibändigen „Sonnette der Deutschen“. Braunschweig 1817 und 1818, seinen „Neuen Kranz deutscher Sonnette“, Nürnberg 1820, seine „Blumenlese südlicher Spiele im Garten deutscher Poesie“, Berlin 1817, seine „Auswahl neuerer Balladen und Romanzen“, Helmstädt 1818, seine „Heroiden der Deutschen“, Nordhausen 1819, vor allem aber seine „Deutsche Anthologie oder Blumenlese aus den Classikern der Deutschen“, Zwickau von 1821 ab, bis 1824 bereits 16 Bändchen. Ferner gab er mehrfach Taschenbücher heraus; seine „Mimigardia“ erschien zu Münster 1810–1812, sein „Taschenbuch für 1814“ zu Düsseldorf, seine „Abenderheiterungen“ zu Quedlinburg 1815, sein „Rheinisch-westphälischer Musenalmanach“ zu Hamm 1821 u. 1822 und zu Köln 1823, seine „Frühlingsgaben“ zu Leipzig 1824, sein „Fastnachtsbüchlein für Alt und Jung“ 1826. An Journalen hat er redigirt die „Neuen Anzeigen vom Nützlichen, Angenehmen und Schönen“, Halberstadt 1803–4, und ebendaselbst zu gleicher Zeit die „Allgemeine Zeitung der Merkwürdigkeiten“, ferner die „Eos, Zeitschrift für Gebildete“, Münster 1810, die jedoch gleichfalls nicht lange bestand, ebenso wenig die zu Leipzig und Crefeld 1816 erscheinende „Thusnelda, Unterhaltungsblatt für Deutsche“. Können schon diese verschiedenen Früchte seiner Thätigkeit hier nur unvollständig aufgeführt werden, so ist es völlig unmöglich, alle die Zeitschriften aufzuführen, zu denen er Gedichte und Aufsätze der verschiedensten Art lieferte. Diese zersplitterte und zum Theil ganz fruchtlose Thätigkeit eines Mannes, der zum Schreiben gezwungen war, kann zum warnenden Beispiel für Manchen dienen, der im Begriffe steht, sich dem sog. Schriftstellerberuf im engem Sinne zu widmen.
Raßmann: Christian Friedrich R., gewöhnlich nur Friedrich R. genannt, war der Sohn des gräflich stolbergischen Bibliothekars- Friedrich Raßmanns Leben und Nachlaß. Münster 1833. – Keßlin, Chr. Fr., Nachrichten von Schriftstellern und Künstlern der Grafschaft Wernigerode. Magdeburg 1856. – Neuer Nekrolog der Deutschen. Neunter Jahrgang, 1831. Ilmenau 1833. S. 307–310.